Empfehlungen der Ausschüsse*
Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Leitlinien der Union für den Aufbau des transeuropäischen Verkehrsnetzes KOM (2011) 650 endg.

891. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2011

Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und der Verkehrsausschuss empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß Artikel 12 Buchstabe b EUV wie folgt Stellung zu nehmen:

Der Verordnungsvorschlag sieht umfangreiche und kostenintensive Infrastrukturmaßnahmen im Rahmen der europäischen Verkehrsnetze vor. Infrastruktur einschließlich Bau und Finanzierung sind grundsätzlich Kompetenzen der Mitgliedstaaten. Die bisher in Eigenregie der Mitgliedstaaten vorgenommene Planung, Finanzierung und Durchführung hat sich, auf Grund des starken Eigeninteresses an zügiger Realisierung - auch bei grenzüberschreitenden Projekten -, als ausreichend für das Ziel erwiesen, transeuropäische Netze zu etablieren. Insbesondere die Schaffung neuer Institutionen (Korridorplattformen), die Ernennung von EU-Koordinatoren ohne Zustimmung der Mitgliedstaaten und die Ausgestaltung der Implementierung sind nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar.

Mit der Vorgabe zahlreicher konkreter "Anforderungen" an die Mitgliedstaaten beim Ausbau des Kern- und Gesamtnetzes - wie etwa Einrichtung sicherer Parkplätze, Aufbau eines Gesamtnetzes in städtischen Knoten, Schaffung von Barrierefreiheit, Sicherheitsmanagement für Straßenverkehrsinfrastruktur, Interoperabilitätsanforderungen - würde wesentlicher Einfluss auf die Gestaltung des Verkehrshaushalts der Mitgliedstaaten genommen; hierin liegt ein unverhältnismäßiger Eingriff in nationale Planungshoheit.

Die im Verordnungsentwurf vorgeschlagenen Regelungen, insbesondere in den Kapiteln II bis IV, sind zur Realisierung eines transeuropäischen Verkehrsnetzes weder geeignet noch erforderlich oder angemessen.

Die Mitgliedstaaten sollen mittel- und langfristig zum Aufbau eines Verkehrsnetzes nach Maßgabe zahlreicher im Einzelnen dargelegter Rahmenbedingungen verpflichtet werden. Verkehrspolitik würde damit zu großen Teilen entnationalisiert. Die Finanzierungslast würde im Gegensatz dazu zu wesentlichen Teilen auf die Mitgliedstaaten verlagert.

Der Korridoransatz mit Konzentration der Unionsförderung auf zehn Korridore ist zur Schaffung eines funktionsfähigen transeuropäischen Verkehrsnetzes nicht geeignet, sondern entfernt sich vom Netzgedanken. Insgesamt gehen die Implementierungsvorschriften in ihrer Regelungsdichte weit über Ziel und Inhalt von Titel XVI AEUV hinaus.

Die genannten Eingriffe in die nationale Planungshoheit sind weder erforderlich noch angemessen und zumutbar. Das Fehlen eines Planungs- und Haushaltsvorbehalts stellt ein unkalkulierbares Risiko für die Haushalte der Mitgliedstaaten dar und ist insofern ebenfalls nicht angemessen.

Darüber hinaus stehen die beabsichtigten Festlegungen zum transeuropäischen Verkehrsnetz im Widerspruch zu den innerstaatlich bindenden Kriterien der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Die Ergebnisse der Bundesverkehrswegeplanung stimmen nicht zwingend mit den Korridorfestlegungen der Kommission überein. Die geplante Verpflichtung zur vordringlichen Realisierung von Maßnahmen auf den festgelegten Korridoren würde bedeuten, dass diese Maßnahmen auch bei geringer oder im Extremfall sogar fehlender Wirtschaftlichkeit anderen hochwirtschaftlichen Maßnahmen vorgezogen werden müssten. Mangels Finanzierbarkeit müssten dann gegebenenfalls hochwirtschaftliche Maßnahmen entfallen.

Dies widerspräche grundlegend den nationalen Interessen und ist mit dem Haushaltsrecht nicht vereinbar.