Verordnung der Bundesregierung
Verordnung über die Standards für die Übermittlung elektronischer Akten zwischen Behörden und Gerichten im Bußgeldverfahren
(Bußgeldaktenübermittlungsverordnung - BußAktÜbV)

A. Problem und Ziel

§ 110a Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) sieht vor, dass Akten bei Gerichten und Behörden elektronisch geführt werden können. Ab dem 1. Januar 2026 sind nach § 110a Absatz 1 Satz 1 OWiG in der ab diesem Zeitpunkt geltenden Fassung die Akten elektronisch zu führen (vergleiche Artikel 9 Nummer 1 des Gesetzes zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017, BGBl. I S. 2208).

Die Strafprozessordnung (StPO), die für die elektronische Aktenführung im Bußgeldverfahren als Vorbild dient, unterscheidet zwischen der Führung und Übermittlung elektronischer Akten ( § 32 StPO) und der Erstellung und Übermittlung elektronischer Dokumente ( § 32b StPO). Im Strafverfahren werden elektronische Strafakten in der Regel erst von der Staatsanwaltschaft angelegt. Die Polizeien als Ermittlungsbehörden führen keine (Justiz-)Strafakten in diesem Sinne und sollen ihre Ermittlungsvorgänge der Staatsanwaltschaft und den Gerichten als elektronische Dokumente nach § 163 Absatz 2 Satz 1 und § 32b Absatz 3 Satz 1 StPO übermitteln.

Im Unterschied hierzu wird das Verfahren im Bußgeldverfahren bis zum Erlass des Bußgeldbescheides und in der Vollstreckung von der gesetzlich mit den Aufgaben einer Bußgeldbehörde betrauten Verwaltungsbehörde durchgeführt. Die Verwaltungsbehörden, zu denen auch die Polizei gehören kann, legen folglich die Bußgeldakten an. Häufig kommt es gar nicht zu einer Beteiligung der Gerichte und Staatsanwaltschaften. Die auf der Grundlage des § 110a Absatz 2 Satz 1 OWiG erlassene Bundesbußgeldaktenführungsverordnung bestimmt insoweit, dass für Bußgeldakten, die von der Staatsanwaltschaft und den Gerichten geführt werden, dieselben Grundsätze gelten wie für Strafakten. Für Bußgeldakten der Verwaltungsbehörden ist hingegen bestimmt, dass die für das Strafverfahren bei der elektronischen Aktenführung geltenden Maßgaben lediglich dem Grunde nach befolgt werden sollen; es sind also auch Abweichungen von der Struktur und dem Format der Strafakte zulässig. Ähnlich wie im Strafverfahren können die Polizei und andere Ermittlungsbehörden (zum Beispiel Finanzbehörden nach den §§ 410 Absatz 1 Nummer 5, 402 der Abgabenordnung und die Hauptzollämter nach § 14 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung) auch im Bußgeldverfahren gemäß § 53 OWiG als Ermittlungsorgan der zuständigen Verwaltungsbehörde oder Staatsanwaltschaft tätig werden. In diesen Fällen führen die Ermittlungsbehörden keine eigenständigen Bußgeldakten, sondern Ermittlungsvorgänge, die den Verwaltungsbehörden, Staatsanwaltschaften und Gerichten als elektronische Dokumente nach der Dokumentenerstellungs- und -übermittlungsverordnung zu übermitteln sind.

Unabhängig davon, wie und von wem die elektronischen Bußgeldakten konkret geführt werden, sind einheitliche Standards erforderlich, nach denen die Aktenübermittlung zwischen den aktenführenden Behörden untereinander und den Behörden und Gerichten erfolgen kann.

Nach § 110a Absatz 1 Satz 2 OWiG bestimmen die Bundesregierung und die Landesregierungen jeweils für Ihren Bereich durch Rechtsverordnungen den Zeitpunkt, von dem an die Akten elektronisch geführt werden. In diesen Pilotierungsverordnungen kann die Einführung der elektronischen Aktenführung auf einzelne Gerichte oder Behörden oder auf allgemein bestimmte Verfahren beschränkt werden. In den übrigen - örtlichen oder sachlichen - Bereichen, für welche die elektronische Aktenführung noch nicht ausdrücklich im Verordnungswege eingeführt ist, verbleibt es bei der herkömmlichen Aktenführung. Mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung wird daher ein rechtlicher Rahmen gesetzt, der durch die Erklärung der Landesregierungen oder der Bundesregierung in den Verordnungen zum Zeitpunkt des Beginns der Pilotierung - unter erneuter Konsultation aller Beteiligten - ausgefüllt wird und zur praktischen Anwendung gelangt.

B. Lösung

Die Bundesregierung bestimmt nach § 110a Absatz 3 Satz 1 OWiG durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Standards, die für die Übermittlung elektronischer Akten zwischen Behörden und Gerichten im Bußgeldverfahren gelten.

C. Alternativen

Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Keiner.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Keiner.

Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten

Keine.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Keiner.

F. Weitere Kosten

Keine.

Verordnung der Bundesregierung
Verordnung über die Standards für die Übermittlung elektronischer Akten zwischen Behörden und Gerichten im Bußgeldverfahren (Bußgeldaktenübermittlungsverordnung - BußAktÜbV)

Bundesrepublik Deutschland
Berlin, 18. Dezember 2019 Die Bundeskanzlerin

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Dietmar Woidke

Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich die von der Bundesregierung beschlossene Verordnung über die Standards für die Übermittlung elektronischer Akten zwischen Behörden und Gerichten im Bußgeldverfahren (Bußgeldaktenübermittlungsverordnung - BußAktÜbV) mit Begründung und Vorblatt.

Ich bitte, die Zustimmung des Bundesrates aufgrund des Artikels 80 Absatz 2 des Grundgesetzes herbeizuführen.

Federführend ist das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz.

Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel

Verordnung über die Standards für die Übermittlung elektronischer Akten zwischen Behörden und Gerichten im Bußgeldverfahren (Bußgeldaktenübermittlungsverordnung - BußAktÜbV)

Vom ...

