Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss: Bewertung der nationalen Reglementierungen des Berufszugangs - COM (2013) 676 final

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Hinweis: vgl.
Drucksache 834/11 (PDF) = AE-Nr. 111108 und
Drucksache 363/12 (PDF) = AE-Nr. 120450

Brüssel, den 2.10.2013 COM (2013) 676 final

1. Einleitung

Die europäischen Volkswirtschaften leiden unter den Folgen der Finanzkrise und deren Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen. Im gesamten Binnenmarkt denken die nationalen Regierungen über Möglichkeiten zur Förderung der Beschäftigung und der Wiederherstellung des Wirtschaftswachstums nach. In ihrer Mitteilung vom Juni 2012 über die Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie1 hat die Kommission herausgestellt, wie wichtig es vor diesem Hintergrund ist, auch weiterhin einen geeigneten rechtlichen Rahmen für Dienstleistungen der freien Berufe zu gewährleisten. Die überarbeitete Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, über die der Rat, das Europäische Parlament und die Kommission im Juni 2013 politische Einigung erzielt haben, trägt diesen Erwägungen Rechnung. In der Richtlinie wird eine neue Strategie gefordert, der zufolge jeder Mitgliedstaat seine Vorschriften über Berufsqualifikationen, die den Zugang zu Berufen oder Berufsbezeichnungen2 regeln, zu überprüfen und zu modernisieren hat. Die vorliegende Mitteilung enthält einen Arbeitsplan zur Durchführung einer derartigen Überprüfung. Die Erleichterung des Berufszugangs, insbesondere durch einen flexibleren und transparenten rechtlichen Rahmen in den Mitgliedstaaten, würde die Mobilität qualifizierter Fachkräfte innerhalb des Binnenmarkts und die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen der freien Berufe erleichtern. Dies dürfte sich auch positiv auf die Beschäftigungslage auswirken und das Wirtschaftswachstum ankurbeln, zumal allein die Dienstleistungen der freien Berufe etwa 9 % des BIP in der Europäischen Union ausmachen.

Um das Wachstumspotenzial zu fördern und den Weg zum wirtschaftlichen Aufschwung zu festigen, sollte die Überprüfung der reglementierten Berufe ein vorrangiges Vorhaben sein. Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten daher nachdrücklich auf, nicht bis zum offiziellen Inkrafttreten der überarbeiteten Berufsanerkennungsrichtlinie (Ende 2013) zu warten, sondern bereits jetzt mit der Überprüfung der auf nationaler Ebene geltenden Qualifikationsanforderungen für reglementierte Berufe und des Umfangs der vorbehaltenen Tätigkeiten zu beginnen. Der vom Europäischen Rat im Juni 2012 beschlossene Pakt für Wachstum und Beschäftigung sieht die Durchführung der Kommissionsmitteilung vor, "unter anderem durch eine strikte gegenseitige Begutachtung der nationalen Beschränkungen und rasches Handeln, um ungerechtfertigte Beschränkungen zu beseitigen". Desgleichen hat das Europäische Parlament die Kommission aufgefordert, zu ermitteln, in welchen Bereichen die Mitgliedstaaten den Berufszugang unverhältnismäßig stark blockieren3. Auch im Rahmen des umfassenden Konzepts zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, auf das sich der Europäische Rat auf seiner Tagung vom 28. Juni 2013 geeinigt hat, wurde unterstrichen, dass etwas getan werden muss, um jungen Menschen Aussichten auf einen Arbeitsplatz zu bieten.

