Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine funktionierende öffentliche Auftragsvergabe in und für Europa - COM (2017) 572 final

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Hinweis: vgl.
Drucksache 874/11 (PDF) = AE-Nr. 111163,
Drucksache 015/12 (PDF) = AE-Nr. 120018,
Drucksache 016/12 (PDF) = AE-Nr. 120020,
Drucksache 162/12 (PDF) = AE-Nr. 120207,
Drucksache 580/14 (PDF) = AE-Nr. 141071,
Drucksache 509/15 (PDF) = AE-Nr. 150752,
Drucksache 043/17 (PDF) = AE-Nr. 170059,
Drucksache 044/17 (PDF) = AE-Nr. 170060,
Drucksache 438/17 (PDF) = AE-Nr. 170539,
Drucksache 629/17 (PDF) = AE-Nr. 170844, AE-Nr. 170074

Europäische Kommission
Straßburg, den 3.10.2017 COM (2017) 572 final

Einführung

In Zeiten, in denen die EU grundlegende Veränderungen durchmacht und erneut über ihre zukünftige Ausrichtung debattiert wird, ist klar, dass die Europäerinnen und Europäer eine EU verdienen und auch immer nachdrücklicher einfordern, die konkrete Ergebnisse liefert. Die Maßnahmen, die auf EU-Ebene ergriffen werden, sollten sich in Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit, Nachhaltigkeit, Solidarität und Sicherheit niederschlagen. Wie in der Investitionsoffensive für Europa1 ausgeführt wird, ist eine Belebung der Investitionstätigkeit hierfür entscheidend, da sie zur Schaffung von mehr Arbeitsplätzen und nachhaltigem Wachstum auf dem Binnenmarkt führt.

Ein beträchtlicher Teil der Investitionen in unsere Wirtschaft erfolgt durch Ausgaben im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge, die mit einem Anteil von 14 % am BIP der EU ein grundlegendes Element des "Ökosystems" für Investitionen bilden. Die Behörden können diesen Hebel strategisch geschickter einsetzen, um für die eingesetzten öffentlichen Gelder bessere Erträge zu erhalten und um zu einer innovativeren, nachhaltigeren2, inklusiveren und wettbewerbsfähigeren Wirtschaft beizutragen. Die Verbesserung des öffentlichen Auftragswesens ist überdies Bestandteil der von Präsident Juncker in seiner Rede zur Lage der Union geforderten Stärkung des Binnenmarktes.

In der Strategie für die Vergabe öffentlicher Aufträge, die die amtierende Kommission nun vorlegt, werden der politische Gesamtrahmen abgesteckt und klare Prioritäten für praktische Verbesserungen des öffentlichen Auftragswesens und zur Unterstützung der Investitionstätigkeit innerhalb der EU festgelegt. Zusammen mit dieser Strategie werden drei konkrete Initiativen vorgestellt. Die Kommission legt eine Mitteilung über einen Mechanismus für große Infrastrukturprojekte vor, der Klarheit schaffen und den Behörden Leitlinien für die Auftragsvergabe an die Hand geben soll. Die Kommission schlägt auch eine Empfehlung zur Professionalisierung öffentlicher Käufer vor, da qualifizierte Arbeitskräfte für eine wirksame Umsetzung unerlässlich sind. Parallel dazu wird eine zielgerichtete Konsultation über den Entwurf eines Leitfadens für eine Vergabe öffentlicher Innovationsaufträge gestartet, um neuen und nachhaltigeren Lösungen für unsere Gesellschaften den Durchbruch zu erleichtern.

1. Auf die öffentliche Auftragsvergabe KOMMT ES MEHR DENN JE AN

Die europäischen Bürgerinnen und Bürger erwarten für ihre Steuern eine faire Gegenleistung in Form qualitativ hochwertiger öffentlicher Dienstleistungen. Eltern möchten, dass ihre Kinder in den Schulen gesundes Essen erhalten, Stadtbewohner erwarten verstärkte Investitionen in intelligente und nachhaltige Städte, in denen sich besser leben lässt, mit sicheren Fahrradwegen, Plätzen und Spielplätzen aus sicheren und innovativen Materialien, Verkehrsteilnehmer verlangen sichere Infrastrukturen von hoher Qualität, Patienten benötigen leichter zugängliche und bessere Gesundheitsfürsorge und erwarten medizinische Ausrüstung und Diagnosegeräte auf dem neuesten Stand der Innovation. Für eine hohe Qualität der öffentlichen Dienstleistungen ist ein strategisches Vorgehen bei Beschaffungen notwendig. Eine wichtige Voraussetzung dafür sind moderne und effiziente Vergabeverfahren.

Für Behörden stellt die Vergabe öffentlicher Aufträge speziell in Zeiten angespannter Haushalte in den Mitgliedstaaten ein wirksames Instrument zur effizienten, nachhaltigen und strategischen Verwendung öffentlicher Gelder dar. Ein besseres Management der öffentlichen Auftragsvergabe, in deren Rahmen jedes Jahr Ausgaben von 2000 Mrd. EUR getätigt werden3, kann erhebliche Einsparungen in den öffentlichen Haushalten und eine Steigerung der Investitionen bewirken. Beispielsweise könnten mit einem Effizienzgewinn von 10 % Mittel in der beträchtlichen Höhe von 200 Mrd. EUR eingespart werden, ohne dass das Niveau der Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger Europas sinken würde. Die Vergabe öffentlicher Aufträge hat auch erhebliche direkte Auswirkungen auf die Struktur-und Investitionsfonds der EU, da fast die Hälfte der Mittel aus diesen Fonds über öffentliche Aufträge vergeben werden. Eine gute Auftragsvergabe trägt dazu bei, dass die Gelder der EU-Fonds mit dem bestmöglichen Kosten-Nutzen-Verhältnis eingesetzt werden können.

Die Vergabe öffentlicher Aufträge ist außerdem für die europäischen Unternehmen von Bedeutung, die vom Binnenmarkt profitieren, da sie sich sowohl im eigenen Land als auch in anderen EU-Mitgliedstaaten an Ausschreibungen beteiligen können. Die beschleunigte technische Entwicklung und die Digitalisierung, der demografische Wandel sowie die immer engere Verflechtung der Märkte üben einen starken Einfluss auf die Gesellschaft und die Wirtschaft der europäischen Länder aus. In einer globalisierten Welt bleibt die wirtschaftliche Integration, die der Binnenmarkt mit sich gebracht hat, ein entscheidender Motor für die Schaffung von Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit und somit unser bester Schutz.

