Unterrichtung durch die Bundesregierung
Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen -Mehrsprachigkeit: Trumpfkarte Europas, aber auch gemeinsame Verpflichtung KOM (2008) 566 endg.; Ratsdok. 13253/08

Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 23. September 2008 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 18. September 2008 dem Bundesrat zugeleitet.

Die Vorlage ist von der Kommission am 19. September 2008 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.


Hinweis: vgl.
Drucksache 591/03 (PDF) = AE-Nr. 032740,
Drucksache 653/05 (PDF) = AE-Nr. 052227,
Drucksache 852/05 (PDF) = AE-Nr. 053202,
Drucksache 268/07 (PDF) = AE-Nr. 070346 und AE-Nr. 070764

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen
Mehrsprachigkeit: Trumpfkarte Europas, aber auch gemeinsame Verpflichtung

Die Sprachenvielfalt stellt für Europa eine Herausforderung dar, es handelt sich allerdings unserer Ansicht nach um eine lohnende Herausforderung (Amin Maalouf, Intellektuellengruppe für den interkulturellen Dialog)

1. Einleitung

Die harmonische Koexistenz vieler Sprachen in Europa ist ein kraftvolles Symbol für das Streben der Europäischen Union nach Einheit in der Vielfalt, einem der Eckpfeiler des europäischen Aufbauwerks. Sprachen sind Merkmal der persönlichen Identität, aber auch Teil des gemeinsamen Erbes. Sie können als Brücke zu anderen Menschen dienen und öffnen den Zugang zu anderen Ländern und Kulturen, fördern also das gegenseitige Verständnis. Eine erfolgreiche Mehrsprachigkeitspolitik kann die Lebenschancen der Bürger vergrößern, indem sie ihre Beschäftigungsfähigkeit steigert, den Zugang zu Dienstleistungen und das Geltendmachen von Rechten erleichtert und schließlich die Solidarität durch intensiveren interkulturellen Dialog und mehr sozialen Zusammenhalt stärkt. Geht man mit dieser Einstellung an die sprachliche Vielfalt heran, kann sie in der heutigen globalisierten Welt immer mehr zu einem wertvollen Trumpf werden.

Die von der Kommission am 2. Juli 2008 angenommene erneuerte Sozialagenda enthält ein neues Konzept für die Bewältigung des Wandels in unserer globalisierten Welt, das auf drei zentralen Grundsätzen beruht: Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität. In einer vielsprachigen Europäischen Union bedeutet dies:

In ihrer Mitteilung Eine neue Rahmenstrategie für Mehrsprachigkeit1 aus dem Jahr 2005 bekräftigte die Kommission den Wert der sprachlichen Vielfalt, und sie betonte die Notwendigkeit einer umfassenderen Strategie zur Förderung der Mehrsprachigkeit2, wie sie von der unabhängigen Hochrangigen Gruppe "Mehrsprachigkeit" empfohlen worden war3.

Bestätigt wurde diese Analyse in einer breit angelegten Konsultation4 im Zeitraum 2007-08 (die unter anderem eine Online-Anhörung mit mehr als 2400 Antworten umfasste) und durch die Berichte von zwei Beratergruppen über den Beitrag der Mehrsprachigkeit zum interkulturellen Dialog bzw. über die Rolle der Sprachen in der Geschäftswelt.5

Die Kommission hat auch andere EU-Einrichtungen gehört. Das Europäische Parlament hat mehrere hochinteressante Berichte herausgegeben6, und sowohl der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss als auch der Ausschuss der Regionen wurden um Stellungnahme gebeten7. Der Rat hielt seine erste Ministerkonferenz zum Thema Mehrsprachigkeit am 15. Februar 2008 in der Absicht ab, den Boden für eine umfassendere Politik zu bereiten.

In der Sprachenpolitik liegt die Entscheidungsbefugnis in erster Linie bei den Mitgliedstaaten, auch, was die Regional- und Minderheitensprachen angeht; hierfür bietet die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarats einen umfassenden Rahmen. Viele andere Organisationen treffen vor Ort Entscheidungen in Sprachenfragen: Bildungsträger, Regional- und Kommunalbehörden, Sozialpartner, Medien und Dienstleister. Die Kommission kooperiert mit den Mitgliedstaaten und den beteiligten Akteuren im Sinne des Subsidiaritätsprinzips, um sicherzustellen, dass gemeinsame Ziele verfolgt werden, und sie wird sie in ihren Bemühungen unterstützen, insbesondere indem sie den Austausch bewährter Verfahren erleichtert.

