Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Eine entschlossenere Reaktion auf das Drogenproblem KOM (2011) 689 endg.

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Hinweis: vgl.
Drucksache 5 054/01 = AE-Nr. 0 1213 0,
Drucksache 781/03 (PDF) = AE-Nr. 033502,
Drucksache 246/10 (PDF) = AE-Nr. 100286 und
Drucksache 436/11 (PDF) = AE-Nr. 110625

Brüssel, den 25.10.2011
KOM (2011) 689 endgültig

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Eine entschlossenere Reaktion auf das Drogenproblem

1. eine entschlossenere Europäische Reaktion auf das Drogenproblem

Illegale Drogen1 bedrohen die Gesundheit und Sicherheit der Menschen und Gesellschaften in den EU-Ländern. Das Drogenproblem in Europa entwickelt sich schnell. In immer kürzeren Abständen tauchen neue schädliche psychoaktive Substanzen 2 auf. Drogenhändler ändern Routen und Methoden für den Drogenschmuggel oder für das Waschen der aus dem Drogenhandel erzielten Erträge.

Drogen haben vor allem Einfluss auf Jugendliche. Drogenkonsum zählt zu den wesentlichen Ursachen von Gesundheitsproblemen bei Jugendlichen und ist eine der wichtigsten Ursachen vermeidbarer Todesfälle unter jungen Europäern. Wie die Eurobarometer-Befragung zur Haltung Jugendlicher zu Drogen 3 aus dem Jahr 2011 zeigt, können sich Jugendliche problemlos auch die schädlichsten Drogen innerhalb von 24 Stunden beschaffen. Statistiken zufolge stirbt in Europa stündlich ein Mensch an einer Überdosis 4 . Die Nutzung des Internets für den Verkauf neuer Drogen und der schnelle Austausch von Informationen über neue Drogen durch Soziale Netzwerke stellen die Drogenpolitik und die herkömmlichen Präventionsmethoden vor neue Herausforderungen.

Gegen das Drogenproblem muss mehr unternommen werden. Maßnahmen sollten unter voller Wahrung der Subsidiarität dort getroffen werden, wo sie am wirkungsvollsten sind. Die EU sollte ihr Handeln danach ausrichten, wo der größte Mehrwert zu erzielen ist. Die Mitgliedstaaten können die Ausbreitung von Drogen nicht aufhalten, wenn sie nicht wirkungsvoll zusammenarbeiten: Im Binnenmarkt können Güter, aber auch kriminelle Aktivitäten frei zirkulieren. Verbietet ein Mitgliedstaat neue psychoaktive Substanzen, weichen Drogenhändler in andere Mitgliedstaaten mit weniger strengen Vorschriften aus. Hartes, aber unkoordiniertes Durchgreifen kann Händler dazu zwingen, die Drogenproduktion in Nachbarländer zu verlegen oder Handelsrouten zu ändern, doch diese Maßnahmen können den Handel nicht nachhaltig beeinträchtigen.

In den letzten 15 Jahren hat die Europäische Kommission im Rahmen der EU-Drogenstrategie (2005-2012)5 zur Entwicklung einer umfassenden und ausgewogenen Reaktion der EU auf die Drogenproblematik beigetragen. Die beiden wichtigsten Rechtsinstrumente der EU zur Drogenbekämpfung, das eine zum Drogenhandel6, das andere zu neuen Drogen (neue psychoaktive Substanzen)7, stammen aus den Jahren 2004 bzw. 2005. In den letzten Jahren wurden jedoch neue Probleme erkennbar: Drogen und die zu ihrer ´Herstellung benötigten chemischen Substanzen ("Drogenausgangsstoffe") werden auf neue Art gehandelt, es kommen rasch neue Drogen auf den Markt und für diese neuen Substanzen werden neuartige Vertriebskanäle genutzt.

