Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für eine Empfehlung des Rates über Maßnahmen zur Bekämpfung von neurodegenerativen Krankheiten, insbesondere Alzheimer, durch gemeinsame Programmplanung im Bereich der Forschung KOM (2009) 379 endg.; Ratsdok. 12382/09

Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 30. Juli 2009 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das

Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 23. Juli 2009 dem Bundesrat zugeleitet.

Die Vorlage ist von der Kommission am 24. Juli 2009 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.

Das Europäische Parlament, der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss und der Ausschuss der Regionen werden an den Beratungen beteiligt.


Hinweis: vgl.
Drucksache 521/08 (PDF) = AE-Nr. 080548 und

Begründung

Zusammenfassung

Die Kommission schlägt eine verstärkte strategische Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten im Bereich der Forschung und Entwicklung (FuE) vor, um die großen gesellschaftlichen Herausforderungen bewältigen zu können. Ein Mittel hierzu ist das neue Konzept der "gemeinsamen Programmplanung". Die gemeinsame Programmplanung beruht auf der freiwilligen Beteiligung von Mitgliedstaaten in variabler Zusammensetzung an der Festlegung, Entwicklung und Umsetzung gemeinsamer strategischer Forschungspläne zur Bewältigung bedeutender gesellschaftlicher Herausforderungen. Neurodegenerative Erkrankungen, insbesondere Alzheimer, wurden in diesem Zusammenhang als Thema für ein Pilotprojekt vorgeschlagen.

Schätzungen zufolge leiden derzeit etwa 7,3 Millionen Menschen in Europa unter Alzheimer und verwandten Krankheiten, und bis 2020 wird sich diese Zahl vermutlich verdoppeln.

Alzheimer wird die Gesundheitssysteme in Europa voraussichtlich immer stärker belasten, wobei auch die informelle und langfristige Pflege zu berücksichtigen ist. In einer alternden Gesellschaft werden in der EU und im Zuge des EU-Rahmenprogramms für Forschung und technologische Entwicklung (FTE) beträchtliche finanzielle und personelle Ressourcen für die Forschung zu neurodegenerativen Krankheiten aufgewandt.

Dennoch gibt es derzeit keine wirksame Behandlung, die den Abbau der Gehirnfunktionen aufhalten oder verlangsamen könnte. Eine Früherkennung ist nahezu unmöglich, und da die Krankheit oft zu spät behandelt wird, sind auch die Möglichkeiten zur Milderung ihrer Auswirkungen begrenzt. Erfolge im Kampf gegen neurodegenerative Krankheiten und insbesondere Alzheimer erfordern gezielte Forschungsmaßnahmen zu Prävention, Diagnostik und Behandlung. Die Koordinierung der Forschung in Europa wäre mit einem Mehrwert verbunden würde zu besseren Ergebnissen führen und die Entwicklung genauerer Diagnosemethoden und wirksamerer Behandlungsformen erleichtern.

Im September und Dezember 2008 verabschiedete der Rat Schlussfolgerungen, in denen er empfahl eine gemeinsame europäische Initiative auf diesem Gebiet einzuleiten und dazu das Konzept der gemeinsamen Programmplanung zu nutzen. Er forderte die Kommission auf, einen Vorschlag für eine Empfehlung des Rates vorzulegen, um die Initiative im Jahr 2009 einleiten zu können.

In der vorliegenden Empfehlung werden die Mitgliedstaaten daher aufgefordert, eine gemeinsame Vorstellung über die Forschungszusammenarbeit und -koordinierung auf europäischer Ebene zu entwickeln, um das Verständnis, die Diagnose, die Vorbeugung und die Bekämpfung von neurodegenerativen Krankheiten, insbesondere Alzheimer, zu verbessern. Zudem wird ihnen nahegelegt, einen strategischen Forschungsplan zu entwickeln, in dem sie mittel- bis langfristige Forschungsanforderungen und Ziele darlegen und einen Durchführungsplan mit Prioritäten, Meilensteinen und Zeitplänen festlegen. In diesem Zusammenhang wäre es sinnvoll, Informationen über nationale Programme, Forschungsarbeiten und Gesundheitssysteme auszutauschen, Bereiche zu bestimmen, in denen die Koordinierung, gemeinsame Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen oder die Bündelung von Ressourcen mit einem Mehrwert verbunden wären, die interdisziplinäre und sektorübergreifende Mobilität und Ausbildung zu fördern, und Möglichkeiten zur gemeinsamen Nutzung von Forschungsinfrastrukturen sowie zur Vernetzung von Forschungszentren zu prüfen.