In diesem Kontext arbeitet die Kommission seit 2002 gemeinsam mit den Mitgliedstaaten auf das Barcelona-Ziel hin, die Bürger in die Lage zu versetzen, neben ihrer Muttersprache in zwei weiteren Sprachen zu kommunizieren, insbesondere durch Erarbeitung eines Indikators für Sprachenkompetenz8, durch strategische Aktionen und Empfehlungen und durch Aufnahme der Fremdsprachenkenntnisse in die Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen9.

Auf den Fortschritten früherer Jahre aufbauend soll mit dieser Mitteilung ein Qualitätssprung erreicht werden: präsentiert wird eine von möglichst vielen unterstützte und umfassende Politik, die über den Bildungssektor hinausreicht und Sprachen in den größeren Kontext der EU-Agenda für sozialen Zusammenhalt und Wohlstand einfügt, die beiden zentralen Ziele der Lissabon-Strategie.

2. Die Herausforderungen einer grösseren und vielfältigeren EU

Die heutigen europäischen Gesellschaften sehen sich mit raschen Veränderungen durch Globalisierung, technologischen Fortschritt und alternde Bevölkerungen konfrontiert. Die gestiegene Mobilität der Europäer - derzeit arbeiten 10 Millionen von ihnen in einem anderen Mitgliedstaat - ist ein wichtiges Zeichen dieses Wandels. Zunehmend interagieren Menschen mit ihren Pendants aus anderen Ländern, und immer mehr leben und arbeiten außerhalb ihres Herkunftslandes. Dieser Prozess wird durch die EU-Erweiterungen der letzten Zeit noch verstärkt. Heute hat die EU 500 Mio. Einwohner, 27 Mitgliedstaaten, 3 Alphabete und 23 Amtssprachen, von denen einige weltweit verbreitet sind. Rund 60 weitere Sprachen sind ebenfalls Teil unseres Erbes und werden in bestimmten Regionen oder von bestimmten Gruppen gesprochen. Außerdem haben Zuwanderer ein breites Spektrum von Sprachen mitgebracht: Man schätzt, dass derzeit mindestens 175 Nationalitäten innerhalb der EU-Grenzen leben.10 Aus diesen und anderen Gründen ist das Leben der Europäer internationaler und vielsprachiger geworden.

Zwar ist diese sprachliche Vielfalt eine Quelle des Gewinns und Reichtums, kann aber, wird sie politisch nicht ausreichend gestützt, auch Probleme aufwerfen. Sie kann die Kommunikationsbarrieren zwischen Menschen aus verschiedenen Kulturen erhöhen und die sozialen Trennlinien verschärfen, indem sie mehrsprachigen Menschen den Zugang zu besseren Lebens- und Arbeitsbedingungen eröffnet, einsprachige aber ausgrenzt. Sie kann EU-Bürger und -Unternehmen daran hindern, die vom Binnenmarkt gebotenen Möglichkeiten voll zu nutzen, und unter Umständen ihre Wettbewerbsvorteile im Ausland einschränken. Sie kann auch ein Hindernis für eine wirksame grenzüberschreitende Verwaltungszusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und für das effiziente Arbeiten von örtlichen Diensten wie Krankenhäusern, Gerichten, Arbeitsvermittlungsstellen usw. sein.

Die große Herausforderung besteht im Moment darin, die Hindernisse für die EU-Bürger und -Unternehmen möglichst zu verringern und sie in die Lage zu versetzen, die von der Mehrsprachigkeit gebotenen Chancen zu nutzen. Außerdem geht es darum, zu zeigen, dass sich Sprachen als Trumpfkarte für die europäische Gesellschaft als Ganzes erweisen können.

3. Ziele

Im Zentrum dieser Mitteilung stehen die Menschen: ihre Fähigkeit, sich mehrerer Sprachen zu bedienen, ihre Chancen, Zugang zur Kultur zu erhalten und als aktive Bürger am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, von besserer Kommunikation, stärkerer Eingliederung und größeren Beschäftigungs- und Geschäftsmöglichkeiten zu profitieren. Das Hauptziel besteht also darin, das Bewusstsein für den Wert der Sprachenvielfalt in der EU und für die von dieser Vielfalt ausgehenden Chancen zu schärfen und den Abbau von Hindernissen für den interkulturellen Dialog zu fördern.

