Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht über die Auswirkungen der Föderalismusreform auf die Vorbereitung von Gesetzentwürfen der Bundesregierung und das Gesetzgebungsverfahren

Der Chef des Bundeskanzleramtes Berlin, den 31. August 2006

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Peter Harry Carstensen

Sehr geehrter Herr Präsident,

hiermit übersende ich den vom Bundesministerium des Innern und vom Bundesministerium der Justiz erstellten

Der Deutsche Bundestag wird ebenfalls entsprechend unterrichtet.

Das Bundeskabinett hat den Bericht in seiner Sitzung am 23. August 2006 zustimmend zur Kenntnis genommen.


Mit freundlichen Grüßen
Dr. Thomas de Maizière


* Als Anlage wird die aktualisierte Fassung vom 30.08.06 beigefügt.

Anlage
Bericht über die Auswirkungen der Föderalismusreform auf die Vorbereitung von Gesetzentwürfen der Bundesregierung und das Gesetzgebungsverfahren

A. Einführung

Dem vom Deutschen Bundestag am 30. Juni 2006 beschlossenen Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (BT-Drs. 16/813 in der Fassung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 28. Juni 2006, BT-Drs. 016/2010) hat der Bundesrat am 7. Juli 2006 zugestimmt. Die beschlossenen Verfassungsänderungen werden am Tag nach der Verkündung (voraussichtlich zum 1. September 2006) in Kraft treten. Auf das Föderalismusreform-Begleitgesetz (BT-Drs. 16/814) und die begleitenden parallelen Entschließungen von Bundestag und Bundesrat (BT-Drs. 16/ 2052; BR-Drs. 462/06(B) HTML PDF ) wird ergänzend hingewiesen.

Nachfolgend sollen die wichtigsten Auswirkungen der neuen Verfassungsrechtslage auf die Vorbereitung von Gesetzentwürfen der Bundesregierung und das Gesetzgebungsverfahren erläutert werden.

Generell gilt: Gesetze, deren Kompetenzgrundlage durch die Verfassungsänderung erst geschaffen wird, dürfen nicht ausgefertigt werden, bevor die Grundgesetzänderung in Kraft getreten ist (BVerfGE 34, 9, LS 3, 23). Damit gilt aber zugleich, dass auf den vor der Verkündung liegenden Schritten des Gesetzgebungsverfahrens schon das "neue" Verfassungsrecht zu Grunde gelegt werden kann (so BVerfGE 34, 9, 22 ausdrücklich für die Einbringung bei den gesetzgebenden Körperschaften). Dementsprechend sollte auch verfahren werden, wenn absehbar ist, dass ein Gesetzgebungsverfahren erst nach Inkrafttreten der Verfassungsänderungen abgeschlossen werden kann, ein Entwurf also letztlich ohnehin den neuen verfassungsrechtlichen Regelungen genügen muss.

Die nachfolgend im Einzelnen erläuterten Verfassungsänderungen betreffen im Wesentlichen folgende Bereiche:

B. Neuordnung der Gesetzgebungskompetenzen

I. Abschaffung der Rahmengesetzgebung

Im Zuge der Abschaffung der Rahmengesetzgebung (bisher Artikel 75 GG) werden die bislang dieser Kompetenzart zugeordneten Materien zwischen Bund und Ländern aufgeteilt.

Soweit diese Materien in die ausschließliche Gesetzgebung des Bundes oder die konkurrierende Gesetzgebung überführt werden, bleibt das bisherige Rahmenrecht einschließlich der darin enthaltenen Befugnisse und Verpflichtungen der Länder zur Gesetzgebung als Bundesrecht bestehen (Artikel 125b Abs. 1 GG). Die Länder bleiben daher auch nach dem Inkrafttreten der Föderalismusreform zur Umsetzung von Regelungsaufträgen des bisherigen Rahmenrechts berechtigt und verpflichtet, bis der Bundesgesetzgeber von seiner neuen Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht hat.

II. Verlagerung von Kompetenzmaterien in die ausschließliche Gesetzgebung des Bundes

In die ausschließliche Gesetzgebung des Bundes (Artikel 71, 73 GG - neu -) werden folgende Materien verlagert:

Außerdem wird eine neue ausschließliche Bundeskompetenz zur Regelung präventiver Befugnisse des Bundeskriminalamts bei der Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus in bestimmten Fällen geschaffen (Artikel 73 Abs. 1 Nr. 9aGG - neu -). Gesetze, die auf Grund dieser Kompetenz erlassen werden, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates (Artikel 73 Abs. 2 GG - neu -).

Konsequenzen:

Für die bisher der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegenden Materien (Nr. 1 bis 3) sind die Länder künftig von eigener Rechtsetzung ausgeschlossen, soweit sie hierzu nicht in einem Bundesgesetz ausdrücklich ermächtigt werden (vgl. Artikel 71 GG).

