Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften

A. Problem und Ziel

Zwangsheirat ist auch in Deutschland ein ernst zu nehmendes Problem. Dieses ist in den letzten Jahren verstärkt in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt. Immer mehr Betroffene, insbesondere junge Migrantinnen, berichten öffentlich von ihren Erfahrungen.

Zum Schutz der Betroffenen muss die Bekämpfung der Zwangsheirat verstärkt und das Bewusstsein der Öffentlichkeit für das Unrecht, das in jeder Zwangsheirat liegt, geschärft werden. Der Schwerpunkt muss in erster Linie im präventiven und sozialen Bereich liegen. Aber auch in rechtlicher Hinsicht kann ein Beitrag geleistet werden.

Zwar enthält das geltende Recht bereits Regelungen, die vor Zwangsheirat schützen, eine Auflösung der durch Zwangsheirat entstandenen Ehe ermöglichen und Schutz gegen die aufenthaltsrechtlichen Nachteile, die für ausländische Opfer einer Zwangsheirat entstehen können, bieten. Zum Schutz des hohen Rechtsguts der Eheschließungsfreiheit sollen diese Regelungen aber noch effektiver ausgestaltet werden.

Daneben sollen durch den Entwurf weitere aufenthalts- und asylrechtliche Probleme gelöst werden:

Verletzt der Ausländer seine Verpflichtung zur Teilnahme am Integrationskurs, so ist dies nach geltender Rechtslage bei der Entscheidung über die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zu berücksichtigen. Um die Anwendung der bestehenden Gesetze in der Praxis zu verbessern, ist eine klarstellende Ergänzung der gesetzlichen Regelung erforderlich.

Die Mindestbestandszeit einer Ehe, die für den Fall des Scheiterns ein eigenständiges Aufenthaltsrecht begründet, ist im Jahr 2000 auf zwei Jahre verkürzt worden. Hierdurch ist der Anreiz für ausschließlich zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels beabsichtigte Eheschließungen (Scheinehen) erhöht worden.

Der Aufenthalt von Asylbewerbern ist räumlich auf das Gebiet einer Ausländerbehörde, der Aufenthalt von Geduldeten auf das Gebiet eines Landes beschränkt. Bereits nach geltender Rechtslage kann zur Ausübung einer Beschäftigung von der räumlichen Beschränkung für Geduldete abgesehen werden. Keine gesetzliche Regelung besteht bislang für die Fälle des Schulbesuchs, der Ausbildung oder des Studiums.

B. Lösung

Der Entwurf sieht die Schaffung eines eigenständigen Wiederkehrrechts für ausländische Opfer von Zwangsverheiratungen vor, die von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten werden. Daneben sieht der Entwurf die Schaffung eines eigenständigen Straftatbestands gegen Zwangsheirat im Strafgesetzbuch vor. Erfasst werden die Nötigung zur Eingehung einer Ehe sowie Fallkonstellationen, in denen das Opfer dem tatsächlichen und rechtlichen Schutz, der mit seinem Aufenthalt im Inland verbunden ist, durch besondere Einwirkung entzogen wird, um es zur Eingehung der Ehe zu nötigen. Darüber hinaus soll die Antragsfrist zur Aufhebung der Ehe im Bürgerlichen Gesetzbuch von einem auf drei Jahre verlängert werden.

Die Verpflichtung einer Ausländerbehörde, vor Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis festzustellen, ob der Ausländer seiner Pflicht zur Integrationskursteilnahme nachgekommen ist, wird ausdrücklich normiert. Daneben werden Datenübermittlungsregelungen im Zusammenhang mit der Durchführung von Integrationsmaßnahmen, die in der Integrationskursverordnung enthalten sind, nunmehr im Aufenthaltsgesetz geregelt.

Zur Verminderung des Anreizes zur Eingehung einer Scheinehe wird die Mindestbestandszeit, die für den Fall des Scheiterns der Ehe ein eigenständiges Aufenthaltsrecht begründet, auf drei Jahre erhöht.

Im Interesse von Asylbewerbern und Geduldeten wird für diese Personengruppen die Möglichkeit einer Ausnahme von der räumlichen Beschränkung in Fällen der Ausübung einer Beschäftigung, des Schulbesuchs, der Ausbildung und des Studiums geschaffen.

C. Alternativen

Keine.

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand

Keine.

2. Vollzugsaufwand

Die Einführung eines Wiederkehrrechts für die Opfer von Zwangsheirat, das über die bereits im geltenden Recht bestehenden Regelungen hinausgeht, sowie die Erweiterung der Ausnahmen von der räumlichen Beschränkung für Geduldete und Asylbewerber können einen Mehraufwand bei den Auslandsvertretungen und Ausländerbehörden verursachen, der im Einzelnen nicht genau eingeschätzt werden kann. Der Mehraufwand wird in den vorhandenen Ansätzen der betroffenen Einzelpläne eingespart.

Soweit über die bereits im geltenden Recht bestehende Strafbarkeit wegen Nötigung hinaus eine Strafbarkeit neu begründet wird, kann ein Mehraufwand bei den Strafverfolgungsbehörden und den Strafgerichten entstehen, der im Einzelnen nicht genau eingeschätzt werden kann. Der Mehraufwand wird in den vorhandenen Ansätzen der betroffenen Einzelpläne eingespart.

E. Sonstige Kosten

Die vorgesehenen Regelungen sind nicht mit zusätzlichen Belastungen für die Wirtschaft und die sozialen Sicherungssysteme verbunden. Auswirkungen auf Einzelpreise, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

F. Bürokratiekosten

Für die Wirtschaft, die Bürgerinnen und Bürger und die Verwaltung werden keine Informationspflichten eingeführt, geändert oder abgeschafft.

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften

Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 5. November 2010
Die Bundeskanzlerin

An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Hannelore Kraft

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften mit Begründung und Vorblatt.

Federführend ist das Bundesministerium des Innern.

Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel

Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften

Vom

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Aufenthaltsgesetzes

Das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In der Inhaltsübersicht wird nach der Angabe zu § 88 folgende Angabe eingefügt:

" § 88a Verarbeitung von Daten im Zusammenhang mit Integrationsmaßnahmen".

2. Dem Wortlaut des § 8 Absatz 3 wird folgender Satz vorangestellt:

"Vor der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ist festzustellen, ob der Ausländer einer etwaigen Pflicht zur ordnungsgemäßen Teilnahme am Integrationskurs nachgekommen ist."

3. § 31 wird wie folgt geändert:

4. Nach § 37 Absatz 2 wird folgender Absatz 2a eingefügt:

"Von den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 bezeichneten Voraussetzungen kann abgewichen werden, wenn der Ausländer rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde, er den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch vor Ablauf von fünf Jahren seit der Ausreise stellt, und gewährleistet erscheint, dass er sich aufgrund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann. Erfüllt der Ausländer die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, soll ihm eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde und er den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch vor Ablauf von zehn Jahren seit der Ausreise, stellt. Absatz 2 bleibt unberührt."

5. In § 43 Absatz 4 werden nach den Wörtern "Datenübermittlung zwischen den beteiligten Stellen" die Wörter "und die Datenverarbeitung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nach § 88a Absatz 1" eingefügt.

6. Dem § 51 Absatz 4 wird folgender Satz angefügt:

"Abweichend von Absatz 1 Nummer 6 und 7 erlischt der Aufenthaltstitel eines Ausländers nicht, wenn er die Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erfüllt, rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde und innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch innerhalb von zehn Jahren, wieder einreist. "

7. In § 61 Absatz 1 Satz 3 werden vor dem Punkt die Wörter "oder wenn dies zum Zwecke des Schulbesuchs, der betrieblichen Aus- und Weiterbildung oder des Studiums an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule oder vergleichbaren Ausbildungseinrichtung erforderlich ist" eingefügt.

8. Nach § 88 wird folgender § 88a eingefügt:

" § 88a Verarbeitung von Daten im Zusammenhang mit Integrationsmaßnahmen

Artikel 2
Änderung des Freizügigkeitsgesetzes\/EU

In § 11 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes\/EU vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird nach Satz 4 folgender Satz eingefügt:

" § 88a Absatz 1 Satz 1, 3 und 4 des Aufenthaltsgesetzes findet entsprechende Anwendung, soweit die Übermittlung von teilnehmerbezogenen Daten im Rahmen der Durchführung von Integrationskursen nach § 44 Absatz 4 des Aufenthaltsgesetzes, zur Überwachung einer Eingliederungsvereinbarung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch oder zur Durchführung des Einbürgerungsverfahrens erforderlich ist."

Artikel 3
Änderung des Asylverfahrensgesetzes

§ 58 des Asylverfahrensgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

Artikel 4
Änderung des Strafgesetzbuches

Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In der Inhaltsübersicht wird die Angabe zu § 237 wie folgt gefasst:

" § 237 Zwangsheirat".

2. § 237 wird wie folgt gefasst:

" § 237 Zwangsheirat

3. In § 240 Absatz 4 Satz 2 Nummer 1 werden die Wörter "oder zur Eingehung der Ehe" gestrichen.

Artikel 5
Änderung der Strafprozessordnung

In § 397a Absatz 1 Nummer 4 der Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch Artikel ... des Gesetzes vom ... (BGBl. I S. ...) geändert worden ist, wird nach der Angabe "235," die Angabe "237," eingefügt.

Artikel 6
Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches

§ 1317 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:

"Der Antrag kann in den Fällen des § 1314 Absatz 2 Nummer 2 und 3 nur binnen eines Jahres, im Falle des § 1314 Absatz 2 Nummer 4 nur binnen drei Jahren gestellt werden."

Artikel 7
Änderung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche

Dem Artikel 229 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. September 1994 (BGBl. I S. 2494; 1997 I S. 1061), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird folgender § [25] angefügt:

" § [25] Überleitungsvorschrift zum Gesetz zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften

Artikel 8
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung:

A. Allgemeiner Teil

I. Bekämpfung der Zwangsheirat und Verbesserung des Schutzes der Opfer

Seit einigen Jahren ist auch in Deutschland die Zwangsheirat in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt. Immer mehr Betroffene berichten über ihre Erfahrungen öffentlich. Sie suchen Schutz in Kriseneinrichtungen und Frauenhäusern und sehen sich gezwungen, ihren Wohnort auf der Flucht vor der Familie zu verlassen. Zahlreiche Medien haben inzwischen über Fälle von Zwangsheirat berichtet.

Eine Zwangsheirat liegt dann vor, wenn mindestens einer der Eheschließenden durch Willensbeugung zur Ehe gebracht wird. Zu den Mitteln der Willensbeugung gehören physische und sexuelle Gewalt und insbesondere die Ausübung von Druck durch Drohungen in ganz unterschiedlicher Art und Weise. Der Druck geht dabei überwiegend von Angehörigen der eigenen Familie aus, wie den Eltern oder Geschwistern, aber auch von dem Verlobten bzw. den Schwiegereltern. Der ausgeübte Druck kann alle Lebensbereiche betreffen, sich auch auf Einschränkungen des Lebensstils und der Bewegungsfreiheit beziehen und Sanktionen wie den Ausschluss aus dem Familienverband oder andere erniedrigende und kontrollierende Handlungen beinhalten - in drastischen Fällen bis hin zur Drohung mit "Ehrenmord".

Nicht als "Zwangsheirat" bezeichnet werden arrangierte Ehen, bei denen die Eheschließenden trotz des Arrangements in freier Entscheidung die Ehe wählen.