Die Vergabe öffentlicher Aufträge ist ein strategisches Werkzeug, das jeder Mitgliedstaat in seinem wirtschaftspolitischen Instrumentarium hat. In der Binnenmarktstrategie von 20154 sprach sich die Kommission für mehr Transparenz, Effizienz und Rechenschaftspflicht bei der Vergabe öffentlicher Aufträge aus. Dies erfordert eine Umstellung von einem rein administrativen auf einen an strategischen Zielen und Bedürfnissen ausgerichteten Ansatz unter voller Einhaltung der Regeln. Mit jährlichen Ausgaben in Höhe von etwa 14 % des BIP der EU kann die Vergabe öffentlicher Aufträge zur Bewältigung vieler wichtiger Herausforderungen an die EU beitragen, indem sie insbesondere nachhaltiges Wachstum und Arbeitsplätze schafft.5 Sie kann Investitionen in die Realwirtschaft ermöglichen und die Nachfrage ankurbeln, um, wie in der Industriemitteilung6 betont wird, auf der Grundlage von Innovation und Digitalisierung die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Sie kann auch den Übergang zu einer ressourcenschonenden, energieeffizienten Kreislaufwirtschaft erleichtern7, eine nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft fördern und zu mehr Gleichheit und Inklusion in der Gesellschaft beitragen.

Die 2014 verabschiedete neue Generation von Richtlinien zur Vergabe öffentlicher Aufträge8 stellt einen Rahmen für ein flexibleres öffentliches Auftragswesen bereit. Durch die Richtlinien werden die Verfahren vereinfacht und der Zugang von KMU zu öffentlichen Aufträgen verbessert. Das allgemeine Ziel besteht darin, bei öffentlichen Ausgaben ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis und bessere Ergebnisse im Sinne der politischen Zielsetzungen auf gesellschaftlicher und sonstiger Ebene zu erzielen und gleichzeitig ihre Effizienz zu erhöhen. Schließlich enthalten die Richtlinien strengere Bestimmungen zu Integrität und Transparenz zur Bekämpfung von Korruption und Betrug.

Obwohl die Umsetzung der Richtlinien in nationales Recht sich lange hinzog9, gilt der modernisierte Rechtsrahmen nun in der überwiegenden Mehrheit der Mitgliedstaaten. Gleichwohl ergab das Verfahren des Europäischen Semesters10, dass auf zahlreichen Gebieten des öffentlichen Auftragswesens der Mitgliedstaaten Potenzial für Verbesserungen besteht, die entscheidende Gewinne an Wettbewerbsfähigkeit und Effizienz brächten. Außerdem werden die Möglichkeiten, die die Vergabe öffentlicher Aufträge als strategisches Werkzeug zur Erreichung der Ziele einer nachhaltigen, sozialen Politik und zur Förderung der Innovation bietet, von den Mitgliedstaaten nicht voll ausgeschöpft. Es ist daher an der Zeit, die intelligente Anwendung der neuen Regeln in der Praxis in den Mittelpunkt zu stellen.

In dieser Mitteilung zeigt die Kommission spezifische Bereiche auf, in denen es möglich ist, Veränderungen bei der Verwendung öffentlicher Gelder in den Mitgliedstaaten zu bewirken und so einen greifbaren Beitrag zu Wachstum und Beschäftigung in der EU zu leisten. Die Kommission umreißt darin ihre Vorstellung davon, wie in Europa in naher Zukunft öffentliche Aufträge vergeben werden könnten und sollten. Sie verpflichtet sich, eine Veränderung der Vergabekultur in den Mitgliedstaaten entschieden zu unterstützen, wobei sie die Befugnisse der Mitgliedstaaten und ihrer Behörden voll anerkennt. Dies erfordert eine starke politische Eigenverantwortung auf allen staatlichen Ebenen sowie eine grundlegende Veränderung der Art und Weise, wie öffentliche Aufträge vergeben werden. Die Kommission fordert daher eine umfassende Partnerschaft mit und zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten auf allen staatlichen Ebenen sowie sonstigen Interessenträgern mit klaren beiderseitigen Verpflichtungen.

2. VERGABE öffentlicher Aufträge HEUTE: der Wandel VOLLZIEHT SICH, ABER WIR stehen VOR weiteren Herausforderungen

Auf EU-Ebene tragen mehrere in den vergangenen Jahren gestartete Initiativen allmählich ihre Früchte. Der bestehende Rechtsrahmen hat dazu beigetragen, die Märkte für die Vergabe öffentlicher Aufträge zu verbessern und die Märkte weiterer Mitgliedstaaten zu integrieren. Die Schaffung eines EU-Binnenmarktes für öffentliche Aufträge stellt im Vergleich mit anderen Weltregionen eine große Errungenschaft dar. Die Daten zeigen, dass der Gesamtwert der (direkt und indirekt) grenzüberschreitenden Auftragsvergabe in den letzten Jahren auf etwa 23 %11 des Wertes sämtlicher öffentlichen Aufträge in der EU gestiegen ist, das jedoch immer noch Verbesserungspotenzial vorhanden ist. Wie in der Mitteilung "Bessere Governance für den Binnenmarkt"12 angekündigt, hat die Kommission den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der neuen Richtlinien in nationales Recht umfangreiche Hilfen bereitgestellt. Im Rahmen der europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds) müssen die Mitgliedstaaten die Vorbedingungen hinsichtlich der Vergabe öffentlicher Aufträge erfüllen; dadurch soll sichergestellt werden, dass die grundlegenden Rahmenbedingungen für die Effizienz und Wirksamkeit der von den Fonds mitfinanzierten Investitionen vorhanden sind. Die Reformprozesse in den Mitgliedstaaten sollten mit voller Unterstützung der Kommission fortgesetzt werden.

