Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für eine Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates zur transnationalen Mobilität innerhalb der Gemeinschaft zu Bildungs- und Ausbildungszwecken: Europäische Qualitätscharta für Mobilität KOM (2005) 450 endg.; Ratsdok. 12639/05

Übermittelt vom Bundesministerium der Finanzen am 29. September 2005 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (BGBl. I 1993 S. 313 ff.).

Die Vorlage ist von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften am 23. September 2005 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss und der Ausschuss der Regionen werden an den Beratungen beteiligt.


Hinweis: vgl. Drucksache 088/00 = AE-Nr. 000381 und AE-Nr. 020807

Begründung

1) Hintergrund

- Begründung und Ziele des Vorschlags

In Artikeln 149 und 150 des Vertrages ist Mobilität als ein wichtiges bildungspolitisches Ziele der Europäischen Union festgelegt. Mobilität hilft, kulturelle und sprachliche Unterschiede besser zu verstehen, und trägt dadurch nicht nur zur Entwicklung europäischer Bürgerschaft und europäischen Bewusstseins bei, sondern - gemäß dem strategischen Ziel des Europäischen Rates von Lissabon (März 2000) - auch zur Entstehung eines europäischen Bildungsraumes.

Einen substanziellen Beitrag zur Erreichung dieses Zieles haben schon seit ihrem Start die Bildungsprogramme der Gemeinschaft geleistet. Das Programm ERASMUS, in dessen Rahmen mehr als 1 000 000 junge Menschen einen Teil ihres Studiums in einem anderen Mitgliedstaat absolviert haben, ist ein gutes Beispiel für eine Aktion mit Signalwirkung, eine von wenigen Gemeinschaftsaktionen, die sehr vielen Bürgerinnen und Bürgern ein Begriff ist. Die erwähnten Programme decken die Bereiche Schulen, Universitäten, berufliche Aus- und Weiterbildung sowie Erwachsenenbildung1 ab und lassen sowohl bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern als auch in deren Umfeld - Eltern, Familie, Freundeskreis, ArbeitskollegInnen - ein Gefühl des "Europäertums" entstehen.

Dieser Vorschlag verfolgt im Wesentlichen zwei Ziele:

An die Annahme dieses Vorschlags sind folgende Erwartungen geknüpft:

Mit diesem Vorschlag soll kein verbindlicher europäischer Rechtsrahmen geschaffen werden. Selbst wenn der Vertrag dies zuließe - was er nicht tut - wäre dies gänzlich unangemessen. Die Mitgliedstaaten können die Empfehlung jedoch als Anregung nutzen und ihren Inhalt in dem jeweiligen nationalen Kontext angemessener Form umsetzen. Die Empfehlung ist als Referenzsystem konzipiert, um Transparenz und Koordinierung von Mobilitätspraktiken zu fördern und ein Klima gegenseitigen Verstehens zu schaffen.

- Allgemeiner Kontext

In den letzten fünf Jahren haben die Organe der Europäischen Union eine Reihe von Maßnahmen zur Mobilität verabschiedet. Im Folgenden die wichtigsten:

Im Anschluss an ein informelles Treffen der Bildungsministerinnen in Paris im September 2000 befürwortete der Europäische Rat von Nizza im Dezember 2000 einen Aktionsplan zur Förderung der Mobilität. Dieser enthielt einen "Werkzeugkoffer" mit mobilitätsbezogenen Maßnahmen: Öffentlichkeitsarbeit, Finanzierung, verschiedene Mobilitätstypen und schließlich Überlegungen, wie sich Mobilitätsphasen optimal nutzen lassen und wie die Anrechnung der gewonnenen Erfahrung gewährleistet werden kann.

Im Juli 2001 folgte die Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Mobilität von Studierenden, in der Ausbildung stehenden Personen, Freiwilligen, Lehrkräften und Ausbildern (2001/613/EG)2. Die Empfehlung schuf einen Rahmen für die verstärkte politische Zusammenarbeit, um so die Mobilität im Bildungsbereich zu erhöhen. Sie verfolgte das Ziel, Mobilitätshindernisse zu beseitigen und für bessere Vorbereitung sowie effizientere Aufnahme bei der Ankunft zu sorgen. Darüber hinaus behandelte sie die Anerkennung von im Ausland erworbener Erfahrung.