Ein zentrales Instrument dafür ist das Barcelona-Ziel - Kommunikation in der Muttersprache plus zwei weiteren Sprachen. Damit dies für alle Bürger erreicht werden kann, sind größere Anstrengungen erforderlich.

Erforderlich sind auch konkrete Maßnahmen für einen großen Teil der europäischen Gesellschaft, der die Vorteile der Mehrsprachigkeit noch nicht nutzen kann, wie z.B. die einsprachigen Menschen oder diejenigen, die sich noch mit ihrer ersten Fremdsprache plagen, Schulabbrecher, ältere Bürger und andere Erwachsene, die sich nicht mehr in der Ausbildung befinden. Gesucht sind neue Lernkonzepte, mit denen sich speziell diese Gruppen erreichen lassen, etwa Edutainment, Medien und moderne Technologien, aber auch geeignete Übersetzungs- und Dolmetschdienste. Es muss mehr getan werden, um Erwachsenen und jungen Menschen in der beruflichen Aus- und Weiterbildung das Sprachenlernen zu erleichtern, dessen Form ihren persönlichen Bedürfnissen und Lernweisen angepasst werden sollte.

Konzertierte Anstrengungen sind nötig, um sicherzustellen, dass, im Rahmen der verfügbaren Mittel, Mehrsprachigkeit zu einem Querschnittsthema in vielen Politikbereichen der EU wird; dazu gehören lebenslanges Lernen, Beschäftigung, soziale Eingliederung, Wettbewerbsfähigkeit, Kultur, Jugend, Zivilgesellschaft, Forschung und Medien. In den folgenden Kapiteln werden zentrale Aspekte dieses integrativen Vorgehens dargestellt, wodurch das Thema Mehrsprachigkeit auf den Bereich des sozialen Zusammenhalts und des Wohlstands ausgedehnt werden soll, also auf die Förderung von erfolgreichen Unternehmen einschließlich KMU, von Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigungsfähigkeit sowie Eingliederung, Wohlbefinden und Feizeitgestaltung im Alltagsleben und im persönlichen Umfeld.

4. Mehrsprachigkeit für interkulturellen Dialog und sozialen Zusammenhalt

Jede der in Europa gesprochenen Landes-, Regional-, Minderheiten- und Zuwanderersprachen fügt unserem gemeinsamen kulturellen Hintergrund eine Facette hinzu. Alle sollten daran teilhaben, da so Dialog und gegenseitiger Respekt gefördert werden. Es gibt in der EU Gebiete, in denen es den Bürgern problemlos gelingt, eine Regional- oder Minderheitensprache mit der Landessprache zu kombinieren und auch noch erfolgreich Fremdsprachen zu erlernen. Mehrsprachige Menschen spielen eine besonders wichtige Rolle, weil sie als Bindeglieder zwischen verschiedenen Kulturen wirken.

4.1. Wertschätzung aller Sprachen

Vor dem heutigen Hintergrund gestiegener Mobilität und Migrationsbereitschaft ist das Beherrschen der Landessprache(n) von ausschlaggebender Bedeutung für eine erfolgreiche Integration und aktive Beteiligung am gesellschaftlichen Leben. Anderssprachige Menschen sollten daher die Sprache des Aufnahmelandes in ihre "Mutterspracheplus-zwei"-Kombination aufnehmen.

In unserer Gesellschaft gibt es auch sprachliche Ressourcen, die noch überhaupt nicht genutzt werden: unterschiedliche Muttersprachen und andere in den Familien und Nachbarschaften gesprochene Sprachen sollten größere Wertschätzung erfahren. So stellen beispielsweise Kinder mit unterschiedlichen Muttersprachen - seien sie aus der EU oder aus Drittländern - Schulen vor die Herausforderung, die Unterrichtssprache als Zweitsprache lehren zu müssen11, aber sie können auch ihre Klassenkameraden motivieren, verschiedene Sprachen zu lernen und offen zu sein für andere Kulturen.