Auf Grund des § 110a Absatz 3 Satz 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten, der durch Artikel 8 Nummer 13 des Gesetzes vom 5. Juli 2017 (BGBl. I S. 2208) eingefügt worden ist, verordnet die Bundesregierung:

§ 1 Anwendungsbereich

Diese Verordnung ist anzuwenden auf die Übermittlung elektronisch geführter Bußgeldakten

§ 2 Übermittlung elektronischer Akten

(1) Elektronische Akten sollen elektronisch übermittelt werden, wenn die empfangende Stelle die Akten elektronisch führt. Führt die empfangende Stelle noch keine elektronischen Akten, sind elektronische Dokumente vor der Übermittlung nach Maßgabe des § 32e der Strafprozessordnung in die Papierform zu übertragen.

(2) Aktenführende Verwaltungsbehörden, Staatsanwaltschaften und Gerichte, welche die Akten elektronisch führen, können Akten auch dann als elektronische Akten an andere aktenführende Verwaltungsbehörden, Staatsanwaltschaften oder Gerichte übermitteln, wenn diese die Akten in Papierform führen.

(3) Der elektronischen Akte soll bei der Übermittlung ein strukturierter maschinenlesbarer Datensatz beigefügt werden, der den nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bekanntgemachten Definitions- oder Schemadateien entspricht. Er soll mindestens Folgendes enthalten:

(4) Für die Form der Übermittlung gelten die §§ 2 und 3 Absatz 3 der Dokumentenerstellungs- und -übermittlungsverordnung entsprechend.

§ 3 Übergang der Aktenführung oder Bearbeitung

(1) Zur Abgabe der Aktenführung oder der Bearbeitung wird die elektronische Akte mit einem Übernahmeersuchen übermittelt.

(2) Die abgebende Stelle darf die elektronische Akte ab dem Zeitpunkt der Übermittlung im Umfang der abzugebenden Aktenführung oder Bearbeitung nicht mehr fortschreiben. Dies gilt nicht, wenn die empfangende Stelle die Übernahme ablehnt.

(3) Die Abgabe ist erst vollzogen, wenn ein Strukturdatensatz von der übernehmenden an die abgebende Stelle mit der Information darüber, dass die Aktenführung oder die Bearbeitung übernommen wird, zurückgesendet wurde. Ist die Übersendung eines Strukturdatensatzes technisch nicht möglich, genügt eine andere Form der Mitteilung.

(4) Mit vollzogener Abgabe hat die abgebende Stelle, soweit erforderlich, nur noch eine Leseberechtigung. Die Akte muss entsprechend gekennzeichnet sein.

§ 4 Übermittlungswege

(1) Die Übermittlung elektronischer Akten zwischen aktenführenden Behörden und Gerichten untereinander erfolgt über das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach über eine Anwendung, die auf OSCI oder einem diesen ersetzenden Protokollstandard beruht, der dem jeweiligen Stand der Technik entspricht.

(2) Die Übermittlung elektronischer Akten kann auch über einen anderen Übermittlungsweg erfolgen, an den Absender und Empfänger innerhalb des Geschäftsbereichs des Bundes oder eines Landes zu diesem Zweck angeschlossen sind, wenn die Authentizität und Integrität der Daten gewährleistet ist. Übermittlungswege, die bereits eingerichtet sind, sind bis zum 31. Dezember 2025 weiterhin zulässig.

§ 5 Ersatzmaßnahmen

Ist aus technischen Gründen eine Übermittlung nach § 4 vorübergehend nicht möglich, so ist die Übermittlung der Akte auch auf andere Weise, etwa in Papierform oder auf einem physischen Datenträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2, zulässig. Auf Anforderung ist die elektronische Akte nachzureichen.

§ 6 Bekanntmachung technischer Anforderungen

(1) Die Bundesregierung macht folgende technische Anforderungen an die Übermittlung elektronischer Akten im Bundesanzeiger und auf der Internetseite www.justiz.de bekannt:

(2) Die technischen Anforderungen können mit einer Mindestgültigkeitsdauer und einem Ablaufdatum versehen werden.

§ 7 Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Der Bundesrat hat zugestimmt.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

Nach § 110a Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigleiten (OWiG) in der seit dem 1. Januar 2018 geltenden Fassung können die Akten elektronisch geführt werden. Ab dem 1. Januar 2026 wird § 110a Absatz 1 Satz 1 OWiG die elektronische Aktenführung verbindlich vorschreiben.

§ 110a Absatz 3 Satz 1 OWiG ermächtigt die Bundesregierung insoweit, die für die Übermittlung elektronischer Akten zwischen Behörden und Gerichten geltenden Standards zu bestimmen.

Im Strafverfahren werden elektronische Strafakten in der Regel von der Staatsanwaltschaft angelegt. Im Unterschied hierzu wird das Verfahren im Bußgeldverfahren bis zum Erlass des Bußgeldbescheides und in der Vollstreckung von der gesetzlich mit den Aufgaben einer Bußgeldbehörde betrauten Verwaltungsbehörde durchgeführt. Die Verwaltungsbehörden legen folglich die Bußgeldakten an. Häufig kommt es gar nicht zu einer Beteiligung der Gerichte und Staatsanwaltschaften.

Die auf der Grundlage des § 110a Absatz 2 Satz 1 OWiG erlassene Bußgeldaktenführungsverordnung bestimmt insoweit, dass für Bußgeldakten, die von der Staatsanwaltschaft und den Gerichten geführt werden, dieselben Grundsätze gelten wie für Strafakten. Für Bußgeldakten der Verwaltungsbehörden ist hingegen bestimmt, dass die für das Strafverfahren bei der elektronischen Aktenführung geltenden Maßgaben lediglich dem Grunde nach befolgt werden sollen; es sind also auch Abweichungen von der Struktur und dem Format der Strafakte zulässig.

Unabhängig davon, wie und von wem die elektronischen Bußgeldakten konkret geführt werden, sind einheitliche Standards erforderlich, nach denen die Aktenübermittlung zwischen den aktenführenden Behörden untereinander und den Behörden und Gerichten erfolgen kann. Diese sind Gegenstand dieser Verordnung.

II. Wesentlicher Inhalt

Die Verordnung regelt die für die Übermittlung elektronischer Akten in Bußgeldverfahren geltenden Standards und trifft Regelungen zur Abgabe der Aktenführung und zum Übermittlungsweg. Enthalten sind ferner Bestimmungen für die Übergangszeit, in der noch nicht alle aktenführenden Stellen die Akten elektronisch führen müssen. Hier wird der Grundsatz aufgestellt, dass die elektronischen Akten auch dann elektronisch zu übermitteln sind, wenn die empfangende Stelle die Akten noch in Papierform führt.