In der Empfehlung wurde die Kommission aufgefordert, für die Umsetzung der Empfehlung eine Gruppe bestehend aus Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten einzurichten. Die vorliegende Empfehlung beruht auf der Arbeit dieser Gruppe und ihrem zweijährlichen Bericht von 2004.

Im Februar 2002 verabschiedete die Kommission einen Aktionsplan für Qualifikation und Mobilität3 mit dem Ziel, den Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmerinnen zu fördern, Mobilität als wichtigen Faktor der Beschäftigungsstrategie der EU ins Bewusstsein zu rücken und die europäischen Arbeitsmärkte stärker zu öffnen, um sie ab 2005 für alle Menschen zugänglich zu machen.

Weiters plant die Kommission, 2006 das Europäische Jahr der Arbeitskräftemobilität zu organisieren, um Sensibilität für eine Reihe rechtlicher Fragen in diesem Bereich zu schaffen: z.B. Übertragbarkeit von Pensionsansprüchen; Vorteile der Mobilität für die Karriereentwicklung der Arbeitnehmerinnen; und bestehende europäische Förderinstrumente für die Mobilität.

Darüber hinaus legte die Kommission in ihrer Mitteilung "Eine Mobilitätsstrategie für den europäischen Forschungsraum" (2001)4, die vom Rat5 unterstützt wurde, konkrete Aktionen sowohl auf Gemeinschafts- als auch auf nationaler Ebene fest, um die Mobilität als Schlüsselinstrument für die Karriereentwicklung und für die Schaffung eines europäischen Forschungsraumes wie auch als Voraussetzung für die Steigerung der europäischen Forschungskapazitäten und -leistungen zu nutzen.

In der Folge wurden Mobilitätsfragen in das allgemeine Arbeitsprogramm "Allgemeine und berufliche Bildung 2010" aufgenommen - das ist der Bildungs-Teil der Lissabonner Strategie. Im Rahmen dieses Programms arbeiten Mitgliedstaaten und Kommission bei bildungspolitischen Themen zusammen. In diesem Programm, das vom Europäischen Rat in Barcelona im März 2002 verabschiedet wurde, sind Mobilitätsfragen ausdrücklich als eines von 13 Zielen angeführt. Und im Februar 2004 legten der Rat und die Kommission dem Europäischen Rat ihren ersten gemeinsamen Zwischenbericht6 zu diesem Prozess vor. Der Bericht unterstreicht die Notwendigkeit, den Umfang und die Qualität der Mobilität im Bildungs- und Ausbildungsbereich zu erhöhen.

Als Teil des Followup im Rahmen des Arbeitsprogramms "Allgemeine und berufliche Bildung 2010" erstellte die im Rahmen der oben zitierten Empfehlungen eingerichtete Sachverständigengruppe einen Vorschlag für eine "Qualitätscharta für die Mobilität im Bildungs- und Ausbildungsbereich", der in seinen Grundzügen den Bildungsministerinnen bei ihrem informellen Treffen am 12. Juli 2004 in Rotterdam vorgelegt wurde. Die dänische Ratspräsidentschaft gelangte zur Schlussfolgerung, dass Einigkeit über die Grundsätze erzielt worden sei und die Reflexion über qualitative Mobilitätsaspekte in der neuen Generation von Bildungsprogrammen7 darauf aufbauen könnte.

Die vorgeschlagene Empfehlung, die sich überwiegend auf die erwähnten Arbeiten stützt, präsentiert die oben dargelegten Grundsätze in einheitlicher und lesbarer Form, angereichert mit Material aus anderen Bereichen, die mit Mobilität zu tun haben (wie z.B. der Jugendwelt). Der Begriff "Charta" wird verwendet, um den grundlegenden Charakter der vorgeschlagenen Grundsätze zu betonen.

Die Empfehlung ergänzt bestehende Texte in diesem Bereich, insbesondere die Europäische Charta für Forscher8.

- Bestehende einschlägige Rechtsvorschriften

Die vorgeschlagene Empfehlung ergänzt Empfehlung 2001/613/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juli 2001 über die Mobilität von Studierenden, in der Ausbildung stehenden Personen, Freiwilligen, Lehrkräften und Ausbildern in der Gemeinschaft.