Darüber hinaus werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, mit der Kommission zusammenzuarbeiten um unter Nutzung der Möglichkeiten bestehender Instrumente mögliche Initiativen zu bestimmen, mit denen die Kommission die Mitgliedstaaten bei der Entwicklung und Umsetzung des gemeinsamen Forschungsplans unterstützen oder eine gemeinsame Programmplanung in diesem Bereich fördern könnte.

1. Die Entwicklung der gemeinsamen Programmplanung

Bis vor kurzem wurde die wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit in Europa vor allem durch internationale kollaborative Forschungsprojekte und -netze gefördert.

Im Jahr 2008 schlug die Kommission die gemeinsame Programmplanung1 als neues Konzept für große gemeinsame öffentliche Forschungsinitiativen auf europäischer Ebene vor. Die gemeinsame Programmplanung geht aus der überarbeiten Lissabon-Strategie hervor und bezeichnet einen Prozess, in dem sich die Mitgliedstaaten freiwillig und in variabler Zusammensetzung an der Festlegung, Entwicklung und Umsetzung gemeinsamer strategischer Forschungspläne beteiligen. Diese beruhen auf gemeinsamen Vorstellungen über die Bewältigung bedeutender, von den Mitgliedstaaten alleine nicht zu meisternder gesellschaftlicher Herausforderungen.

Im September 2008 erkannte der Rat angesichts der Bevölkerungsalterung in Europa die mit neurodegenerativen Erkrankungen verbundenen Herausforderungen an und unterstrich die Notwendigkeit, die grundlegenden Mechanismen, die für die Auslösung dieser Erkrankungen, insbesondere Alzheimer, verantwortlich sind, besser zu verstehen, zu erkennen, zu verhindern und zu bekämpfen. In seinen Schlussfolgerungen empfahl er, eine europäische Initiative einzuleiten in deren Rahmen die Mitgliedstaaten, die Kommission und weitere Beteiligte gemeinsam zur Bekämpfung neurodegenerativer Erkrankungen, insbesondere Alzheimer, beitragen2.

Im Dezember 2008 erkannte der Rat in seinen Schlussfolgerungen die Notwendigkeit an, im Rahmen der gemeinsamen Programmplanung eine Pilotinitiative im Bereich der neurodegenerativen Erkrankungen, insbesondere Alzheimer, einzuleiten, und forderte die Kommission auf, im Jahr 2009 baldmöglichst einen Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Vorbereitung dieser Initiative vorzulegen3.

In einer unter dem französischen Ratsvorsitz eingerichteten Arbeitsgruppe begannen die Mitgliedstaaten, Wege zur Entwicklung einer Pilotinitiative im Rahmen der gemeinsamen Programmplanung zu neurodegenerativen Erkrankungen und Alzheimer zu erörtern. Diese Gespräche führten zu einer Absichtserklärung, die im Dezember 2008 von zehn Mitgliedstaaten und einem mit dem 7. Rahmenprogramm (RP7) assoziierten Land vereinbart wurde.

Darin unterstreichen die Länder ihre Bereitschaft, sich dieser Herausforderung anzunehmen, indem sie die Grundlage für gemeinsame Zielvorstellungen auf diesem Gebiet legen, Forschungsfelder bestimmen, in denen Europa einen sinnvollen Beitrag leisten könnte, und ihre vorläufige Vorstellung einer Leitungsstruktur darlegen. Nach einer Präsentation vor der Hochrangigen Gruppe für die gemeinsame Programmplanung (GPC) arbeiten derzeit Vertreter aus 20 Ländern daran, den Auftrag für die Leitungsstruktur dieser Pilotinitiative zu formulieren.

Ein Thema für die gemeinsame Programmplanung

Während des französischen Ratsvorsitzes im Jahr 2008 wurden neurodegenerative Erkrankungen und insbesondere Alzheimer als Bereich bestimmt, in dem hohe gesellschaftliche Anforderungen bestehen und eine gemeinsame Initiative auf der Grundlage der gemeinsamen Programmplanung die derzeitigen fragmentierten Bemühungen im Rahmen des Europäischen Forschungsraums sinnvoll ergänzen könnte.

