Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 4. September 2008 zur Evaluierung der EU-Sanktionen als Teil der Aktionen und Maßnahmen der EU im Bereich der Menschenrechte (2008/2031(INI))

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 117789 - vom 19. September 2008.

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 4. September 2008 angenommen.

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass Artikel 11 Absatz 1 des EUV die Achtung der Menschenrechte zu einem der Ziele der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) erklärt, und in der Erwägung, dass der neue Artikel 21 EUV, wie er durch Artikel 1 Absatz 24 des Vertrags von Lissabon eingefügt wurde, folgende Erklärung enthält: "Die Union lässt sich bei ihrem Handeln auf internationaler Ebene von den Grundsätzen leiten, die für ihre eigene Entstehung, Entwicklung und Erweiterung maßgebend waren und denen sie auch weltweit zu stärkerer Geltung verhelfen will: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, die universelle Gültigkeit und Unteilbarkeit der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die Achtung der Menschenwürde, der Grundsatz der Gleichheit und der Grundsatz der Solidarität sowie die Achtung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und des Völkerrechts",

B. in der Erwägung, dass Sanktionen zur Erreichung bestimmter Ziele der GASP angewandt werden, die in Artikel 11 des Vertrags über die Europäische Union festgelegt sind und die unter anderem die Förderung der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und verantwortungsvoller Regierungsführung einschließen,

C. in der Erwägung, dass die oben genannten Grundprinzipien für den Einsatz restriktiver Maßnahmen (Sanktionen) das erste pragmatische Dokument darstellen, das den Rahmen für die Verhängung von Sanktionen durch die EU absteckt, während die EU in der Praxis schon seit Anfang der 1980er Jahre und insbesondere seit dem Inkrafttreten des EUV im Jahr 1993 Sanktionen verhängt; in der Erwägung, dass dieses Dokument, mit dem Sanktionen offiziell zu einem Instrument der GASP erklärt werden, daher den Anfang einer europäischen Sanktionspolitik darstellt,

D. in der Erwägung, dass diese Sanktionspolitik hauptsächlich auf den fünf nachstehend genannten Zielen der GASP beruht: Wahrung der gemeinsamen Werte, der grundlegenden Interessen, der Unabhängigkeit und der Unversehrtheit der Union im Einklang mit den Grundsätzen der UN Charta; Stärkung der Sicherheit der Union in allen ihren Formen; Wahrung des Friedens und Stärkung der internationalen Sicherheit entsprechend den Grundsätzen der UN Charta sowie der Schlussakte von Helsinki, und den Zielen der Charta von Paris, einschließlich derjenigen, welche die Außengrenzen betreffen; Förderung der internationalen Zusammenarbeit; Entwicklung und Stärkung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten,

E. in der Erwägung, dass der internationale Konsens darüber zunimmt, dass jede schwerwiegende und absichtliche Schädigung der Umwelt den Frieden und die Sicherheit beeinträchtigt und eine Verletzung der Menschenrechte darstellt,

F. in der Erwägung, dass die EU gehalten ist, Sanktionen, die vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gemäß Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen verhängt wurden, systematisch umzusetzen, und zugleich in Ermangelung eines Mandats des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen eigene Sanktionen verhängt, soweit dieser nicht zu entsprechenden Maßnahmen befugt oder nicht dazu in der Lage ist, weil unter seinen Mitgliedern keine Einigung erzielt werden kann; unter Hinweis auf die diesbezügliche Verpflichtung der Vereinten Nationen und der EU, Sanktionen im Einklang mit dem Völkerrecht zu verhängen,

G. in der Erwägung, dass die Sanktionspolitik der EU daher vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verhängte Sanktionen einschließt, ihr Umfang und ihre Ziele jedoch umfassender sind als die der Politik des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (internationaler Frieden und Sicherheit),