Um sicherzustellen, dass alle Mitgliedstaaten ein gemeinsames Ziel verfolgen, wird in dieser Mitteilung ein Rahmen vorgegeben, der es den Mitgliedstaaten ermöglichen soll, bis April 2015 die ersten nationalen Aktionspläne vorzulegen. Das anzustrebende Ergebnis sollte nicht eine Art "Einheitsmodell" sein. Den Aktionsplänen sollten fundierte Einzelfallanalysen der Beschränkungen des Berufszugangs und etwaiger alternativer Regulierungsmechanismen zugrunde liegen. Dies war eine der Schlussfolgerungen eines Workshops vom 17. Juni 2013, an dem Vertreter von nationalen Ministerien und Berufsverbänden teilnahmen. Eine umfassende gegenseitige Evaluierung, die in den kommenden zwei Jahren durchgeführt werden soll, dürfte in allen Mitgliedstaaten zu spürbaren Veränderungen führen. In diesem Zeitraum wird die Kommission auch im Rahmen ihrer im November 2014 und November 2015 vorzulegenden jährlichen Berichte über den Stand der Integration des Binnenmarkts damit beginnen, eine Bilanz der Fortschritte und der noch vorhandenen Defizite zu ziehen.

Die Kommission hat an mehrere Mitgliedstaaten einschlägige länderspezifische Empfehlungen gerichtet. Die in dieser Mitteilung beschriebene gegenseitige Evaluierung ist davon getrennt zu sehen; sie berührt nicht die im Rahmen des Europäischen Semesters eingegangenen Verpflichtungen.

Um ein möglichst vollständiges Bild der Beschränkungen des Zugangs zu und der Ausübung von reglementierten Berufen zu geben, wird zeitgleich ein Bericht über die Ergebnisse des im Rahmen der Dienstleistungsrichtlinie durchgeführten Peer-Reviews der Vorschriften über die Rechtsform und die Anforderungen an die Beteiligungsverhältnisse und die Preise, das ebenfalls in der Mitteilung vom Juni 2012 angekündigt worden war, veröffentlicht.

2. warum IST ES wichtig, ALLE Berufe einer überprüfung zu unterziehen?

Die in mehreren Mitgliedstaaten (z.B. Spanien, Polen, Portugal und Slowenien) derzeit stattfindende umfassende Reform der reglementierten Berufe ist ganz im Sinne der Kommission und anderer internationaler Organisationen, die zur Überprüfung der einzelstaatlichen Vorschriften aufrufen. Die OECD hat Indikatoren zur Messung des restriktiven Charakters der Rechtsvorschriften einiger Mitgliedstaaten für bestimmte Berufe und Wirtschaftszweige entwickelt und in diesem Zusammenhang auf den wettbewerbsverzerrenden Charakter dieser Vorschriften hingewiesen4.

In diesem Kapitel werden zum einen die Hauptargumente, mit denen sich regulatorische Zugangsbeschränkungen rechtfertigen lassen, und zum anderen die von einer Öffnung des Zugangs zu derzeit reglementierten Berufen erwarteten Vorteile auf den Prüfstand gestellt. Ferner wird dargelegt, warum es wichtig ist, sämtliche Beschränkungen des Berufszugangs zu erfassen.

2.1 Mögliche Vorteile einer Reglementierung des Berufszugangs

2.1.1 Dem Verbraucher helfen, die Qualität einer Dienstleistung zu bewerten

Für die Verbraucher kann es schwierig sein, das für die Erbringung qualitativ hochwertiger Leistungen erforderliche Qualifikationsniveau der Dienstleistungserbringer einzuschätzen. Die Informationsasymmetrie zwischen Dienstleistern und Verbrauchern hat zur Folge, dass die Verbraucher die Dienstleister nicht in voller Sachkenntnis auswählen können. Der Gefahr potenzieller Fälle von Marktversagen könnte mittels Vorschriften vorgebeugt werden, in denen festgelegt ist, über welches Fachwissen und welche Fachkompetenzen die auf dem Markt operierenden Dienstleister verfügen sollten5. Diese Vorschriften könnten den Verbrauchern die erforderliche Sicherheit bieten.

2.1.2 Das ordnungsgemäße Funktionieren der Wirtschaft in einem Mitgliedstaat unterstützen
Verbraucherschutz und Gemeinwohl

Die Reglementierung von Berufen kann aus Gesundheits- oder Sicherheitsgründen angezeigt sein, um Unfälle aufgrund rechtswidriger Praktiken oder fehlerhafter Produkte zu verhindern. Für die meisten Berufe im Gesundheitswesen beispielsweise ist eine qualifizierte Aus- und Weiterbildung, einschließlich Praktika, erforderlich. Außerdem gibt es Dienstleistungen, die für die gesamte Gesellschaft von Nutzen sind und daher als Dienste für das Gemeinwohl betrachtet werden. Eine Reglementierung dieser Dienste könnte sinnvoll sein, um ein angemessenes Angebot und hochwertige Qualität sicherzustellen.