Ggfs. bestehende landesrechtliche Regelungen bleiben als Landesrecht bestehen; sie können durch Bundesrecht ersetzt werden (Artikel 125a Abs. 3 GG - neu -). Ebenso wie neue Bundesgesetze unterfallen auch Änderungen bestehender Bundesgesetze auf diesen Gebieten nicht mehr der nur für die konkurrierende Gesetzgebung geltenden Erforderlichkeitsklausel des Artikels 72 Abs. 2 GG; entsprechende Ausführungen in der

Begründung (§ 43 Abs. 2 GGO) sind deshalb künftig entbehrlich.

In den bisher der Rahmengesetzgebung unterliegenden Materien (Nr. 4 und 5) kann der Bund künftig Vollregelungen treffen ; auch hier gilt bestehendes Landesrecht als Landesrecht fort und kann durch Bundesrecht ersetzt werden (Artikel 125a Abs. 3 GG - neu -).

Nach der bisherigen Verfassungsrechtslage erlassenes Rahmenrecht des Bundes gilt als Bundesrecht fort. Die hier bislang bestehenden Befugnisse und Verpflichtungen der Länder zur Gesetzgebung bleiben so lange und soweit bestehen, wie der Bundesgesetzgeber von seiner neuen Gesetzgebungszuständigkeit keinen Gebrauch gemacht hat (Artikel 125b Abs. 1 Satz 1 und 2 GG - neu -).

III. Einschränkung des Anwendungsbereichs der Erforderlichkeitsklausel (Artikel 72 Abs. 2 GG)

Nach bisheriger Verfassungsrechtslage bedurfte es bei allen Gesetzen auf dem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung des Nachweises der Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung gem. Artikel 72 Abs. 2 GG. Mit der Neufassung des Artikels 72 Abs. 2 GG werden zahlreiche Materien des Artikels 74 Abs. 1 GG von der Erforderlichkeitsvoraussetzung befreit.

Konsequenzen:

Die Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung (Artikel 72 Abs. 2 GG - neu -) ist künftig nur noch bei Bundesgesetzen in folgenden Sachgebieten zu begründen (§ 43 Abs. 2 GGO):

Soweit ein Bundesgesetz auf mehrere Kompetenztitel gestützt wird, bedarf es einer Begründung der Erforderlichkeit i.S.d. Artikel 72 Abs. 2 GG - neu - jeweils nur hinsichtlich der o.g. Regelungsmaterien.

Bei Gesetzentwürfen, die noch nach der bisherigen Verfassungsrechtslage in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden sind, besteht kein Änderungsbedarf. Sind in diesen Entwürfen Regelungen nicht getroffen worden, weil ihre Erforderlichkeit nicht dargetan werden konnte, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, solche Regelungen im laufenden Gesetzgebungsverfahren nachträglich durch Änderungsanträge einzubringen.

IV. Verlagerung von Kompetenzmaterien auf die Länder

Im Zuge der Abschaffung der Rahmengesetzgebung (bisher Artikel 75 GG) und der Neuordnung der konkurrierenden Gesetzgebung (Artikel 74 Abs. 1 GG) werden folgende Materien auf die Länder verlagert:

Das auf Grund der bisherigen Verfassungsrechtslage in diesen Materien erlassene Bundesrecht gilt als Bundesrecht fort; es kann durch Landesrecht ersetzt werden (Artikel 125a Abs. 1 GG - neu -). Der Bundesgesetzgeber bleibt befugt, einzelne Vorschriften im Sinne der Ladenschluss-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG-E 111, 10, 30f.) zu ändern (technische Anpassung an geänderte Verhältnisse, keine inhaltliche Änderung der "wesentlichen Elemente"). Die Möglichkeit zur Aufhebung des bisherigen Bundesrechts bleibt ihm unbenommen. Solange und soweit eine Ersetzung durch Landesrecht noch nicht erfolgt ist, wird eine Aufhebung unter Berücksichtigung des Grundsatzes der wechselseitigen Bundestreue jedoch nur mit angemessenem Vorlauf erfolgen können, die dem Landesgesetzgeber eine Vermeidung von Regelungslücken ermöglicht. Unberührt bleibt die Zuständigkeit des Bundes für solche Teilbereiche der aufgrund weggefallener Kompetenzen erlassenen Gesetze, die sich auf andere - nicht auf die Länder übertragene - Kompetenzgrundlagen stützen (z.B. die Befugnis zu Arbeitsschutzregelungen im Ladenschlussgesetz).

Konsequenzen:

Gesetze, für die keine Kompetenzgrundlagen des Bundes mehr bestehen, können nicht mehr beschlossen werden. Hierauf haben auch die jeweils federführenden Ressorts zu achten.

Hinweis: Nach h.M. ist auch eine Rücknahme von Gesetzentwürfen durch den Gesetzesinitiativberechtigten bis zur Schlussabstimmung in der dritten Lesung des Bundestages möglich.

V. Abweichungsrechte der Länder im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung

Soweit bisher der Rahmengesetzgebung unterliegende Materien in die konkurrierende Gesetzgebung überführt werden, erhält der Bund nunmehr die Möglichkeit zu einer Vollregelung.