H. in der Erwägung, dass Sanktionen zu den Instrumenten gehören, die der EU zur Durchführung ihrer Menschenrechtspolitik zur Verfügung stehen; unter Hinweis darauf, dass die Anwendung von Sanktionen mit der Gesamtstrategie der Union in dem betreffenden Bereich in Einklang stehen und in einer Reihenfolge von Prioritäten das letzte Mittel zur Verfolgung ihrer spezifischen Ziele im Bereich der GASP sein muss; in der Erwägung, dass die Wirksamkeit von Sanktionen davon abhängt, ob sie von allen Mitgliedstaaten gleichzeitig verhängt werden,

I. in der Erwägung, dass es weder im Völkerrecht noch im EU/EG-Recht eine verbindliche Definition dafür gibt, was eine Sanktion ist; in der Erwägung, dass im Rahmen der GASP Sanktionen oder restriktive Maßnahmen jedoch als Maßnahmen betrachtet werden, die dazu dienen, die diplomatischen oder wirtschaftlichen Beziehungen zu einem oder mehreren Drittländern auszusetzen, einzuschränken oder vollständig einzustellen , und die darauf abzielen, eine Änderung bei bestimmten Handlungen oder Politiken herbeizuführen, zum Beispiel bei Verstößen gegen das Völkerrecht oder gegen die Menschenrechte oder bei politischen Maßnahmen der Regierungen von Drittländern, nichtstaatlichen Einrichtungen oder natürlichen oder juristischen Personen, die die Rechtstaatlichkeit oder die demokratischen Grundsätze nicht achten,

J. in der Erwägung, dass es verschiedene Arten von restriktiven Maßnahmen gibt, wie zum Beispiel Waffenembargos, Handelssanktionen, finanzielle/wirtschaftliche Sanktionen, das Einfrieren von Vermögenswerten, Flugverbote, Einreisebeschränkungen, diplomatische Sanktionen, Boykotte von Sport- und Kulturveranstaltungen sowie die Aussetzung der Zusammenarbeit mit Drittländern,

K. in der Erwägung, dass die Bezeichnungen "Sanktionen" und "restriktive Maßnahmen" in dieser Entschließung, wie in der EU üblich, synonym verwendet werden; in der Erwägung, dass die Definition geeigneter Maßnahmen in dieser Entschließung aus Artikel 96 des Cotonou-Abkommens übernommen wurde22,

L. in der Erwägung, dass die EU-Sanktionen selbst in Abhängigkeit von der genauen Art der restriktiven Maßnahmen und vom Rechtsverhältnis mit dem betreffenden Drittland und auch von den entsprechenden Sektoren und Zielen auf verschiedenen Rechtsgrundlagen beruhen; in der Erwägung, dass diese Faktoren sowohl für das Verfahren zur Annahme von Sanktionen - die häufig, aber nicht immer einen Gemeinsamen Standpunkt im Rahmen der GASP und somit Einstimmigkeit im Rat erfordern - als auch für das Rechtsetzungsverfahren maßgeblich sind, das anzuwenden ist, um die Sanktionen rechtsverbindlich und durchsetzbar zu machen, wobei das einheitliche Verfahren gemäß Artikel 301 EG-Vertrag zur Anwendung kommt,

M. in der Erwägung, dass Verbote der Visaerteilung und Waffenembargos zu den im Rahmen der GASP am meisten verhängten Sanktionen geworden sind und einen der ersten Schritte in der Reihenfolge von EU-Sanktionen darstellen; in der Erwägung, dass diese zwei Arten von Maßnahmen die einzigen sind, die unmittelbar von den Mitgliedstaaten getroffen werden, da sie gemäß dem EGV keine spezifischen Rechtsvorschriften zur Durchführung von Sanktionen erfordern; in der Erwägung, dass andererseits finanzielle Sanktionen (Einfrieren von Vermögenswerten) und Handelssanktionen die Annahme spezifischer Rechtsvorschriften zu ihrer Durchführung erfordern,