In mehreren Mitgliedstaaten wurden in den letzten Jahren ermutigende Schritte zu einer radikalen Reform der Praktiken oder der Strukturen des öffentlichen Beschaffungswesens unternommen. So wurde beispielsweise in Frankreich im März 2016 die Direktion für staatliche Beschaffungen (Direction des achats de l"État) gegründet, um die Beschaffungspolitik des Staates festzulegen und öffentliche Käufer zu schulen. In Irland wurde 2014 eine zentrale Beschaffungsstelle13 eingerichtet, die den klaren Auftrag hat, die Verwaltung der öffentlichen Ausgaben durch ausgiebige Verwendung marktbezogener und sonstiger Daten zum öffentlichen Auftragswesen zu verbessern. In Italien konnten durch die Schaffung eines koordinierten Systems zur Bedarfsermittlung und eines Verfahrens der kooperativen Beschaffung im Durchschnitt Einsparungen von 23 % erzielt werden. Im Rahmen des Projekts HAPP114 wurden innovative Lösungen für gesundes Altern von den Vergabebehörden mehrerer Mitgliedstaaten gemeinsam beschafft.15 Die Slowakei hat ein Auftragsregister eingerichtet, über das alle von den Behörden des Landes vergebenen Aufträge einsehbar sind, und so die Transparenz erhöht und eine öffentliche Kontrolle ermöglicht. Nach den Berechnungen von vierzig Behörden aus acht EU-Mitgliedstaaten zeitigten die über 100 Ausschreibungen im Rahmen des EU-finanzierten Projekts GPP 2020 (GPP: green public procurement, umweltgerechte öffentliche Beschaffung)16 Einsparungen von über 900 000 Tonnen CO₂-Äquivalent.

Veränderungen können auch von der Basis ausgehen. Der "Pakt von Amsterdam"17, eine im Mai 2016 von zahlreichen Interessenträgern und Einrichtungen, darunter städtischen Behörden, vereinbarte umfassende Partnerschaft zielt darauf ab, Herausforderungen, vor denen die Städte stehen, mittels eines ausgewogenen, nachhaltigen und integrierten Ansatzes zu lösen. Die Vergabe öffentlicher Aufträge, auch durch ein innovatives, umweltgerechtes und verantwortliches öffentliches Auftragswesen, ist eines der wichtigsten Mittel dazu. Solche Beispiele können andere dazu anregen, unter Berücksichtigung ihrer Besonderheiten einen ähnlichen Weg einzuschlagen.

Diese positiven Entwicklungen bleiben jedoch immer noch oft isoliert und müssen in eine breitere Bewegung eingebettet werden, damit auch andere dazu ermutigt werden, sich anzuschließen und von diesen Erfahrungen zu lernen. Mehrere Indikatoren zeigen, dass es noch viel Spielraum für Verbesserungen gibt.

Die Möglichkeiten einer strategischen Auftragsvergabe werden nicht ausreichend genutzt. In 55 % der Ausschreibungen dient immer noch der niedrigste Preis als einziges Vergabekriterium. Nach den Richtlinien zur öffentlichen Auftragsvergabe sind die öffentlichen Käufer völlig frei, sich für eine Auftragsvergabe nach Kriterien auf der Grundlage des Kosten-Nutzen-Verhältnisses und der Qualität zu entscheiden.18 Ein auf dem Kosten-Nutzen-Verhältnis beruhender Ansatz, in dessen Rahmen bei der Auswahl des wirtschaftlich günstigsten Angebots auch soziale und ökologische Aspekte, die Förderung von Innovationen, die Barrierefreiheit sowie sonstige qualitative Kriterien berücksichtigt werden können19, wird bei Ausschreibungen jedoch immer noch zu selten angewendet.

Was Innovationen betrifft, so zeigen Analysen, dass für eine innovationsfördernde öffentliche Auftragsvergabe zahlreiche Hemmnisse bestehen.20 Eine Möglichkeit zur Verbesserung der Lage könnte darin bestehen, das Verfahren der Innovationspartnerschaft stärker zu nutzen. Dieses Instrument, mit dem die Marktteilnehmer aufgefordert werden, innovative Lösungen anzubieten, wurde durch die Richtlinien von 2014 geschaffen, um den Besonderheiten einer innovationsfördernden Beschaffung gerecht zu werden, um die Rechtssicherheit zu erhöhen und innovationsinhärente Risiken zu mildern. Bislang wurden 17 derartige Verfahren eingeleitet.

Die Vergabe öffentlicher Aufträge stützt sich auf offene Auswahlverfahren, damit öffentliche Mittel mit einem möglichst günstigen Kosten-Nutzen-Verhältnis eingesetzt werden. Dieses Wettbewerbsverfahren wird entweder gar nicht oder immer weniger intensiv praktiziert. 5 % der in TED (Tenders Electronic Daily) bekannt gegebenen Aufträge werden im Verhandlungsverfahren, d.h. ohne Ausschreibung, vergeben. Zwischen 2006 und 2016 ist die Zahl der Ausschreibungen, bei denen nur ein Angebot vorgelegt wurde, von 17 % auf 30 % gestiegen. Die durchschnittliche Zahl der Angebote je Ausschreibung ging im selben Zeitraum von fünf auf drei zurück. Dies zeigt, dass der Zugang zu Beschaffungsmärkten für die Unternehmen schwieriger geworden ist, insbesondere der grenzüberschreitende Zugang. Lediglich 45 % des Wertes der öffentlichen Aufträge oberhalb der EU-Schwellen gehen an KMU, das entspricht bei Weitem nicht ihrem wirtschaftlichen Gewicht.

Immer noch wird die Vergabe öffentlicher Aufträge häufig als rein administratives Verfahren angesehen, durch das die Behörden die Grundprodukte, Dienstleistungen oder Bauwerke beschaffen, die sie für ihre Tätigkeit benötigen. Veranschaulicht wird dies durch die Tatsache, dass klare, konsolidierte Daten zur Auftragsvergabe oft nicht verfügbar sind. Es gibt keinen EU-weiten Konsens darüber, welche Daten gesammelt werden müssen und zu welchem Zweck dies geschehen soll. In vielen Mitgliedstaaten sind die zentralen Behörden trotz der riesigen Summen, die dabei umgesetzt werden, nicht in der Lage die genaue Höhe der Ausgaben für öffentliche Aufträge anzugeben. In solchen Fällen findet kaum eine öffentliche Kontrolle statt, es gibt keine Möglichkeit für eine datengestützte Politikgestaltung, und selbst die Haushaltskontrolle wird behindert.