III. Alternativen

Keine.

IV. Regelungskompetenz

Die Kompetenz der Bundesregierung zum Erlass der Verordnung ergibt sich aus § 110a Absatz 3 Satz 1 OWiG.

V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen

Die Verordnung ist mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, unter anderem mit den Zielen aus Artikel 3 Buchstabe f, aus den Artikeln 9, 13 Absatz 1 und Artikel 21 Buchstabe b des Übereinkommens vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (BGBl. 2008 II S. 1419) vereinbar.

VI. Regelungsfolgen

1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung

Die Verordnung fördert und vereinfacht durch Festlegung allgemeingültiger Standards für die Übermittlung von elektronischen Akten die Digitalisierung des Bußgeldverfahrens. Zugleich werden dadurch verlässliche Parameter bestimmt, welche für die Entwicklung von IT-Komponenten erforderlich sind, die einen verlässlichen, sicheren und benutzerfreundlichen Austausch von elektronischen Akten zwischen den Behörden, Staatsanwaltschaften und Gerichten bei Bund und Ländern ermöglichen.

2. Nachhaltigkeitsaspekte

Die in dieser Verordnung gesetzten Standards fördern den Austausch elektronischer Akten im Bußgeldverfahren. Dies ermöglicht die Rationalisierung von Arbeitsabläufen, dient der schnellen Übermittlung von Akten und fördert auch die gleichzeitige Verfügbarkeit des Inhalts ganzer Bußgeldverfahren für mehrere Stellen. Die Verordnung fördert ferner die Barrierefreiheit, vereinfacht den Zugang und die Erschließung von Akten, führt zu einem reduzierten Papierverbrauch und trägt somit zur Ressourcenschonung bei.

3. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand sind nicht ersichtlich.

4. Erfüllungsaufwand

Durch diese Verordnung entsteht kein neuer Erfüllungsaufwand für die Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaft und die öffentlichen Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden

Der Erfüllungsaufwand für die Umsetzung der elektronischen Aktenführung resultiert bereits aus dem der Verordnung zugrundeliegenden Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 (BGBl. I S. 2208). Im Gesetzgebungsverfahren zu diesem Gesetz wurde für alle Gerichte und Staatsanwaltschaften des Bundes und der Länder eine Hochrechnung auf das Basisjahr 2020 vorgenommen und der Aufwand in Bund und Ländern auf einmalig 320 Millionen Euro und jährlich 58 Millionen Euro beziffert. Die damalige Schätzung bezog sich auf alle Gerichtszweige, ohne dass eine isolierte Abschätzung nur für die Strafjustiz möglich gewesen wäre.

Hinsichtlich der verwaltungsbehördlichen Bußgeldverfahren besteht für den Bund die Pflicht zur Umsetzung der elektronischen Aktenführung bereits aufgrund anderer gesetzlicher Vorgaben. Aufgrund der in § 6 Absatz 1 des Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung (EGovG) enthaltenen Regelung, dass Akten in Behörden des Bundes bereits ab dem 1. Januar 2020 elektronisch geführt werden sollen, ist davon auszugehen, dass die Bundesverwaltung bereits entsprechend ausgestattet sein wird. Diese Verpflichtung gilt gemäß § 1 Absatz 2 EGovG nicht nur für Bundesbehörden, sondern auch für Landesbehörden, die Bundesrecht ausführen.

Hinsichtlich der Verwaltungsbehörden in Bund, Ländern und Gemeinden, die dieser Verpflichtung noch nicht nachgekommen sind, lassen sich die Gesamtkosten, die in diesem Fall für eine Einführung der elektronischen Aktenführung zum Zweck der Bearbeitung von Bußgeldverfahren entstünden, nicht belastbar beziffern. Nahezu jede Verwaltungsbehörde ist zugleich auch Bußgeldbehörde bei bundesweit insgesamt über 400 Nebenstrafgesetzen und einer noch größeren Anzahl von Rechtsverordnungen mit Bußgeldtatbeständen. Es handelt sich nicht nur um eine Vielzahl von Behörden und Bußgeldtatbeständen, sondern auch um zahlenmäßig nicht abschätzbare Anteile der Bußgeldverfahren am Gesamtaufwand der Verwaltungsbehörden. Daneben klaffen auch die sachliche Zuständigkeit der jeweiligen Verwaltungsbehörde und die tatsächlich verfolgten Bußgeldtatbestände zum Teil erheblich auseinander.

Näher bezifferbar ist hingegen der Aufwand für die Strafjustiz, worunter auch die dort geführten Bußgeldverfahren fallen. Für den Bund haben die Behörden des Geschäftsbereichs ihre Planungen inzwischen konkretisiert. Sowohl der Bundesgerichtshof (BGH) als auch der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA) streben den Regelbetrieb mit der elektronischen Strafakte ab dem 1. Januar 2024 an, also zwei Jahre früher als gesetzlich vorgeschrieben. Die veranschlagten Kosten betreffen diesen Einführungszeitraum und umfassen daher sowohl die einmaligen als auch die jährlichen Kosten.

Bei der Behörde des GBA wird von den folgenden Kosten ausgegangen:

HaushaltsjahrBetrag in T€Bemerkung
2019200
20201 105Bereitstellen der technischen Infrastruktur und Beginn Testbetrieb in Revisionsabteilung
2021800Ergänzung technische Infrastruktur an Pilotarbeitsplätzen und Beginn Pilotbetrieb in der Revisionsabteilung
2022700Beginn Konzeption e-Strafakte für Ermittlungsabteilungen,
Beginn Konzeption VS-E-Strafakte
20231 100Testbetrieb Ermittlungsabteilungen. Ersatz- und Erweiterungsbeschaffungen der technischen
Infrastruktur und weitere Konzeption VS-E-Strafakte
20248 800Pilotbetrieb Ermittlungsabteilungen, Umsetzung Konzeption VS-E-Strafakte
2025500Restarbeiten
2026800Regelbetrieb E-Strafakte,
Ersatz- und Erweiterungsbeschaffungen
Summe14 005

Nach den Planungen für das IT-Rahmenkonzept 2021 beim BGH werden die Kosten dort bis zum Jahr 2025 wie folgt eingeschätzt:

HH-JahrJahr 2020
Soll
Jahr 2021
Soll
Jahr 2022
Soll
Jahr 2023
Soll
Jahr 2024
Soll
511-016 T€8 T€8 T€6 T€6 T€
532-010 T€75 T€75 T€44 T€40 T€
539-991 T€1 T€1 T€1 T€1 T€
812-020 T€127 T€130 T€50 T€150 T€
Summe
(HH-wirksame Mittel)
7 T€211 T€214 T€101 T€197 T€

Bei 18 Senaten insgesamt und 13 Zivil- und fünf Strafsenaten ist anzunehmen, dass etwa ein Drittel der genannten Kosten jeweils auf die Strafakte entfällt.