N. in der Erwägung, dass im Einklang mit den oben genannten Grundprinzipien für den Einsatz restriktiver Maßnahmen (Sanktionen) und den einschlägigen Leitlinien gezielte Sanktionen mehr bewirken können als allgemeine Sanktionen und diese folglich vorzuziehen sind, weil mit ihnen erstens mögliche nachteilige Auswirkungen auf eine größere Bevölkerungsgruppe vermieden werden und weil sie zweitens unmittelbar diejenigen betreffen, die verantwortlich oder zuständig sind, und somit wahrscheinlich wirksamer sind, wenn es darum geht, eine Änderung der Politik zu bewirken,

O. in Anerkennung der Tatsache, dass es Maßnahmen gibt, die zwar vom Rat im Rahmen von Schlussfolgerungen des Vorsitzes getroffen, aber nicht als "Sanktionen" bezeichnet werden und die sich von den anderen als Instrumente der GASP aufgelisteten restriktiven Maßnahmen unterscheiden,

P. in der Erwägung, dass die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und Drittstaaten oftmals durch bilaterale oder multilaterale sektorspezifische Vereinbarungen geregelt werden, die die EU bei der Anwendung von Sanktionen beachten muss; in der Erwägung, dass die EU daher solche Vereinbarungen zunächst aussetzen oder kündigen sollte, bevor sie Wirtschaftssanktionen anwendet, die nicht mit den Rechten vereinbar sind, die dem betreffenden Drittland durch eine bestehende Vereinbarung eingeräumt werden,

Q. in der Erwägung, dass die Beziehungen zwischen der EU und Drittländern oftmals durch bilaterale oder multilaterale Vereinbarungen geregelt werden, nach denen eine der Parteien im Falle eines Verstoßes der anderen Partei gegen einen der wesentlichen Bestandteile der Vereinbarung, zu denen insbesondere die Achtung der Menschenrechte, des Völkerrechts und der demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätze (Menschenrechtsklausel) gehören, geeignete Maßnahmen ergreifen kann; hierfür ist das Cotonou-Abkommen ein wichtiges Beispiel,

R. in der Erwägung, dass die Einführung und Umsetzung restriktiver Maßnahmen im Einklang mit den Menschenrechten und dem humanitären Völkerrecht, einschließlich eines ordnungsgemäßen Verfahrens und des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, stehen und angemessene Ausnahmen vorsehen muss, um den elementaren humanitären Bedürfnissen der Personen, gegen die sich die Maßnahmen richten, wie etwa Zugang zu Grundschulbildung, Trinkwasser und medizinischer Grundversorgung einschließlich Grundmedikamente, Rechnung zu tragen; in der Erwägung, dass eine Sanktionspolitik den von der Genfer Konvention, dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes und dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie den Resolutionen der Vereinten Nationen zum Schutz von Zivilpersonen und von Kindern in bewaffneten Konflikten festgelegten Normen uneingeschränkt Rechnung tragen muss;

S. in der Erwägung, dass die Glaubwürdigkeit der EU und ihrer einzelnen Mitgliedstaaten untergraben wird, wenn die EU-Sanktionen unterlaufen zu werden scheinen , und in der Erwägung, dass Robert Mugabe zum Gipfel EU-Afrika am 8./9. Dezember 2007 in Lissabon eingeladen wurde, obwohl gegen ihn ein offizielles Einreiseverbot für alle EU-Mitgliedstaaten gemäß dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates 2004/161/GASP vom 19. Februar 2004 bestand, mit dem die restriktiven Maßnahmen gegen Simbabwe23 erneuert und vor kurzem mit dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates 2008/135/GASP vom 18. Februar 0824 ausgeweitet wurden,

Allgemeine Überlegungen mit Blick auf eine wirksame Sanktionspolitik der EU

Sanktionen als Teil einer umfassenden Menschenrechtsstrategie

Koordiniertes Vorgehen der internationalen Gemeinschaft

Festlegung klarer Beschlussfassungsverfahren, Ziele, Bezugsnormen und Kontrollmechanismen

Gezielte Sanktionen als wirksameres Instrument?

Achtung der Menschenrechte bei der Anwendung gezielter Sanktionen zur Bekämpfung des Terrorismus

Für eine kombinierte Sanktionspolitik

Empfehlungen in Bezug auf die EU-Organe und die Mitgliedstaaten