Insbesondere wird dem Bund insoweit die einheitliche Umsetzung von EU-Recht ermöglicht. Im Gegenzug erhalten die Länder für die in Artikel 72 Abs. 3 GG - neu - im Einzelnen genannten Bereiche

Zur Abgrenzung derjenigen Kompetenzmaterien, die materiellen Abweichungsrechten der Länder unterliegen von den sog. abweichungsfesten Kernen (Klammerzusätze in Artikel 72 Abs. 3 GG - neu -) wird auf die Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drs. 16/813, S. 11) verwiesen. Bundesgesetze auf den Abweichungsrechten der Länder unterliegenden Gebieten nach Artikel 72 Abs. 3 GG - neu - treten frühestens 6 Monate nach ihrer Verkündung in Kraft, um den Ländern Gelegenheit zu geben, rechtzeitig vor deren Inkrafttreten festzulegen, ob und in welchem Umfang sie von Bundesrecht abweichendes Landesrecht erlassen oder beibehalten wollen. Für Eilfälle (z.B. wegen europarechtlicher Umsetzungsfristen) besteht die Möglichkeit eines früheren Inkrafttretens, wenn der Bundesrat dem zustimmt (Artikel 72 Abs. 3 Satz 2 GG - neu -).

Zum Verhältnis von Bundes- und Landesrecht im Bereich der Abweichungsgesetzgebung gilt nach Artikel 72 Abs. 3 Satz 3 GG - neu -, dass das jeweils spätere Gesetz vorgeht. Danach setzt ein vom Bundesrecht abweichendes Landesgesetz das Bundesrecht für das Gebiet des betreffenden Landes nicht außer Kraft, sondern es hat lediglich Anwendungsvorrang ("geht vor"). Das bedeutet, dass z.B. bei Aufhebung des abweichenden Landesrechts automatisch wieder das Bundesrecht gilt. Novelliert der Bund sein Recht, zum Beispiel um neue Vorgaben des EU-Rechts bundesweit umzusetzen, geht das neue Bundesrecht - als das spätere Gesetz - dem zwischenzeitlich ergangenen abweichenden Landesrecht vor. Die Länder ihrerseits können auch von novelliertem Bundesrecht erneut abweichen (im Beispielsfall aber nur unter Beachtung des auch für die Länder verbindlichen EU-Rechts). Das Landesrecht geht dann wiederum dem Bundesrecht vor. Diese Regelung stellt eine Ausnahme vom Grundsatz des Artikels 31 GG (Bundesrecht bricht Landesrecht) dar und passt den Grundsatz "lex posterior derogat legi priori" dem hier gewollten Anwendungsvorrang im Verhältnis zwischen Bundesund Landesrecht an.

Die für die praktische Anwendung der neuen Verfassungsrechtslage in den der Abweichungsgesetzgebung der Länder unterliegenden Materien bedeutsamen Übergangsregelungen enthält Artikel 125 b Abs. 1 Satz 3 GG - neu - . Danach können die Länder auf den in Artikel 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 GG - neu - genannten Gebieten (soweit die Abweichungsbefugnis reicht) sogleich vom bisherigen Rahmenrecht abweichende Regelungen treffen. Auf den Gebieten des Rechts der Hochschulzulassung und der Hochschulabschlüsse (Artikel 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 GG - neu -) sowie des Umweltrechts (Artikel 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 5 GG - neu -) gilt eine Übergangsfrist, bis zu der allein der Bundesgesetzgeber eine Neuordnung dieser Materien, auf den Gebieten des Umweltrechts insbesondere die Schaffung eines Umweltgesetzbuches, vornehmen kann. Macht allerdings der Bund vor Ablauf dieser Übergangsfrist von seiner Gesetzgebungsbefugnis in diesen Materien Gebrauch, unterliegen die neu geschaffenen Regelungen (aber auch nur diese) sofort dem Abweichungsrecht der Länder.

Konsequenzen:

Berücksichtigung bei künftigen Gesetzentwürfen.

Bei laufenden Gesetzgebungsverfahren bedarf es einer fachlichen Prüfung, ob das Gesetz ungeachtet der künftig bestehenden Abweichungsrechte der Länder weiterbetrieben werden soll. Regelmäßig wird die Inkrafttretensregelung im Hinblick auf die neue Inkrafttretensfristvorgabe des Artikels 72 Abs. 3 Satz 2 GG zu ändern sein. Anderenfalls müsste das Vorliegen eines Eilfalles (z.B. im Hinblick auf die fristgebundene Umsetzung europäischen Rechts) in geeigneter Form (z.B. im Bericht des federführenden Ausschusses) geltend gemacht und ggf. in der Eingangsformel die nach Artikel 72 Abs. 3 Satz 2 GG - neu - erforderliche Zustimmung des Bundesrates vorgesehen werden.

Sind Gesetzentwürfe vor dem Inkrafttreten der Verfassungsänderung vom Deutschen Bundestag beschlossen worden, denen der Bundesrat bis zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht zugestimmt hat, verbleibt nur die Möglichkeit einer Modifizierung im Vermittlungsverfahren.