Ebenso verläuft die Digitalisierung der Vergabe öffentlicher Aufträge schleppend. Nach einer Umfrage von 2016 stützten sich in nur vier Mitgliedstaaten alle wichtigen Schritte des Verfahrens auf digitale Technologie.21 Die Mitgliedstaaten nutzen das Aufkommen neuer Technologien noch nicht als Gelegenheit zur Vereinfachung und Beschleunigung ihrer Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge.

Die Vergabebehörden tätigen selten gemeinsame Käufe, da nur 11 % der Verfahren als kooperative Beschaffungen durchgeführt werden. Bei gemeinsamen Käufen sind die Preise oft günstiger, und es wird eine bessere Qualität erzielt, außerdem bieten sie Gelegenheit zum Austausch von Knowhow. Auch wenn sich nicht alle Käufe für eine solche Bündelung eignen, deuten die insgesamt geringen Bündelungsraten auf verpasste Gelegenheiten hin.

Es wird die Auffassung vertreten, die Auftragsvergabeverfahren seien auch nach der genannten tief greifenden Reform und Vereinfachung der entsprechenden Regelungen auf EU-Ebene im Jahr 2014 zu komplex und mit zu viel administrativem Aufwand verbunden. Noch komplizierter sind grenzüberschreitende Infrastrukturprojekte, die von Natur aus keine Standardverfahren sind, da für sie verschiedene Maßnahmen in verschiedenen Mitgliedstaaten notwendig sind. Der tatsächliche Grad der Komplexität hängt auch davon ab, wie die Regeln praktisch angewandt und in welchem Maße die neuen Tools eingesetzt werden. Die Vergabe öffentlicher Auftrage kann durch Standardisierung der Verfahren, den Austausch bewährter Verfahren unter den Behörden und durch die Professionalisierung des öffentlichen Auftragswesens weiter rationalisiert werden.

3. Den FORTSCHRITT VORANTREIBEN: eine UMFASSENDE Partnerschaft für den gemeinsamen Erfolg

Um eine bessere Anerkennung der strategischen Dimension der Vergabe öffentlicher Aufträge zu erreichen und das Auftragswesen in der Praxis zu verbessern, ist es notwendig, dass die Behörden auf allen staatlichen Ebenen sich dieses Ziel in hohem Maße zu eigen machen. Falls die Behörden sich verpflichten, sich ernsthaft mit der Angelegenheit zu befassen, besteht erhebliches Verbesserungspotenzial. Es wäre sehr hilfreich, wenn sie die Vergabe öffentlicher Aufträge nicht als administrative Verpflichtung betrachten, sondern stattdessen einen vorausschauenden Ansatz verfolgen würden.

Zusätzlich zu der gut etablierten rechtlichen Zusammenarbeit und Unterstützung ist die Kommission gern bereit, den Mitgliedstaaten und Interessenträgern bei den Problemen, die sich ihnen stellen, zur Seite zu stehen, wenn Maßnahmen und Hilfe auf EU-Ebene einen offensichtlichen Mehrwert bieten. Zur Durchführung der notwendigen Verbesserungen schlägt die Kommission eine breit angelegte kooperative Partnerschaft für die Schaffung eines wirksamen, transparenten, digitalen, intelligenten Systems für die Vergabe öffentlicher Aufträge, das den Herausforderungen durch das heutige, im Wandel begriffene Umfeld vollauf gerecht wird, vor. Darin kommt jedem Partner seine besondere Rolle zu, aber die Verpflichtungen sollten sich gegenseitig verstärken. Mehrere gleichzeitige und koordinierte Verbesserungen können durch das Mobilisieren von Multiplikatoreffekten einen Gesamtgewinn abwerfen, der höher ist als die bloße Summe aller individuellen Anstrengungen.

Die Partnerschaft könnten folgende Interessenträger und Aspekte umfassen:

Auf EU-Ebene könnten der maßgebliche Ausschuss des Europäischen Parlaments sowie der Rat "Wettbewerbsfähigkeit" ein Forum für eine fortgesetzte politische Debatte über das öffentliche Auftragswesen mit den Mitgliedstaaten werden. Die Partnerschaft könnte sich auch in freiwilligen strukturierten Dialogen über das Auftragswesen niederschlagen, welche gegebenenfalls vollständig am Europäischen Semester ausgerichtet wären. Diese würden in Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten durchgeführt. Dies ermöglicht auch ein differenziertes Vorgehen, bei dem, wenn nötig, die Durchführung struktureller Reformen und die Einhaltung der Vorschriften sowie in anderen Fällen eine detailliertere Unterstützung im Mittelpunkt stünden. Ähnliche Verfahren können auch auf nationaler Ebene unter Beteiligung maßgeblicher Interessenträger in einem echten kooperativen Verfahren eingeführt werden. Da sich derzeit 70 % der EU-Bevölkerung in städtischen Gebieten konzentrieren, kommt der von der Kommission zwecks Bereitstellung einer europaweiten Plattform für mehrschichtiges Engagement von Interessenträgern vorgeschlagenen Städteagenda eine wichtige Rolle zu.

Die Einführung intelligenter, für das 21. Jahrhundert tauglicher Beschaffungssysteme erfordert Einsatz und die Entschlossenheit zur Modernisierung, Digitalisierung und Professionalisierung. Notwendig sind ein klares Einverständnis darüber, wie der Erfolg zu messen ist, sowie eindeutige Etappenziele und eine Überwachung des Fortschritts. Die Behörden aller Ebenen und die Interessenträger sind - angesichts der Heterogenität der Systeme zur Vergabe öffentlicher Aufträge sowie ihrer je nach Mitgliedstaat unterschiedlichen Ausgereiftheit und Modernität - am besten in der Lage, Inhalt und Niveau ihrer Verpflichtungen zu bestimmen.