Über das Ausmaß der Zwangsheirat in Deutschland gibt es keine gesicherten Daten. Eine im Jahr 2003 durchgeführte Erhebung des Berliner Senats bei über 50 Jugend- und Beratungseinrichtungen ergab, dass diese Einrichtungen im Jahr 2002 von ca. 220 Frauen als Opfer von Zwangsverheiratungen aufgesucht wurden. Angesichts der Schwierigkeit für die Betroffenen, aus dem Familienkreis herauszutreten und Hilfe in Anspruch zu nehmen, dürfte die Dunkelziffer beträchtlich sein.

Die Opfer von Zwangsheirat sind überwiegend Mädchen und junge Frauen. Aber auch männliche Jugendliche und junge Männer können von Zwangsheirat betroffen sein.

In der Regel sind es Migrantinnen, die Opfer von Zwangsheirat werden. Vor allem minderjährige Mädchen sind betroffen. Zwangsheirat ist Ausdruck eines patriarchalen traditionellen Familienverständnisses, welches den Töchtern und zum Teil auch den Söhnen kein Recht auf Selbstbestimmung zugesteht.

Es gibt verschiedene Erscheinungsformen von Zwangsheirat. So werden Mädchen und junge Frauen im Herkunftsland genötigt, in Deutschland lebende Migranten zu heiraten und diesen nach Deutschland zu folgen. Hintergrund sind oft Vereinbarungen zwischen den Familien der Eheleute. Junge Mädchen, die in Deutschland aufwachsen, werden aber auch im Herkunftsland ihrer Familien, in dem sie üblicherweise die Ferien verbringen, genötigt, sich zu verloben und zu heiraten, ohne bei Abreise aus Deutschland über diese Absichten informiert worden zu sein. Diese Mädchen bleiben dann häufig gegen ihren Willen im Ausland. Es gibt aber auch Fälle, in denen es darum geht, dass die nachreisende Person ein Aufenthaltsrecht in Deutschland erhält. Schließlich sind Fälle von Zwangsheirat innerhalb einer durch einen gemeinsamen Migrationshintergrund geprägten Gemeinschaft festzustellen.

Die Gründe für das Phänomen Zwangsheirat sind vielfältig. Neben dem Wunsch der Eltern, ihre Töchter "gut zu versorgen", geht es auch um Disziplinierung der Töchter, die in westlichen Gesellschaften aufwachsen und sich nicht mehr in alte Traditionen fügen wollen. Durch Zwangsheirat im Rahmen von Großfamilien werden traditionelle Machtverhältnisse gestärkt und der Einfluss von Familien gesichert. Zum Teil spielen aber auch der finanzielle Aspekt in Form des Brautpreises oder das Aufenthaltsrecht eine Rolle.

Durch Zwangsheirat wird das durch die Verfassung geschützte Recht des Opfers auf selbstbestimmte Heirat verletzt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schützt Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes die Eheschließungsfreiheit, also das Recht jedes Menschen, die Ehe mit einer selbst gewählten Person einzugehen (BVerfGE 31, 58, 67; 76, 1, 42; 105, 313, 342). Darüber hinaus wird das Recht auf freie Eheschließung und selbstbestimmte Partnerwahl durch Artikel 16 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen und Artikel 12 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert. In der Empfehlung Nummer 21 des UN-Komitees zur Abschaffung aller Formen der Diskriminierung von Frauen heißt es:

"Das Recht, einen Partner zu wählen und eine Heirat freiwillig einzugehen, ist von zentraler Bedeutung für das Leben einer Frau, für ihre Würde und Gleichberechtigung als menschliches Wesen."

Maßnahmen gegen Zwangsheirat sind in erster Linie im präventiven und sozialen Bereich erfolgversprechend. Aber auch in rechtlicher Hinsicht sind Anstrengungen bei der Bekämpfung von Zwangsheirat erforderlich. Mit dem Gesetzentwurf sollen die rechtlichen Bedingungen verbessert werden, um den Besonderheiten der Zwangsheirat noch zielgerichteter begegnen zu können und die Opfer besser zu schützen.

Migrantinnen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die nach einer Zwangsheirat gegen ihren Willen im Ausland bleiben müssen, verlieren ihren Aufenthaltstitel, wenn sie nicht innerhalb von sechs Monaten wieder nach Deutschland einreisen. Das geltende Aufenthaltsrecht sieht in § 37 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes zwar bereits ein Recht auf Wiederkehr zur Vermeidung einer besonderen Härte vor; dieses Recht ist aber unter anderem davon abhängig, dass das Zwangsheiratsopfer nachweist, dass es in Deutschland seinen Lebensunterhalt sichern kann; hieran scheitert die Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht selten.

Mit dem vorliegenden Gesetz soll deshalb unter dem Gesichtspunkt des Opferschutzes ein eigenständiges Rückkehrrecht für die Opfer von Zwangsheirat normiert werden, das auch dann zur Anwendung kommen kann, wenn der oder die Betroffene ihren Lebensunterhalt in Deutschland nicht sichern kann. Für Opfer von Zwangsheirat, die bereits mindestens acht Jahre rechtmäßig in Deutschland waren und mindestens sechs Jahre eine Schule besucht haben, wird eine weitere Verbesserung ihrer Rechtsposition dadurch erreicht, dass ihr noch gültiger Aufenthaltstitel zukünftig nicht nach sechs Monaten, sondern erst nach zehn Jahren Abwesenheit aus Deutschland erlischt.