Hinweis: Nach Nummer 11 der begleitenden Entschließungen sollen Bund und Länder gemeinsam gewährleisten, dass abweichendes Landesrecht (nach Artikel 72 Abs. 3 GG - neu -, aber auch nach Artikel 84 Abs. 1 GG - neu - [dazu näher unter C. I.]) fortlaufend gemeinsam mit dem Bundesrecht, von dem abgewichen wird, in einer für die Rechtsanwender zugänglichen Weise dokumentiert wird. Die gemeinsame Dokumentation von Bundes- und abweichendem Landesrecht - gedacht ist an das Dokumentationssystem "juris" - soll dem Rechtsanwender auf einen Blick und an einem Ort Klarheit über das jeweils geltende Recht geben (unabhängig von der jeweils getrennten Veröffentlichung von Bundes- und Landesrecht in den jeweiligen Gesetzblättern).

BMI und BMJ werden der Umsetzung dieser Vorgabe gesondert nachgehen.

C. Neuordnung der Zustimmungsbedürftigkeit

I. Bundesgesetzliche Regelungen zur Einrichtung von Behörden und des Verwaltungsverfahrens der Länder bei der Ausführung der Bundesgesetze als eigene Angelegenheit (Artikel 84 Abs. 1 GG -neu- )

Künftig kann der Bundesgesetzgeber ohne die bisher erforderliche Zustimmung des Bundesrates die Behördeneinrichtung und das Verwaltungsverfahren der Länder bei der Ausführung der Bundesgesetze als eigene Angelegenheit (Artikel 83, 84 Abs. 1 GG) regeln; die Länder können aber davon abweichende landesgesetzliche Regelungen treffen.

Bundesgesetzliche Regelungen des Verwaltungsverfahrens der Länder ohne Abweichungsmöglichkeit sind nur noch in Ausnahmefällen wegen eines besonderen Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung und mit Zustimmung des Bundesrates möglich; bei Regelungen der Behördeneinrichtung (darunter vor allem Aufgabenzuweisungen an bestimmte [Landes-]Behörden) kann das Abweichungsrecht gar nicht ausgeschlossen werden.

In rechtsförmlicher Hinsicht ist der Ausschluss einer Abweichungsmöglichkeit der Länder entweder in der betreffenden Norm selbst oder - wenn mehrere Normen betroffen sind - in einer Schlussbestimmung des Stammgesetzes zu regeln. Soll ein Abweichungsrecht nur für einen Teil der Verfahrensbestimmungen ausgeschlossen werden, sind in der Schlussbestimmung die maßgeblichen Vorschriften, von denen nicht abgewichen werden darf, konkret zu nennen ("Von den in den §§ ... getroffenen Regelungen des Verwaltungsverfahrens kann durch Landesrecht nicht abgewichen werden."). Auf eine Einzelaufzählung kann lediglich in den (Ausnahme-)Fällen verzichtet werden, in denen sich der Ausschluss einer Abweichungsmöglichkeit auf alle Regelungen des betreffenden Stammgesetzes erstrecken soll. In diesen Fällen lautet die Formulierung:

"Von den in diesem Gesetz getroffenen Regelungen des Verwaltungsverfahrens kann durch Landesrecht nicht abgewichen werden.". Da eine solche Vorschrift jedoch die Zustimmungsfreiheit späterer Gesetzesänderungen zum Verfahrensrecht verhindern kann (d.h. spätere Gesetzesänderungen zum Verfahrensrecht bei Beibehaltung dieser Klausel zustimmungsbedürftig würden), sollte sie sparsam verwendet und auch bei Ausschluss des Abweichungsrechts für alle - aber absolut nicht viele - Regelungen des Verwaltungsverfahrens in einem Gesetz möglichst eine Einzelaufzählung vorgenommen werden.

Das Vorliegen eines Ausnahmefalles und des besonderen Bedürfnisses nach einer bundeseinheitlichen Regelung (Artikel 84 Abs. 1 Satz 5 GG - neu -) sind in der Gesetzesbegründung darzulegen. Die Vorschrift ist entsprechend der Zielrichtung des neuen Artikels 84 Abs. 1 GG - neu - (signifikante Verringerung der Zahl zustimmungsbedürftiger Gesetze) grundsätzlich eng auszulegen. Nach Nummer 4 der begleitenden Entschließungen besteht (nur) Einigkeit zwischen Bund und Ländern, dass bei Regelungen des Umweltverfahrensrechts regelmäßig die Voraussetzungen des Artikel 84 Abs. 1 Satz 5 GG - neu - erfüllt sind. Wenn die bundeseinheitliche Geltung einer Verfahrensvorschrift für sachgerecht angesehen wird, sollte zunächst geklärt werden, ob auf Länderseite überhaupt Abweichungsabsichten bestehen und, wenn ja, ob eine fachliche Verständigung hierüber bereits im Vorfeld des eigentlichen Gesetzgebungsverfahrens möglich ist.

Wenn eine Verfahrensregelung bereits durch EU- oder Völkerrecht bindend vorgegeben ist und kein nationaler Umsetzungsspielraum mehr besteht, bedarf es keines (zusätzlichen) Ausschlusses des Abweichungsrechts durch den Bundesgesetzgeber. Eine in Umsetzung supranationaler oder völkerrechtlicher Vorgaben ergehende Verfahrensregelung kann der Bundesgesetzgeber deshalb ohne Zustimmung des Bundesrates treffen.