Die Kommission ist bereit, derartige Anstrengungen zu ermöglichen und den Austausch von Informationen, Wissen und Erfahrung, auch auf nationaler und regionaler Ebene, zu fördern. Sie verpflichtet sich zudem zu einer Reihe von unterstützenden Tätigkeiten, die in der Anlage aufgeführt sind. Sie blickt einem breit angelegten politischen Dialog sowie auf der Kooperation und Zusammenarbeit mit den nationalen und lokalen Behörden und sonstigen Interessenträgern zum Abschluss freiwilliger jedoch ehrgeiziger Verpflichtungen erwartungsvoll entgegen. Die Kommission arbeitet auch an der Verbesserung ihrer eigenen Vergabepraktiken und ist bemüht, strategische Kriterien stärker einzusetzen.22

4. WAS VERBESSERT werden MUSS - SECHS Strategische Prioritäten

Die Kommission hat sechs Schwerpunktbereiche identifiziert, in denen mit klaren und konkreten Maßnahmen die öffentliche Auftragsvergabe in ein sehr wirkungsvolles Instrument der Wirtschaftspolitik des jeweiligen Mitgliedstaates umgewandelt werden kann, was zu erheblichem Nutzen im Vergabeergebnis führen würde.

a. Förderung einer strategischen öffentlichen Auftragsvergabe

Die strategische öffentliche Auftragsvergabe sollte für Zentral- und Lokalregierungen eine größere Rolle bei der Verfolgung gesellschaftlicher, ökologischer und wirtschaftlicher Ziele, etwa der Kreislaufwirtschaft, spielen. Die systematische Einbeziehung innovativer, "grüner" und sozialer Kriterien23, eine umfassendere Konsultation vor dem Inverkehrbringen oder eine qualitative Bewertung (zur Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots24) sowie die Vergabe öffentlicher Aufträge für innovative Lösungen in der vorkommerziellen Phase erfordert nicht nur im höchsten Maße qualifizierte öffentliche Auftraggeber, sondern auch politische Vision und politische Verantwortung. Einige Mitgliedstaaten haben das Prinzip der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots einschließlich "grüner" Kriterien für ihre Vergabeverfahren verbindlich gemacht. Andere könnten die Festlegung freiwilliger Ziele in Erwägung ziehen, um die Verwendung dieses Prinzips zu beobachten. In jedem Fall müssen strategische Kriterien systematisch angewandt werden, um bestmögliche Ergebnisse bei der öffentlichen Auftragsvergabe zu erzielen. Dies kann durch umfassende praktische Hilfe ermöglicht werden, z.B. durch die Verbreitung von Normen, Methodiken für Benchmarks, regelmäßige Aktualisierungen von Kennzeichnungen25 und Bewertungskriterien sowie die Verfügbarkeit eines Verzeichnisses bewährter Verfahren.

Beispielsweise wird die Kommission im Interesse einer umweltorientierten Auftragsvergabe (Green Public Procurement - GPP) einen Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 2009/33/EG über die Förderung sauberer Fahrzeuge26 vorlegen und eine aktualisierte Fassung des GPP-Schulungs-Toolkits bereitstellen; sie beabsichtigt ferner, Instrumente zur freiwilligen Verwendung für die Berechnung der Lebenszykluskosten für bestimmte Erzeugnisse zu entwickeln. Die Leitlinien für eine sozial verantwortliche Auftragsvergabe werden aktualisiert. Für diese Aktualisierung wird ein kooperativer Ansatz gewählt. Zunächst sollen in einer Konsultation der Interessenträger Anregungen hinsichtlich des Anwendungsbereichs der Leitlinien und der darin angesprochenen Fragen eingeholt werden, insbesondere in Bezug auf die Frage, wie die Nachfrageseite für soziale Innovation und soziales Unternehmertum am besten integriert werden kann. In der vorgeschlagenen Richtlinie über die Barrierefreiheit27 sollen gemeinsame funktionale Barrierefreiheitsanforderungen für Behinderte und ältere Menschen festgelegt werden. In Bezug auf Innovation werden derzeit ein Überblick über die Rahmenbedingungen für die politischen Maßnahmen und die Umsetzung sowie Leitlinien für innovationsfreundliche Verfahren für die öffentliche Auftragsvergabe erstellt.

Zwar ist eine häufigere Verwendung des Konzepts der strategischen Auftragsvergabe eine Priorität, jedoch räumt die Kommission ein, dass die öffentliche Auftragsvergabe in vielen Mitgliedstaaten noch mangelhaft funktioniert. Die Kommission wird auch weiterhin mit Unterstützung und Anleitung bereitstehen, um voll funktionsfähige Systeme der öffentlichen Auftragsvergabe in diesen Ländern herzustellen, bevor umweltorientierte, sozial verantwortliche und innovative Kriterien systematisch berücksichtigt werden.

Für vorrangige Sektoren wie das Baugewerbe, die Gesundheitsfürsorge und IT ist aufgrund ihrer Hebelwirkung, ihrer Besonderheiten sowie der besonderen Herausforderungen, die sich ihnen stellen, darunter auch die schnelle Entwicklung der Technologien und Märkte, ein zielgerichteter Ansatz erforderlich. Die Initiative der Kommission für einen Mechanismus zur freiwilligen Exante- Bewertung bei großen Infrastrukturvorhaben28 ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Es gibt bereits jetzt Initiativen und Instrumente, beispielsweise die Förderung einer wertbasierten Auftragsvergabe im Gesundheitswesen, die digitale Darstellung der physischen und funktionellen Merkmale eines Gebäudes (Building Information Modelling)29 und Lebenszykluskonzepte zur Unterstützung der Beschaffung nachhaltiger öffentlicher Gebäude30 oder den Europäischen Katalog von IKT-Normen für die öffentliche Auftragsvergabe, um die Interoperabilität zu verbessern und die Anbieteranhängigkeit zu vermeiden.

Parallel dazu müssen der Verteidigungs- und der Sicherheitssektor spezifisch berücksichtigt werden, und zwar auch im Bereich der Cybersicherheit31. Die Arbeiten im Zusammenhang mit dem Europäischen Aktionsplan im Verteidigungsbereich sind bereits weit fortgeschritten. Der Schwerpunkt des Aktionsplans liegt auf der wirksamen Umsetzung der Richtlinie über die Beschaffung von Verteidigungsgütern, um so europäischen Firmen unabhängig von ihrer Größe und ihrem Standort Geschäftsmöglichkeiten zu bieten. Dies beinhaltet:

b. Professionalisierung öffentlicher Käufer

Es werden Menschen mit den richtigen Fähigkeiten und Kenntnissen benötigt, um die Veränderungen voranzubringen. Die geringe Professionalisierung öffentlicher Käufer32 stellt in vielen Mitgliedsländern ein systemimmanentes Problem dar. Die Verbesserung der Fähigkeiten zur öffentlichen Auftragsvergabe in allen Stadien des öffentlichen Vergabeverfahrens, einschließlich IKT-Kompetenzen, ist von wesentlicher Bedeutung. Die sich verändernden Bedingungen und die verstärkte Nutzung der strategischen öffentlichen Auftragsvergabe erfordern eine breitere Anwendung flexibler Verfahren, Kenntnisse der Märkte und innovative Instrumente. Der öffentliche Sektor muss mit einer umfassenden Strategie auf eine geringe Risikobereitschaft reagieren und die Anziehung, Ausbildung und Entwicklung von Talenten und Kompetenzen im gesamten öffentlichen Auftragswesen fördern.