Insgesamt ergeben sich daher für den Bund in den Jahren 2020 bis 2024 Kosten in Höhe von ca. 13 854 000 Euro für die Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen.

Die Länder verfolgen die Umsetzung der elektronischen Akte in der gesamten Justiz über drei Verbünde, denen sich jeweils verschiedene Länder und auch der Bund angeschlossen haben. Diese Verbünde sind e2A ("ergonomischelektronische" Aktenführung; Nordrhein-Westfalen, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Saarland und Sachsen-Anhalt), eIP ("elektronisches Integrationsportal"; Bayern, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern) und VIS-Justiz (Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Thüringen, Sachsen und der Bund). Die infolge der Anpassung der Softwareentwicklung für die elektronische Akte auf die Besonderheiten im Strafverfahren entstehenden Mehrkosten können nicht konkret beziffert werden.

5. Weitere Kosten

Sonstige Auswirkungen auf die Wirtschaft, auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

6. Weitere Regelungsfolgen

Weitere Folgen für die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie gleichstellungspolitische oder demographische Auswirkungen sind nicht zu erwarten.

VII. Befristung; Evaluierung

Eine Befristung der Verordnung ist nicht geboten, da die Ermächtigungsgrundlage unbefristet gilt. Das die Ermächtigungsgrundlage enthaltende Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 (BGBl. I S. 2208) wird drei Jahre nach dem vollständigen Inkrafttreten evaluiert werden. Eine eigenständige Evaluierung der Verordnung ist nicht angezeigt. Unabhängig von der Evaluierung werden die Inhalte der Verordnungen nach den §§ 110a ff. OWiG fortlaufend im Rahmen der geplanten Pilotierungen und künftiger technischer Entwicklungen auf etwaige Anpassungserfordernisse überprüft und gegebenenfalls überarbeitet werden.

B. Besonderer Teil

Zu § 1 (Anwendungsbereich)

Die Vorschrift bestimmt den Anwendungsbereich der Verordnung. Die Übermittlung von elektronischen Akten im Sinne des § 110a Absatz 1 OWiG ist nur zwischen solchen Behörden, Staatsanwaltschaften und Gerichten möglich, die elektronische Bußgeldakten führen.

Aktenführende Stellen sind neben den als Bußgeldbehörden tätigen Verwaltungsbehörden die Gerichte des Bundes und der Länder, der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof und die Staatsanwaltschaften der Länder. Der Anwendungsbereich der Verordnung entspricht folglich dem Anwendungsbereich der Verordnungen des Bundes und der Länder gemäß § 110a Absatz 2 Satz 1 OWiG über die technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen für die elektronische Aktenführung in Bußgeldsachen.

Vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen sind Verwaltungsvorgänge der Verwaltungsbehörden und Ermittlungsvorgänge der Ermittlungsbehörden (zum Beispiel Polizei, Steuerfahndungsbehörden, Hauptzollämter), die diese gemäß § 53 OWiG in ihrer Funktion als Ermittlungsorgane der Verwaltungsbehörden und Staatsanwaltschaften im Bußgeldverfahren führen. Soweit eine elektronische Bußgeldakte angelegt wurde und für weitere Ermittlungen von den Verwaltungsbehörden, Staatsanwaltschaften oder Gerichten an die Ermittlungsbehörden erneut übersandt wird, erfolgt dies in Form des Repräsentats, das heißt in Form einer Sammlung der Aktenbestandteile in PDF-Einzeldokumenten. Weitere Ermittlungen und Ergänzungen zur Akte können dann wiederum als elektronische Dokumente gemäß § 110c OWiG in Verbindung mit § 32b Absatz 3 der Strafprozessordnung (StPO) an die Verwaltungsbehörde, Staatsanwaltschaft oder das Gericht zur dort geführten elektronischen Bußgeldakte übermittelt werden. Die Repräsentate sind nach Erledigung des Ersuchens gemäß § 46 Absatz 1 OWiG in Verbindung mit § 499 StPO unverzüglich zu löschen, wenn sie nicht mehr erforderlich sind. Soweit die Ermittlungsbehörde das Ermittlungsverfahren von Beginn an im Auftrag der ersuchenden Staatsanwaltschaft geführt hat, ist der überwiegende Inhalt des Repräsentats ohnehin in dem ermittlungsbehördlichen Vorgangsbearbeitungssystem vorhanden; eine gesonderte Speicherung des Repräsentats ist daher bereits aus diesen Gründen nicht erforderlich. Wird ein Ermittlungsersuchen nebst Repräsentat einer zuvor nicht befassten Ermittlungsbehörde zur Vornahme einer spezifischen Nachermittlung übersandt, kann diese unter Nutzung einzelner Informationen und gegebenenfalls auch einzelner Dokumente aus dem Repräsentat einen eigenen Vorgang im Bearbeitungssystem anlegen und hat nach Erledigung des Ermittlungsersuchens lediglich die überschießenden Teile des Repräsentats zu löschen.

Der Begriff der Aktenübermittlung umfasst sämtliche Fälle, in denen Akten von einer aktenführenden Stelle an eine andere aktenführende Stelle übermittelt werden. Dies kann, muss aber nicht notwendig mit dem Übergang der Aktenführungsbefugnis nach den Aktenordnungen einhergehen. Ausreichend ist die nach den allgemeinen Regelungen zu bestimmende Befugnis, die Akte zu bearbeiten (Einräumung von Lese- und Schreibrecht).

