Antrag der Länder Bayern, Hamburg
Entschließung des Bundesrates zu einem Patientenentschädigungs- und Härtefallfonds

Der Bayerische Ministerpräsident München, 8. November 2016

An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Malu Dreyer

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
gemäß dem Beschluss der Bayerischen Staatsregierung und des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg übermittle ich die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates zu einem Patientenentschädigungs- und Härtefallfonds mit dem Antrag, dass der Bundesrat diese fassen möge.

Ich bitte, den Entschließungsantrag unter Wahrung der Rechte aus § 23 Absatz 3 in Verbindung mit § 15 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates gemäß § 36 Absatz 2 GO BR auf die Tagesordnung der 951. Sitzung am 25. November 2016 zu setzen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
In Vertretung
Ilse Aigner
Stellvertreterin des Bayerischen Ministerpräsidenten und Bayerische Staatsministerin für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie

Entschließung des Bundesrates zu einem Patientenentschädigungs- und Härtefallfonds

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf auszuarbeiten, der die Einrichtung eines Patientenentschädigungs- und Härtefallfonds (PatEHF) als eine bundesunmittelbare Stiftung des öffentlichen Rechts vorsieht, die aus Haushaltsmitteln des Bundes finanziert wird.

Begründung:

Die Durchsetzung arthaftungsrechtlicher Schadensersatzansprüche scheitert häufig an der fehlenden Möglichkeit nachzuweisen, dass der Gesundheitsschaden durch eine fehlerhafte Behandlung verursacht wurde. Auch wenn das Vorliegen eines ärztlichen Fehlers naheliegt, müssen Patientinnen und Patienten die schwerwiegenden gesundheitlichen und finanziellen Folgen der Behandlung tragen, wenn sie die für die Arzthaftung erforderlichen Voraussetzungen nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen können und kein Ersatz von Dritten, insbesondere sozialen Leistungsträgern, erfolgt. Um etwaige vor diesem Hintergrund noch bestehende Gerechtigkeitslücken, die auch nach Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes noch bestehen, bei der Durchsetzung haftungsrechtlicher Schadensersatzansprüche im Falle behandlungsinduzierter erheblicher Gesundheitsverletzungen zu identifizieren und gegebenenfalls zu schließen, soll der PatEHF eingerichtet werden.

Ein Leistungsanspruch aus dem PatEHF soll unter folgenden (kumulativen) Voraussetzungen gegeben sein:

Der PatEHF soll das bestehende zivilrechtliche Haftungssystem nicht ersetzen, sondern dieses ergänzen.

Der Patientenentschädigungsfonds soll subsidiär sein und nur dann greifen, wenn vorrangige haftungsrechtliche Verfahren abgeschlossen sind und eine anderweitige Haftung für die eingetretene Gesundheitsverletzung durch die Gutachterkommission, Schlichtungsstelle, den MDK oder durch das Gericht abgelehnt wurde. Die Höchstsumme der Entschädigung soll auf 100.000 Euro begrenzt sein und nur in Ausnahmefällen auf bis zu 200.000 Euro erhöht werden. Immaterielle Schäden sollen nicht erstattet werden.

Der Härtefallfonds soll soziale Härtefälle im Wege einer Überbrückungsleistung ausgleichen, wenn die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen des PatEHF im Rahmen einer summarischen Prüfung bejaht wurden. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen können einmalig bis zu 20.000 Euro als Sonderleistung, oder zur Durchsetzung des haftungsrechtlichen Anspruchs, ausbezahlt werden.

Der PatEHF soll zunächst für alle Behandlungen in nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern gelten und als ein auf zehn Jahre angelegtes Modellprojekt konzipiert sein. In diesen zehn Jahren sollen unter wissenschaftlicher Begleitung alle relevanten Daten (Zahl der Anspruchsteller, finanzielles Volumen, Verfahren zur Abwicklung der Ansprüche, Bewährung der Leistungsvoraussetzungen etc.) erhoben werden, bevor der Fonds in eine endgültige und ggfs. sektorenübergreifende Form überführt werden kann.

Der PatEHF soll als bundesunmittelbare Stiftung des öffentlichen Rechts konzipiert sein, wobei die Finanzierung und Verwaltung des Fonds durch den Bund erfolgen soll.

Ein bereits vorliegendes Rechtsgutachten (Prof. Dr. Hart/Prof. Dr. Francke, "Der Modellversuch eines Patientenentschädigungs- und Härtefallfonds für Schäden durch medizinische Behandlungen: Einordnung, Zwecke, Verfahren, Organisation, Finanzierung, Gesetzesvorschlag", 2013) leitet alle wesentlichen Eckdaten für Leistungsvoraussetzungen, Leistungsobergrenzen, Finanzbedarf und Finanzierungsmodell sowie Organisationsformen her und enthält ein konkretes Umsetzungskonzept. Es ist damit eine geeignete Grundlage für die Ausgestaltung des Patientenentschädigungs- und Härtefallfonds.

Zur Ausarbeitung des konkreten Gesetzestextes wird die Einrichtung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe empfohlen.