Nur das Vertragsgesetz bedarf nach Artikel 59 Abs. 2 GG der Zustimmung des Bundesrates, wenn der zugrunde liegende völkerrechtliche Vertrag bindende Verfahrensregelungen enthält. Auch in diesem Fall bedarf es aber keiner gesonderten gesetzlichen Regelung zum Ausschluss des Abweichungsrechts. Vielmehr ist lediglich in der Begründung darauf hinzuweisen, dass das Gesetz der Zustimmung des Bundesrates bedarf weil der Vertrag, der innerstaatlich in Geltung gesetzt wird, Verfahrensregelungen enthält und insoweit für abweichendes Landesrecht keinen Raum lässt.

Hat ein Land eine abweichende Regelung nach Artikel 84 Abs. 1 Satz 2 GG getroffen, treten in diesem Land hierauf bezogene spätere bundesgesetzliche Regelungen der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens frühestens sechs Monate nach ihrer Verkündung in Kraft, soweit nicht (in Eilfällen z.B. wegen fristgebundener Umsetzung europäischen Rechts) mit Zustimmung des Bundesrates anderes bestimmt ist (Artikel 84 Abs. 1 Satz 3 GG - neu -).

Für die künftige Staatspraxis besonders wichtig ist die Übergangsregelung zu dem nach bisheriger Verfassungsrechtslage erlassenen Organisations- und Verfahrensrecht (Artikel 125 b Abs. 2 GG): Während die Länder von bestehenden Regelungen der Behördeneinrichtung sofort abweichen dürfen, gilt für Regelungen des Verwaltungsverfahrens eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2008. Hiermit sollen dem Bund eine Überprüfung des vorhandenen Normbestandes und gegebenenfalls eine Neuregelung des Verwaltungsverfahrens ohne Abweichungsmöglichkeit nach Artikel 84 Abs. 1 Satz 3 GG vor dem Ablauf der Übergangsfrist ermöglicht werden.

Vor Ablauf dieser Frist können die Länder von nach altem Recht bestehenden bundesgesetzlichen Regelungen des Verwaltungsverfahrens allerdings dann abweichende Regelungen treffen wenn der Bundesgesetzgeber das jeweilige Bundesgesetz im Bereich des Verwaltungsverfahrens geändert hat. In diesen Fällen erstreckt sich das Abweichungsrecht sogleich auf alle (nicht nur auf die geänderten) verfahrensrechtlichen Vorschriften des Stammgesetzes.

Hinweis: Für die Regelung der Behördeneinrichtung und des Verwaltungsverfahrens im Bereich der Auftragsverwaltung (Artikel 85 GG) ändert sich durch die Föderalismusreform nichts. In diesem Bereich bedürfen Regelungen der Behördeneinrichtung nach wie vor stets der Zustimmung des Bundesrates nach Artikel 85 Abs. 1 (jetzt: Satz 1) GG - neu -, während Regelungen des Verwaltungsverfahrens zustimmungsfrei sind. Hier sind sowohl die Regelungen der Behördeneinrichtung als auch des Verwaltungsverfahrens für die Länder bindend; eine Abweichungsmöglichkeit besteht nicht Keine Abweichungsmöglichkeit - jedenfalls hinsichtlich des materiellrechtlichen Regelungsgehalts - besteht auch bei den sog. doppelgesichtigen Normen (materiellrechtliche Regelungen, die zugleich ein korrespondierendes verfahrensmäßiges Verhalten der Verwaltung festlegen, BVerfGE 37, 363, 386 f., 389), da insoweit nach wie vor uneingeschränkt der Vorrang des Bundesrechts nach Artikel 31 GG gilt.

Konsequenzen:

Für Neuregelungen:

Bei künftigen Gesetzentwürfen mit Regelungen des Verwaltungsverfahrens im Bereich der Landeseigenverwaltung bedarf es der Überprüfung und Entscheidung, ob die in dem Entwurf vorgesehenen neuen Regelungen des Verwaltungsverfahrens ausnahmsweise abweichungsfest sein sollen (vgl. oben). Trifft die Bundesregelung auf bestehendes abweichendes Landesrecht, muss dem bei der Gestaltung der Inkrafttretensregelung Rechnung getragen werden (Artikel 84 Abs. 1 Satz 3 GG - neu -).

Für Änderungen des geltenden Rechts:

Werden Regelungen des Verwaltungsverfahrens der Länder in bereits bestehenden Stammgesetzen vor Ablauf der Übergangsfrist (31. Dezember 2008) geändert (durch Änderung bestehender oder Einfügung neuer verfahrensrechtlicher Bestimmungen), führt dies infolge der dargestellten Übergangsregelung in Artikel 125 b Abs. 2 GG dazu, dass alle Verwaltungsverfahrensregelungen dieses Gesetzes (vorzeitig) für abweichendes Landesrecht geöffnet werden. Es müssen deshalb auch alle nicht geänderten Verfahrensregelungen des geänderten Stammgesetzes darauf überprüft werden, ob diese Öffnung hingenommen werden kann oder ob das Abweichungsrecht ausgeschlossen werden muss.