Im Aktionsplan zur Umsetzung des Stockholmer Programms 2010-2014 8 verpflichtete die Europäische Kommission sich zu Maßnahmen zur Stärkung des Schutzes gegen schwere und organisierte Kriminalität. Nachdem nunmehr der Vertrag von Lissabon in Kraft ist, muss Europa energisch und entschlossen auf das Drogenproblem, und zwar gleichermaßen auf Drogennachfrage und Drogenangebot, reagieren. Neue Vorschriften, an denen das Europäische Parlament beteiligt wird und deren Umsetzung den Mitgliedstaaten obliegt, werden durch die Kommission und letztlich durch den Gerichtshof der Europäischen Union kontrolliert.

Die Kommission hat die Absicht, der EU-Drogenpolitik neue Anstöße zu geben. In dem von ihr vorgeschlagenen Haushalt für Europa 20209 sagt sie finanzielle Unterstützung zu, damit den künftigen Aufgaben im Zusammenhang mit dem Drogenproblem begegnet werden kann. Die EU-Haushaltsmittel sollten gezielt für solche Maßnahmen verwendet werden, die eindeutig einen Mehrwert bieten und die folgende Maßnahmen einschließen: Vorgehen gegen neue Drogen, Entwicklung innovativer Praktiken für Prävention oder Behandlung sowie grenzübergreifende Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden und einschlägige Schulungsmaßnahmen.

2. Drogenhandel

Der Drogenmarkt ändert sich fortwährend, um Kontrollen und Beschlagnahmen zu entgehen10. Neue Techniken erleichtern die Entwicklung innovativer Methoden für den Drogenschmuggel sowohl in die EU als auch innerhalb der EU. Drogenhändler nutzen fortschrittliche Techniken, um Drogen zu verstecken, beispielsweise Flüssigkokain, das sie Handelswaren (Kleidung, Flüssigkeiten, Plastik) beimischen, in europäischen Labors in Kokain in Pulverform umwandeln oder dem sie den Geruch entziehen. Aus der Distanz überwachen sie Produktions- und Lagerstätten. Um sich vor Strafverfolgung zu schützen, diversifizieren Drogenhändler ihre Aktivitäten, handeln mit unterschiedlichen Drogen oder illegalen Dopingsubstanzen, die Athleten gesundheitlichen Schaden zufügen, und sind in verschiedenen Bereichen kriminell aktiv. Kriminelle Netzwerke wechseln häufig ihre Handelsrouten, um Kontrollen zu umgehen. Die zunehmende Bedeutung der Westafrika-Route für den Schmuggel von Kokain aus Lateinamerika nach Europa beweist, dass die Netzwerke imstande sind, die Kontrollen entlang der Atlantikküste zu vermeiden. Das zeigt, dass ein wirksames europäisches Grenzüberwachungssystem erforderlich ist.

Der europäische Pakt zur Bekämpfung des internationalen Drogenhandels, den der Rat am 3. Juni 1011 angenommen hat, sowie der vom polnischen Vorsitz initiierte europäische Pakt gegen synthetische Drogen dienen zur Verbesserung der Koordinierung zwischen den verschiedenen12 Initiativen, die ein hartes Vorgehen gegen den Drogenhandel vorsehen

Für die Strafverfolgungsbehörden ist Drogenhandel eine der größten grenzüberschreitenden Herausforderungen in Europa. Seit 2004 beschäftigt sich Eurojust mehr mit Drogenhandel als mit allen anderen Arten von Straftaten. In diesem Zeitraum hat die Zahl von Drogendelikten, die Eurojust übertragen wurden, von 77 auf 254, d.h. um mehr als das Dreifache 13 zugenommen, und dieser Trend setzt sich 2011 fort. 2010 hing rund ein Drittel der von Europol geleisteten operativen Unterstützung für nationale Strafverfolgungsbehörden mit illegalem Drogenhandel 14 zusammen. Eurojust und Europol tragen zunehmend zur Koordinierung grenzübergreifender Untersuchungen innerhalb der EU sowie mit Drittländern bei.