Das geltende Straf- und Zivilrecht sieht zwar bereits umfassende Regelungen für die Zwangsheirat vor. Die Nötigung zur Eingehung einer Ehe ist vom Strafrecht bereits erfasst. Durch das 37. Strafrechtsänderungsgesetz vom 11. Februar 2005 wurde die Zwangsheirat darüber hinaus in § 240 Absatz 4 Satz 2 Nummer 1 des Strafgesetzbuches (StGB) als Regelbeispiel einer besonders schweren Nötigung aufgenommen. Durch den erhöhten Strafrahmen, der als Strafe eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vorsieht, wird das besondere Unrecht einer Zwangsheirat verdeutlicht. Für die bei einer Zwangsheirat häufig hinzutretenden Gewalttaten greifen die allgemeinen Strafvorschriften, insbesondere die Körperverletzungs- und Sexualstraftatbestände. Im geltenden Eherecht unterliegt eine Ehe der Aufhebung, wenn ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist (§ 1314 Absatz 2 Nummer 4 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB). Antragsberechtigt ist der bedrohte Ehegatte. Der Standesbeamte muss seine Mitwirkung an der Eheschließung verweigern, wenn offenkundig ist, dass die Ehe aufhebbar ist, weil ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist (§ 1310 Absatz 1 Satz 2 2. Halbsatz BGB).

Um Zwangsheirat stärker als bisher als strafwürdiges Unrecht zu ächten, soll mit dem Gesetz ein eigener Straftatbestand geschaffen werden. Dadurch bringt der Gesetzgeber klar zum Ausdruck, dass Zwangsheirat als schweres Unrecht zu verurteilen ist. Er tritt damit gleichzeitig der Fehlvorstellung entgegen, es handele sich um eine zumindest tolerable Tradition aus früheren Zeiten oder anderen Kulturen. Eine spezielle Strafnorm gegen Zwangsheirat ist ein eindeutiges Signal, dass der Staat den mit einer Zwangsheirat verbundenen Eingriff in die Rechte betroffener Personen mit dem schärfsten ihm zur Verfügung stehenden Mittel unterbinden will.

Um die Aufhebung einer unter Zwang eingegangenen Ehe zu erleichtern, will der Entwurf die Antragsfrist verlängern. Es ist nicht auszuschließen, dass die Betroffenen nach zahlreichen Monaten der Traumatisierung sich erst nach Ablauf der bisher vorgesehenen Jahresfrist imstande fühlen, die Aufhebung der Ehe zu beantragen.

II. Weitere Änderungen im Aufenthalts- und Asylrecht

Die Teilnahme an einem Integrationskurs dient der erfolgreichen Vermittlung deutscher Sprachkenntnisse sowie von Alltagswissen und von Kenntnissen der deutschen Rechtsordnung, Kultur und Geschichte. Sie ist deshalb unter den in § 44a des Aufenthaltsgesetzes genannten Voraussetzungen für Zuwanderer verpflichtend.

Wenn ein Ausländer, der zur Teilnahme an einem Integrationskurs verpflichtet war, dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist, kann dies deshalb nach § 8 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes dazu führen, dass seine Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert wird.

Die Verpflichtung einer Ausländerbehörde, vor Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis festzustellen, ob der Ausländer einer Pflicht zur Integrationskursteilnahme nachgekommen ist, wird nunmehr ausdrücklich normiert. Damit wird sichergestellt, dass die Tatsache, dass ein Ausländer seine Teilnahmepflicht verletzt hat, lückenlos in die Entscheidung über die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis mit einbezogen wird.

Daneben werden Datenübermittlungsregelungen im Zusammenhang mit der Durchführung von Integrationsmaßnahmen nunmehr im Aufenthaltsgesetz geregelt.

Im Jahr 2000 ist die Mindestbestandszeit, die für den Fall des Scheiterns der Ehe ein eigenständiges Aufenthaltsrecht begründet, von vier auf zwei Jahre verkürzt worden.

Wahrnehmungen aus der ausländerbehördlichen Praxis deuten darauf hin, dass hierdurch der Anreiz für ausschließlich zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels beabsichtigte Eheschließungen (Scheinehen) gesteigert wurde.

Durch die Erhöhung der Mindestbestandszeit auf drei Jahre wird der Anreiz für die Eingehung einer Scheinehe verringert; durch die Verlängerung des Zeitraums wird gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung einer Scheinehe vor Entstehung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts erhöht.

Der Aufenthalt von Asylbewerbern ist räumlich auf das Gebiet einer Ausländerbehörde, der Aufenthalt von Geduldeten auf das Gebiet eines Landes beschränkt. Diese Aufenthaltsbeschränkungen sollen durch das vorliegende Gesetz zur Ausübung einer Beschäftigung, des Schulbesuchs, einer Ausbildung oder eines Studiums weiter gelockert werden. Hierdurch wird der Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Bildungseinrichtungen erleichtert. Dies kommt vor allem Asylbewerbern mit längerem verfahrensbedingtem Aufenthalt, langjährig aufhältigen Geduldeten und minderjährigen Asylbewerbern und Geduldeten zugute.

III. Gesetzgebungskompetenz; Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die Deutschland abgeschlossen hat

Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes ergibt sich aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 (Bürgerliches Recht, Strafrecht), Nummer 4 in Verbindung mit Artikel 72 Absatz 2 (Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer) und Artikel 74 Absatz 1 Nummer 6 (Angelegenheiten der Flüchtlinge und

Vertriebenen) des Grundgesetzes.

Ohne eine bundeseinheitliche Regelung wären erhebliche Beeinträchtigungen des länderübergreifenden Rechtsverkehrs bei Einreise und Aufenthalt von Ausländern im Bundesgebiet zu erwarten und eine im gesamtstaatlichen Interesse liegende Steuerung der Zugangs- und Aufenthaltsbedingungen von Ausländern nicht möglich. Deshalb ist eine bundesgesetzliche Regelung zur Wahrung der Rechtseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich.

Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar.

IV. Gesetzesfolgen

Die Einführung eines Wiederkehrrechts für die Opfer von Zwangsheirat, das über die bereits im geltenden Recht bestehenden Regelungen hinausgeht, sowie die Erweiterung der Ausnahmen von der räumlichen Beschränkung für Geduldete und Asylbewerber kann einen Mehraufwand bei den Auslandsvertretungen und Ausländerbehörden verursachen, der im Einzelnen nicht genau eingeschätzt werden kann. Der Mehraufwand wird in den vorhandenen Ansätzen der betroffenen Einzelpläne eingespart.