Für laufende Gesetzgebungsverfahren:

Auch Gesetzentwürfe, die sich bereits im Verfahren befinden, müssen daraufhin überprüft werden, ob neue Regelungen des Verwaltungsverfahrens abweichungsfrei oder abweichungsfest sein sollen und ob Regelungen des Verwaltungsverfahrens der Länder in bestehenden Stammgesetzen geändert worden sind. Je nach dem Ergebnis der Überprüfung muss ggf. das Abweichungsrecht der Länder für die neu getroffenen oder im geänderten Gesetz enthaltenen Verfahrensregelungen ausgeschlossen werden. Hierzu bedarf es entsprechender Änderungsanträge.

Bei Gesetzentwürfen, die vor dem Inkrafttreten der Verfassungsänderung vom Deutschen Bundestag beschlossen worden sind, denen der Bundesrat bis zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht zugestimmt hat, verbleibt nur die Möglichkeit einer Modifizierung des Entwurfs im Vermittlungsverfahren. Ist zu einem Gesetz die Zustimmung des Bundesrates erforderlich, können nicht nur der Bundesrat, sondern auch der Bundestag und die Bundesregierung die Einberufung des Vermittlungsausschusses verlangen. Schlägt der Ausschuss eine Änderung des Gesetzesbeschlusses vor, hat der Bundestag erneut Beschluss zu fassen (Artikel 77 Abs. 2 Satz 4 und 5 GG).

Unabhängig von aktuellen Gesetzgebungsverfahren:

Schließlich besteht unabhängig von aktuellen Gesetzgebungsverfahren bis zum 31. Dezember 2008 die Möglichkeit, bereits bestehende Regelungen des Verwaltungsverfahrens bei Vorliegen der Voraussetzungen dem Abweichungsrecht der Länder zu entziehen.

Der Ausschluss des Abweichungsrechts im Einzelnen:

Ergeben die vorstehend skizzierten Prüfungen, dass Regelungen des Verwaltungsverfahrens abweichungsfest sein sollen, bedarf es einer diese Rechtsfolge regelnden gesetzlichen Anordnung (mit Darlegung des Ausnahmefalls und des besonderen Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung in der Gesetzesbegründung).

Eine solche Regelung löst die Zustimmung des Bundesrates aus.

Die Zustimmungsbedürftigkeit erstreckt sich auf das gesamte Gesetz (Artikel 84 Abs. 1 Satz 6 GG - neu -).

Rechtsförmlich kann sie entweder durch einen entsprechenden Zusatz in der betreffenden Norm oder in einer gesonderten Bestimmung am Ende des betroffenen Gesetzes vor der Inkrafttretensvorschrift erfolgen (Formulierung etwa: "Abweichungen von den in den §§ ... enthaltenen Regelungen des Verwaltungsverfahrens durch Landesrecht sind ausgeschlossen.").

II. Auswirkungen im Zusammenhang mit Rechtsverordnungen

Gesetzliche Regelungen, durch die eine Verordnungsermächtigung zugunsten des Bundes geschaffen wird, die auch die Befugnis zum Erlass von Regelungen des Verwaltungsverfahrens der Länder umfasst, hat das Bundesverfassungsgericht als Verfahrensregelungen angesehen die nach Artikel 84 Abs. 1 GG der Zustimmung des Bundesrates bedürfen (BVerfGE 55, 274, 325f.). Nach dem neuen Artikel 84 Abs. 1 GG können Regelungen des Verwaltungsverfahrens und damit auch die hier in Rede stehenden Ermächtigungen zustimmungsfrei getroffen werden, solange darauf verzichtet wird das Abweichungsrecht der Länder auszuschließen. In diesem Fall können die Länder allerdings nicht nur von der gesetzlichen Ermächtigung selbst, sondern auch von dem auf ihrer Grundlage geschaffenen Verordnungsrecht abweichen, da beide als normative Einheit anzusehen sind. Soll dies vermieden werden, muss im Gesetz selbst angeordnet werden, dass "Abweichungen von den Regelungen des Verwaltungsverfahrens gemäß § X ausgeschlossen" sind; diese Formulierung erfasst auch das auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung ergangene Verordnungsrecht. Dadurch würde das Gesetz freilich wieder zustimmungsbedürftig.

Entsprechendes dürfte gelten, wenn der Bundesgesetzgeber im Wege der Änderung einer Rechtsverordnung Regelungen des Verwaltungsverfahrens oder der Behördeneinrichtung der Länder schafft. Das Bundesverfassungsgericht hat kürzlich entschieden, dass das auf diese Weise entstandene Normgebilde insgesamt als Rechtsverordnung zu qualifizieren ist (Beschluss vom 13. September 2005, 2 BvF 2/03, LS. 2, Rn. 210 des Umdrucks). Zugleich hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass sich die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes, auch soweit es Änderungen an einer Verordnung vornimmt nicht am Maßstab des Artikels 80 Abs. 2 GG, sondern nach Artikel 84 Abs. 1 GG bestimmt (a.a.O., Rn. 215). Danach wird künftig auch insoweit die Zustimmungsbedürftigkeit nur noch ausgelöst, soweit das Abweichungsrecht der Länder gesetzlich ausgeschlossen wird. Um das nicht unerhebliche Risiko einer "vorzeitigen" Öffnung der verfahrensrechtlichen Regelungen im Gesetz oder der Verordnung infolge ihrer an Artikel 84 Abs. 1 GG zu messenden Änderung durch den Gesetzgeber zu vermeiden, sollte allerdings bis zum Ablauf der Übergangsfrist (am 31. Dezember 2008) von einer gesetzlichen Änderung verfahrensrechtlicher Regelungen in einer Verordnung möglichst abgesehen werden.