Um engere Kontakte zwischen den einzelnen Gemeinschaften zu ermöglichen, hat die von der Kommission eingesetzte Beratergruppe zum Thema Mehrsprachigkeit und interkultureller Dialog12 das Konzept der "persönlichen Adoptivsprache" entwickelt, über das noch eingehender nachgedacht werden sollte13.

4.2. Überwindung von Sprachbarrieren im lokalen Umfeld

Ein grundlegendes Element der Bürgerrechte besteht darin, dass die in einer örtlichen Gemeinschaft lebenden Menschen die dort vorhandenen Dienste in Anspruch nehmen und zum nachbarschaftlichen Leben beitragen können. Touristen, ausländische Arbeitskräfte oder Studierende sowie Zuwanderer kommen oft mit nur begrenzten Kenntnissen der Landessprache in eine örtliche Gemeinschaft. Um den Zugang zu Dienstleistungen und eine problemlose Eingliederung zu ermöglichen, stellen manche Gemeinschaften lebensnotwendige Informationen in mehreren Sprachen zur Verfügung und setzen mehrsprachige Menschen als Kulturmittler und Dolmetscher ein. Besonders Großstädte und Fremdenverkehrsgebiete verfügen über beträchtliche Erfahrung, was den Umgang mit der Landessprache unkundigen Ausländern und ihren Bedürfnissen angeht. Die Kommission misst dem große Bedeutung bei und wird die Verbreitung bewährter Verfahren in diesem Bereich unterstützen.14

Um die grenzüberschreitende Bereitstellung und Inanspruchnahme von Dienstleistungen zu erleichtern, sollen die gemäß Dienstleistungsrichtlinie15 bis Ende 2009 auf nationaler Ebene einzusetzenden einheitlichen Ansprechpartner ermutigt werden, den Dienstleistern aus anderen Mitgliedstaaten und den Menschen, die Dienstleistungen in Anspruch nehmen, die notwendigen Informationen in mehreren Sprachen zur Verfügung zu stellen.

Besondere Aufmerksamkeit sollte der Gerichtsübersetzung und dem Gerichtsdolmetschen gelten.16 Angesichts der steigenden beruflichen und privaten Mobilität der EU-Bürger dürfte der Bedarf an solchen Dienstleistungen weiter steigen, da die Zahl der Rechtssachen, an denen Personen mit begrenzter Kenntnis der Gerichtssprache beteiligt sind, weiter zunehmen wird.

Die Kommission wird die einschlägigen EU-Programme und -Initiativen strategisch nutzen17, um Mehrsprachigkeit den Bürgern näher zu bringen. Denkbar sind folgende Maßnahmen:

Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert,

5. Mehrsprachigkeit und Wohlstand

Sprachen können für die EU-Wirtschaft einen Wettbewerbsvorteil darstellen. Mehrsprachige Unternehmen belegen, wie Sprachenvielfalt und Investitionen in sprachliche und interkulturelle Kompetenz zu einem Wohlstandsfaktor werden und für alle von Nutzen sein können. Einige europäische Sprachen sind weltweit verbreitet und können ein wertvolles Kommunikationsinstrument für die Wirtschaft sein.

Das Wirtschaftsforum für Mehrsprachigkeit18 hat Vorschläge formuliert, wie durch besseres Management der sprachlichen Vielfalt die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert und die Beschäftigungsfähigkeit verbessert werden kann. Das Forum hat darauf hingewiesen, dass aufstrebende Märkte wie Brasilien, Russland, Indien und China für die Unternehmen in der EU immer wichtiger werden und dass entsprechende Sprachkenntnisse erforderlich sind, um auf diesen Märkten wettbewerbsfähig zu sein. Es geht also darum, Mehrsprachigkeit in allen auf die Weiterentwicklung des Humankapitals gerichteten Strategien zu verwurzeln.19