Gemäß dem Vertrag von Lissabon zählt Drogenhandel zu einem der Bereiche "besonders schwerer Kriminalität ..., die ... eine grenzüberschreitende Dimension haben" und die Annahme von Richtlinien zur Festlegung von Mindestregeln für die Definition von Straftatbeständen und Strafen 15 rechtfertigen. Dieser wichtige Schritt wird der EU eine entschlossenere Reaktion ermöglichen, bei der das Europäische Parlament und nationale Parlamente stärker beteiligt werden sollen.

Die derzeitigen EU-Vorschriften zum Drogenhandel, d.h. der Rahmenbeschluss 2004/757/JI, der eine EU-Definition von Straftatbeständen im Zusammenhang mit dem Drogenhandel und Mindestregeln für Sanktionen vorsieht, stellt einen wichtigen ersten Schritt für ein europäisches Vorgehen dar, weist aber dennoch Schwachstellen auf. Die Kommission hat die Umsetzung des Rahmenbeschlusses geprüft 16 und festgestellt, dass sich die einzelstaatlichen Maßnahmen gegen Drogenhandel durch dieses Instrument kaum angeglichen haben. Der Beschluss hat die justizielle Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Drogenbekämpfung nur unwesentlich erleichtert.

Der Handel mit chemischen Ausgangsstoffen ist in den meisten Mitgliedstaaten beispielsweise ein eigenständiger Straftatbestand, in einigen Mitgliedstaaten allerdings erfüllt er nur den Straftatbestand der Beihilfe und Anstiftung zum Drogenhandel. Dies könnte die Justiz also bei der konkreten Verfolgung dieser Straftat behindern. Auch die im Rahmenbeschluss vorgesehenen Bestimmungen zu erschwerenden Umständen (die hohe strafrechtliche Sanktionen rechtfertigen) reichen nicht aus: Sie umfassen nämlich nicht alle in früheren7 EU- und UN-Instrumenten aufgeführten erschwerenden Umstände1 .

Es bedarf unbedingt gemeinsamer Mindestregeln, um das zur Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den Justizsystemen der Mitgliedstaaten erforderliche Maß an Vertrauen herzustellen. Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon ist nunmehr eine rechtliche und politische Stärkung dieses wichtigen Rahmenbeschlusses möglich.

Die Kommission wird neue EU-Bestimmungen vorlegen, um EU-weit eine wirksamere Annäherung von Drogenstraftatbeständen und diesbezüglichen Strafen zu gewährleisten. Die neuen Vorschläge dienen dazu,

Neben wesentlichen Fähigkeiten zur Erhebung von nachfragespezifischen Daten ist die Verbesserung der Datensammlung zum Drogenangebot für die Bewertung der Entwicklungen auf dem Drogenmarkt unerlässlich. Solange Indikatoren fehlen, lassen sich diese Entwicklungen, die Belastung drogenbedingter Straftaten für die Gesellschaft sowie die Auswirkungen und die Wirksamkeit der Verringerung des Drogenangebots nur schwer abschätzen.

Ausgehend vom Fachwissen der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) wird die Kommission mit Unterstützung von Europol Schlüsselindikatoren für die Überwachung des Drogenmarkts, drogenbedingter Straftaten und der Verringerung des Drogenangebots vorstellen. Diese dürften dazu beitragen, wirksamer beim Drogenangebot anzusetzen.

3. Drogenausgangsstoffe

Der Handel mit Chemikalien, die zur Drogenherstellung verwendet werden, bietet Anlass zu ernster Sorge. So erfordert beispielsweise die Umwandlung von Rohopium in Heroin erhebliche Mengen an Ausgangsstoffen. Diese chemischen Substanzen dienen eigentlich verschiedenen rechtmäßigen Zwecken, können aber auch vom legalen Handel zur Herstellung von illegalen Drogen abgezweigt werden. Sie werden innerhalb der EU sowie zwischen der EU und unterschiedlichen Teilen der Welt geschmuggelt. Bilaterale Abkommen zwischen der EU und ihren Handelspartnern über die Kontrolle von Drogenausgangsstoffen bieten eine tragfähige Grundlage für die Abstimmung von Maßnahmen und den Austausch von Informationen über den Handel mit diesen Substanzen. Solche Abkommen der EU bestehen bereits mit der Türkei, Mexiko, Chile, den Vereinigten Staaten, China und den Andenländern.