Auswirkungen auf Dritte

Dienstleistungen der freien Berufe können Auswirkungen auf Dritte haben. Durch die Reglementierung kann sichergestellt werden, dass die Dienstleister der Tatsache angemessen Rechnung tragen, dass ihre Tätigkeiten nicht nur auf diejenigen Auswirkungen haben, die für die Dienste bezahlen, sondern auch auf Dritte. Die Abschlüsse eines Unternehmens beispielsweise können eine Abschlussprüfung erfordern, weil dies im Interesse der Anleger ist - die den Abschlüssen vertrauen können sollten -- und nicht nur im Interesse des Unternehmens, das das Honorar des Prüfers bezahlt.

2.2 Vorteile einer Öffnung des Berufszugangs

2.2.1 Größere Auswahl für den Verbraucher zu einem niedrigeren Preis Niedrigere Preise

Beschränkungen des Berufszugangs begrenzen die Zahl derer, denen die Erbringung einer Dienstleistung gestattet ist. Dies hat zur Folge, dass das Fachkräfteangebot nicht vom Markt gesteuert wird, was sich als problematisch erweisen kann, wenn sich die Nachfrage ändert. Die Folge könnten wirtschaftliche Vorteile für etablierte Betreiber und höhere Preise zu Lasten der restlichen Wirtschaft und der Verbraucher sein. Je unelastischer die Nachfrage nach den Dienstleistungen wäre 6, desto größer wären die Folgen.

Größere Auswahl für die Verbraucher

Übermäßige regulatorische Beschränkungen des Berufszugangs könnten zu einer Marktverzerrung und zu höheren Preisen führen, Dies könnte eine abschreckende Wirkung auf Verbraucher haben, die auf diesen Preisanstieg nicht vorbereitet sind oder die es sich nicht leisten können, den geforderten Preis zu zahlen. In vielen Fällen ist es möglich, den Berufszugang auf andere Weise zu reglementieren - unter Beibehaltung einer guten Dienstleistungsqualität und häufig sogar zu besseren Preisen. Die Verbraucher hätten eine größere Auswahl, und soziale Ungleichheiten zwischen den Verbrauchern können möglicherweise verringert werden.7

2.2.2 Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und Förderung der Beschäftigung auf nationaler Ebene
Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit

Fachkräfte bieten nicht nur Endverbrauchern Dienstleistungen an. In zahlreichen Wirtschaftszweigen sind Dienstleistungen freier Berufe eine Vorleistung, deren Multiplikatoreffekt signifikante volkswirtschaftlich relevante Auswirkungen haben kann. Der Abbau der regulatorischen Zugangsbeschränkungen könnte zu einem größeren Wettbewerb zwischen einer wachsenden Zahl von Fachkräften führen und wiederum ein starker Anreiz sein, qualitativ hochwertige innovative Dienstleistungen zu erbringen und die Betriebskosten ständig zu überprüfen. Eine größere Zahl von Anbietern kann durch stärkeren Wettbewerb auch zu einem höheren Innovationsniveau beitragen. Modernisierte Vorschriften könnten die Fachkräfte ermutigen, ihre Dienste in anderen Mitgliedstaaten anzubieten und so neue Marktchancen für die EU-Wirtschaft zu erschließen, den Wettbewerb zu stärken und größere Wahlmöglichkeiten für die Verbraucher zu schaffen.

Förderung der Beschäftigung

Die Reglementierung des Berufszugangs kann negative Auswirkungen auf die Schaffung von Arbeitsplätzen haben: es kommt zu einer Segmentierung der Arbeitsmärkte, und es ist schwieriger, das Arbeitskräfteangebot an Veränderungen der Verbraucherpräferenzen anzupassen8. Dies hat zur Folge, dass gegen den Arbeitskräftemangel in einigen Berufen nicht ausreichend vorgegangen werden kann, weil die Mobilität innerhalb und zwischen den Berufen durch Vorschriften behindert wird. Der Abbau oder die Abschaffung der Zugangsbeschränkungen könnte den Zugang junger Menschen zum nationalen Arbeitsmarkt erleichtern und gleichzeitig die Mobilität der Fachkräfte aus anderen Mitgliedstaaten ermöglichen.