5.1. Sprachen und Wettbewerbsfähigkeit

Eine Studie der Kommission zu den Auswirkungen fehlender Sprachkenntnisse in den Unternehmen auf die Wirtschaft der EU20 enthält die Schätzung, dass möglicherweise 11 % der exportorientierten KMU in der EU Geschäftsmöglichkeiten wegen mangelnder Sprachkenntnisse entgehen. Zwar ist Englisch weltweit die führende Verkehrssprache, EU-Unternehmen verschaffen sich aber Wettbewerbsvorteile durch die Kenntnis anderer Sprachen, die es ihnen erlauben, neue Märkte zu erobern. Bessere Sprachkenntnisse lassen sich in allen Geschäftsbereichen als Trumpfkarte ausspielen, nicht nur in Verkauf und Marketing. Alle Unternehmen arbeiten mit verschiedenen Kategorien von Dienstleistern und Zulieferern zusammen. Aber in vielen Fällen fehlt es ihnen - besonders wenn es sich um KMU handelt - am Knowhow und an den Ressourcen, um Sprachen in ihre Geschäftspläne einbauen zu können.

Multikulturelle Belegschaften benötigen entsprechende Schulungen in der Sprache ihres Unternehmens, aber letztere müssen weiter gehen und kreative Wege zur Nutzung der in ihrer multikulturellen Belegschaft vorhandenen, aber oft versteckten sprachlichen Ressourcen beschreiten.

Wie das Wirtschaftsforum festgestellt hat, wäre es nützlich, wenn Unternehmen und Wirtschaftsverbände Strategien entwickelten, mit denen die Sprachkenntnisse für verschiedene Funktionen verbessert werden können. Solche Sprachenmanagementstrategien dürften sich auch positiv auf die "Sprachindustrie" auswirken, die Übersetzungs- und Dolmetschdienste sowie Mehrsprachentechnologie bereitstellt. Es wäre auch in ihrem Interesse, in Sprachunterricht zu investieren und zusammen mit nationalen, regionalen und kommunalen Behörden öffentlichprivate Partnerschaften einzurichten, die Unterstützung für die Geschäftswelt, insbesondere für KMU, anbieten, um Sprachkurse zu finanzieren und andere Methoden zur Verbesserung von Sprachenstrategien zu entwickeln.

5.2. Sprachen und Beschäftigungsfähigkeit

Sprachliche und interkulturelle Kompetenz erhöhen die Aussichten auf einen besseren Arbeitsplatz. Insbesondere bedeutet das Beherrschen mehrerer Fremdsprachen einen Wettbewerbsvorteil: Unternehmen suchen zunehmend Mitarbeiter mit Sprachkenntnissen, die für Geschäfte in der EU und weltweit benötigt werden. Wer mehrere Sprachen beherrscht, hat die Auswahl aus einem größeren Angebot an Arbeitsplätzen, auch im Ausland, während fehlende Sprachkenntnisse als Haupthindernis für die Arbeit im Ausland gelten.21 Die Erfahrung zeigt, dass die Kenntnis mehrerer Sprachen die Kreativität und Innovationsbereitschaft fördert: mehrsprachige Menschen sind sich bewusst, dass Probleme je nach sprachlichem und kulturellem Hintergrund auf unterschiedliche Weise angegangen werden können, und sie können diese Fähigkeit bei der Suche nach neuen Lösungen nutzen.

Den EU-Bürgern sollten Mobilitätsprojekte, etwa im Rahmen der Programme für lebenslanges Lernen oder Jugend in Aktion, in großem Umfang zugänglich gemacht werden.22 Im Ausland zu studieren oder zu arbeiten ist eine der wirksamsten Methoden, um Fremdsprachen zu lernen und mit anderen Kulturen in Kontakt zu kommen. Erasmus-Studierende nannten die Verbesserung ihrer Sprachkenntnisse als wichtigsten Gewinn ihres Auslandsaufenthalts. Im Rahmen der Lehrpläne für die allgemeine und berufliche Bildung sollten Austauschprogramme, Partnerschaften und eTwinning-Projekte mit Schulen in anderen Ländern bestmöglich genutzt werden.

Die Kommission wird

Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert,

6. Lebenslanges lernen

Bisher profitieren die Lernenden in allgemeinbildenden Schulen am meisten von den Fortschritten auf dem Weg hin zum "Mutterspracheplus-zwei"-Ziel, während in der Berufsbildung wenig oder gar kein Sprachunterricht angeboten wird. Angesichts der rückläufigen Zahl von Schulanfängern und mit dem Ziel, alle Bürger zu erreichen, muss nun die Auffrischung der Kompetenzen Erwachsener während des ganzen Lebens stärker in den Mittelpunkt rücken. Gleichzeitig sollte eine größere Zahl von Sprachen angeboten werden, damit sich die Einzelnen für das Erlernen derjenigen Sprachen entscheiden können, die sie am meisten interessieren.