Es besteht die echte, dringende Notwendigkeit, die Grundlagenforschung sowie die klinische und gesellschaftliche Forschung auf diesem Gebiet in Europa zu bündeln und zu koordinieren.

Da sich die meisten Forschungsarbeiten zu neurodegenerativen Erkrankungen in der vorklinischen Phase befinden, spielt die öffentlich finanzierte Forschung eine wesentliche Rolle, um grundlegende neue Erkenntnisse zu Biomarkern gewinnen und wesentliche Fortschritte bei der Entwicklung neuer Diagnosekriterien und -methoden für Vorsorge- und Behandlungsmethoden und ihrer Erprobung in groß angelegten klinischen Versuchen zu erzielen. Dies soll es europäischen Forschern ermöglichen, die grundlegenden Mechanismen der Auslösung von neurodegenerativen Erkrankungen zu verstehen, zu erkennen, zu verhindern und zu bekämpfen und die Versorgung der Erkrankten zu verbessern. Dadurch würde sich wiederum die durch die große Zahl der Erkrankten bedingte finanzielle Belastung verringern.

2. Bekämpfung von neurodegenerativen Erkrankungen, insbesondere Alzheimer

Ein wichtiges Thema für die öffentliche Gesundheit in Europa Neurodegenerative Erkrankungen sind erbliche oder sporadisch auftretende Erkrankungen, die durch fortschreitende Dysfunktion des Nervensystems gekennzeichnet sind und oft mit einer Atrophie der betroffenen Strukturen des zentralen oder peripheren Nervensystems einhergehen. Sie bilden eine heterogene Gruppe alterungsbedingter chronischer Krankheiten mit unterschiedlicher Ätiologie.

Mit einem Anteil von etwa 50 bis 70 % an allen Demenzerkrankungen ist Alzheimer die häufigste neurodegenerative Erkrankung4, gefolgt von Parkinson. Im Jahr 2006 waren 7,3 Millionen Europäer in den 27 Mitgliedstaaten von Demenzerkrankungen betroffen5. In einkommensstarken Ländern ist Alzheimer die vierthäufigste Ursache von Krankheitsbelastungen.

Aufgrund der zunehmenden Lebenserwartung in Europa wird sich die Zahl der Erkrankten drastisch erhöhen und nach derzeitigen Prognosen in der EU-27 alle zwanzig Jahre verdoppeln6.

Angesichts der Tatsache, dass die Personen über 80 Jahren in den meisten europäischen Ländern die am schnellsten wachsende Gruppe darstellen, ist in Europa in der Tat eine deutliche Alterung der Bevölkerung zu beobachten. 70 % der Patienten mit der Diagnose Alzheimer sind mindestens 75 Jahre alt. Demenzerkrankungen werden daher in den kommenden Jahrzehnten voraussichtlich eine der größten Herausforderungen für die Gesundheitssysteme darstellen, wobei hierbei auch die informelle und die langfristige Pflege zu berücksichtigen sind.

Auch wenn Alzheimer und verwandte Krankheiten nicht heilbar sind, können die Betroffenen - bei allmählicher Verschlechterung ihres Zustands - oft noch 7-12 Jahre nach der Erstdiagnose weiterleben. Die Krankheit manifestiert sich durch eine allmähliche Abnahme verschiedener Gehirnfunktionen, darunter das Gedächtnis, das logische Denken, die Kommunikationsfähigkeit und die für das Verrichten alltäglicher Tätigkeiten erforderlichen Fähigkeiten

Alzheimer ist für die Betroffenen selbst eine furchtbare Diagnose, stellt jedoch auch eine schwere Belastung für die Familieangehörigen dar. Pflegende Angehörige sind oft selbst alt und gebrechlich, leiden häufig an Depressionen und physischen Krankheiten und haben eine eingeschränkte Lebensqualität. Alzheimer ist daher mit extrem hohen Kosten für die Gesellschaft insgesamt verbunden: Nach dem Jahrbuch "Dementia in Europe" (2008) beliefen sich die direkten Kosten sowie die Kosten der informellen Pflege bei Alzheimer und anderen Demenzerkrankungen im Jahr 2005 in der EU-27 auf 130 Mrd. EUR, wobei 56 % auf die informelle Pflege entfielen7.