Durch die Einführung des geplanten eigenständigen Straftatbestands kann ein Mehraufwand bei den Strafverfolgungsbehörden und den Strafgerichten entstehen, auch wenn der Straftatbestand im geltenden Recht bereits weitgehend abgedeckt ist. Der Mehraufwand wird in den vorhandenen Ansätzen der betroffenen Einzelpläne eingespart.

Die vorgesehenen Gesetzesänderungen belasten die Wirtschaft nicht mit zusätzlichen Kosten. Auswirkungen auf Einzelpreise, das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau sind nicht zu erwarten. Das Vorhaben berührt keine Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung.

V. Bürokratiekosten

Für die Wirtschaft, die Bürgerinnen und Bürger und die Verwaltung werden keine Informationspflichten eingeführt, geändert oder abgeschafft.

Die in § 88a Absatz 1 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes angesprochene Informationspflicht der Verwaltung hinsichtlich der Weitergabe teilnehmerbezogener Daten zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge besteht für die Verwaltung bereits mit § 8 der Verordnung über die Durchführung von Integrationskursen für Ausländer und Spätaussiedler (Integrationskursverordnung) sowie §§ 31 und 32 des Staatsangehörigkeitsgesetzes. Die Informationspflicht wird insoweit nur in einen neuen gesetzlichen Rahmen überführt.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Aufenthaltsgesetzes)

Zu Nummer 1 (Inhaltsübersicht)

Zu Nummer 2 (§ 8)

Zu Nummer 3 (§ 31)

Zu Buchstabe a

Durch die Neuregelung wird die Mindestbestandszeit, die für den Fall des Scheiterns der Ehe ein eigenständiges Aufenthaltsrecht begründet, auf drei Jahre erhöht. Die Mindestehebestandszeit war im Jahre 2000 von vier auf zwei Jahre verkürzt worden.

Die Erhöhung der Mindestehebestandszeit ist erforderlich, um den Anreiz für ausschließlich zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels beabsichtigte Eheschließungen (Scheinehen) zu verringern.

Wahrnehmungen aus der ausländerbehördlichen Praxis deuten darauf hin, dass die Verkürzung der Mindestehebestandszeit auf zwei Jahre zu einer Erhöhung der Scheineheverdachtsfälle geführt hat. Darüber hinaus erhöht die Verlängerung der Mindestehebestandszeit die Wahrscheinlichkeit, dass eine Scheinehe nachgewiesen werden kann, bevor durch sie ein eigenständiges Aufenthaltsrecht begründet wird.

Die Erhöhung der Mindestehebestandszeit führt nicht zu einer übermäßigen Belastung der Ehegatten, wenn keine Scheinehe vorliegt. In Fällen besonderer Härte sieht Absatz 2 bereits nach geltender Rechtslage eine Ausnahmeregelung vor. Eine besondere Härte im Sinne dieser Vorschrift liegt unter anderem vor, wenn einem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist. Das ist unter anderem in Fällen häuslicher Gewalt der Fall (s. im Einzelnen Nr. 31.2.2 ff. der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz).

Die Neuregelung steht im Einklang mit Artikel 15 der europäischen Familienzusammenführungsrichtlinie (Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung). Danach ist dem Ehegatten spätestens nach fünfjährigem Aufenthalt ein eigenständiger Aufenthaltstitel zu gewähren. Die Verlängerung der Mindestehebestandszeit auf drei Jahre bleibt innerhalb dieses zeitlichen Rahmens, ohne ihn auszuschöpfen.

Zu Buchstabe b

Es handelt sich um eine Folgeänderung zur Verlängerung der Mindestehebestandszeit (s. Buchstabe a).

Zu Nummer 4 (§ 37)

Die ausdrückliche Verankerung eines Wiederkehrrechts im Falle der Zwangsverheiratung dient dem Ziel, aus Zwangsverheiratungen resultierende aufenthaltsrechtliche Nachteile für die Opfer zu beseitigen. Zwar erlaubt § 37 Absatz 2 bereits nach derzeitiger Rechtslage in Härtefällen ein Absehen von den Wiederkehrvoraussetzungen in § 37 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 3; in Fällen der Zwangsverheiratung kann eine besondere Härte vorliegen, wie durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz noch einmal bestätigt worden ist. Allerdings befreit § 37 Absatz 2 nicht vom Erfordernis der Lebensunterhaltssicherung nach § 37 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, woran ein Wiederkehrrecht nicht selten scheitert.

Durch den neu eingefügten Absatz 2a Satz 1 kann zukünftig auch denjenigen Opfern von Zwangsverheiratungen, die als Minderjährige in Deutschland aufhältig waren, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn sie von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurden, den Antrag innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage und vor Ablauf von fünf Jahren seit ihrer Ausreise stellen. Dieses Wiederkehrrecht ist nicht davon abhängig, dass sie ihren Lebensunterhalt sichern; stattdessen ist Voraussetzung, dass aufgrund ihrer bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse gewährleistet erscheint, dass sie sich in die deutschen Lebensverhältnisse (wieder) einfügen können. Durch dieses Erfordernis einer positiven Integrationsprognose, dessen Formulierung aus § 104a Absatz 2 (Altfallregelung für langjährig Geduldete) übernommen wurde, wird gewährleistet, dass im Einzelfall nicht auch diejenigen Personen vom erweiterten Wiederkehrrecht profitieren, die nicht zur Integration in Deutschland bereit oder in der Lage sind und bei denen deshalb auch ein erhöhtes Risiko besteht, dass sie in Deutschland dauerhaft von Sozialhilfeleistungen abhängig wären. Bei der Integrationsprognose sind unter anderem die Sprachkenntnisse, die Länge des Voraufenthalts sowie die Länge und Regelmäßigkeit des Schulbesuchs zu berücksichtigen.