6.1. Mehr Gelegenheiten, um mehr Sprachen zu lernen

In zwei früheren Mitteilungen der Kommission23 wurden strategische Ziele und Schwerpunkte für einen effektiven Unterricht in einem breiten Sprachenangebot von früher Kindheit an festgelegt. Sie haben nach wie vor Gültigkeit und sollten weiterverfolgt werden. Auch wenn die meisten Mitgliedstaaten zwischen 1999 und 2005 den Sprachunterricht in den Primar- und Sekundarschulen ausgebaut haben, so betrifft dies doch hauptsächlich Englisch.24 In fast der Hälfte der Mitgliedstaaten besteht im Rahmen des Pflichtschulunterrichts nicht die Möglichkeit, zwei Fremdsprachen zu erlernen25, und in der Berufsbildung ist die Lage noch schlechter26. Sprachen werden oft als schwieriges Fach und als wichtiger Faktor für Schulversagen gesehen. Es müssen Anstrengungen unternommen werden, um die Lernenden zu motivieren und die Lehrmethoden an ihre Bedürfnisse anzupassen. Der Wert passiver Sprachkenntnisse sollte weiter untersucht und es sollten geeignete Sprachlernmethoden weiterentwickelt werden, die das Sprachverständnis und eine einfache Kommunikation in verschiedenen Sprachen ermöglichen.

In der Berufsbildung sollten Möglichkeiten für praxisorientierten, auf den jeweiligen Beruf zugeschnittenen und für die künftige Tätigkeit relevanten Spracherwerb eröffnet werden. Universitäten sollten ihren Studierenden unabhängig von ihrem Fachgebiet solide Sprachkenntnisse vermitteln.

Bei Erwachsenen ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass sie einsprachig sind, besonders bei relativ niedriger Qualifikation und eher niedrigem beruflichem Status. Sie geben häufig Mangel an Zeit und Motivation als Gründe an, weshalb sie keine Sprachen lernen, ferner den Bedarf an flexiblerer Gestaltung des Sprachunterrichts. Daher stellt der Ausbau des Angebots an Sprachkursen für Erwachsene eine besondere Herausforderung dar.27 Für das Sprachenlernen außerhalb formaler Bildungsstrukturen sollte vermehrt auf Medien, neue Technologien, Kulturveranstaltungen und Freizeitaktivitäten zurückgegriffen werden.

Es müssen weiterhin Anstrengungen unternommen werden, um die Anzahl der unterrichteten Sprachen zu erhöhen, insbesondere was die Wahl der zweiten Fremdsprache angeht, wobei die örtlichen Gegebenheiten zu beachten sind (Grenzregionen, Präsenz von Gemeinschaften, die unterschiedliche Sprachen sprechen, usw.). Die organisatorische Herausforderung, die eine Erweiterung des Sprachenangebots bedeutet, könnte mit Hilfe neuer Technologien (Fernunterricht im Internet, Videokonferenzen im Schulunterricht und virtueller Austausch) und durch Vernetzung von Schulen und anderen Bildungsträgern, Partnerschaften mit lokalen Akteuren und mit Einrichtungen im Ausland bewältigt werden.

6.2. Effektiver Sprachunterricht

Die Kommission hat kürzlich eine Mitteilung über die europäische Zusammenarbeit im Schulwesen angenommen28 und begrüßt es, dass der Rat in seinen Schlussfolgerungen zu interkulturellen Kompetenzen29 und zur Mehrsprachigkeit30 die zentrale Rolle der Lehrkräfte für die Verbesserung der sprachlichen und interkulturellen Kompetenzen anerkannt hat. Es den Lehrkräften zu ermöglichen, Zeit im Ausland zu verbringen, wurde als besonders wichtig für die aktive Beherrschung der von ihnen unterrichteten Sprachen und die Verfeinerung ihrer interkulturellen Kompetenzen erkannt.31 Die Mobilität der Lehrkräfte ist derzeit aus folgenden Gründen sehr gering: Schwierigkeiten beim Zugang zum Lehrerberuf im Ausland, Fehlen von Karriereanreizen oder sogar Nachteile für die Karriere und, last but not least, starre Mechanismen für bilateralen und multilateralen Austausch - all dies hält die meisten Lehrkräfte davon ab, sich für einen Auslandsaufenthalt zu bewerben.32