Umfassende Forschungsbemühungen erforderlich

Die Ursachen von Alzheimer und verwandten Krankheiten sind noch nicht umfassend bekannt doch alle diese Krankheiten führen zu strukturellen und chemischen Änderungen im Gehirn und damit zum Absterben von Gehirngewebe.

Derzeit gibt es keine Behandlung, die den Abbau der Gehirnzellen wirksam aufhalten oder verlangsamen könnte8. Die - sehr begrenzten - verfügbaren Therapien dienen eher zur Behandlung der Symptome als zur Heilung. Auch wenn wir unsere Kenntnisse über die Mechanismen der Krankheit in den letzten Jahren deutlich erweitert haben, sind wir noch immer weit davon entfernt, uns ein Gesamtbild zu verschaffen, und Therapien, die den Fortschritt der Krankheiten aufhalten oder verlangsamen könnten, sind derzeit nicht in Sicht.

Zudem wird die Diagnose gewöhnlich zu spät gestellt, um die derzeit verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten optimal nutzen zu können. Auch wenn einige genetische, verhaltensbedingte kardiovaskuläre und ernährungsbedingte Risikofaktoren beobachtet wurden stehen noch Langzeitstudien aus, um festzustellen, ob die Krankheit zurückgedrängt werden kann. Zudem ist auch die mögliche Verbindung zwischen Umwelteinflüssen und neurodegenerativen Erkrankungen einschließlich Alzheimer noch genau zu untersuchen.

Besorgniserregend ist vor allem die Tatsache, dass Alzheimer nach verfügbaren epidemiologischen Daten in der EU noch immer unterdiagnostiziert ist9. Derzeit erhält nur etwa ein Drittel der Betroffenen zu irgendeinem Zeitpunkt der Erkrankung eine förmliche Diagnose. Zu diesem Zeitpunkt ist es für die Erkrankten jedoch oft schon zu spät, eine Entscheidung zu treffen. Den Kampf gegen neurodegenerative Erkrankungen und insbesondere Alzheimer können wir daher erst dann gewinnen, wenn wir Forschungsbemühungen im gesamten Spektrum - von der Prävention über die Diagnose bis zur Behandlung - mobilisieren. Künftige Forschungsprioritäten sollten Folgendes umfassen:

Ein Feld mit wachsender Bedeutung für die Forschungsförderung in Europa

Derzeitige Maßnahmen in den Mitgliedstaaten

Alzheimer und verwandte Erkrankungen stellen eine gemeinsame Herausforderung für alle Mitgliedstaaten dar, da die prozentuale Häufigkeit von Demenzerkrankungen in den einzelnen Ländern etwa vergleichbar ist. Sie stellen unsere derzeitige Krankenversorgung zudem vor besondere Probleme. Die angebotenen Dienste entsprechen oft nicht den aktuellen Anforderungen, und es herrscht ein Mangel an Kapazitäten, Kontinuität und Kenntnissen.

Angesichts der erwarteten mittel- und langfristigen Zunahme von neurodegenerativen Erkrankungen und Alzheimer und der damit verbundenen Herausforderungen für die Gesundheitssysteme in Europa haben die meisten europäischen Länder die Notwendigkeit erkannt umfassende spezifische Strategien zur Bekämpfung von Alzheimer und verwandten Erkrankungen zu erarbeiten. In vielen Ländern entwickelt sich Alzheimer immer mehr zu einem vorrangigen Forschungsthema.

In mehreren Länder wurden nationale Programme erstellt oder sind derzeit in Arbeit. Im Jahr 2008 etwa erklärte Frankreich neurodegenerative Erkrankungen und insbesondere Alzheimer zu einem vorrangigen Thema und verabschiedete ein nationales Programm mit einem Umfang von 1,6 Mrd. EUR auf diesem Gebiet10. England leitete 2008 eine nationale Initiative zur Strategie im Bereich der Demenzerkrankungen sowie für lebenslange Gesundheit und lebenslanges Wohlbefinden ein (National Dementia Strategy, Lifelong Health and Well Being Initiative11), die während der ersten beiden Jahre über ein Budget von 150 Mio. GBP verfügte und führte in demselben Jahr eine strategische Untersuchung zu neurodegenerativen Erkrankungen durch (2008 Medical Research Council Strategic Review of Neurodegeneration12). Ebenfalls im Jahr 2008 leitete Schottland die Initiative "Demenzerkrankungen als nationale Priorität" (Dementia as National Priority)13 ein.