Zwar befinden sich die Mitgliedstaaten in verschiedenen Phasen ihrer Entwicklung in Richtung Professionalisierung, wichtig ist jedoch, dass alle diesen Weg fortsetzen. Ein Erfahrungsaustausch kann sie darin unterstützen, ihre Vergabepraxis zu verbessern und wird die Wirksamkeit und den Ruf der öffentlichen Auftragsvergabe bei der Verwirklichung politischer Ziele verstärken. Langfristige Strategien zur Professionalisierung auf nationaler Ebene sind von grundlegender Bedeutung, um die richtigen Leute mit den richtigen Fähigkeiten und Instrumenten zur rechten Zeit am richtigen Platz zu haben und so die besten Ergebnisse zu erzielen.

Die Kommission verpflichtet sich, die Mitgliedstaaten bei der Entwicklung und Umsetzung solcher Strategien zu unterstützen; diese Unterstützung erfolgt im Rahmen einer Empfehlung zur Professionalisierung, die mit dieser Mitteilung angenommen werden soll, durch die Schaffung eines "European Competence Framework", die Einrichtung eines "E-competence Centre" für Information, Wissen und den Austausch bewährter Verfahren sowie durch die gezielte Unterstützung für den Aufbau von Kapazitäten und durch die Weiterbildung mittels länderspezifischer Hilfsinstrumente, die in verschiedenen Programmen der Kommission zur Verfügung stehen.33

c. Verbesserung des Zugangs zu Märkten für öffentliche Aufträge

KMU spielen eine zentrale Rolle für die Schaffung von Arbeitsplätzen, für Wachstum und Innovation, aber sie haben nur schwer Zugang zu öffentlichen Aufträgen, sowohl innerhalb der EU als auch auf den internationalen Märkten. Derzeit erzielen KMU 45 % des kumulierten Auftragswertes oberhalb der EU-Schwellenwerte - direkt oder als Bietergemeinschaft oder Unterauftragnehmer. Die Richtlinie aus dem Jahr 2014 sieht Maßnahmen34 vor, die den Unternehmen einschließlich der KMU den Zugang zu öffentlichen Aufträgen auch grenzüberschreitend erleichtern sollten. Diese verbesserten Möglichkeiten für öffentliche Aufträge für KMU müssen in der allgemeinen Öffentlichkeit, bei Unternehmen und öffentlichen Auftraggebern deutlicher kommuniziert werden. Besonders wichtig ist dies im Hinblick auf die Förderung der grenzüberschreitenden Auftragsvergabe. Das Ziel besteht darin, den Anteil, den KMU bei öffentlichen Aufträgen halten, gemäß ihrer allgemeinen Bedeutung in der Wirtschaft zu vergrößern. Die Kommission hat außerdem spezifische Maßnahmen auf den Weg gebracht, um KMU den Zugang zu öffentlichen Aufträgen zu erleichtern, etwa die im Rahmen des Programms für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und für kleine und mittlere Unternehmen (COSME) finanzierten Projekte. Überdies wurden speziell im Bereich der Verteidigung weitere Maßnahmen getroffen, um KMU, so wie im Europäischen Verteidigungs-Aktionsplan35 vorgesehen, einen einfacheren grenzüberschreitenden Marktzugang zu ermöglichen.

Eine weitere Möglichkeit zur Verbesserung des Zugangs besteht darin, unter den Marktteilnehmern, einschließlich den KMU, Vertrauen dahingehend aufzubauen, dass diese an Ausschreibungen teilnehmen. Das kann erreicht werden, indem faire und effiziente Möglichkeiten zur Problemlösung und eine unabhängige Überprüfung der Vergabeentscheidungen angeboten werden. Die Rechtsbehelfsrichtlinien36 wurden kürzlich evaluiert37 und ein Netz von erstinstanzlichen Nachprüfungsinstanzen wurde im März 2017 eingerichtet. Die Kommission wird die Situation in diesem Bereich weiterhin genau beobachten, Anleitung bereitstellen und aktiv die Förderung der Zusammenarbeit und den Austausch bewährter Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten, einschließlich Nachprüfungs-und Rechtsbehelfsinstanzen fördern, um die Effizienz und Qualität der Nachprüfungssysteme in der gesamten EU zu verbessern.

Die EU ist der offenste Markt der Welt für die öffentliche Auftragsvergabe, aber unseren Unternehmen wird in anderen Ländern nicht immer ein entsprechender Marktzugang gewährt. Wichtige Handelspartner der EU halten Maßnahmen aufrecht, die Unternehmen in der EU diskriminieren, indem nationalen Anbietern eine Präferenzbehandlung gewährt wird.38 Im Reflexionspapier der Kommission "Die Globalisierung meistern" wird hervorgehoben, dass die Wiederherstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen mehr denn je erforderlich ist, und es wird eine rasche Annahme eines internationalen Instruments für die öffentliche Auftragsvergabe angemahnt.39 Dies würde die Position der Europäischen Union in den Verhandlungen mit Handelspartnern stärken. Die derzeitige Pattsituation im Rat in Bezug auf dieses Instrument muss dringend beendet werden.

Die Kommission wird weiterhin eine führende Rolle bei der Förderung des Zugangs zu den Märkten für öffentliche Aufträge einnehmen und so Unternehmen darin unterstützen, im Ausland Verkäufe zu tätigen. In diesem Zusammenhang fordert die Kommission Nicht-EU-Staaten auf, dem WTO-Beschaffungsübereinkommen beizutreten und in Freihandelsabkommen ehrgeizige Kapitel über die öffentliche Auftragsvergabe aufzunehmen (damit soll gewährleistet werden, dass Unternehmen aus der EU in Drittländern genauso wie inländische Unternehmen das Recht zur Teilnahme an Ausschreibungen haben; dies schließt Beitritts- und Partnerländer im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik mit ein).