Zur Vermeidung von Kontrollen ändern Drogenhändler die Produktionsmethoden und wandeln Drogenausgangsstoffe in andere Substanzen ("Vor-Ausgangsstoffe") um, aus denen sie sie später zurückgewinnen, oder extrahieren sie aus pharmazeutischen Zubereitungen.

Bei allen Maßnahmen zur Verhinderung der Abzweigung von Drogenausgangsstoffen gilt es ein Gleichgewicht zu finden, das eine wirksame Kontrolle gewährleistet, aber nicht den rechtmäßigen Handel mit diesen Substanzen behindert. Gute Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden - einschließlich der Europäischen Arzneimittel-Agentur, einzelstaatlichen Gesundheits- und Arzneimittelbehörden sowie Wirtschaftsteilnehmern - ist hier von größter Bedeutung.

Die Kommission hat in ihrer Bewertung18 der Durchführung der EU-Vorschriften zur Überwachung und Kontrolle des Handels mit Drogenausgangsstoffen19 Empfehlungen abgegeben, u.a. konsequentere Umsetzung der geltenden Vorschriften und ggf. Einführung strengerer Vorschriften für bestimmte Chemikalien (wie für Essigsäureanhydrid, den wichtigsten Ausgangsstoff für die Heroinherstellung) und Gewährleistung einer angemessenen Kontrolle pharmazeutischer Zubereitungen, die für die Herstellung von Methamphetamin erforderliche Substanzen enthalten.

Die Kommission prüft Möglichkeiten zur Stärkung der EU-Vorschriften zur Kontrolle der Herstellung und zum Handel mit Ausgangsstoffen, die verschiedene Arten von Substanzen und Reaktionsmitteln umfassen, die häufig bei der Herstellung von Suchtstoffen oder psychoaktiven Substanzen verwendet werden. Sie untersucht gegenwärtig, welche Auswirkungen verschiedene Optionen für Legislativvorschläge haben könnten, die auf eine größere Effizienz der Vorschriften zur Verhütung der Abzweigung von Ausgangsstoffen abstellen, dem legalen Ausgangsstoffhandel jedoch keinen übermäßigen Verwaltungsaufwand aufbürden sollen. Besonderes Augenmerk soll dabei auf den Ausgangsstoff für Heroin, Essigsäureanhydrid, sowie auf pharmazeutische Zubereitungen mit Ephedrin und Pseudoephedrin gelegt werden, die für die Herstellung von Methamphetamin gebraucht werden.

Die Kommission wird Maßnahmen ergreifen, um die internationale Zusammenarbeit zur Bekämpfung der Abzweigung von Drogenausgangsstoffen zu intensivieren. So handelt sie derzeit ein Abkommen über Drogenausgangsstoffe mit Russland aus, das aus Gründen der Dringlichkeit in den nächsten Monaten unterzeichnet werden soll. Gemeinsam mit den Mitgliedstaaten wird die Kommission die Zusammenarbeit mit den lateinamerikanischen Ländern intensivieren bzw. die Zusammenarbeit mit China weiterverfolgen - Länder, mit denen die EU bereits solche Abkommen geschlossen hat.

4. Sicherstellung Einziehung von Vermögenswerten aus Straftaten

Grenzüberschreitende Straftaten werden zumeist aus finanziellen Gründen begangen. Im Rahmen einer effizienten Verhütung und Bekämpfung der organisierten Kriminalität muss der Schwerpunkt daher auf das Aufspüren, Einfrieren, die Beschlagnahme und die Einziehung von Erträgen aus Straftaten gelegt werden. Netze der organisierten Kriminalität machen sich zunehmend die Vorzüge eines Europas ohne Binnengrenzen zunutze, um Vermögenswerte in verschiedenen Mitgliedstaaten zu erwerben und sie häufig in Drittländern zu verstecken. Außerdem ändern sie ihre Geldwäschepraktiken.