Ein noch weiter gehendes Wiederkehrrecht wird durch Absatz 2a Satz 2 denjenigen Opfern von Zwangsverheiratungen gewährt, die sich vor ihrer Ausreise bereits mindestens acht Jahre rechtmäßig in Deutschland aufhielten und sechs Jahre die Schule besuchten. Bei ihnen liegt regelmäßig eine starke Vorintegration in Deutschland vor; ihnen soll deshalb ein Aufenthaltstitel erteilt werden und es kann auf die gesonderte Prüfung einer positiven Integrationsprognose verzichtet werden. Außerdem ist bei starker Vorintegration davon auszugehen, dass eine innere Beziehung zu Deutschland auch bei einer noch längeren Abwesenheit vom Bundesgebiet bestehen bleibt. Opfer von Zwangsverheiratungen, die unter diese Personengruppe fallen, können deshalb den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis noch bis zu zehn Jahre nach Ausreise stellen.

Die Neuregelung erfasst sowohl Fälle, in denen das Opfer in Deutschland zwangsverheiratet und anschließend ins Ausland verbracht und an der Rückkehr nach Deutschland gehindert wird, als auch Fälle, in denen das Opfer im Ausland zwangsverheiratet und an der Rückkehr nach Deutschland gehindert wird.

Zu Nummer 5 (§ 43)

Es handelt sich um eine Folgeänderung zur Einfügung eines neuen § 88a (s. Nummer 8).

Zu Nummer 6 (§ 51)

Die Rückkehrfrist zugunsten von Opfern von Zwangsheirat, die die Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erfüllen, die sich also bereits acht Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten und sechs Jahre im Bundesgebiet die Schule besucht haben, wird von sechs Monaten auf zehn Jahre erhöht. Wenn sie innerhalb dieser Zeit wieder einreisen, erlischt ein noch bestehender Aufenthaltstitel nicht. Die Regelung ergänzt die Verankerung des Wiederkehrrechts in § 37 Absatz 2a und hat wie diese zum Ziel, aus Zwangsverheiratungen resultierende aufenthaltsrechtliche Nachteile der Opfer zu beseitigen. Mit dem Zeitraum von zehn Jahren wird eine Angleichung an die zeitlichen Antragsvoraussetzungen des neuen § 37 Absatz 2a Satz 2 vorgenommen.

Opfern von Zwangsheirat, die die Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 nicht erfüllen, eröffnet im Falle des Erlöschens ihres Aufenthaltstitels § 37 Absatz 2a Satz 1 unter den dort genannten Voraussetzungen die Möglichkeit der Rückkehr nach Deutschland (s. Nummer 4).

Zu Nummer 7 (§ 61)

Durch diese Regelung werden die Möglichkeiten zur Ausnahme von der räumlichen Beschränkung vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer auf das Gebiet eines Landes erweitert. Zukünftig kann einem Geduldeten eine Ausnahme von der räumlichen Beschränkung nicht nur zur Ausübung einer Beschäftigung, sondern auch zum Zwecke des Schulbesuchs, der Ausbildung oder des Studiums erteilt werden. Die Anwendungsfälle sind den in § 58 AsylVfG ebenfalls neugefassten Regelungen für Asylbewerber nachgebildet (s. Artikel 3).

Zu Nummer 8 (§ 88a)

Zu Absatz 1

Aufgrund der verfassungsrechtlichen Relevanz soll eine eigenständige Ermächtigungsgrundlage für die in §§ 8 und 17 der Integrationskursverordnung enthaltenen Datenübermittlungs- und Verarbeitungsregeln in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen werden. Eine Übermittlung von Daten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge an die Staatsangehörigkeitsbehörden ist notwendig, um in Zweifelsfällen verifizieren zu können, dass die für die Einbürgerung erforderlichen ausreichenden Kenntnisse der deutschen Sprache vorliegen bzw. ob die Voraussetzungen für die Verkürzung der Einbürgerungsfrist vorliegen. Durch diese Regelung soll keine neue Datenübermittlungspflicht eingeführt, sondern die auf der Grundlage der §§ 31 und 32 des Staatsangehörigkeitsgesetzes bereits bisher mögliche Datenübermittlung weiterhin ermöglicht werden.

Zu Absatz 2

Die Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) hat die zentrale Aufgabe, in Hilfesysteme zu vermitteln, den Integrationsverlauf zu begleiten und den Erfolg ihrer eingeleiteten Maßnahmen zu überprüfen (langfristige Wirkungen). Zur Ausübung ihrer gesetzlichen Verpflichtung bedient sich das BAMF öffentlicher und privater Träger. Die Verpflichtung zur Prüfung der zweckgemäßen Verwendung der Mittel durch das BAMF ergibt sich aus §§ 23, 44 BHO, die Verpflichtung zur Prüfung einer projektbezogenen Erfolgskontrolle aus Nr. 10, 11, 11 a der Verwaltungsvorschrift zu § 44 BHO. Die projektbezogene Erfolgskontrolle gewährleistet, dass die Beratungsleistungen den Vorgaben der Förderrichtlinien des Bundesministeriums des Innern entsprechend durchgeführt und die darin vorgegebenen mit der Förderung verbundenen Förderziele erreicht und erforderliche steuernde Eingriffe umgesetzt werden können.

Die Datensätze werden pseudonymisiert erfasst und als aggregierte Daten übermittelt (aggregierte Daten sind Sammelangaben über Personengruppen, die nicht einer Person zugeordnet werden können). Für stichprobenartige Vor-Ort-Prüfungen werden pseudonymisierte Daten von den Trägern zur Verfügung gestellt.

Im Übrigen gelten für die privaten und öffentlichen Träger die jeweils einschlägigen datenschutzgesetzlichen Regelungen.

Aus systematischen Gründen wird die neue Vorschrift in Kapitel 7 Abschnitt 4 eingefügt.