Seit fünf Jahren geht der Trend dahin, in der Grundschule früher mit dem Sprachunterricht zu beginnen, während insbesondere in der Sekundarstufe integriertes Fremdsprachen- und Sachfachlernen (CLIL) an Boden gewonnen hat. Oft wird Fremdsprachenunterricht von Nichtsprachlern erteilt, die die unterrichtete Sprache nicht immer aktiv voll beherrschen und eine angemessene sprachpädagogische Ausbildung erhalten sollten.

In jüngerer Zeit sind zwei andere Merkmale des Sprachunterrichts stärker ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Die Lehrkräfte, die die Landessprache unterrichten, stehen in den Klassen zunehmend Schülern mit unterschiedlicher Muttersprache gegenüber und könnten daher von einer Schulung in Unterrichtstechniken für das Lehren der eigenen Sprache als Zweit- oder Fremdsprache profitieren. Für weniger verbreitete Sprachen, bei denen offensichtlich Lehrermangel herrscht, setzen die Schulen oft ungeschulte Mitarbeiter ein. Für sie müssen entsprechende Unterstützung und Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer pädagogischen Fähigkeiten bereitgestellt werden.

Die Kommission wird

Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert,

7. Medien, neue Technologien und Übersetzung

Die Verwendung von Sprachen und anderen Kommunikationsmitteln ist ein wichtiger Teil der im heutigen Europa vor dem Hintergrund der Globalisierung notwendigen Kompetenzen.

Jeder muss die Möglichkeit haben, in der erweiterten EU effizient zu kommunizieren. Dies betrifft nicht nur die Menschen, die bereits mehrsprachig sind, sondern auch diejenigen, die einsprachig oder sprachlich weniger kompetent sind.

Medien, neue Technologien sowie Human- und Maschinenübersetzungsdienste können die wachsende Vielfalt an Sprachen und Kulturen in der EU den Bürgern näherbringen und Mittel bereitstellen, um Sprachbarrieren zu überwinden. Sie können auch eine wichtige Rolle beim Abbau von Sprachbarrieren spielen und es Bürgern, Unternehmen und nationalen Behörden ermöglichen, die vom Binnenmarkt und von der globalisierten Wirtschaft gebotenen Chancen zu nutzen. Derartige Bemühungen werden insbesondere durch das Rahmenprogramm für Forschung und Entwicklung und das Programm Media gefördert. Die Medien haben große Möglichkeiten zur Förderung des interkulturellen Dialogs: sie können ein komplexeres Bild unserer Gesellschaft vermitteln und viele verschiedene Stimmen zu Wort kommen lassen. So können die Medien eine bedeutende Quelle informellen Sprachenlernens durch "Edutainment" und Filme mit Untertiteln sein.33

Für die mit der globalen Online-Wirtschaft und der wachsenden Informationsflut in allen nur denkbaren Sprachen konfrontierten Bürger ist es wichtig, dass sie über das Internet und mit mobilen Geräten über Landes- und Sprachgrenzen hinweg auf Informationen und Dienste zugreifen und sie auch nutzen können. Die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) muss "sprachbewusst" sein und die Erstellung von Inhalten in mehreren Sprachen unterstützen. Dieses Gesamtziel wird von i2010 - dem strategischen Rahmen für die Informationsgesellschaft - unterstützt, der unter anderem zum Ziel hat, durch Gewährleistung eines nahtlosen Zugangs zu IKT-gestützten Diensten und Verbesserung der Bedingungen für die Entwicklung reichhaltiger mehrsprachiger Inhalte einen einheitlichen europäischen Informationsraum zu verwirklichen.