Zu § 2 (Übermittlung elektronischer Akten)

Die auf der Grundlage des § 110a Absatz 2 Satz 1 OWiG erlassene Bußgeldaktenführungsverordnung bestimmt in § 2 Absatz 1 bis 3, dass für Bußgeldakten, die von der Staatsanwaltschaft und den Gerichten geführt werden, dieselben Grundsätze gelten wie für Strafakten. Insbesondere soll jede elektronische Akte eine Begleitdatei im Format XML erzeugen können, die es ermöglicht, die Akte an andere Stellen, die denselben XML-Standard unterstützen, zu übermitteln. Die empfangenden, diesen XML-Standard unterstützenden Stellen können dann die übersandte elektronische Akte automatisiert in ihre jeweiligen Aktenführungssysteme übernehmen. Nutzen unterschiedliche Stellen unterschiedliche XML-Begleitdateien, ist eine Umwandlung der XML-Begleitdatei in eine andere XML-Begleitdatei erforderlich ("Mapping"). Diese Fälle der Aktenübermittlung mit entsprechender (kompatibler) Begleitdatei sind in den Absätzen 1 und 2 der Vorschrift niedergelegt.

Für die Aktenübermittlung im Bußgeldverfahren gelten daher für Gerichte und Staatsanwaltschaften auch dieselben Grundsätze wie im Strafverfahren, das heißt, die Akten sollen bzw. können elektronisch übermittelt werden, unabhängig davon, ob die empfangende Stelle die Akten bereits in elektronischer Form oder noch in Papierform führt. Das gilt auf für als Bußgeldbehörden tätige Verwaltungsbehörden, die ihre Akten ebenfalls nach Maßgabe des § 2 Absatz 1 bis 3 Bundesbußgeldaktenführungsverordnung (BBußAktFV) führen. Für die übrigen Verwaltungsbehörden hingegen gilt, dass sie die Akten nur dann in elektronischer Form übermitteln sollen, wenn die empfangende Stelle die Akten elektronisch führt. Sie müssen die Akten in die Papierform übertragen, wenn die empfangende Stelle noch Papierakten führt. Insoweit ist eine Parallele zur Dokumentenerstellungs- und -übermittlungsverordnung (DokErstÜbV) gegeben.

Idealerweise können elektronische Bußgeldakten der Verwaltungsbehörden in die Aktenführungssysteme der Justiz eingespeist und von diesen weiterverarbeitet werden. Dies dürfte insbesondere der Fall sein, wenn die Bußgeldbehörden Akten nach Maßgabe des § 2 Absatz 1 bis 3 der Bundesbußgeldaktenführungsverordnung führen und mit der Akte einen entsprechenden Begleitdatensatz übermitteln, der dem XJustiz-Standard entspricht und von den Justizsystemen unterstützt wird. Die Bußgeldbehörden sind jedoch nicht verpflichtet, Akten in dieser Form zu führen; auch wird dies praktisch nicht immer der Fall sein. Somit ist es denkbar, dass Verwaltungsbehörden Akten in Systemen führen, die nicht in der Lage sind, entsprechende XML-Begleitdateien zu erzeugen oder in denen die erzeugten XML-Begleitdateien nicht in einen anderen XML-Standard umgewandelt werden können. Für diese Fälle bestimmt Absatz 4, dass für die Form der Übermittlung die §§ 2 und 3 Absatz 3 DokErstÜbV entsprechend gelten.

Zu Absatz 1

Nach Satz 1 sollen elektronische Akten grundsätzlich elektronisch übermittelt werden, wenn die empfangende Stelle die Akten elektronisch führt. Satz 1 konkretisiert die Regelung des § 110a Absatz 3 Satz 1 OWiG in der bis zum 31. Dezember 2025 gültigen Fassung dahingehend, dass es für die Frage, ob die Akten elektronisch geführt werden und folglich elektronisch zu übermitteln sind, auf den Standard der Aktenführung der empfangenden Staatsanwaltschaft, Bußgeldbehörde oder des Gerichts ankommt. Gemeint sind Akten im Sinne der Bußgeldaktenführungsverordnungen. Satz 2 stellt im Sinne der gesetzlichen Regelung klar, dass an Bußgeldbehörden, Gerichte und Staatsanwaltschaften, welche die Akten in Papier führen, Dokumente auch nur in Papierform zu übersenden sind. Für den Übergangszeitraum bis zum 31. Dezember 2025 gilt daher grundsätzlich, dass Dokumente elektronisch übermittelt werden sollen, wenn die empfangende Stelle die Akten elektronisch führt und Dokumente in Papierform zu übermitteln sind, wenn die empfangende Stelle die Akten noch in Papierform führt. Für die absendende Stelle bedeutet dies, dass in den Fällen des Satzes 1 Dokumente in Papierform in die elektronische Form übertragen werden sollen und in den Fällen des Satzes 2 umgekehrt elektronische Dokumente durch Ausdrucken in die Papierform. Die Übertragung in die elektronische Form geschieht in der Regel durch Einscannen nach den Grundsätzen des § 110c OWiG in Verbindung mit § 32e StPO und § 2 DokErstÜbV, dessen Absatz 3 vorsieht, dass bei der Übertragung die Anforderungen der Technischen Richtlinie 03138 Ersetzendes Scannen (RESISCAN) des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik in der jeweils gültigen Fassung berücksichtigt werden sollen. Der Verbleib der eingescannten Ausgangsdokumente kann für den Übergangszeitraum bis zur verbindlichen Einführung der elektronischen Akte bei allen Gerichten und Behörden [vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz/von den Landesjustizverwaltungen] näher festgelegt bzw. die Regelungsbefugnis insoweit auf die Leitung der jeweiligen Geschäftsbereichsbehörden übertragen werden.

Zu Absatz 2

Die Regelung soll Staatsanwaltschaften und Gerichte, die bereits vor dem 1. Januar 2026 die (Justiz-)Akten elektronisch führen, begünstigen. Das Gleiche soll für Bußgeldbehörden gelten, die ihre Akten vor dem 1. Januar 2026 nach Maßgabe des § 2 Absatz 1 bis 2 BBußAktFV elektronisch führen. Nach Absatz 1 Satz 2 wären diese Stellen grundsätzlich verpflichtet, elektronische Dokumente in die Papierform zu übertragen, wenn sie Dokumente an andere aktenführende Stellen übermitteln, die Akten noch in Papierform führen. Absatz 2 Satz 1 stellt es den genannten Bußgeldbehörden, Staatsanwaltschaften und Gerichten abweichend hiervon frei, Dokumente elektronisch oder in Papierform an andere aktenführende Stellen zu übersenden. Damit sollen diese Stellen, die frühzeitig Akten elektronisch führen, nicht auch noch obligatorisch mit dem Ausdrucken elektronischer Dokumente als Auswirkung des Medienbruchs in der Übergangsphase befasst sein müssen. Umgekehrt bildet die Regelung einen Anreiz für aktenführende Stellen, die Papierakten führen, frühzeitig auf die elektronische Aktenführung umzustellen.