Zu Artikel 2 (Änderung des Freizügigkeitsgesetzes\/EU)

Die Ergänzung des Freizügigkeitsgesetzes\/EU ist erforderlich, da § 88a Absatz 1 Satz 1, 3 und 4 des Aufenthaltsgesetzes in Teilen Unionsbürger einbezieht, die nach § 11 Absatz 1 Satz 1 des Freizügigkeitsgesetzes\/EU i.V.m. § 44 Absatz 4 des Aufenthaltsgesetzes an Integrationskursen teilnehmen können. Ein neuer Regelungsgehalt im Vergleich zum geltenden Recht in der Integrationskursverordnung wird dadurch nicht geschaffen. Die Anpassung erfolgt entsprechend der Anwendbarkeitsregel in § 2 der Integrationskursverordnung für Unionsbürger, da aufgrund der verfassungsrechtlichen Relevanz eine eigenständige Ermächtigungsgrundlage für die jetzt schon in §§ 8 und 17 der Integrationskursverordnung enthaltenen Datenübermittlungs- und Verarbeitungsregeln in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen werden soll.

Zu Artikel 3 (Änderung des Asylverfahrensgesetzes)

Die Gesetzesänderungen haben zum Ziel, Aufenthaltsbeschränkungen für Asylbewerber zu lockern. Damit können unbillige Härten vermieden werden. Der Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Bildungseinrichtungen wird erleichtert. Dies kommt vor allem Asylbewerbern mit längerem verfahrensbedingtem Aufenthalt und minderjährigen Asylbewerbern zugute.

Bei den Änderungen handelt es sich weitgehend um Ermessensvorschriften. Damit soll den zuständigen Behörden ein möglichst weiter Spielraum gegeben werden, um den unterschiedlichsten Fallgestaltungen gerecht zu werden. Bei den Ermessensentscheidungen ist neben den berechtigten Interessen des Asylbewerbers auch die Wahrung der Funktionsfähigkeit des Asylverfahrens zu berücksichtigen.

Zu Nummer 1 (§ 58 Absatz 1) Zu Buchstabe a

Die zuständige Ausländerbehörde kann nunmehr einem Asylbewerber erlauben, sich - vorübergehend oder allgemein - in dem Bezirk einer beliebigen anderen Ausländerbehörde aufzuhalten. Bislang war ein solcher Aufenthalt nur im Bezirk einer angrenzenden Ausländerbehörde möglich. Die Erlaubnis zum allgemeinen Aufenthalt im Bezirk einer anderen Ausländerbehörde hängt - wie bisher - von deren Zustimmung ab.

Zu Buchstabe b

Die Vorschrift stellt klar, dass Asylbewerbern das Verlassen des zugewiesenen Aufenthaltsbezirks in der Regel zu erlauben ist, wenn Asylbewerbern damit eine Erwerbstätigkeit, der Schulbesuch, eine betriebliche Aus- oder Weiterbildung oder ein Studium ermöglicht wird. In atypischen Fällen kann die Erlaubnis verweigert werden, etwa im Falle von Straftätern, bei welchen der begründete Verdacht besteht, dass sie die Lockerung der Aufenthaltsbeschränkung zur Begehung weiterer Straftaten nutzen werden. Mit der Nennung von Regelbeispielen soll eine bundeseinheitliche Anwendung der Vorschrift sichergestellt werden.

Zu Nummer 2 (§ 58 Absatz 6)

Die Landesregierungen können örtlichen Verhältnissen - etwa von Stadtstaaten oder in Grenzgebieten - Rechnung tragen und im gegenseitigen Einvernehmen Rechtsverordnungen erlassen, die es Ausländern ermöglichen, sich ohne Erlaubnis vorübergehend im Gebiet des jeweils anderen Landes aufzuhalten. Dies gibt den Ländern ein weiteres Instrumentarium zur Lockerung von Aufenthaltsbeschränkungen an die Hand.

Zu Artikel 4 (Änderung des Strafgesetzbuches) Zu Nummer 1 (Inhaltsübersicht)

Die Änderung der Inhaltsübersicht ist aufgrund der Einführung der Strafvorschrift gegen Zwangsheirat erforderlich.

Zu Nummer 2 (§ 237)

Die vorgeschlagene Regelung gliedert sich in vier Absätze. Die Absätze 1 und 2 enthalten zwei verschiedene Straftatbestände der Zwangsheirat, Absatz 3 regelt die Versuchsstrafbarkeit und Absatz 4 enthält eine Strafzumessungsregel für den minder schweren Fall. Als Straftat gegen die persönliche Freiheit wird die Strafvorschrift in den 18. Abschnitt des StGB eingestellt.

Zu Absatz 1

Absatz 1 enthält in Satz 1 den Grundtatbestand der Zwangsheirat, der den Einsatz von Nötigungsmitteln zur Eingehung einer Ehe voraussetzt. Der Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe entspricht dem der Nötigung im besonders schweren Fall ( § 240 Absatz 4 StGB) und damit der aktuell im Regelfall geltenden Strafandrohung für Zwangsheirat. Durch den gegenüber der Nötigung erhöhten Strafrahmen wird das besondere Unrecht zum Ausdruck gebracht, das in dem Zwang zu einer ungewollten Ehe und damit in dem Zwang zu einer ungewollten dauerhaften rechtlichen und persönlichen Verbindung liegt. In Satz 2 wird die Verwerflichkeitsklausel des § 240 Absatz 2 StGB übernommen. Das ist erforderlich, weil insbesondere bei der Alternative der Drohung mit einem empfindlichen Übel vielfältige Fallgestaltungen denkbar sind, bei denen eine Strafandrohung nicht angemessen wäre (z.B. ein Partner kündigt dem anderen Partner einer Lebensgemeinschaft an, ihn zu verlassen, wenn dieser nicht zur Eingehung der Ehe bereit ist).