Das Vermögen krimineller Netze aufzuspüren, einzufrieren und sicherzustellen, ist eine große Aufgabe. Die EU hat fünf Legislativinstrumente (Rahmenbeschlüsse) angenommen, die Drogenhändlern den Genuss ihres Vermögens unmöglich machen sollen 20 . Diese Rechtsakte hatten nicht genügend Wirkung. Vor allem haben sie öffentlichen Behörden nicht die Mittel an die Hand gegeben, die diese zur Sicherstellung großer Mengen an Waren benötigen. Es bedarf in Europa unbedingt eines funktionierenden Netzes von Stellen zur Einziehung von Vermögen, um die Finanzkraft krimineller Netze zu schwächen und gezielt gegen ihre illegalen Erlöse und Vermögenswerte vorzugehen.

Die Kommission wird neue, strengere EU-Vorschriften zur Sicherstellung und Einziehung von Vermögenswerten aus Straftaten sowie zur gegenseitigen Anerkennung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen vorschlagen. So soll eine effizientere Beschlagnahme der Vermögenswerte aus Straftaten sichergestellt und verhindert werden, dass sie in der legalen Wirtschaft investiert oder zur Finanzierung anderer Straftaten verwendet werden. Das geplante Legislativpaket zur Sicherstellung und Einziehung von Vermögenswerten wird auch den Drogenhandel abdecken. Ziel sind harmonisierte Mindestvorschriften und die Stärkung des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Justizbehörden.

Die Kommission wird die dritte Geldwäscherichtlinie überarbeiten, um der EU zu ermöglichen, noch entschlossener gegen die Wäsche von Erträgen vorzugehen, die die organisierte Kriminalität aus Straftaten einschließlich Drogenhandel erlangt hat.

5. Neue psychoaktive Substanzen

Seit einigen Jahren treten in der EU vielfach neue psychoaktive Substanzen, mit denen illegale Drogen imitiert werden, in Erscheinung. Seit 2005 haben die Mitgliedstaaten durch das EU-Frühwarnsystem 115 neue psychoaktive Substanzen gemeldet21. Sie werden in "Spezialgeschäften" oder über das Internet verkauft, einige sind aber auch bei Drogenhändlern erhältlich. Um nationale Bestimmungen zu umgehen, werden diese Drogen häufig als "nicht für den menschlichen Verzehr" gekennzeichnet. Die Geschwindigkeit, mit der diese Drogen auf den Markt geworfen werden, stellt die Kapazitäten der Behörden vor die große Herausforderung, auf diese Situation zu reagieren.

Die Rekordzahl von 41 im Jahr 2010 gemeldeten neuen Substanzen entspricht rund einem Drittel22 aller seit 2005 gemeldeten Substanzen. Zwei Substanzen, BZP und Mephedron wurden der Risikobewertung auf EU-Ebene unterzogen, und der Rat beschloss daraufhin auf Vorschlag der Kommission Kontrollmaßnahmen und strafrechtliche Vorschriften. Die Mitgliedstaaten müssen diese Substanzen jetzt als illegale Drogen einstufen und in ihren Rechtsvorschriften gemäß den UN-Übereinkommen Kontrollmaßnahmen und strafrechtliche Sanktionen vorsehen.

Wie die Eurobarometer-Umfrage von 201 123 ergab, haben EU-weit 5 % der befragten Jugendlichen solche Substanzen konsumiert. Der Preis dieser Substanzen (der unter dem für illegale Drogen liegt) und der Umstand, dass sie "nicht illegal" und deswegen sehr leicht zugänglich sind, könnte erklären, wieso sie sich in vielen Mitgliedstaaten so schnell ausgebreitet haben. Gemessen an der Toxizität und am Suchtpotenzial dieser Substanzen können sie allerdings ähnlich schädlich sein wie illegale Drogen.