- Übereinstimmung mit anderen Politikfeldern und Zielen der Union

Der Vorschlag entspricht den erklärten Strategien und Zielsetzungen der Europäischen Union.

2) Konsultation der Betroffenen und Folgenabschätzung

- Konsultation der Betroffenen Konsultationsmethoden, Hauptadressaten und allgemeines Profil der Antwortenden

In Abschnitt 1 wurde bereits der Hintergrund zu diesem Text skizziert und die Funktion der Arbeitsgruppe festgelegt, die entsprechend der Empfehlung von 2001 eingerichtet wurde und sich aus Sachverständigen der Mitgliedstaaten zusammensetzt. Die Mitglieder dieser Gruppe vertreten die Mitgliedstaaten und besitzen umfangreiche Fachkenntnisse, weshalb es nicht für notwendig erachtet wurde, zusätzliche externe Expertinnen hinzuzuziehen.

Zusammenfassung der Antworten und ihre Berücksichtigung im Bericht Siehe erster Followup-Bericht zur Empfehlung 2001/613/EG.

- Einholung und Nutzung von Expertenwissen

Es bestand keine Notwendigkeit, externe Sachverständige hinzuzuziehen.

- Folgenabschätzung

Die aus Sachverständigen der Mitgliedstaaten bestehende Arbeitsgruppe und die Bildungsministerinnen (anlässlich ihrer informellen Tagung in Rotterdam vom 11.-13. Juli 2004) haben die Notwendigkeit dieses Vorschlags, seinen Geltungsbereich und seine möglichen wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen bereits diskutiert und befürwortet. Eine weitere Folgenanalyse wird nicht für notwendig erachtet.

3) rechtliche Aspekte des Vorschlags

- Zusammenfassung der vorgeschlagenen Maßnahme

Die Empfehlung besteht aus zehn, überwiegend an die für Mobilität zuständigen Entsende- und Aufnahmeorganisationen gerichteten Leitlinien, die wie folgt zusammengefasst werden können:

A. Vor der Abreise:

Dafür sorgen, dass die Teilnehmerinnen Zugang zu zuverlässigen Beratungs- und Informationsquellen über bestehende Mobilitätsangebote und -bedingungen haben; einen Lernplan erstellen, der den Rahmen absteckt; sicherstellen, dass sich die Teilnehmerinnen entsprechend vorbereiten, vor allem in sprachlicher Hinsicht; gewährleisten, dass die Mobilitätserfahrung zur persönlichen und beruflichen Entwicklung beiträgt;

B. Während des Aufenthaltes im Gastland:

Die Teilnehmerinnen sprachlich und logistisch unterstützen, dazu zählen Informationen und/oder Hilfestellung in folgenden Bereichen: Reise, Versicherung, Aufenthaltsbedingungen, Sozialversicherung, Sozialleistungen, Steuern, Unterkunft usw.; Mentorinnen benennen, die die Teilnehmerinnen bei der Integration unterstützen.

C. Nach Abschluss der Mobilitätsphase:

Die Anrechnung oder Bestätigung erreichter Abschlüsse oder absolvierter Studien-/Praxiszeiten gewährleisten; den Teilnehmerinnen - vor allem nach einer Langzeit-Mobilitätsphase - bei der Rückkehr in ihr soziales, Ausbildungs- oder Berufsumfeld behilflich sein; die Ergebnisse der Mobilitätsphase bewerten und die heimkehrenden Teilnehmerinnen beraten, wie sie ihre im Ausland erworbenen Kompetenzen am besten umsetzen.

D. Allgemeines: Klären, wer für die Umsetzung der einzelnen Teile der Empfehlung zuständig ist.

Die Charta sollte als "universell" in dem Sinn betrachtet werden, dass sie alle erdenklichen Arten von Bildungsmobilität abdeckt: formales und nicht formales Lernen; Kurzzeit- und Langzeit-Mobilität; Lernen in der Schule, an der Universität und am Arbeitsplatz; Mobilität für junge und erwachsene Lernende usw. Daher hat der Text der Charta zwangsläufig generischen Charakter. Es ist unmöglich, in einem so kurzen Text alle denkbaren Fälle abzudecken. Die Grundsätze der Charta sind deshalb an die jeweiligen Gegebenheiten anzupassen und in bestimmten Fällen werden einige der Punkte nur teilweise zutreffen. Die in der Charta enthaltenen Grundsätze bieten einen europäischen Referenzrahmen, der dann auf bestimmte Fälle zugeschnitten werden muss.