2.3 Bewertung der ökonomischen Auswirkungen von Reglementierungen

Eine Überprüfung der reglementierten Berufe bietet jedem Mitgliedstaat die Gelegenheit, die Vorteile nationaler Vorschriften zu bewerten und gegen die wirtschaftlichen Kosten abzuwägen.

Diese Art von Analyse existiert in der akademischen Forschung bereits. Allerdings stehen dort nicht so sehr die Beschränkungen selbst im Mittelpunkt, sondern vielmehr die Auswirkungen der Reglementierung auf Schlüsselindikatoren wie Qualität einer Dienstleistung, Honorare der betreffenden Fachkräfte, Preise für die Verbraucher und Auswirkungen auf die Beschäftigung.

Mehrere dieser Studien kommen zu dem Schluss9, dass eine Korrelation zwischen Reglementierung und Qualität einer Dienstleistung nicht nachgewiesen werden kann.

Eine mögliche Erklärung sehen Forscher in der Schwierigkeit für Gesellschaftsgruppen mit niedrigem Einkommen, Dienstleistungen der Angehörigen reglementierter Berufe in Anspruch zu nehmen, die hohe Kosten verursachen würden, weshalb sie letztlich gezwungen sind, auf Doityourself-Lösungen zurückzugreifen. Außerdem ist es in Bezug auf viele Berufe nicht klar, wie sich die Qualität messen lässt.

Andere Studien10 kommen zu dem Ergebnis, dass das Durchschnittshonorar einer Fachkraft, die einen reglementierten Beruf ausübt, wesentlich höher ist als das einer Fachkraft, die einen nicht reglementierten Beruf ausübt, und dass die Einführung einer Reglementierung einen Anstieg der Honorare der Fachkräfte zur Folge haben wird, der sich wahrscheinlich zum Nachteil der Dienstleistungsempfänger in den Preisen niederschlagen wird.

Einschlägige Forschungen in den USA, wo die Vorschriften von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlich sind, ermöglichen einen Vergleich der Auswirkungen der Reglementierung zwischen Bundesstaaten, die den Berufszugang reglementieren und denen, die dies nicht tun. So gibt es beispielsweise Belege dafür, dass das Beschäftigungswachstum in einigen Berufen in den Bundesstaaten, in denen es keine Reglementierung gibt, um 20 % höher war11.

Einschlägige Forschungen in Deutschland 12 führten zu der Schlussfolgerung, dass die Berufsreglementierung negative Auswirkungen auf die Arbeitsplatzmobilität von Fachkräften haben könnte, da es Fachkräfte daran hindere, rasch auf Arbeitsmarktchancen zu reagieren.

2.4 Fachkräften die Nutzung der Vorteile des Binnenmarkts ermöglichen

Marktteilnehmer, die Dienstleistungen freier Berufe grenzübergreifend erbringen oder eine Stelle in einem anderen Mitgliedstaat antreten wollen, sehen sich mit einer Fülle von regulatorischen Beschränkungen für den Berufszugang konfrontiert. Der Begriff des "reglementierten Berufs", so wie er in der Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen 13 definiert ist, erfasst nicht nur berufliche Tätigkeiten sondern auch die Führung einer Berufsbezeichnung, die durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften auf Personen beschränkt ist, die über eine bestimmte Berufsqualifikation verfügen.

Innerhalb der Union variiert die Zahl der reglementierten Berufe 14 und reicht je nach Mitgliedstaat von weniger als 50 bis mehr als 40015. Die durchschnittliche Zahl pro Mitgliedstaat wird derzeit auf 157 geschätzt. Bei den meisten reglementierten Berufen handelt es sich um Berufe im Gesundheitssektor (mehr als 40 % aller reglementierten Berufe in der EU) und in den Bereichen Bildungswesen, Unternehmensdienstleistungen, Baugewerbe, Handel und Verkehr. Die großen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten stellen ein Hindernis für Fachkräfte dar, die im Ausland arbeiten oder ihre Dienste grenzübergreifend erbringen wollen.