Die Kommission arbeitet weiterhin eng mit den EU-Agenturen zusammen, um das Verständnis für dieses Problem zu verbessern und wirksamere Antworten, u.a. im Bereich der Prävention, zu ermitteln. Die aktuellen EU-Vorschriften sind unzureichend, um gegen das Problem vorzugehen. In ihrer Bewertung der Wirksamkeit des Beschlusses 2005/387/JI des Rates24 ermittelte die Kommission drei wichtige Schwachpunkte:

Die Kommission wird strengere EU-Vorschriften zu neuen psychoaktiven Substanzen vorschlagen. Unter Berücksichtigung der schnellen Entwicklungen auf diesem Gebiet und der wissenschaftlicher Erkenntnisse über die von diesen Substanzen ausgehenden Gefahren würde der neue Vorschlag

6. Nachfrageverringerung

EU-weit bestehen verschiedene Maßnahmen zur Verringerung der Drogennachfrage. Sie sollen Menschen vom ersten Kontakt mit Drogen abhalten, sie vor der Suchtgefahr bewahren, die schädlichen gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen des Drogenkonsums verringern und Dienste für Behandlung, Rehabilitation und soziale Wiedereingliederung vorsehen. Die sich wandelnden Drogenkonsummuster und der zunehmende Mehrfachgebrauch von Substanzen wie illegalen Drogen in Verbindung mit Alkohol oder verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sind eine Herausforderung für die derzeitigen Präventions- und Behandlungsmethoden.

Zwar gibt es seit einigen Jahren ein breiteres Behandlungsangebot, doch bestehen EU-weit nach wie vor große Unterschiede bezüglich der Reichweite und Qualität drogenspezifischer Dienste. Rund 670 000 heroinsüchtige Europäer - d.h. nur etwa die Hälfte der Personen, die Therapie benötigen - erhalten eine Ersatztherapie. In einigen EU-Ländern sind die Behandlungsmöglichkeiten begrenzt. In bestimmten Mitgliedstaaten wurden viele Aufklärungs-, Präventions- und Behandlungsprogramme noch immer nicht auf ihre Wirksamkeit hin bewertet.

Nadel- und Spritzenaustausch-Programme für injizierende Konsumenten, die auf diese Weise nicht gezwungen sind, ihr Material mit anderen Konsumenten zu teilen, haben dazu beigetragen, dass sich Aids und andere durch Blut übertragene Infektionskrankheiten bei Drogenkonsumenten langsamer ausbreiten. Diese Maßnahmen können jedoch nur dann erfolgreich sein, wenn EU-weit nachhaltige, integrierte Strategien zur Verhütung der Ausbreitung25 solcher drogenbezogenen Infektionskrankheiten eingeführt werden

Es besteht kein Zweifel, dass drogenspezifische Dienste ausgeweitet und verbessert werden müssen, um eine wirksame Prävention sicherzustellen und zu gewährleisten, dass in Behandlung befindliche Personen wieder gesund werden und mit Erfolg wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden können.

Die Kommission wird auch die verbesserte Anwendung der Schlüsselindikatoren im Bereich der Nachfragereduzierung fördern, damit die Mitgliedstaaten wirkungsvollere Dienste leisten können.

Die Kommission wird zur Entwicklung von Mindestqualitätsstandards beitragen, um die Wirksamkeit der Drogenprävention, der Behandlung und der Minderung der Gesundheitsschäden in der EU zu verbessern. Ziel sind Qualitätsstandards für drogenspezifische Dienste, z.B. Verschreibung einer genau geplanten Behandlung entsprechend den individuellen Bedürfnissen des Patienten oder Qualifikationsanforderungen für das Personal. Diese Standards sollen gemeinsam mit der EBDD, den Mitgliedstaaten und Praktikern in drogenspezifischen Diensten unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Gesundheitssysteme und Kapazitäten in den EU-Ländern entwickelt werden.