Norwegen verabschiedete den nationalen Plan zu Demenzerkrankungen 1514, der fünf Hauptstrategien zur Bewältigung künftiger Herausforderungen für die Krankenversorgung umfasst. Die Früherkennung von neurodegenerativen Erkrankungen einschließlich Alzheimer wurde 2008 zu einem von sechs vorrangigen Bereichen des deutschen Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF)15 erklärt. Darüber hinaus wurde in Bonn ein Helmholtz-Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) mit einem jährlichen Budget von 50 Mio. EUR eingerichtet.

In Schweden wurde 2005 ein "Brain Power Network" als gemeinsame nationale Initiative von sechs Gründern aufgebaut, das über einen Zeitraum von fünf Jahren mit Mitteln in Höhe von 100 Mio. SEK ausgestattet ist. Das Ziel dieses Netzwerks ist es, die Früherkennung von neurodegenerativen Erkrankungen sowie die Behandlung und Pflege der betroffenen Patienten zu verbessern16. In Irland werden knapp 100 Mio. EUR für die Forschung und Pflege im Bereich der alterungsbedingten Krankheiten aufgewandt17.

Die Niederlande18 und Italien finanzieren seit einigen Jahren groß angelegte Kohortenstudien, aus denen umfangreiche Forschungsdaten hervorgehen. Das italienische Gesundheitsministerium hat Alzheimer zu einer Forschungspriorität erklärt19. Spanien hat mehrere konsolidierte nationale Netze für die biomedizinische Forschung zu neurodegenerativen Erkrankungen und psychischer Gesundheit eingerichtet20.

Derzeitige Maßnahmen auf EU-Ebene

Die Forschung zu neurodegenerativen Erkrankungen, insbesondere Alzheimer, rückt auch auf EU-Ebene immer mehr in den Mittelpunkt. Im Zuge des Sechsten Rahmenprogramms für Forschung und technologische Entwicklung (RP6) wurden 28 kollaborativen Forschungsvorhaben in diesem Bereich 136 Mio. EUR zugewiesen. Davon wurden 40 Mio. EUR für einen translationalen Ansatz bei der Erforschung von Alzheimer aufgewandt21.

Im Zuge des RP6 wurden mit den ERA-NET-Projekten ERA-AGE22 und NEURON23 Instrumente geschaffen, die dazu beitragen sollen, die Fragmentierung nationaler Forschungsarbeiten zu neurodegenerativen Erkrankungen einschließlich Alzheimer zu verringern und ihre Koordinierung zu verbessern. Im Rahmen des letztgenannten Projekts beteiligten sich im Jahr 2008 12 Mitgliedstaaten an einer ersten gemeinsamer Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen. Dabei werden 12 Projekte mit Mitteln in Höhe von Die Bemühungen auf diesem Gebiet wurden im Rahmen des Themenbereichs "Gesundheit" des RP7 (2007-2013) weiter verstärkt, insbesondere im Bereich der Gehirnforschung und der "Optimierung der Gesundheitsfürsorge für die europäischen Bürger". Derzeit sind ein Drittel der 2008/2009 verfügbaren Mittel für die Gehirnforschung dem Bereich der neurodegenerativen Erkrankungen zugewiesen. 24 kollaborative Forschungsprojekte werden mit insgesamt 94 Mio. EUR in diesem Bereich gefördert, wobei 24 Mio. EUR auf Alzheimer und verwandte Krankheiten entfallen. Weitere 8 Mio. EUR sind für kollaborative Forschung zu verschiedenen Aspekten der Organisation, Erbringung und Qualität der langfristigen Pflege älterer Menschen in Europa vorgesehen.