Zu Absatz 3

Absatz 3 regelt die Anforderungen an die Begleitdatei, die mit der Akte versandt wird und auf der Empfängerseite die Weiterverarbeitung in dem das Format ebenfalls unterstützenden Aktensystem ermöglicht. Die Aufzählung in den Nummern 1 bis 7 enthält Mindestinhalte, durch welche die automatisierte Erfassung bestimmter Grunddaten und die Zuordnung zu potentiell bereits enthaltenen Daten im empfangenden System ermöglicht werden soll; sie ist nicht abschließend. Die Vorschrift korrespondiert mit § 3 Absatz 4 und § 4 Absatz 4 der im Bußgeldverfahren entsprechend geltenden DokErstÜbV, die für die dort genannten elektronischen Dokumente ebenfalls die Erstellung eines strukturierten maschinenlesbaren Datensatzes als Begleitdatei im Falle der Übermittlung vorsieht.

Die Angaben gemäß Satz 2 Nummer 1 bis 7 im Strukturdatensatz dienen allein dem zuvor genannten Zweck der Zuordnung und Weiterverarbeitung, sie können die in der Akte enthaltenen und für das Bußgeldverfahren inhaltlich relevanten Informationen nicht ersetzen. Für das Bußgeldverfahren maßgebend bleiben weiterhin die Angaben in der Akte selbst.

Die Bundesregierung gibt nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 die Definitions- oder Schemadateien für strukturierte maschinenlesbare Datensätze, derer sich die Beteiligten bedienen sollen, bekannt.

Zu Absatz 4

Führen Verwaltungsbehörden Akten in Systemen beispielsweise ohne Repräsentate im Sinne der Bußgeldaktenführungsverordnungen der Länder und des Bundes nach § 110a Absatz 2 Satz 1 OWiG, so richtet sich dennoch die Form der Übermittlung (zum Beispiel zu den zulässigen Formaten) nach § 2 und § 3 Absatz 3 der DokErstÜbV, die nach § 110c Satz 1 OWiG in Verbindung mit § 32b Absatz 5 Satz 1 StPO auch in Bußgeldverfahren Anwendung findet.

Zu § 3 (Übergang der Aktenführung oder Bearbeitung)

Die Vorschrift trifft nähere Bestimmungen zum Übergang der Aktenführung bzw. zum Übergang der Bearbeitung der Akte. Die Aktenführung und die Befugnis zur Bearbeitung der Akte können nach den Aktenordnungen der Länder auseinanderfallen. Beispielsweise bleibt die Staatsanwaltschaft nach einigen Aktenordnungen auch nach Anklageerhebung aktenführende Stelle, bearbeitungsbefugt ist jedoch das Gericht. Ähnlich liegt der Fall im Ermittlungsverfahren, wenn die Akte von der Bußgeldbehörde geführt wird, aber dem Gericht zur Anordnung von Zwangsmaßnahmen vorgelegt werden muss. Aktenführung oder auch nur Bearbeitungsbefugnisse können ferner innerhalb des Instanzenzugs übergehen. Die Vorschrift ist daher so ausgestaltet, dass sie sowohl für Fälle, in denen nach der Aktenordnung die Aktenführung ganz oder teilweise auf eine andere Stelle übergeht, als auch für Fälle Anwendung finden kann, in denen die Aktenführung unteilbar bei einer Stelle verbleibt und nur die Bearbeitung auf eine andere Stelle übergeht. Sie gilt ferner sowohl für den vollständigen als auch den teilweisen Übergang der Aktenführung.

Sichergestellt werden muss für alle Konstellationen, dass die Verantwortung für die Bearbeitung der Akte eindeutig und klar einer bestimmten Stelle zugeordnet ist und dies auch jederzeit nachvollzogen werden kann. Die Vorschrift korrespondiert mit § 3 BBußAktFV, der für die Aktenführung bereits festlegt, wann ein Inhalt Bestandteil der Akte wird und dass die bearbeitende Stelle ersichtlich sein muss.

§ 3 Absatz 3 Satz 2 BBußAktFV legt fest, dass sicherzustellen ist, dass die elektronische Akte nur von der jeweils lese- und schreibberechtigten Stelle eingesehen und bearbeitet werden kann. Diese Vorgabe wird in den Absätzen 1 bis 4 dieser Vorschrift näher konkretisiert. Damit soll vermieden werden, dass die elektronischen Akten von verschiedenen Stellen gleichzeitig fortgeschrieben werden und unterschiedliche Aktenversionen produziert werden. Bei der Führung von Akten in Papierform besteht diese Gefahr nur in geringem Maße, weil es regelmäßig nur ein Aktenexemplar gibt und das Anlegen von Aktendoppeln aufwendig ist. Elektronische Akten hingegen sind ihrer Natur entsprechend sehr leicht vervielfältigbar.

Die Vorschrift regelt dagegen nicht, wer wann Zugriff auf die Akte haben darf. Die Befugnis zur Aktenführung oder zur Aktenbearbeitung bestimmt sich nach den Vorschriften der Strafprozessordnung und den jeweiligen Aktenordnungen der Länder. Regelungen zur behördeninternen Verfügbarkeit von Akten und Bearbeitungsberechtigungen werden regelmäßig von der (Justiz-)Verwaltung getroffen.

Zu Absatz 1

Für den Übergang der Aktenführung oder der Bearbeitung soll die abgebende Stelle ein Übernahmeersuchen an die empfangende Stelle übermitteln.

Zu Absatz 2

Bei der abgebenden Stelle darf die elektronische Akte ab dem Zeitpunkt der Übermittlung im Umfang der abgegebenen Aktenführungs- oder Bearbeitungsbefugnis nicht mehr fortgeschrieben werden; dies gilt vorbehaltlich einer Ablehnung der Übernahme durch die übernehmende Stelle. Der Nachweis der Identität der Akte kann - für eine gegebenenfalls von den kommunizierenden Systemen vorgenommene automatische Integritätsprüfung auf Ebene der Kommunikationsprotolle - ein in die Metadaten aufzunehmender Hashwert erbringen.