- Rechtsgrundlage

Dieser Vorschlag basiert auf Artikel 149 Absatz 4 und Artikel 150 Absatz 4 des Vertrags. Ersterer ist der allgemeinen Bildung, zweiterer der beruflichen Bildung gewidmet. Beide Artikel ermächtigen den Rat und das Europäische Parlament im Wege der Mitentscheidung Empfehlungen zur Erreichung ihrer Ziele zu verabschieden. Eines dieser Ziele ist die Förderung der Mobilität (Artikel 149 Absatz 2 zweiter Spiegelstrich, Artikel 150 Absatz 2 dritter Spiegelstrich).

- Subsidiaritätsprinzip

Da der Vorschlag nicht in die alleinige Zuständigkeit der Gemeinschaft fällt, gilt das Subsidiaritätsprinzip.

Die Mitgliedstaaten selbst können die Ziele des Vorschlags aus folgendem Grund nicht ausreichend umsetzen:

Für den einzelnen Mitgliedstaat ist es schwierig, den transnationalen Charakter der Mobilität abzudecken.

Durch ein Vorgehen auf Gemeinschaftsebene lassen sich die Ziele des Vorschlags aus folgenden Gründen besser erreichen:

Die Ziele des Vorschlags können von der Union effizienter umgesetzt werden als von den Mitgliedstaaten. Für den einzelnen Mitgliedstaat ist es schwierig, dem transnationalen Charakter von Mobilität gerecht zu werden.

Für die Annahme eines anerkannten europäischen Referenzsystems mit dem Ziel, Organisationen in allen Mitgliedstaaten zu unterstützen, ist ein nicht einschränkendes Gemeinschaftsinstrument das geeignete Mittel.

Der Text selbst beschränkt sich auf Punkte, die sinnvollerweise auf europäischer Ebene angenommen werden können. Fragen zu Zusammensetzung und Herkunft von Geldern oder praktische organisatorische Fragen werden zum Beispiel den in den Mitgliedstaaten oder Mobilitätsorganisationen dafür zuständigen Personen überlassen.

Der Vorschlag steht also in Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip.

- Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Der Vorschlag entspricht aus folgenden Gründen dem Verhältnismäßigkeitsprinzip: Er geht nicht über die zur Zielerreichung notwendigen Maßnahmen hinaus.

Er zieht keine finanziellen oder administrativen Belastungen oder Kosten nach sich.

Die Mitgliedstaaten waren über ihre Vertreterinnen in der gemäß der Empfehlung von 2001 eingerichteten Sachverständigengruppe in die Arbeit eingebunden und unterstützen den Vorschlag.

Rechtsinstrument Vorgeschlagener Rechtsakt: Empfehlung

Andere Instrumente wären aus folgendem Grund nicht geeignet:

Dieser Vorschlag ist ein Followup zur ersten Empfehlung (2001/613/EG) und die Gemeinschaft hat damals diese Form des Rechtsaktes gewählt. Siehe auch Artikel 149 Absatz 4.

4) Auswirkungen auf den Haushalt

Der Vorschlag hat keine Auswirkungen auf den Haushalt der Gemeinschaft.

5) Ergänzende Informationen

- Europäischer Wirtschaftsraum

Der vorgeschlagene Rechtsakt betrifft den Europäischen Wirtschaftsraum und sollte daher auf diesen ausgedehnt werden.

Vorschlag für eine Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates
zur transnationalen Mobilität innerhalb der Gemeinschaft zu Bildungs- und Ausbildungszwecken: Europäische Qualitätscharta für Mobilität(Text von Bedeutung für den EWR)


Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union -
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,
insbesondere auf Artikel 149 Absatz 4 und Artikel 150 Absatz 4,
auf Vorschlag der Kommission (9),
nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (10),
nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen (11),
gemäß dem Verfahren des Artikels 251 EG-Vertrag (12),
in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Mobilität zu Bildungs- und Ausbildungszwecken fällt unter den freien Personenverkehr und ist der im Vertrag garantierten Grundfreiheiten. Sie ist eines der wichtigsten Ziele, das die Europäische Union im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung verfolgt, und ein wichtiges Instrument für die Schaffung eines europäischen Bildungsraumes sowie die Entstehung eines europäischen Bewusstseins.