Ändert dagegen der Verordnungsgeber eine bestehende verordnungsrechtliche Regelung des Verwaltungsverfahrens der Länder durch Rechtsverordnung, wird die Rechtsfolge des Artikel 125b Abs. 2 GG - neu - nicht ausgelöst, da eine vorzeitige "Öffnung" des bestehenden Verfahrensrechts nach dieser Vorschrift nur dann erfolgt, wenn in dem jeweiligen Bundesgesetz Regelungen des Verwaltungsverfahrens geändert worden sind. Zugleich kann davon ausgegangen werden, dass ein Abweichungsrecht zunächst auch von neuen Regelungen des Verwaltungsverfahrens der Länder nicht besteht, die der Verordnungsgeber auf der Grundlage einer bereits bestehenden ("altrechtlichen") Ermächtigung trifft. Ein Abweichungsrecht besteht insoweit vielmehr erst dann wenn auch die gesetzliche Ermächtigung der Abweichung unterliegt. Dies ist erst nach dem 31. Dezember 2008 bzw. vorher nur dann der Fall, wenn der Gesetzgeber die Verordnungsermächtigung selbst oder andere Regelungen des Verwaltungsverfahrens in demselben Gesetz ändert.

Abschließend wird vorsorglich auf folgenden Fall der Zustimmungsbedürftigkeit hingewiesen, der infolge der Föderalismusreform zwar selbst keine Änderungen erfahren hat, künftig aber wegen des Rückgangs der bislang im Vordergrund stehenden Zustimmungsbedürftigkeit nach Artikel 84 Abs. 1 GG von größerer praktischer Bedeutung sein wird: Artikel 80 Abs. 2 GG erlaubt es dem Bundesgesetzgeber, die nach dieser Vorschrift "eigentlich" erforderliche Zustimmungsbedürftigkeit einer Rechtsverordnung auszuschließen.

Eine solche Regelung - die etwa auch dann vorliegt, wenn bereits bestehende Ermächtigungen zu zustimmungsfreiem Verordnungserlass nachträglich erweitert werden - löst dann gewissermaßen "im Ausgleich" für die Zustimmungsfreiheit der Verordnung die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes aus, in dem sie getroffen wird (BVerfGE 28, 66, 77). Zur Reduzierung von Zustimmungsbedürftigkeiten sollte geprüft werden ob in Fällen, in denen das Recht zur Abweichung von der Ermächtigungsgrundlage nach Art. 84 Abs. 1 Satz 5 GG ausgeschlossen wird, zugleich die nach Artikel 80 Abs. 2 GG erforderliche Zustimmung des Bundesrates zum Verordnungserlass ausgeschlossen werden kann.

Konsequenzen:

Beachtung bei künftigen Gesetzgebungsvorhaben.

III. Bundesgesetze mit erheblichen Kostenfolgen für die Länder (Artikel 104a Abs. 4 GG - neu -)

Nach Artikel 104a Abs. 4 GG - neu - bedürfen Bundesgesetze, die Pflichten der Länder zur Erbringung von Geldleistungen, geldwerten Sachleistungen oder vergleichbaren Dienstleistungen (etwa: Kinderbetreuung; Sprachkurse) gegenüber Dritten begründen und von den Ländern als eigene Angelegenheit oder nach Artikel 104a Abs. 3 Satz 2 GG im Auftrag des Bundes ausgeführt werden, der Zustimmung des Bundesrates, wenn daraus entstehende Ausgaben von den Ländern zu tragen sind. Diese Voraussetzung ist bei den Sozialversicherungsleistungen nicht erfüllt; sie sind also von dieser Regelung nicht erfasst.

Die neue Zustimmungsnorm gilt bei Bundesgesetzen, die von den Ländern als eigene Angelegenheit gemäß Artikel 84 Abs. 1 GG ausgeführt werden. Die Fälle der Bundesauftragsverwaltung sind nicht erfasst, da gemäß Artikel 104a Abs. 2 GG der Bund die sich daraus ergebenden (Zweck-)Ausgaben trägt. Etwas anderes gilt nur für die Fälle der Auftragsverwaltung auf Grund von Artikel 104a Abs. 3 Satz 2 GG, die in Folge einer mindestens hälftigen Kostenbeteiligung des Bundes bei Geldleistungsgesetzen angeordnet ist. Solche Geldleistungsgesetze sollen aufgrund verbleibender Kostenfolgen für die Länder ebenfalls zustimmungsbedürftig sein. Geldleistungsgesetze bleiben zustimmungsfrei, wenn der Bund die Ausgaben gemäß Artikel 104a Abs. 3 Satz 1 GG vollständig übernimmt. Die Zustimmungspflicht gilt ebenfalls nicht, soweit das Gesetz die Länder nicht als staatliches Organ, sondern wie einen privaten Dritten betrifft, etwa als Betreiber einer Einrichtung oder Anlage.