Zu Absatz 2

In Anlehnung an den Tatbestand der Verschleppung ( § 234a StGB) werden in Absatz 2 mit derselben Strafdrohung Fallkonstellationen erfasst, in denen das Opfer dem tatsächlichen und rechtlichen Schutz, der mit seinem Aufenthalt im Inland verbunden ist, durch besondere Einwirkung entzogen wird, um es zur Eingehung der Ehe zu nötigen. Anders als in Absatz 1 setzt die Strafbarkeit nach Absatz 2 nicht die durch Nötigung erreichte Eheschließung als tatbestandlichen Erfolg voraus. Es genügt ein darauf gerichtetes Handeln, wenn dieses den tatsächlichen Aufenthalt im Ausland bewirkt hat. Mit diesem Tatbestand sollen insbesondere Mädchen und junge Frauen vor sogenannten "Ferienverheiratungen" besser geschützt werden. Die Strafbarkeit wird auf den Zeitpunkt des Entzuges des Schutzes, der mit dem Aufenthalt im Inland verbunden ist, vorverlagert.

Zu Absatz 3

Um einen umfassenden Rechtsgüterschutz zu gewährleisten, ist in Absatz 3 für beide Tatbestände die Versuchsstrafbarkeit vorgesehen.

Zu Absatz 4

Absatz 4 sieht einen milderen Strafrahmen für den minder schweren Fall vor. Ein solcher wird nur ausnahmsweise vorliegen. Er kommt - im Zusammenwirken mit weiteren strafmildernden Umständen - etwa dann in Betracht, wenn das Maß der angewandten Gewalt gering ist oder die Drohung eine eher geringe Intensität hat. Die Tatsache, dass entsprechende Zwangsverheiratungen im Herkunftsland nicht unüblich sind, wird dagegen für sich genommen im Regelfall nicht die Annahme eines minder schweren Falles rechtfertigen können. Mit Absatz 4 soll aber sichergestellt werden, dass in jedem Einzelfall eine schuldangemessene Strafe verhängt werden kann.

Zu Nummer 3

Wegen der Einführung der speziellen Strafvorschrift gegen Zwangsheirat (Artikel 4 Nummer 2) ist das durch das 37. Strafrechtsänderungsgesetz vom 11. Februar 2005 eingefügte Regelbeispiel für den besonders schweren Fall der Nötigung "zur Eingehung der Ehe" in § 240 Absatz 4 Satz 2 Nummer 1 StGB überflüssig und deshalb zu streichen.

Zu Artikel 5 (Änderung der Strafprozessordnung)

Es handelt sich um eine Folgeänderung zu Artikel 4 Nummer 2 und 3. Bisher war die Zwangsheirat als besonders schwerer Fall der Nötigung in § 240 Absatz 4 Nr. 1 strafbar, der in den Straftatenkatalog des § 397a Absatz 1 Nummer 4 StPO fällt. Nunmehr ist die Zwangsheirat als eigenständiger Straftatbestand in § 237 StGB erfasst, der folgerichtig in den Straftatenkatalog des § 397a Absatz 1 Nummer 4 StPO aufzunehmen ist.

Zu Artikel 6 (Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches)

Durch die Regelung wird die Antragsfrist zur Aufhebung der Ehe für den Fall der Bestimmung eines Ehegatten zur Eingehung der Ehe durch widerrechtliche Drohung von einem auf drei Jahre verlängert (§ 1317 Absatz 1 Satz 1 BGB). Zum Beispiel aus Angst vor dem Verlust der Familie, vor den Aggressionen des Vaters, der männlichen Verwandten, der Gewalt des Ehemannes und verursacht durch jahrelange Misshandlungen und psychischen Druck kann es vorkommen, dass sich die zur Ehe genötigte Frau ihrem Schicksal vorübergehend fügt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Betroffenen sich oftmals in einer besonderen emotionalen Situation befinden und somit häufig erst nach längerem Zeitablauf in der Lage sein werden, eine Aufhebung der Ehe aktiv zu betreiben. Dieser Zeitablauf kann jenseits der geltenden Antragsfrist von einem Jahr liegen, auch wenn die Frist erst mit Beendigung der Zwangslage beginnt. Ausgeschlossen ist eine Aufhebung weiterhin nach § 1315 Absatz 1 Nummer 4 BGB bei einer Bestätigung der Ehe. In diesem Fall verdient die Ehe trotz des massiven Verstoßes gegen den Grundsatz der Eheschließungsfreiheit aus Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes und das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen den Schutz der Rechtsordnung.

Zu Artikel 7 (Überleitungsvorschrift)

Das neue Recht gilt grundsätzlich auch für Ehen, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes geschlossen wurden. Artikel 229 § [25] EGBGB-E stellt jedoch ausdrücklich klar, dass aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes die Aufhebung der Ehe nicht begehrt werden kann, wenn die geltende Aufhebungsfrist von einem Jahr bereits vor Inkrafttreten dieses Gesetzes abgelaufen ist. So wird sichergestellt, dass nicht nachträglich in einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen wird. Allein in Fällen, in denen die Frist vor Inkrafttreten begonnen hat, aber noch nicht vollständig abgelaufen ist, gilt zum Schutze des genötigten Ehegatten die Dreijahresfrist seit Ende der Zwangslage.

Zu Artikel 8 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.

Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz NKR-Nr. 1520:
Gesetz zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften

Der Nationale Normenkontrollrat hat das oben genannte Regelungsvorhaben auf Bürokratiekosten geprüft, die durch Informationspflichten begründet werden.

Mit dem Regelungsvorhaben werden für die Wirtschaft, die Verwaltung sowie für Bürgerinnen und Bürger keine Informationspflichten eingeführt, geändert oder aufgehoben.

Der Nationale Normenkontrollrat hat daher im Rahmen seines gesetzlichen Prüfauftrages keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben.

Dr. Ludewig Bachmaier
Vorsitzender Berichterstatter