(2) Die Förderung der Mobilität und von Austauschprojekten ist ein Ziel jenes Arbeitsprogramms, mit dessen Hilfe Europa bis 2010 zum innovativsten, wettbewerbsfähigsten, wissensbasierten Wirtschaftsraum13 werden soll. Ein weiterer Beitrag ist das 2006 stattfindende Europäische Jahr der Arbeitskräftemobilität.

(3) 2001 verabschiedeten das Europäische Parlament und der Rat eine erste Empfehlung14 , um Gemeinschaftsmaßnahmen zur Förderung der Mobilität zu ermöglichen.

(4) Die Arbeit der von der Kommission gemäß Punkt III. a) der oben genannten Empfehlung eingerichteten Sachverständigengruppe und der erste Followup-Bericht belegen zwar die auf nationaler und europäischer Ebene erzielten Fortschritte im Bereich der Mobilität zu Bildungs- und Ausbildungszwecken, lassen aber erkennen, dass es nicht nur um eine Steigerung, sondern vor allem um eine Qualitätsverbesserung der Mobilität geht.

(5) Dieses Ziel kann durch die Annahme einer Qualitätscharta für Mobilität - in Form einer Empfehlung - erreicht werden, in der eine Reihe entsprechender Grundsätze zur freiwilligen Umsetzung festgelegt sind.

(6) Da die Charta die Grundprinzipien der Mobilität zu Bildungs- und Ausbildungszwecken beinhaltet, ist sie ein Referenzrahmen, der helfen soll, Austauschprojekte zu fördern, die Anrechnung von Studienzeiten weiterzuentwickeln und gegenseitiges Vertrauen zwischen den Behörden, Organisationen und allen an Mobilität Interessierten aufzubauen.

(7) Der Nutzen der Mobilität hängt stark von der Qualität der praktischen Rahmenbedingungen ab, d.h. von Vorbereitung, Unterstützung und Anrechnung. Mittels sorgfältiger Planung und entsprechender Evaluierung können die beteiligten Personen und Organisationen den Wert einer Mobilitätsphase deutlich steigern.

(8) Die betreffenden Grundsätze sollten nicht nur für die Phase der Mobilität selbst gelten, sondern auch für die Zeit davor und danach.

(9) Im Vorfeld sollte ein Lernplan erstellt werden. Die Teilnehmerinnen brauchen auch eine allgemeine Vorbereitung.

(10) Die Qualität des Auslandsaufenthaltes lässt sich auch dadurch verbessern, dass die Teilnehmerinnen Mentorinnen erhalten. Detaillierte und klare Angaben zu den im Gastland absolvierten Lehrveranstaltungen und/oder praktischen Kursen sowie deren Dauer tragen dazu bei, die Anrechnung nach der Rückkehr sicher zu stellen.

(11) Alle finanziellen Fragen, vor allem welche finanzielle Unterstützung zur Verfügung steht und wer die Kosten trägt, sollten vor der Abreise geklärt werden.

(12) Transparenz und gute Verwaltung verlangen eine klare Festlegung, welche Organisationen und Personen für die einzelnen Phasen und Aktionen des Mobilitätsprogramms zuständig sind.

(13) Um die Gesamtqualität der Mobilität zu gewährleisten, sollten die oben genannten Grundsätze und Empfehlungen auf alle Arten von Mobilität zu Lernzwecken oder für die berufliche Entwicklung angewendet werden: allgemeine oder berufliche Bildung; formales und nicht formales Lernen einschließlich der Freiwilligentätigkeit junger Menschen; Kurzzeit- und Langzeitmobilität; für schulisches, universitäres oder Arbeitsplatz bezogenes Lernen; für junge und erwachsene Lernende usw.

(14) Die Mitgliedstaaten können die Umsetzung der Charta den Gegebenheiten, d.h. spezifischen Situationen und Programmen, anpassen. Sie können die Einhaltung einiger Punkte verpflichtend vorschreiben und bei anderen Punkten freistellen.

(15) Da die Ziele dieser an alle Mitgliedstaaten gerichteten Empfehlung auf Gemeinschaftsebene besser erreicht werden können, kann die Gemeinschaft unter Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips gemäß Artikel 5 des Vertrages aktiv werden. Die vorliegende Empfehlung entspricht dem im selben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit insofern, als sie nicht über zur Erreichung dieser Ziele notwendige Maßnahmen hinausgeht.