Zu Absatz 3

Die empfangende Stelle bestätigt die Übernahme der Aktenführung oder die Übernahme der Bearbeitung durch Rücksendung einer Begleitdatei oder, soweit dies technisch nicht möglich ist, durch Rücksendung einer sonstigen Mitteilung, aus der sich die Bestätigung der Übernahme ergibt, etwa ein einfaches Dokument im Format PDF .

Zu Absatz 4

Bei der abgebenden Stelle darf nach vollzogener Abgabe der Aktenführung oder der Bearbeitung lediglich eine Leseberechtigung verbleiben und auch dies nur, soweit dies für weitere Verfahrenszwecke erforderlich ist. Die Akte muss dann insoweit gekennzeichnet werden und darf nicht mehr als führende Akte fortgeschrieben oder weiter bearbeitet werden. Dies ist so weit wie möglich technisch sicherzustellen. Bei Abgabe der Aktenführung oder Bearbeitung ist die Vorgabe aus § 46 Absatz 1 OWiG in Verbindung mit § 499 StPO und die damit gegebenenfalls einhergehende Löschverpflichtung zu beachten.

Bestätigt die empfangende Stelle die Übernahme der Aktenführung oder Bearbeitung nicht, verbleibt diese bei der abgebenden Stelle. Es wird sich anbieten, der abgebenden Stelle die Ablehnung der Übernahme mitzuteilen.

Die Regelung gilt sowohl für den vollständigen als auch den teilweisen Übergang der Aktenführung.

Zu § 4 (Übermittlungswege)

In Absatz 1 wird bestimmt, dass für die Übersendung elektronischer Akten das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach zu nutzen ist. Die Vorschrift korrespondiert mit § 5 der im Bußgeldverfahren entsprechend geltenden DokErstÜbV, die für die dort genannten elektronischen Dokumente ebenfalls die Übermittlung über das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach vorsieht. Der Protokollstandard OSCI (Online Services Computer Interface) bzw. ein Protokollstandard, der diesen ersetzt, gewährleistet, dass die Kommunikation über das besondere elektronische Behördenpostfach Ende-zu-Endeverschlüsselt erfolgt.

Absatz 2 lässt darüber hinaus innerhalb des Geschäftsbereichs des Bundes und der einzelnen Länder alternative Übermittlungswege zu, soweit die näher bestimmten Standards eingehalten werden und sowohl Sender als auch Empfänger zur Übermittlung angeschlossen sind. Dies soll gewährleisten, dass bereits vorhandene oder in der Entstehung befindliche Strukturen zur Übersendung elektronischer Akten weiterhin genutzt werden können. Die Einschränkung, dass ein Anschluss der Beteiligten zum Zweck der Übermittlung gegeben sein muss, bedeutet, dass eine Entscheidung der zuständigen Behörde, Staatsanwaltschaft oder des zuständigen Gerichts vorliegen muss, dass der vorhandene Zugang der Übermittlung elektronischer Dokumente dienen soll. Eine entsprechende Widmung durch einen individuellen Nutzer reicht nicht aus. Ermöglicht werden soll mit dieser Vorschrift beispielsweise auch eine einfachere Übermittlung der elektronischen Akten, soweit die Daten von Absender und Empfänger sich innerhalb eines Rechenzentrums befinden. Die Regelung in Absatz 2 Satz 2 soll - jedenfalls für die Übergangsphase bis zur verpflichtenden elektronischen Aktenführung und -übermittlung - vermeiden, dass bereits erprobte Übermittlungswege nicht mehr genutzt werden können.

Zu § 5 (Ersatzmaßnahmen)

Eine elektronische Übermittlung elektronischer Akten ist nur möglich, wenn die in § 4 bezeichneten Übermittlungswege betriebsbereit sind. Hier können sich Störungen unterschiedlicher Art ergeben, die das Funktionieren einer effektiven Rechtspflege beeinträchtigen. Für solche Fälle sieht § 5 - vergleichbar mit § 6 DokErstÜbV - vor, dass elektronisch erstellte Akten im Einzelfall auch in Papierform oder auf einem physischen Datenträger übermittelt werden können. Nähere Einzelheiten zum physischen Datenträger sind in § 6 geregelt. Da diese Form der Übermittlung nur ein Provisorium sein soll, ist vorgesehen, dass die so übermittelten Aktenbestandteile alsbald nach Behebung der Störung durch die empfangende Stelle in die elektronische Form übertragen werden oder die Übermittlung auf Anforderung der empfangenden Stelle in elektronischer Form nachgeholt wird.

Zu § 6 (Bekanntmachung technischer Anforderungen)

Die Vorschrift korrespondiert mit § 7 der im Bußgeldverfahren entsprechend geltenden DokErstÜbV. Anders als dort werden in der hiesigen Verordnung nur die Anforderungen an die Begleitdatei bei einer Übermittlung der elektronischen Akte und die zulässigen physischen Datenträger im Falle von Ersatzmaßnahmen bestimmt.

Zu Absatz 1

Nach Absatz 1 werden die technischen Einzelheiten, die einer fortwährenden Weiterentwicklung unterliegen und sich daher nicht für eine Regelung im Wege der Verordnung eignen, abschließend aufgezählt und von der Bundesregierung im Bundesanzeiger und in dem gemeinsamen Justizportal des Bundes und der Länder unter www.justiz.de bekanntgemacht. Die Veröffentlichung im Bundesanzeiger gewährleistet, dass die Bekanntmachungen dauerhaft archiviert werden und auch nach Änderungen der Bekanntmachungen verfügbar bleiben.

Die Bekanntmachungen werden gemäß § 5 Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 des Verkündungs- und Bekanntmachungsgesetzes im amtlichen Teil des Bundesanzeigers veröffentlicht. Die zusätzliche Veröffentlichung im gemeinsamen Justizportal des Bundes und der Länder soll einen möglichst weitreichenden Verbreitungsgrad der Bekanntmachungen gewährleisten und einen einfachen und kostenfreien Zugang für alle mit der Entwicklung entsprechender IT-Lösungen befassten Personen ermöglichen.

Die Versionen der zulässigen Dateiformate ändern sich bisweilen innerhalb kurzer Zeit. Wird eine neue Dateiversion eingeführt, kann diese zu Problemen bei der Datenverarbeitung und bei der Interoperabilität unterschiedlicher Aktenführungs- sowie Vorgangsbearbeitungssysteme führen. Um Rechtssicherheit über die zugelassenen Versionen zu schaffen, hat die Bundesregierung nach Absatz 1 Nummer 1 die Anforderungen an die Definitions- oder Schemadateien nach § 2 Absatz 2 bekanntzumachen. Die Anforderungen werden vor der Bekanntmachung im Ressortkreis abgestimmt. Absatz 1 Nummer 2 regelt die Bekanntmachung der zulässigen physischen Datenträger, mit denen im Falle einer Störung nach § 5 elektronische Akten ersatzweise übermittelt werden können.