Auch in dem Weißbuch "Gemeinsam für die Gesundheit: Ein strategischer Ansatz für die EU für 2008-2013"25 zur Gesundheitsstrategie der EU werden angesichts der Bevölkerungsalterung bessere Kenntnisse über neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer als wichtiges Ziel hervorgehoben. Im Rahmen des Programms für die öffentliche Gesundheit (2003-2008) wurden EU-Informationsmaßnahmen zu Alzheimer und verwandten Krankheiten eingeleitet.

Mit dem von "Alzheimer Europe" koordinierten Projekt EuroCoDe (Europäische Zusammenarbeit im Bereich der Demenz)26 (2006-2008), das im Rahmen des Programms für öffentliche Gesundheit (2003-2008) gefördert wird, werden folgende Ziele verfolgt:

Im Rahmen von EuroCoDe hat Alzheimer Europe die Jahrbücher "Dementia in Europe" 2006, 2007 und 0827 veröffentlicht, die einen umfassenden Überblick über die derzeitige Situation im Bereich Alzheimer und anderer Demenzerkrankungen in der Europäischen Union geben.

Der 2008 verabschiedete Europäische Pakt für psychische Gesundheit und Wohlbefinden konzentriert sich auf vier vorrangige Themen: Prävention von Selbstmord und Depression, psychische Gesundheit in den Bereichen Jugend und Bildung, psychische Gesundheit am Arbeitsplatz und psychische Gesundheit älterer Menschen28.

Die EU unterstützt zudem das EADC (European Alzheimer"s Disease Consortium),29 ein Netz europäischer Spitzenforschungszentren im Bereich Alzheimer. Die Zentren tragen dazu bei die grundlegenden wissenschaftlichen Kenntnisse über Alzheimer zu erweitern und Möglichkeiten zur Prävention, Verlangsamung und Milderung der primären und sekundären Symptome von Alzheimer zu entwickeln und fördern dazu europaweite Forschung.

Im Einklang mit den Prioritäten der EU-Gesundheitsstrategie und der im Dezember 2008 von den Gesundheitsministern verabschiedeten Schlussfolgerungen des Rates über Strategien für die öffentliche Gesundheit zur Bekämpfung alterungsbedingter neurodegenerativer Erkrankungen, insbesondere Alzheimer, soll im Juli 2009 eine Mitteilung der Kommission zu einer europäischen Initiative zu Alzheimer und anderen Demenzerkrankungen angenommen werden. Darin wird hervorgehoben, dass diese Erkrankungen angesichts der Bevölkerungsalterung in Europa ein vorrangiges Gebiet für Maßnahmen darstellen, und es wird den möglichen Auswirkungen dieser immer häufiger werdenden Erkrankungen auf die langfristige Tragfähigkeit der Gesundheits- und Sozialsysteme Rechnung getragen.

Vorteile einer verstärkten Koordinierung

Die Verringerung der Belastung durch neurodegenerative Erkrankungen, insbesondere Alzheimer, ist eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe in Europa, da 16 % der Bevölkerung 65 Jahre oder älter sind und sich dieser Anteil in den nächsten 25 Jahren voraussichtlich verdoppeln wird, wenn sich derzeitige Entwicklungen fortsetzen und keine Präventionsmöglichkeiten entwickelt werden.

Der Gehirnforschung sind umfangreiche Forschungsbemühungen in den Mitgliedstaaten und auf europäischer Ebene gewidmet. Im Jahr 2005 wurden in Europa insgesamt 4,1 Mrd. EUR für Gehirnforschung aufgewandt. Davon entfielen 855 Mio. EUR auf den öffentlichen Sektor, wobei im Zuge des EU-Rahmenprogramms 94 Mio. EUR sowie 105 Mio. EUR speziell für Forschung zu neurodegenerativen Erkrankungen bereitgestellt wurden.

Die Forschungsförderung im Bereich der neurodegenerativen Erkrankungen in Europa ergibt jedoch ein uneinheitliches Bild, was vor allem auf unterschiedliche Finanzierungssysteme, politische Ansätze und Organisationsstrukturen in den Mitgliedstaaten sowie Unterschiede bei den Forschungsausgaben der verschiedenen Organisationen und Ländern im Bereich der neurodegenerativen Erkrankungen zurückzuführen ist. Die Koordinierung der nationalen Forschungsbemühungen auf europäischer Ebene lässt noch viel zu wünschen übrig. Dafür sind vor allem folgende Faktoren verantwortlich:

Trotz der umfangreichen Finanzmittel und einer beeindruckenden Zahl von Initiativen auf Seiten einzelner Mitgliedstaaten fehlt es derzeit an Kohärenz und Koordination.

