Unterrichtung durch die Bundesregierung
Jahresbericht 2006 der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über die Beziehungen der Kommission zu den nationalen Parlamenten

Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 11. Oktober 2007 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 04. Juli 2007 dem Bundesrat zugeleitet.

Auf Verlangen des Landes Baden-Württemberg vom 07. September 2007 erscheint der Bericht gemäß § 45a GOBR als Drucksache des Bundesrates.


Hinweis: vgl.
Drucksache 394/06 (PDF) = AE-Nr. 061257

Jahresbericht 2006 über die Beziehungen zu den nationalen Parlamenten

1. Einleitung

Die Kommission Barroso hat die Beziehungen zu den nationalen Parlamenten zu einem prioritären Ziel erklärt. Mit Vizepräsidentin Wallström ist zum ersten Mal ein Kommissionsmitglied speziell hierfür zuständig. Die Kommission hat im Februar 2005 einen Zehn-Punkte-Plan angenommen, der die wichtigen Ziele der Partnerschaft, der gegenseitigen Verbindung und der Amtshilfe verfolgt. Es geht im Zusammenhang mit einem besseren Regierungshandeln darum, alle Interessengruppen, insbesondere die Parlamente, vollständig in das europäische Einigungswerk einzubinden.

Dieses neue Konzept in Bezug auf die nationalen Parlamente wurde im Laufe des Jahres 2006 im Kontext von Plan D intensiviert: die Kommissionsmitglieder haben 2006 an über 100 Treffen mit den nationalen Parlamenten teilgenommen. Die häufig vom Europäischen Parlament angeregte Zusammenarbeit mit den Parlamenten wurde ferner durch interparlamentarische Sitzungen, an denen die Kommission aktiv teilgenommen hat, konsolidiert.

Das Jahr 2006 war gekennzeichnet durch eine Initiative der Kommission zur besseren Einbindung der nationalen Parlamente in die europäischen Angelegenheiten. In ihrer Mitteilung "Eine bürgernahe Agenda: Konkrete Ergebnisse für Europa" vom 10. Mai 2006 (KOM 2006/211) an den Europäischen Rat hat die Kommission erklärt, dass sie beabsichtigt, "alle neuen Vorschläge und Konsultationspapiere direkt den nationalen Parlamenten zu übermitteln und sie zu einer Reaktion aufzufordern, um auf diese Weise den politischen Entscheidungsprozess zu verbessern".

Der Europäische Rat vom 15./16. Juni 2006 hat diese Verpflichtung der Kommission begrüßt und sie ersucht, "die Stellungnahmen der nationalen Parlamente - insbesondere in Bezug auf die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit - gebührend zu berücksichtigen".

Zur Bekräftigung dieser Verpflichtung hat die Kommission ab September 2006 dafür gesorgt, dass den Parlamenten die nichtlegislativen und Konsultationsdokumente sowie ihre neuen Legislativvorschläge (mit Ausnahme von Verschlusssachen) übermittelt werden. Sie sollen auch an das Europäische Parlament und den Rat weitergeleitet werden.

Die Kommission hat ein neues internes Verfahren zur Bearbeitung der Stellungnahmen der nationalen Parlamente eingeführt. Für konkrete Schlussfolgerungen im Hinblick auf eine Initiative, deren Umsetzung erst im letzten Herbst begonnen hat, ist es noch zu früh. Ein Jahr nach Annahme der Mitteilung vom 10. Mai 2006 scheint es gleichwohl sinnvoll, eine Bilanz über die Fortschritte unserer Zusammenarbeit mit den nationalen Parlamenten zu ziehen.

2. Erste Bilanz der von den nationalen Parlamenten erhaltenen Stellungnahmen

Eine erfreuliche Beteiligung Die nationalen Parlamente haben konstruktiv auf die Einrichtung des neuen Mechanismus reagiert. In den ersten acht Monaten (davon vier im Jahre 2007) haben 22 Parlamente 83 Stellungnahmen zu 44 Kommissionsvorschlägen abgegeben. Etwa ein Drittel dieser Stellungnahmen erfolgte im Rahmen der beiden von der COSAC1 durchgeführten Untersuchungen zu Fragen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit:

Zum ersten Mal hat eine Versammlung - der französische Senat - den Wunsch geäußert, beim Austausch und Dialog weiterzugehen und bei vier Vorschlägen um eine Vertiefung der Antworten der Kommission gebeten. Hierbei ging es um die beiden vorgenannten Richtlinienvorschläge sowie um den Entwurf für eine Verordnung, um den Import, Export, Verkauf und die Erzeugung von Katzen- und Hundefellen und -häuten zu verbieten und den Vorschlag für eine Richtlinie betreffend die aufsichtliche Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von Beteiligungen im Finanzsektor.

Ausbaufähiger Zusatznutzen Bei der Analyse muss dieser neue Mechanismus sorgfältig betrachtet werden, damit sein gesamtes Potenzial ausgeschöpft werden kann. Aus den meisten Antwortschreiben der Parlamentspräsidenten auf die Bitte von Frau Wallström um ein erstes Feedback geht hervor, dass die Parlamente mit dieser Initiative zu ihrer stärkeren Einbeziehung in Europaangelegenheiten sehr zufrieden sind. Sie waren gebeten worden, ihre Arbeitsverfahren in ihrem besonderen verfassungsmäßigen Kontext zu überprüfen und in bestimmten Fällen anzupassen. Es dürfen jedoch nicht nur Erwartungen geweckt, sondern auch dafür gesorgt werden, dass der Mechanismus des politischen Dialogs nützlich und fruchtbar ist, und das im Vertrag festgelegte institutionelle Gleichgewicht gewahrt bleibt.