Außerdem wird die Kommission Maßnahmen zur Verringerung gesundheitlicher und sozialer Schäden in Verbindung mit Drogenabhängigkeit weiterhin unterstützen und fördern; zu diesen gehören die Prävention durch Aufklärung und bereits nach ersten Kontakten mit Drogen Unterstützung zur Verhütung von Drogensucht sowie Interventionen zur Verhütung und Eindämmung von Infektionen bei injizierenden Drogenkonsumenten und zur Verhütung drogenbedingter Todesfälle26. Sie wird weiter Maßnahmen zu Rehabilitation und sozialer Reintegration drogenabhängiger Konsumenten 27 unterstützen. Sie beabsichtigt, einen zweiten Bericht über die Umsetzung der Empfehlung von 2003 28 zur Prävention und Reduzierung von Gesundheitsschäden im Zusammenhang mit der Drogenabhängigkeit vorzulegen, in dem die Wirkung von Prävention und Reduzierung von Gesundheitsschäden bewertet werden soll.

7. Führen von Fahrzeugen unter dem Einfluss von Drogen

Viele Verkehrsunfälle in der EU werden von Fahrern verursacht, die unter dem Einfluss psychoaktiver Substanzen stehen. Studien zeigen, dass das Führen eines Fahrzeugs unter dem Einfluss von illegalen Drogen das Risiko tödlicher Verkehrsunfälle erhöht. Da auf EU-Ebene nicht systematisch Daten gesammelt werden, muss die negative Wirkung des Fahrens unter Drogeneinfluss auf die Verkehrssicherheit näher untersucht werden. Die Entwicklung wirkungsvoller und angemessener Antworten zur Bekämpfung des Fahrens unter Drogeneinfluss stellt eine große Herausforderung dar, wie im Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum 29 herausgestellt wurde.

Die Kommission prüft derzeit, wie auf EU-Ebene die Verkehrssicherheit erhöht und gegen das Führen von Fahrzeugen unter Drogeneinfluss vorgegangen werden kann. Ausgehend von den Ergebnissen des von der EU finanzierten DRUID-Projekts 30, das die Wirkung illegaler Drogen auf die Verkehrssicherheit, die Wirksamkeit von Testgeräten und mögliche Reaktionen untersucht hat, wird die Kommission Maßnahmen zur wirksamen Bekämpfung dieses Problems vorschlagen. Unter anderem könnte versucht werden, die Zuverlässigkeit von Straßenkontrollgeräten zu erhöhen oder geeignetes Ausbildungsmaterial für Polizeibeamte bereitzustellen.

8. Internationale Zusammenarbeit

Die EU spielt bei der internationalen Zusammenarbeit zur Bekämpfung illegaler Drogen eine Schlüsselrolle. Sie führt einen aktiven Dialog mit den Produktions- und Handelsländern und stellt ihnen politische, finanzielle und technische Unterstützung zur Verfügung. Eine entschlossenere Reaktion auf illegale Drogen erfordert es, dass die EU ihr Engagement gegenüber Nachbarländern und strategischen Partnern vertieft und ihre Verpflichtungen entlang der Drogenrouten in die EU auf der Basis eines ausgewogenen, umfassenden Ansatzes, bei dem die Menschenrechte vollständig geachtet werden, ausbaut.

Neben illegalen Drogen, die aus der EU stammen, kommen Drogen auf zwei wichtigen Drogenrouten in die EU. Dies ist zum einen die "Kokainroute" (die Drogen gelangen von Lateinamerika über Westafrika in die EU) und zum anderen die "Heroinroute (die Drogen gelangen von Afghanistan über die Balkanländer oder über Mittelasien in die EU). Die EU verfolgt einen dreigliedrigen Ansatz zur internationalen Bekämpfung illegaler Drogen:

Umfassend - Der Vertrag von Lissabon bietet der EU eine Gelegenheit, ihre Zusammenarbeit mit Drittländern auf dem Gebiet der Strafverfolgung auszubauen, diese bei der Verbesserung der Kapazitäten ihrer Justizsysteme zu unterstützen und die Rechtsstaatlichkeit unter voller Achtung der Menschenrechte zu fördern. Die EU sucht nach langfristigen Lösungen, indem sie beispielsweise Bauern in Afghanistan, die in ländlichen Gebieten Drogenpflanzen anbauen, Alternativen der Existenzsicherung bietet, und in Herkunfts- und Transitländern auf die Verringerung der Drogennachfrage hinarbeitet. Die EU engagiert sich für die Zusammenarbeit sowohl mit Transit- als auch mit Produktionsländern, da beide unter dem zunehmenden Drogenkonsum der Bevölkerung und damit zusammenhängenden Problemen im Bereich der öffentlichen Gesundheit leiden und nur über schwache institutionelle Kapazitäten zur Bekämpfung des Problems verfügen.