Um Kenntnis- und Handlungslücken zu schließen, ist ein Ansatz auf Makro-Ebene erforderlich. So wäre es beispielsweise sinnvoll, empfehlenswerte Verfahren zur Früherkennung von Alzheimer und verwandten Krankheiten sowie zum Einsatz vorhandener Therapien zu bestimmen. Dazu sollten Kenntnisse ausgetauscht und gemeinsame Anstrengungen unternommen werden. Koordinierte Datenbanken mit Genom-Informationen, Proben- und Gewebebanken sind hierfür selbstverständlich wesentlich.

Zur Entwicklung und Validierung neuer Vorsorgemethoden und Therapien sowie zur Beurteilung der Wirksamkeit vorhandener Behandlungen bedarf es groß angelegter klinischer Studien, die in einem internationalen Umfeld durchgeführt werden sollten, da für aussagekräftige Ergebnisse eine sehr hohe Zahl von Patienten mit (mehr oder weniger) unterschiedlichem genetischen Hintergrund erforderlich ist.

Ebenso sollten umfangreiche Bevölkerungskohorten, Datenbanken und Register eingerichtet und integriert werden, damit wir die Rolle und den Anteil von Genen, Ernährung, Verhalten und anderen Risikofaktoren bei der Entstehung dieser Krankheiten und Ansatzpunkte für Präventionsmaßnahmen vollständig verstehen können. Kenntnisse darüber, wie die unterschiedlichen Bedingungen in Europa mit diesen Risikofaktoren zusammenhängen, und die Nutzung dieser Kenntnisse könnten uns einen Wettbewerbsvorteil bei der Erforschung dieser Krankheit verschaffen.

Die Standardisierung von Diagnosekriterien und Beurteilungsmethoden in allen Mitgliedstaaten ist unabdingbar, um in ganz Europa bewährte Verfahren einzuführen und eine optimale klinische Versorgung sicherzustellen.

Gemeinsame Maßnahmen ermöglichen es, eine kritische Masse an Fähigkeiten, Kenntnissen und finanziellen Ressourcen zu schaffen, fördern die Interdisziplinarität und könnten uns so der Bewältigung der medizinischen und gesellschaftlichen Herausforderungen einen Schritt näher bringen.

Eine Initiative im Bereich der gemeinsamen Programmplanung in diesem politisch und gesellschaftlich hoch anspruchsvollen Feld könnte zum Vorteil aller europäischen Bürger auf bestehenden Strukturen und Programmen aufbauen und dazu beitragen, einen unnötigen Doppeleinsatz von Forschungsarbeiten und -mitteln zu vermeiden. Sie würde es der EU zudem ermöglichen, einen kohärenten Ansatz für die internationale Zusammenarbeit mit Drittländern zu entwickeln, die ein vergleichbares demografisches Profil aufweisen und mit ähnlichen Probleme konfrontiert sind, insbesondere mit den assoziierten Länder im Rahmen des RP7. Dabei könnte sie auf Initiativen wie der vom US National Institute of Health unterstützten "European Alzheimer"s Disease Neuroimaging Initiative" aufbauen30.

Ferner werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, mit der Kommission zusammenzuarbeiten, um mögliche Initiativen zu bestimmen, mit denen die Kommission die Mitgliedstaaten bei der Entwicklung und Umsetzung des gemeinsamen Forschungsplans unterstützen könnte.

Die Kommission kann darüber hinaus weitere Initiativen zur Förderung der gemeinsamen Programmplanung auf diesem Gebiet und ergänzende Maßnahmen zur Unterstützung einer solchen Initiative einleiten. Dabei könnte sie die Leitungsstruktur und die Erstellung des strategischen Forschungsplans unterstützen, Daten und Informationen bereitstellen, den Kenntnisstand auf diesem Gebiet in den Mitgliedstaaten und auf europäischer Ebene analysieren und jährlich über den Fortschritt dieser Initiative berichten. Die Kommission kann ferner mögliche Formen der Konsultation und Zusammenarbeit mit Spitzenforscherteams auf internationaler Ebene in Betracht ziehen.