Moderne und flexible Vorschriften über den Berufszugang dürften die Freizügigkeit von Fachkräften erleichtern und dazu beitragen, die Probleme der Arbeitslosigkeit und des Fachkräftemangels, mit denen mehrere Länder der Union zu kämpfen haben, anzugehen. Moderne Vorschriften dürften es auch von Fachkräften geleiteten Unternehmen erleichtern, ihre Dienste EU-weit anzubieten, die potenziellen Größen- und Verbundvorteile in einem größeren Markt zu nutzen, ohne eine Vielzahl an nationalen Vorschriften einhalten zu müssen, und eine effizientere Ressourcenverteilung zu fördern.

2.5 Notwendigkeit vollständiger Transparenz und einer fundierten Analyse

Die Ergebnisse der vorstehenden Analyse sollten für die Mitgliedstaaten ein Anreiz sein, die Auswirkungen potenzieller Beschränkungen des Handels mit Dienstleistungen freier Berufe im Binnenmarkt umfassend zu überprüfen und besser zu verstehen, welche Rolle die reglementierte Berufe für ihre Volkswirtschaft spielen.

Das im Rahmen der Dienstleistungsrichtlinie durchgeführte Peer-Review der Vorschriften über die Rechtsform und die Anforderungen an die Beteiligungsverhältnisse und die Preise hat die bestehenden Beschränkungen der Ausübung bestimmter Berufe zu Tage gefördert und gezeigt, welche Schwierigkeiten Fachkräfte haben, die ihren Beruf in einem anderen Mitgliedstaat ausüben wollen. Einige dieser Anforderungen haben zur Folge, dass die Gründung von Tochterunternehmen in der Praxis unmöglich ist. Zwar haben einige Mitgliedstaaten ihre einschlägigen Vorschriften im Rahmen der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie geändert, aber das Peer-Review hat gezeigt, dass zahlreiche Mitgliedstaaten keine fundierte Bewertung der Verhältnismäßigkeit der geltenden Vorschriften vorgenommen haben.

Die anstehende gegenseitige Evaluierung bietet jedem Mitgliedstaat die Gelegenheit, die Beschränkungen des Zugangs zu beruflichen Tätigkeiten nach strengen Kriterien zu bewerten. Vollständige Transparenz in Bezug auf die in den einzelnen Mitgliedstaaten reglementierten Berufe ist ein unverzichtbarer erster Schritt. Die Mitgliedstaaten sollten anschließend alle Zugangsbeschränkungen darauf überprüfen, ob sie notwendig und verhältnismäßig sind, wobei dem gesellschaftlichen Nutzen und den wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Beschränkungen in gebührendem Maße Rechnung zu tragen ist. Insbesondere sollten die Auswirkungen dieser Reglementierungen auf Qualität, Preis und Beschäftigung berücksichtigt werden.

Um die Mitgliedstaaten bei ihrer Arbeit zu unterstützen, plant die Kommission, parallel zur Evaluierung im ersten Halbjahr 2014 ein Wirtschaftsgutachten in Auftrag zu geben, auf dessen Grundlage vergleichende Fallstudien durchgeführt werden können, um die Vorteile einer Reglementierung, einer Nichtreglementierung oder unterschiedlicher Regulierungsansätze detaillierter zu untersuchen.

3. WIE WIRD die Kommission die gegenseitige Evaluierung Durchführen?

Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten auf, möglichst bald eine gegenseitige Evaluierung durchzuführen. Die Mitgliedstaaten, die im Rahmen des Europäischen Semesters und des Memorandum of Understanding bereits mit dem Screening der reglementierten Berufe begonnen haben, sollten ihre Arbeit auf der Grundlage des in Bezug auf die Reduzierung der Zugangsbeschränkungen bereits Erreichten fortsetzen.