Die Kommission fördert darüber hinaus ein günstiges Regulierungsumfeld in Nicht-EU-Staaten40, indem sie die Entwicklung weltweiter und einheitlicher Normen für die öffentliche Auftragsvergabe unterstützt.

d. Mehr Transparenz, Kohärenz und bessere Datenqualität

Zuverlässige Daten sind für die Ausarbeitung geeigneter politischer Maßnahmen von wesentlicher Bedeutung. Die Digitalisierung, die wachsende Datenmenge und die Verfügbarkeit offener Standards für Daten bieten Chancen zur Schaffung besserer Analysemöglichkeiten für die bedarfsorientierte Politikgestaltung und für Warnsysteme, mit denen die Korruption im öffentlichen Auftragswesen angezeigt und bekämpft werden soll.41 Bessere und leichter zugängliche Daten über Vergabeverfahren sollten verfügbar gemacht werden42, da dies eine große Bandbreite an Möglichkeiten bietet, um die Wirksamkeit von beschaffungspolitischen Ansätzen besser einzuschätzen, die Interaktion zwischen den öffentlichen Auftragsvergabesystemen zu optimieren und künftige strategische Entscheidungen zu gestalten. Elektronische Systeme für die öffentliche Auftragsvergabe müssen Daten guter Qualität erzeugen; was aber noch wichtiger ist: Die politischen Entscheidungsträger müssen diese Daten nutzen und sie mit anderen interessierten Parteien teilen. Sie dienen auch als Mittel zur Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten. Auf EU-Ebene wird die Kommission neue E-Formulare zur Verbesserung der Datenerfassung vorschlagen.43

Der Zugang zu Daten des öffentlichen Auftragswesens sollte den Dialog mit der Zivilgesellschaft ermöglichen und Regierungen stärker zur Rechenschaft ziehen. Die Behörden sind damit besser gerüstet, um Betrug und Korruption zu bekämpfen.44

Zu diesem Zweck wird die Einrichtung öffentlich zugänglicher Auftragsregister45 nachdrücklich empfohlen, wodurch für Transparenz hinsichtlich der vergebenen Aufträge und deren Änderungen gesorgt wird.

Indem effektive Meldemechanismen eingerichtet und Hinweisgeber vor Vergeltungsmaßnahmen geschützt werden, wird das Melden von Korruptionsverdacht ermöglicht und so zu mehr Transparenz im öffentlichen Auftragswesen und zur sparsamen Verwendung öffentlicher Gelder beigetragen.46 Die Kommission prüft derzeit die Notwendigkeit, die rechtliche Machbarkeit und den Anwendungsbereich für horizontale oder weitere sektorbezogene Maßnahmen auf EU-Ebene zur Stärkung des Schutzes von Hinweisgebern.

Die Richtlinien für die öffentliche Auftragsvergabe bieten zahlreiche Möglichkeiten, um zu korruptionsfreien und vollständig transparenten öffentlichen Vergabeverfahren zu gelangen, indem bis 2018 elektronische Instrumente für die Auftragsvergabe verbindlich eingeführt und die Vorschriften über Interessenkonflikte verschärft 47 sowie die Ausschlussgründe in Bezug auf Bieter ausgeweitet werden. Die Sensibilisierung für diese Möglichkeiten ist auf allen staatlichen Ebenen zu verstärken. Wettbewerbsbeschränkende Absprachen treten auf einigen Märkten für öffentliche Aufträge immer wieder auf. Infolge von Absprachen können auf wettbewerbsorientierten Märkten bis zu 20 % auf den sonst üblichen Preis aufgeschlagen werden.48 Die Wettbewerbsbehörden wurden mit Ermittlungs- und Durchsetzungsbefugnissen ausgestattet, um wettbewerbswidrige abgestimmte Praktiken zu sanktionieren, jedoch nur, wenn davon ausgegangen wird, dass eine Absprache bereits erfolgt ist. Die Kommission wird daher zweckmäßige Instrumente und Initiativen entwickeln und die Sensibilisierung verstärken, um die Risiken von wettbewerbswidrigen abgestimmten Praktiken auf Märkten für öffentliche Aufträge so gering wie möglich zu halten. Dies wird folgende Maßnahmen beinhalten: Maßnahmen zur Verbesserung der Marktkenntnisse von öffentlichen Auftraggebern, Unterstützung der öffentlichen Auftraggeber, umsichtige Planung und Konzeption der Vergabeverfahren sowie eine Verbesserung der Zusammenarbeit und des Informationsaustauschs zwischen den öffentlichen Auftraggebern und den Wettbewerbsbehörden. Die Kommission wird darüber hinaus Leitlinien für die Anwendung der neuen EU-Richtlinien zum öffentlichen Auftragswesen auf Ausschlussgründe wegen wettbewerbsbeschränkender Absprachen ausarbeiten.

e. Verstärkte Digitalisierung der öffentlichen Auftragsvergabe

Neue digitale Technologien bieten großartige Möglichkeiten zur Straffung und Vereinfachung des Vergabeverfahrens durch die Einführung elektronischer Systeme für die öffentliche Auftragsvergabe. Die Richtlinien für die öffentliche Auftragsvergabe sehen vor, dass die Übermittlung der Angebote ab Oktober 2018 elektronisch erfolgen muss. Jedoch können die Vorteile der elektronischen Auftragsvergabe nur dann vollständig genutzt werden, wenn die gesamte öffentliche Auftragsvergabe einen digitalen Wandel durchläuft. Dieser umfasst zahlreiche Phasen, von der Planung, Mitteilung und Übermittlung bis zur Rechnungsstellung, Zahlung und Archivierung.

Neue Technologien eröffnen die Möglichkeit, grundsätzlich zu überdenken, wie die Vergabe öffentlicher Aufträge und die damit zusammenhängenden Teile der öffentlichen Verwaltungen organisiert sind. Es bietet sich die einmalige Chance zur Neugestaltung der einschlägigen Systeme und zur Vollendung des digitalen Wandels.