EMPFEHLEN den Mitgliedstaaten, die beiliegende Europäische Qualitätscharta für Mobilität als ein Instrument für die persönliche und berufliche Entwicklung anzunehmen.
FORDERN die Mitgliedstaaten auf, in ihre Berichte für das Arbeitsprogramm "Allgemeine und berufliche Bildung 2010" eine allgemeine Information zu und Bewertung der als Antwort auf die oben dargelegten Empfehlungen durchgeführten Aktionen aufzunehmen, und zwar ab dem zweiten Jahr nach der Verabschiedung dieser Empfehlung.
FORDERN die Kommission auf,

Brüssel, den
Im Namen des Europäischen ParlamentsDer Präsident
Im Namen des RatesDer Präsident

Anhang

Europäische Qualitätscharta für Mobilität

Die Stakeholder zeigten schon immer großes Interesse an Mobilität; der Aktionsplan zur Förderung der Mobilität (2000)15 sowie die Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juli 0116 haben diese Entwicklung noch verstärkt. Die Empfehlung war breit angelegt, behandelte eine ganze Reihe wichtiger Mobilitätsfragen und hatte als Zielgruppe alle vor Augen, die von einer (formalen oder nicht formalen) Lernerfahrung im Ausland profitieren könnten, wie z.B. Studierende, Lehrkräfte, Ausbilderinnen, Freiwillige und in Ausbildung stehende Personen. Die Charta ist integraler Bestandteil der vorliegenden zweiten Empfehlung, die zwar ebenso breit angelegt ist, sich jedoch laut Vorschlag der Sachverständigengruppe, die der ersten Empfehlung17 folgend eingerichtet wurde, auf die qualitativen Aspekte der Mobilität konzentriert. Sie soll dazu beitragen, dass die Teilnehmerinnen die Mobilitätserfahrung sowohl im Gastland als auch - nach ihrer Rückkehr - im Heimatland positiv erleben.

Die Charta legt eine Reihe von Leitlinien für die Einzelmobilität junger Menschen oder Erwachsener zum Zweck des formalen oder nicht formalen Lernens sowie für ihre persönliche und berufliche Entwicklung fest. Sie ist als Referenzgrundlage konzipiert. Der Inhalt der Charta kann entsprechend der Dauer der Mobilitätsphase und den Besonderheiten der verschiedenen Bildungs-, Ausbildungs- und Jugendaktivitäten sowie den Bedürfnisse der Teilnehmerinnen angepasst werden. Die Qualitätsleitlinien sind zwar primär für die Mobilität zu Lernzwecken konzipiert, lassen sich aber auch sinnvoll für andere Arten der Mobilität, wie z.B. der Mobilität zu Erwerbszwecken, einsetzen.

1. Beratung und Information

Potenzielle Kandidatinnen erhalten Zugang zu zuverlässigen Beratungs- und Informationsquellen für Mobilitätsangebote und die Bedingungen, unter denen sie diese nutzen können.

2. Lernplan

Jeder Mobilitätsphase zu Bildungs- oder Ausbildungszwecken hat die Erstellung eines Lernplans vorauszugehen, dem alle Beteiligten, d.h. die Entsende-, die Aufnahmeorganisation und der/die TeilnehmerIn zustimmen müssen. Dieser Plan legt die Ziele und erwarteten Ergebnisse fest und wie diese erreicht werden sollen.

3. Personalisierung

Mobilität zu Bildungs- oder Ausbildungszwecken ist soweit wie möglich auf den persönlichen Lernweg, die Fähigkeiten und die Motivation der Teilnehmerinnen abzustimmen und so zu konzipieren, dass sie diese Aspekte weiterentwickelt oder ergänzt.

4. Allgemeine Vorbereitung

Ein besonders wichtiger Punkt ist die Vorbereitung der Teilnehmerinnen, die auf ihre spezifischen Bedürfnisse zugeschnitten sein muss. Sie sollte - je nach Bedarf - sprachliche, pädagogische, praktische, administrative, rechtliche, persönliche, kulturelle und finanzielle Aspekte beinhalten.