Der Dialog mit Bürgern ist ein interaktiver Prozess. In diesem Bereich haben die Einrichtungen der EU die Verwendung von Technologien weiterentwickelt, die das Dolmetschen in mehreren Sprachen, kombiniert mit der Kommunikation mit entfernten Orten und mit einer breiten Öffentlichkeit ermöglicht. Zu den auf dem Markt verfügbaren Kommunikationsmitteln gehören vor allem Videokonferenzen, Internet-Chats und Webstreaming von Konferenzen und anderen Veranstaltungen. Investitionen in die Weiterentwicklung und Verwendung dieser Technologien sollten gefördert werden. Human- und Maschinenübersetzung sind ein wichtiger Bestandteil der Mehrsprachigkeitspolitik. Beide können den Informationsaustausch zwischen nationalen Behörden erleichtern und die grenzüberschreitende Verwaltungszusammenarbeit verbessern. So wird beispielsweise das Binnenmarktinformationssystem (IMI)34 entwickelt, um es Mitgliedstaaten zu ermöglichen, Informationen in allen EU-Amtssprachen auszutauschen; damit hilft es den Mitgliedstaaten, ihrer Verpflichtung zur Verwaltungszusammenarbeit im Rahmen verschiedener EU-Rechtsvorschriften nachzukommen35. Die automatische Übersetzung wird auch genutzt, um im öffentlichen Vergabewesen und in den Verfahren des Europäischen Patentamtes für mehr Transparenz zu sorgen.

Schließlich ist die Humanübersetzung selbstverständlich auch ein wichtiger Weg für den Zugang zu anderen Kulturen. Umberto Eco hat es auf den Punkt gebracht: "Die Sprache Europas ist die Übersetzung". Das kulturelle Erbe Europas umfasst Meisterwerke, deren Originale in verschiedenen Sprache geschrieben wurden, die wir aber alle gemeinsam besitzen dank einer langen Tradition der literarischen Übersetzung; sie sollte gestärkt werden, damit Werke, die in anderen, besonders in seltener gebrauchten Sprachen geschrieben wurden, einer größeren Leserschaft zugänglich sind. Die Kommission wird Wege erkunden, um die Synergieeffekte zwischen Initiativen und Programmen zur Unterstützung der Übersetzung zu verstärken36, mit dem Ziel, den Zugang zu unserem gemeinsamen kulturellen Erbe zu erleichtern und die Entwicklung einer europäischen Öffentlichkeit zu unterstützen.

Die Kommission wird

Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert,

8. Die externe Dimension der Mehrsprachigkeit

Der Beitrag der Mehrsprachigkeit zum interkulturellen Dialog findet in den Außenbeziehungen der EU immer mehr Anerkennung.37 Sprachliche Vielfalt ist keine ausschließliche Eigenheit der EU, und unsere Erfahrung mit der Achtung von Vielfalt und der Förderung der Sprachkenntnisse könnten wir auch in unseren Beziehungen zu anderen Ländern nutzen. In diesem Zusammenhang hat das Europäische Parlament auf die Tatsache aufmerksam gemacht, dass einige EU-Sprachen, die als europäische Weltsprachen bezeichnet werden38, auch in vielen Nichtmitgliedstaaten auf verschiedenen Kontinenten gesprochen werden, weshalb diese Sprachen ein wichtiges Bindeglied zwischen Völkern und Staaten in verschiedenen Weltregionen darstellen.

Zentrales Ziel dieser externen Dimension ist es, das Potenzial der auch in Drittstaaten gesprochenen EU-Sprachen voll auszuschöpfen sowie das Lernen und Lehren von EU-Sprachen im Ausland und von Nicht-EU-Sprachen in der EU durch Austausch von Sachkunde und bewährten Verfahren und durch gemeinsame Expertengruppen zu fördern. Im Rahmen gemeinsamer Erklärungen wurden zusammen mit Nicht-EU-Staaten bereits konkrete Schritte in diese Richtung unternommen.

Die Kommission wird

Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert,

9. Umsetzung

In der Mehrsprachigkeitspolitik gibt es viele Akteure auf kommunaler, regionaler, nationaler und EU-Ebene. Die Kommission wird einen strukturierten Dialog entlang fünf Achsen fortsetzen:

10. Fazit

Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten und die anderen Einrichtungen der EU auf, dem in dieser Mitteilung dargelegten strategischen Rahmen zum Querschnittsthema Mehrsprachigkeit zuzustimmen und auf der am besten geeigneten Ebene umzusetzen.

Im Jahr 2012 wird die Kommission zusammen mit den Mitgliedstaaten eine umfassende Überprüfung vornehmen.