Beschluss des Bundesrates
Entschließung des Bundesrates zur Verbesserung der Folsäureversorgung der Bevölkerung

Der Bundesrat hat in seiner 829. Sitzung am 15. Dezember 2006 die nachstehende Entschließung gefasst:

Der Bundesrat bittet die Bundesregierung

Begründung

:

Folsäure (Vitamin B 9) ist aufgrund ihrer Rolle im DNA-, RNA- und Proteinstoffwechsel von grundlegender Bedeutung für Zellwachstum, Zellteilung und Zelldifferenzierung. Folsäure kann dabei nicht vom Körper selbst synthetisiert, sondern muss physiologisch über die Nahrung zugeführt werden.

Die in der natürlichen Nahrung vorhandenen Nahrungsfolate finden sich insbesondere in grünen Blattsalaten, Südfrüchten, Roggenmehl, Nüssen, Weizen- und Sojakeimen sowie Rinderleber.

Die Funktion der Folsäure im Körper ist zum Teil eng mit dem Vorhandensein der Vitamine B 6 und B 12 verbunden. Folsäure und Vitamin B 12 wirken mit bei der Umwandlung von Homocystein zu Methionin. Vitamin B 6 ist als Co-Faktor zudem an der Umwandlung von Homocystein zur Aminosäure Cystein beteiligt.

Ein hoher Homocysteinspiegel im Blut wird auf der Basis wissenschaftlicher Untersuchungen seit einigen Jahren mit verschiedenen Volkskrankheiten in Verbindung gebracht. So soll er unter anderem die Arteriosklerose fördern und damit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfällen Vorschub leisten.

Folge dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse, die aber noch einer breiten Bestätigung bedürfen, war eine weltweite ernährungswissenschaftliche Empfehlung, die tägliche Folsäure-Zufuhr der Allgemeinbevölkerung anzuheben, damit darüber der Homocystein-Spiegel positiv beeinflusst wird.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) geht im Einklang mit der derzeitigen internationalen wissenschaftlichen Auffassung davon aus, dass eine Zufuhr von täglich 400 µg Nahrungsfolat bzw. 200 µg synthetischer Folsäure für Erwachsene die optimale Zufuhrmenge darstellt. Für Kinder unter zehn Jahren gelten geringere Werte.

Davon unabhängig und wissenschaftlich abgesichert ist ein deutlich höherer Folsäurebedarf von Frauen schon zu Beginn der Schwangerschaft, um die Rate an embryonalen Neuralrohrdefekten (NRD) zu minimieren. Ein großer Anteil der jährlich bei Embryos auftretenden Neuralrohrdefekte (weltweite Prävalenz etwa ein bis zwei Kinder mit NRD pro 1000 Geburten) - wie zum Beispiel Fehlbildungen des Spina bifida-Formenkreises - wird auf eine zu geringe Zufuhr von Folsäure insbesondere im ersten Schwangerschaftsmonat zurückgeführt, zu einem Zeitpunkt, an dem die Frauen oft noch gar nichts von ihrer Schwangerschaft wissen. Einigen wissenschaftlichen Studien zufolge soll zudem durch eine erhöhte Zufuhr von Folsäure ab dem Zeitpunkt der Konzeption das Risiko für die Entwicklung von Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten sowie für angeborene Herzfehler gesenkt werden können.

Als optimal zur Reduktion von Neuralrohrdefekten werden ab dem ersten Tag der Schwangerschaft bis zum Ende des dritten Schwangerschaftsmonats derzeit 1 200 µg Nahrungsfolat/Tag (bzw. 600 µg synthetische Folsäure/Tag) angesehen. Dies entspricht demnach einem Mehrbedarf von 800 µg Nahrungsfolat/Tag (bzw. 400 µg synthetische Folsäure/Tag) im Vergleich zum als optimal angesehenen täglichen Bedarf.

Nach allen vorliegenden Berechnungen wird selbst bei optimierter abwechslungsreicher Kost die für Frauen ab dem ersten Tag der Schwangerschaft an als notwendig angesehene tägliche Zufuhrmenge an Folsäure in aller Regel allein über die Nahrung nicht erreicht. Deshalb ist internationaler Konsens, dass schon Frauen mit Kinderwunsch damit beginnen sollten, eine zusätzliche Zufuhr von synthetischer Folsäure, zum Beispiel in Tablettenform, in Höhe von 400 µg/Tag sicherzustellen.