5. Sprachliche Aspekte

Effizientes Lernen setzt Fremdsprachenkenntnisse voraus. Die Teilnehmerinnen, aber auch die Entsende- und Aufnahmeeinrichtungen, haben auf die sprachliche Vorbereitung besonderen Wert zu legen. Mobilitätsregelungen sollten folgende Punkte beinhalten:

6. Logistische Unterstützung

Die Teilnehmerinnen sind angemessen logistisch zu unterstützen. Das kann Informationsangebote und Hilfestellung in folgenden Bereichen umfassen: Reisevorbereitungen, Versicherung, Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung, Sozialversicherung, Unterkunft sowie allfällige andere praktische Aspekte einschließlich für den Aufenthalt relevante Sicherheitsbelange.

7. Mentoring

Die Aufnahmeorganisationen (Bildungseinrichtung, Jugendorganisation, Unternehmen usw.) stellen Mentorinnen, die die Integration der Teilnehmerinnen in die Gastumgebung unterstützen und als Ansprechpersonen fungieren.

8. Anrechnung

Ist ein im Ausland absolvierte Studien- oder Praktikumsphase integraler Bestandteil eines Regelstudiums oder einer formalen Ausbildung, so ist dies im Lernplan zu vermerken. Um eine angemessene Anrechnung und Zertifizierung zu gewährleisten, sind die Teilnehmerinnen entsprechend zu unterstützen. Die Form der Anrechnung ist im Lernplan festzulegen. Für andere Arten der Mobilität, vor allem im Rahmen nicht formaler Bildung und Ausbildung, ist eine Bestätigung auszustellen, mit der die Teilnehmerinnen ihre aktive Teilnahme und die Erreichung der Lernziele ausreichend und glaubhaft nachweisen können.

9. Wiedereingliederung und Evaluierung

Nach ihrer Rückkehr werden die Teilnehmerinnen beraten, wie sie ihre während des Auslandsaufenthaltes erworbenen Fertigkeiten und Kompetenzen nutzen können. Personen, die nach einer langen Mobilitätsphase zurückkehren, sind bei der Wiedereingliederung in das soziale, Bildungs- oder Berufsumfeld in ihrem Heimatland in geeigneter Form zu unterstützen. Die Teilnehmerinnen evaluieren die gewonnene Erfahrung gemeinsam mit den verantwortlichen Organisationen und überprüfen, ob die Lernplanziele erreicht wurden.

10. Verpflichtungen und Zuständigkeiten

Die Verpflichtungen, die sich aus diesen Qualitätskriterien ergeben, sind klar zu definieren und allen Beteiligten, auch den Teilnehmerinnen, mitzuteilen. Sie sind schriftlich zu bestätigen, damit die Zuständigkeiten allen Betroffenen klar sind.


1 Das Programm SOKRATES umfasst mehrere Teilbereiche: Schulen (COMENiUS), Hochschulbereich (ERASMUS) und Erwachsenenbildung (GRUNDTViG). Das Programm Leonardo DA VINCi deckt den Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung ab.
2 ABl. L 215 vom 09.08.2001, S. 30.
3 KOM (2002) 72 endgültig.
4 KOM (2001) 331 endgültig vom 20.6.2001.
5 Entschließung des Rates vom 10.12.2001, ABl. C 367 vom 21.12.2001.
6 KOM (2003) 685 endgültig, Ratsdokument 6905/04 EDUC 43.
7 http://eu2004.minocw.nl/docs/nl/presidency_conclusions_rotterdam.pdf
8 ABl. L 75 vom 22.03.2005.
9 ABl. C vom , S. .
10 ABl. C vom , S. .
11 ABl. C vom , S. .
12 ABl. C vom , S. .
13 Lissabonner Strategie, Schlussfolgerungen der Ratspräsidentschaft: http://www.kbn.gov.pl/is2000/pdf/word5.PDF
14 Empfehlung 2001/613/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juli 2001 über die Mobilität von Studierenden, in der Ausbildung stehenden Personen, Freiwilligen, Lehrkräften und Ausbildern in der Gemeinschaft, ABl. L 215 vom 9.8.2001, S. 30.
15 Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 14. Dezember 2000 zur Festlegung eines Aktionsplans zur Förderung der Mobilität, ABl. C 371 vom 23.12.2000.
16 ABl. L 215 vom 08.08.2001, S. 30.
17 KOM (2004) 21.