3. Rechtliche Elemente des Vorschlags

Zusammenfassung der vorgeschlagenen Maßnahme

In dem Vorschlag werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, durch gemeinsame Programmplanung auf europäischer Ebene einen gemeinsamen Ansatz in der Forschung zu neurodegenerativen Erkrankungen, insbesondere Alzheimer, zu entwickeln.

Im Rahmen der gemeinsamen Programmplanung müssen die beteiligten Mitgliedstaaten zusammenarbeiten um gemeinsame Vorstellungen über die Forschungsanforderungen und -möglichkeiten auf diesem Gebiet zu entwickeln und auf dieser Grundlage einen strategische Forschungsplan mit Prioritäten, Meilensteinen und Zeitplänen zu erstellen. Dieser Forschungsplan sollte einen Durchführungsplan enthalten, in dem die für die Durchführung des Plans und die Umsetzung der gemeinsamen Zielvorstellungen erforderlichen Maßnahmen, Instrumente und Mittel dargelegt sind. Dazu ist eine Leitungsstruktur einzurichten, deren Auftrag von den Mitgliedstaaten festgelegt werden sollte. Des Weiteren werden die Mitgliedstaaten in dem Vorschlag aufgefordert, mit der Kommission zusammenzuarbeiten, um mögliche Initiativen zu bestimmen, mit denen die Kommission die Mitgliedstaaten bei der Entwicklung und Durchführung des strategischen Forschungsplans unterstützen könnte.

Daneben kann die Kommission weitere Initiativen zur Förderung der gemeinsamen Programmplanung in diesem Bereich einleiten.

Rechtsgrundlage

Die Rechtsgrundlage bildet Artikel 165 EG-Vertrag.

Subsidiaritätsprinzip

Der Vorschlag entspricht dem Subsidiaritätsprinzip, da seine Ziele auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend umgesetzt werden können, sondern aufgrund ihres Umfangs und ihrer Tragweite gemeinschaftlich besser zu erreichen sind. Der Vorteil einer gemeinsamen europäischen Behandlung eines solchen Forschungsthemas im Rahmen der gemeinsamen Programmplanung besteht vor allem darin, dass eine kritische Masse von Fähigkeiten, Kenntnissen und Finanzmitteln geschaffen werden kann, so dass komplementäre Kenntnisse besser miteinander verbunden werden können und unnötige Doppelarbeit entfällt. Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene können dazu beitragen, der derzeitigen Fragmentierung und bestehenden Ungleichgewichten entgegenzuwirken und die immer knapper werdenden Ressourcen besser zu nutzen, wobei die Leitung in vollem Umfang bei den Mitgliedstaaten bleibt. Empfehlungen auf Gemeinschaftsebene bieten die Möglichkeit, diesen gesellschaftlichen Herausforderungen in einer wirksameren und besser koordinierten Weise zu begegnen.

Proportionalitätsprinzip

Der Vorschlag entspricht dem Proportionalitätsprinzip, da er die derzeitigen Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Kampf gegen neurodegenerative Erkrankungen einschließlich Alzheimer nicht ersetzt, sondern ergänzt und rationalisiert. Die praktische Umsetzung bleibt den Mitgliedstaaten überlassen.

Andererseits ist der erforderliche Aufwand an Mitteln und Ressourcen aufgrund des Umfangs der Herausforderung für die europäischen Länder und angesichts der demografischen Entwicklung so hoch, dass gemeinsame Maßnahmen die einzige Möglichkeit darstellen, um die für die Erhaltung der Sozialsysteme und des Wohlergehens großer Teile der Bevölkerung erforderlichen Ergebnisse zu erzielen.

Wahl des Instruments

Empfehlung des Rates

4. Haushaltsauswirkungen des Vorschlags

Dieser Vorschlag hat keine Auswirkungen auf den Gemeinschaftshaushalt.

Vorschlag für eine Empfehlung des Rates über Maßnahmen zur Bekämpfung von neurodegenerativen Krankheiten, insbesondere Alzheimer, durch gemeinsame Programmplanung im Bereich der Forschung

Der Rat der Europäischen Union -

Fordert die Mitgliedstaaten hiermit auf,

Fordert die Kommission hiermit auf,


Brüssel, den [...]
Im Namen des Rates
Der Präsident