Die Kommission wird sowohl die Instrumente und Normen, die sie entwickelt hat, um den digitalen Wandel des öffentlichen Auftragswesens auf nationaler Ebene zu ermöglichen, weiter verbessern und ihre Verbreitung fördern49, als auch Instrumente in komplementären Bereichen einführen, z.B. das zentrale digitale Zugangstor50 und die Elektronische Europäische Dienstleistungskarte.51 Sie wird auch weiterhin die Mitgliedstaaten auf bilateraler Basis durch die Ermittlung von Problembereichen in der Digitalisierung der öffentlichen Auftragsvergabe unterstützen. Dies betrifft z.B. Probleme in Bezug auf die Interoperabilität von Lösungen oder Definitionen52, die Einrichtung geeigneter politischer Architekturen, Fähigkeiten und die Mobilisierung der für eine effiziente Umsetzung der Reformen benötigten Akteure.

f. Bei der Auftragsvergabe zusammenarbeiten

Die Bündelung der öffentlichen Auftragsvergabe hat in der gesamten EU an Bedeutung gewonnen.53 Zentrale Vergabestellen verwalten als "Bündelungsstellen" wachsende Anteile der Märkte für öffentliche Aufträge. Sie werden zu wichtigen Akteuren bei der Förderung der Reform des öffentlichen Auftragswesens und der Umsetzung eines strategischen Ansatzes. Durch sie kann die Position der öffentlichen Auftraggeber gestärkt werden, was in bestimmten Märkten, auf denen einige wenige Marktteilnehmer dominieren, unerlässlich ist. Je nach Lage können zentrale Vergabestellen mit allgemeinem Auftrag auf nationaler Ebene eingerichtet werden oder sich auf bestimmte Sektoren (z.B. Gesundheit, IT) oder aber auf die regionale/kommunale Auftragsvergabe spezialisieren.

Die großen Volumina bei der Auftragsvergabe durch zentrale Vergabestellen könnten genutzt werden, um die strategische Auftragsvergabe zu erleichtern, beispielsweise indem Ziele für die Auftragsvergabe gesetzt werden. Ihre Rolle bei der Standardisierung der Verfahren der öffentlichen Auftragsvergabe und der Marktanalyse ist auch für die Professionalisierung der öffentlichen Verwaltungen von wesentlicher Bedeutung und macht KMU-freundliche Verfahren möglich. Durch die Bündelung von Fachwissen kommt es zu Ausstrahlungseffekten, da zentrale Vergabestellen häufig andere öffentliche Auftraggeber unterstützen und beraten.

Sehr hilfreich wäre auch eine verstärkte Zusammenarbeit öffentlicher Auftraggeber.54 Die gemeinsame grenzüberschreitende Auftragsvergabe, bei der öffentliche Auftraggeber aus verschiedenen Ländern ihre Vergabeverfahren gemeinsam organisieren, wird durch die neuen EU-Vorschriften erheblich erleichtert. Mehrere Beispiele aus jüngerer Zeit zeigen die Durchführbarkeit solcher Partnerschaften. Auch die Vergabe von Infrastruktur-Großprojekten, die über nationale Grenzen hinausgehen, erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen den Vergabestellen und die Fähigkeit, eine "gemeinsame Sprache" zu sprechen. In bestimmten Bereichen, vor allem bei Infrastrukturprojekten im Rahmen des transeuropäischen Verkehrsnetzes, wird eingehender analysiert werden, warum Aufträge bislang nur in beschränktem Maße grenzüberschreitend vergeben werden, und es können spezifische Maßnahmen in Erwägung gezogen werden.55

In diesem Zusammenhang wird die Kommission weiter für die gemeinsame grenzüberschreitende Auftragsvergabe sensibilisieren und bewährte Verfahren fördern.

5. Schlussfolgerung

Die Behörden sind im Allgemeinen bemüht, eine gerechtere Gesellschaft auf der Grundlage von Chancengleichheit, nachhaltigem Wirtschaftswachstum und breiter Marktbeteiligung bei gleichzeitiger Gewährleistung der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen zu schaffen. Bei der Umsetzung dieser Politik wird die Vergabe öffentlicher Aufträge auch in Zukunft eine tragende Rolle spielen. Angesichts ihrer Bedeutung für die öffentlichen Ausgaben kann sie Regierungen in die Lage versetzen, wichtige politische Ziele zu erreichen, wenn sie als strategisches Instrument eingesetzt wird.

Eine intelligente Nutzung der öffentlichen Auftragsvergabe kann helfen, globale Herausforderungen wie etwa den Klimawandel und die Verknappung der Ressourcen oder die Überalterung der Gesellschaft zu bewältigen. Sie unterstützt die Sozialpolitik und beschleunigt den Übergang zu nachhaltigeren Lieferketten und Geschäftsmodellen. Sie kann die Wettbewerbsfähigkeit verbessern und KMU den Zugang zu öffentlichen Aufträgen erleichtern. Transparente und professionelle öffentliche Käufer werden in der Lage sein, effizient einzukaufen und die Korruption zu bekämpfen.

Mehrere Mitgliedstaaten haben bereits mit der Entwicklung eines strategischen Ansatzes für die Auftragsvergabe begonnen, ergänzt durch vielversprechende Initiativen auf lokaler Ebene. Durch Zusammenarbeit und gegenseitige Inspiration kann noch mehr erreicht werden. Die Kommission ist sehr daran interessiert, bei diesem Wandel hin zu modernen, innovativen, nachhaltigen und für das 21. Jahrhundert tauglichen Systemen, die von einer integrativen und engagierten EU-Partnerschaft für intelligentes öffentliches Auftragswesen vorangetrieben werden, eine tragende Rolle zu spielen.

Anlage
Überblick über die Initiativen der EU für die Durchführung öffentlicher Aufträge bis Ende 2018

In dieser Mitteilung wird eine breit angelegte Partnerschaft zur Verbesserung der Funktionsweise der Verfahren für die Vergabe öffentlicher Aufträge in der EU gefordert. Die Kommission ersucht die Mitgliedstaaten, anderen Behörden und Interessenträger aus der öffentlichen Auftragsvergabe, sich zu freiwilligen, jedoch konkreten Maßnahmen in dieser Hinsicht zu verpflichten. Die Kommission ihrerseits erklärt ihre Entschlossenheit, bis Ende 2018 die folgenden spezifischen Maßnahmen durchzuführen:

1. Förderung einer breiteren strategischen öffentlichen Auftragsvergabe

2. Professionalisierung öffentlicher Käufer

3. Verbesserung des Zugangs zu Märkten für öffentliche Aufträge

6. Bei der Auftragsvergabe zusammenarbeiten