Geografisch - Die EU plant die weitere Konsolidierung ihres "Drogenrouten-Ansatzes", der es ihr ermöglicht, das Problem umfassend, vom Anbau von Drogenpflanzen bis hin zum Erscheinen von Drogen auf dem EU-Markt, anzugehen. Die EU-Nachbarländer werden auch künftig Vorrang haben. Beitrittsländern soll namentlich durch das Instrument für Heranführungshilfe weiterhin Unterstützung beim Kapazitätenaufbau gewährt werden. Die EU wird ihr Engagement gegenüber Lateinamerika31, den Ländern der Karibik und Afrikas sowie mit wichtigen regionalen Organisationen stärken und dabei, aufbauend auf dem Erfolg der Kooperationsplattformen von Verbindungsbeamten in Westafrika, den Kapazitätenaufbau koordinieren.

Zusammenarbeit mit strategischen Partnern - Die EU wird auf unserem Engagement gegenüber strategischen Partnern mit dem gleichen Interesse an der Bekämpfung illegaler Drogen aufbauen. Die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten in der Frage der Passagierdatensätze (PNR) war bei der Bekämpfung des Drogenhandels außerordentlich hilfreich. Die EU und die Vereinigten Staaten suchen nach Möglichkeiten für den Aufbau eines gemeinsamen Strafverfolgungsnetzes mit Bezug zum Drogenhandel und die Koordinierung von Projekten zum Kapazitätenaufbau in Westafrika, Lateinamerika und der Karibik. Die EU intensiviert ihre Anstrengungen, gemeinsam mit den Vereinigten Staaten und Russland den Drogenhandel und den Drogenmissbrauch in Mittelasien zu verringern bzw. zu verhüten. Außerdem bemüht sie sich mit internationalen Partnern um die Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der afghanischen Drogenwirtschaft, die bis zu 90 % der weltweiten Heroinproduktion liefert.

Weitere Maßnahmen zur Stärkung der internationalen drogenpolitischen Kooperation sollen im Rahmen der laufenden Evaluierung der EU-Drogenstrategie und der Aktionspläne in Erwägung gezogen werden.

9. Fazit

Ziel der europäischen Drogenpolitik ist es, das Wohlbefinden der Gesellschaft und des Einzelnen zu schützen und zu verbessern, die öffentliche Gesundheit zu schützen, der Allgemeinheit ein hohes Maßnahme an Sicherheit zu bieten und die Drogenproblematik mit einem ausgewogenen, integrierten Ansatz anzugehen. Das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon und die Auflösung der Säulenstruktur in der politischen Willensbildung der EU bieten neue Möglichkeiten zur Zusammenfügung aller für die Drogenproblematik bedeutsamen Politikbereiche. Angesichts des Umfangs und des sich wandelnden Charakters des europäischen Drogenproblems muss die EU schnell, entschlossen und wirksam handeln. Die Kommission plant für die Zukunft ein noch entschiedeneres Vorgehen gegen illegale Drogen und neue psychoaktive Substanzen, die deren Wirkung imitieren (überwiegend neue synthetische Drogen)32. Sie beabsichtigt dazu, die neuen Möglichkeiten des Vertrags von Lissabon zu nutzen.

Die Kommission plant folgende Legislativvorschläge:

Die Kommission wird außerdem Folgendes vorlegen:

Die Kommission fordert das Europäische Parlament, den Rat, die Zivilgesellschaft und andere wichtige Interessenträger auf, sich an einer Debatte darüber zu beteiligen, wie das Problem der illegalen Drogen und neuen psychoaktiven Substanzen wirksam angegangen werden kann, und wird dazu eine Online-Konsultation starten.