Zu Absatz 2

Gemäß Absatz 2 kann eine Mindestgültigkeitsdauer festgelegt werden, innerhalb welcher die bekanntgemachten technischen Anforderungen mindestens Anwendung finden.

Zu § 7 (Inkrafttreten)

Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Damit wird Bund und Ländern eine Pilotierung der elektronischen Aktenführung noch vor dem Termin zur verbindlichen elektronischen Aktenführung zum 1. Januar 2026 ermöglicht.

Drucksache 666/19 (PDF)

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Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Absatz 1 NKRG: NKR-Nr. . 49144916, BMJV: Rechtsverordnungen zur Einführung der elektronischen Akte im Bußgeldverfahren sowie in gerichtlichen Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz

Der Nationale Normenkontrollrat hat den Entwurf der oben genannten Regelungsvorhaben geprüft.

I. Zusammenfassung

Bürgerinnen und BürgerKeine Auswirkungen
WirtschaftKeine Auswirkungen
Verwaltung (Bund)
Einmaliger Erfüllungsaufwand
Straf- und Bußgeldaktenrund 13 Mio. Euro
Jährlicher Erfüllungsaufwandnoch nicht bezifferbar
EvaluierungDie Rechtsverordnungen werden spätestens drei Jahre nach ihrem Inkrafttreten zusammen mit dem zu Grunde liegenden Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs evaluiert.
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat den Erfüllungsaufwand für die Einführung der elektronischen Bußgeldakte auf der Bundesebene sowie in gerichtlichen Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz nachvollziehbar dargestellt.
Das Ressort ist damit der Erwartung nachgekommen, die der Nationale Normenkontrollrat (NKR) in seiner Stellungnahme zu dem zu Grunde liegenden Gesetz formuliert hatte.
Der NKR erhebt im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags keine Einwände gegen die Darstellung der Gesetzesfolgen in den vorliegenden Regelungsentwürfen.

II. Im Einzelnen

Mit Wirkung vom 1. Januar 2026 sind in Deutschland Bußgeldakten elektronisch zu führen und, ebenso wie Akten in gerichtlichen Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz, ggf. elektronisch zu übermitteln. Die Grundlage hierfür wurde mit Gesetz vom 5. Juli 20171 geschaffen. Das Gesetz ermächtigt die Bundesregierung und die Landesregierungen, jeweils für ihren Bereich, die Rahmenbedingungen und Standards der elektronischen Aktenführung und -übermittlung durch Rechtsverordnung festzulegen.

Mit den Regelungsvorhaben will das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) für seinen Geschäftsbereich von der Verordnungsermächtigung Gebrauch machen. Regelungsgegenstand sind die Rahmenbedingungen und Standards für - die elektronische Aktenführung im Bußgeldverfahren,

II.1 Erfüllungsaufwand

Zum Geschäftsbereich des BMJV und damit zum Anwendungsbereich der Regelungsentwürfe gehören der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof sowie der Bundesgerichtshof selbst. Die dort ausgelösten Kosten sind methodisch als Erfüllungsaufwand zu behandeln. Dies gilt auch insoweit, als sie beim Bundesgerichtshof anfallen. Denn die Gestaltung von und die Ausstattung mit Infrastruktur für die elektronische Aktenführung und -übermittlung gehören nicht zum Kernbereich richterlicher Tätigkeit.

Bei der Ermittlung und Darstellung des Erfüllungsaufwands hat das Ressort folgenden Umständen Rechnung getragen:

Das BMJV ist der Erwartung des NKR mit einer Abschätzung der Kosten nachgekommen, die beim Generalbundesanwalt und den fünf Strafsenaten des Bundesgerichtshofs für die Umstellung auf elektronische Aktenführung in Straf- und Bußgeldverfahren entstehen. Da diese Kosten in den Jahren 2020 bis 2024 sukzessive anfallen, sind sie als einmaliger Aufwand zu behandeln.

Für den Generalbundesanwalt und dessen Geschäftsbereich hat das Ressort den Umstellungsaufwand gut nachvollziehbar auf rund 13 Mio. Euro geschätzt.

KalenderjahrBetrag in TEURBemerkung
2019200
20201.105Bereitstellen der technischen Infrastruktur
und Beginn Testbetrieb in Revisionsabteilung
2021800Ergänzung technische Infrastruktur an Pilotarbeitsplätzen und Beginn Pilotbetrieb in der Revisionsabteilung
2022700Beginn Konzeption e-Strafakte für Ermittlungsabteilungen,
Beginn Konzeption VS-E-Strafakte
20231.100Testbetrieb Ermittlungsabteilungen. Ersatz- und Erweiterungsbeschaffungen der technischen Infrastruktur und weitere Konzeption VS-E-Strafakte
20248.800Pilotbetrieb Ermittlungsabteilungen, Umsetzung Konzeption VS-E-Strafakte
12.705

Bei den 5 Strafsenaten des Bundesgerichtshofs entsteht mit der Einführung der elektronischen Akte einmaliger Aufwand von rund 240.000 Euro.

Nachvollziehbar ist auch, dass sich jährlicher Erfüllungsaufwand (Belastung und/oder Entlastung) derzeit noch nicht darstellen lässt.

II.2 Evaluierung

Die Rechtsverordnungen werden spätestens drei Jahre nach ihrem Inkrafttreten zusammen mit dem zu Grunde liegenden Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs evaluiert.

III. Ergebnis

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat den Erfüllungsaufwand für die Einführung der elektronischen Bußgeldakte auf der Bundesebene sowie in gerichtlichen Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz nachvollziehbar dargestellt.

Das Ressort ist damit der Erwartung nachgekommen, die der Nationale Normenkontrollrat (NKR) in seiner Stellungnahme zu dem zu Grunde liegenden Gesetz formuliert hatte.

Der NKR erhebt im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags keine Einwände gegen die Darstellung der Gesetzesfolgen in den vorliegenden Regelungsentwürfen.

Dr. Ludewig Dr. Holtschneider
Vorsitzender Berichterstatter