In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass die Stellungnahmen der nationalen Parlamente neben den von der COSAC koordinierten Untersuchungen im wesentlichen das Ergebnis einer sehr aktiven Arbeit der Zweiten Kammern sind. So haben der französische Senat, das House of Lords, der Deutsche Bundesrat, der belgische (mit dem Repräsentantenhaus), tschechische und niederländische Senat (beide Kammern) 55 Stellungnahmen erarbeitet, wovon allein 30 auf den französischen Senat entfielen.

Hingegen haben einige nationale Parlamente, die die Möglichkeit haben, Kommissionsvorschläge zu prüfen und dies auch systematisch im Dialog mit ihrer jeweiligen Exekutive tun, zu diesem Zeitpunkt dieser Möglichkeit der Kontrolle ihrer Regierung den Vorzug gegeben. Angesichts der Vielfalt der Verfassungen ist absehbar, dass die Antworten der Parlamente nicht einheitlich ausfallen.

Die Kommission begrüßt, dass ihre Initiative ein größeres Interesse an Gemeinschaftsfragen im allgemeinen und ein besonderes Interesse an ihren Vorschlägen hervorgerufen hat. Sie möchte den politischen Dialog mit allen Parlamenten ausbauen, um die Organe der Union mithilfe der Volksvertreter auf nationaler Ebene näher an den Bürger heranzuführen.

3. Ausbau der Beziehungen zu den nationalen Parlamenten im Jahre 2006

3.1. Das neue Konzept vom Februar 2005

Im neuen Konzept für die Beziehungen der Kommission zu den nationalen Parlamenten wurden zehn Ziele als Bezugspunkte festgelegt.

3.3 Von der COSAC koordinierte Subsidiaritätsprüfungen

Bei der COSAC-Tagung in London wurde im Oktober 2005 beschlossen, die nationalen Parlamente zur Prüfung der Kommissionsvorschläge im Hinblick auf die Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit den geltenden Vertragsbestimmungen aufzufordern. Die Modalitäten hierfür waren im Hinblick auf die daran teilnehmenden Parlamente festgelegt worden.

Bei der Tagung vom 20. Februar 2006 in Wien kamen die Leiter der COSAC-Delegationen überein, sich auf die beiden am häufigsten erwähnten Legislativvorschläge zu konzentrieren, d.h. auf den Vorschlag für eine Verordnung über das anwendbare Recht und die Zuständigkeit der Gerichte in Scheidungsangelegenheiten sowie den Vorschlag zur Vollendung des Binnenmarkts für Postdienste. Die Kommission hat in diesem Zusammenhang Stellungnahmen vieler Parlamente erhalten (siehe oben).

3.4. Teilnahme an den interparlamentarischen Sitzungen

Die Kommission hat die zahlreichen Einladungen zu Begegnungen mit den nationalen Parlamenten begrüßt, die vom Europäischen Parlament oder gemeinsam mit dem Parlament des Landes, das den Ratsvorsitz führt, auf Ausschussebene oder adhoc organisiert wurden.

Darüber hinaus hat Präsident Barroso am 31. Januar/1. Februar 2006 an der Tagung über die Lissabon-Strategie, am 8./9. Mai 2006 am interparlamentarischen Forum über die Zukunft der Europäischen Union sowie am 4./5. Dezember 2006 an der Folgekonferenz zu diesem Forum teilgenommen.

3.5. Ziele für 2007

2007 werden die im Februar 2005 und März 2006 festgelegten konkreten und allgemeinen Ziele mithilfe von Maßnahmen zur Vertiefung der Beziehungen zwischen der Kommission und den nationalen Parlamenten sowie unter vollständiger Wahrung der jeweiligen Vorrechte der Organe der Europäischen Union weiterverfolgt.

Die Kommission ist besonders offen für Beiträge der nationalen Parlamente vor Beginn des eigentlichen Rechtsetzungsverfahrens und im Zusammenhang mit dem neu eingerichteten Mechanismus. Sie beabsichtigt, ihre Antworten auf die Stellungnahmen der nationalen Parlamente über die bereits jetzt stattfindende Übermittlung an das Europäische Parlament und den Rat hinausgehend zu veröffentlichen. Sie könnte ferner über die Tragweite und die Auswirkungen der Stellungnahmen der nationalen Parlamente auf den politischen Gestaltungsprozess informieren. Die Kommission wird die bereits erfolgten Bemühungen fortsetzen und ihre interne Koordinierung der Besuche bei den nationalen Parlamenten (und den Empfang ihrer Vertreter), die interparlamentarischen Begegnungen und die Herausstellung der in diesem Bereich erfolgten Fortschritte weiter verbessern.

Die Kommission wird prüfen, ob ihre Vertretungen noch aktiver die Aufgabe eines Ansprechpartners vor Ort für die nationalen Parlamente wahrnehmen können.