Konsequenzen:

Beachtung bei künftigen Gesetzentwürfen (vgl. §§ 49 Abs. 2 , 51 Nr. 1 GGO). Bereits im Gesetzgebungsverfahren befindliche Gesetzentwürfe, die nach bisheriger Verfassungsrechtslage zustimmungsfrei waren, können entweder zurückgezogen oder durch Änderungsanträge in den Ausschussberatungen auch nach neuer Verfassungsrechtslage zustimmungsfrei ausgestaltet werden, indem eine vollständige Kostentragung durch den Bund angeordnet wird (nur bei Geldleistungen möglich). Bleibt der Gesetzentwurf unverändert wird der Bundesrat voraussichtlich die Zustimmungsbedürftigkeit reklamieren und dem Entwurf entweder zustimmen oder nach erfolgtem Vermittlungsverfahren die Zustimmung verweigern. Im ersteren Fall ist das Gesetz als mit Zustimmung des Bundesrates ergangenes Gesetz auszufertigen und zu verkünden.

D. Verbot bundesgesetzlicher Aufgabenzuweisungen an die Kommunen (Artikel 84 Abs. 1 Satz 7 und Artikel 85 Abs. 1 Satz 2 GG - neu -)

Künftig dürfen durch Bundesgesetz den Gemeinden und Gemeindeverbänden Aufgaben nicht übertragen werden. Eine Aufgabenübertragung auf die Kommunen kann nur noch durch Landesrecht erfolgen, für das das jeweilige Landesverfassungsrecht maßgeblich ist. Dem Bundesgesetzgeber bleibt nur die Alternative, entweder die Regelung der Zuständigkeit für eine bestimmte Aufgabe ganz dem Landesrecht zu überlassen oder anstelle der Kommunen andere Behörden des Landes zu bestimmen. Eine Aufgabenübertragung dürfte allerdings nicht vorliegen, wenn gemeindliche Zuständigkeiten für Aufgaben begründet werden, die die Gemeinden auf Grund der verfassungsrechtlichen Garantie der kommunalen Selbstverwaltung (Artikel 28 Abs. 2 Satz 1 GG) wahrnehmen und wahrnehmen müssen, insbesondere nicht die durch das Baugesetzbuch den Gemeinden zugewiesene Zuständigkeit für die Bauleitplanung im Gemeindegebiet (vgl. Erklärung der Koalitionsfraktionen im BT-Rechtsausschuss, BT-Drs. 016/2069, S. 32f., sowie Entschließung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 30. Juni 2006, aaO, S. 8).

Für bundesgesetzliche Aufgabenzuweisungen an die Kommunen, die nach bisheriger Verfassungsrechtslage zustande gekommen sind, enthält Artikel 125a Abs. 1 GG eine Übergangsregelung: Das Bundesrecht gilt weiter, kann aber insoweit durch Landesrecht ersetzt werden.

Konsequenzen:

Beachtung bei künftigen Gesetzentwürfen: Bereits im Gesetzgebungsverfahren befindliche Gesetzentwürfe, die Aufgabenübertragungen auf Gemeinden oder Gemeindeverbände enthalten können nicht mehr beschlossen werden, sofern nicht die betreffenden Regelungen z.B. durch Änderungsanträge in den Ausschussberatungen noch herausgenommen werden. Nach h.M. ist auch eine Rücknahme von Gesetzentwürfen durch den Gesetzesinitiativberechtigten bis zur Schlussabstimmung in der dritten Lesung des Bundestages möglich.

E. Neuordnung der Vertretung Deutschlands auf EU-Ebene (Artikel 23 Abs. 6 GG neu - )

Nach dem neu gefassten Artikel 23 Abs. 6 Satz 1 GG besteht künftig die Verpflichtung, die Wahrnehmung der Rechte, die der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Union zustehen, vom Bund auf einen vom Bundesrat benannten Vertreter der Länder zu übertragen, wenn im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder auf den Gebieten der schulischen Bildung, der Kultur oder des Rundfunks betroffen sind. Die Neuregelung tritt an die Stelle der bisherigen Soll-Vorschrift.

Auf allen anderen Gebieten nimmt die Bundesregierung die Rechte wahr, die der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Union zustehen.

Artikel 23 Abs. 6 Satz 2 GG bleibt unverändert, d.h. die Wahrnehmung der Rechte erfolgt unter Beteiligung und in Abstimmung mit der Bundesregierung.

Die entsprechende Änderung des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union enthält das Föderalismusreform-Begleitgesetz (BT-Drs. 16/814). Wegen der Einzelheiten wird auf die Begründung dieses Gesetzentwurfs verwiesen.

Konsequenzen:

Beachtung bei künftigen EU-Vorhaben.