Die Bewertung der den Berufszugang beschränkenden Vorschriften erfordert für jeden Beruf eine individuelle Analyse. Bei den derzeit in Polen, Portugal und Slowenien stattfindenden Reformen wird dieser Ansatz verfolgt. Auf dem Workshop vom 17. Juni 2013 wurde ebenfalls die Notwendigkeit bekräftigt, die Spezifitäten jedes Berufs einer Einzelbewertung zu unterziehen.

Allerdings sollten die Mitgliedstaaten nicht isoliert voneinander arbeiten, um dann das Endergebnis ihrer nationalen Bewertung vorzustellen. Es ist von zentraler Bedeutung, dass die Mitgliedstaaten ihre Systeme zu einem möglichst frühen Zeitpunkt, bevor jeder Mitgliedstaat seinen endgültigen Standpunkt festlegt, vergleichen können.

3.1 Umfang

In Artikel 59 der überarbeiteten Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen sind drei Kriterien dargelegt, die bei der Überprüfung der Anforderungen im Zusammenhang mit dem Berufszugang zugrunde zu legen sind. Die Kriterien lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

3.2 Bewertung der Berechtigung der Reglementierung

Für jeden reglementierten Beruf sollten die Mitgliedstaaten den zwingenden Grund des Allgemeininteresses, der einen bestimmten Rechtsrahmen rechtfertigt, angeben und prüfen, ob diese Rechtfertigung auch heute noch gültig ist.

3.2.1 Mehrschichtigkeit der Reglementierung

Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, im Rahmen ihrer Diskussionen über die Notwendigkeit der Reglementierung auch zu untersuchen, welche Schutzmaßnahmen bereits vorhanden sind, z.B. Vorabregulierungen oder nachträgliche Regulierungen der Dienstleistungen der verschiedenen Berufe in Form von Genehmigungsverfahren, Einhaltung technischer Normen und von Sicherheitsstandards sowie Kontrollverfahren. Die Reglementierung des Zugangs zu Berufen, deren Ausübung eine besondere Berufsqualifikation erfordert, sollte nur beibehalten werden, wenn die bestehenden Schutzmaßnahmen nicht ausreichen. Anderenfalls könnte es zu Überschneidungen oder zu großem bürokratischen Aufwand für die Dienstleistungsempfänger kommen.

Aus dem gleichen Grund sollten auch Reglementierungen der Ausübung beruflicher Tätigkeiten berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere für die Reglementierungen, die im Rahmen des im Zusammenhang mit der Dienstleistungsrichtlinie durchgeführten Peer-Reviews der Vorschriften über die Rechtsform und die Anforderungen an die Beteiligungsverhältnisse untersucht wurden. Die Mitgliedstaaten sollten die kumulierte Wirkung all dieser den gleichen Beruf betreffenden Beschränkungen, gegebenenfalls auch die obligatorische Mitgliedschaft in einem Berufsverband, untersuchen. Die Aufrechterhaltung von Qualifikationsanforderungen könnte in einigen Fällen Sinn machen, sofern andere Arten von Beschränkungen aufgehoben oder wesentlich überarbeitet wurden.

3.2.2 Schutzmaßnahmen durch Bildungssysteme oder Arbeitgeber

Zahlreiche Mitgliedstaaten haben staatlich gesteuerte Ausbildungsprogramme, einschließlich Lehrzeiten, entwickelt, um Einzelpersonen auf bestimmte berufliche Tätigkeiten16 vorzubereiten, die nicht reglementiert sein können. Die erworbenen Qualifikationen sind eine Qualitätsgarantie für Arbeitgeber, wenn der Berufszugang nicht reglementiert ist und es keine vorbehaltenen Tätigkeiten gibt.

Ein weiterer wichtiger Faktor, den es zu berücksichtigen gilt, ist die Art und Weise, wie der Beruf ausgeübt wird: Die Reglementierung eines Berufs, der hauptsächlich eigenverantwortlich ausgeübt wird, könnte unter Umständen als erforderliche Garantie betrachtet werden. Die Situation ist eine andere, wenn der Beruf hauptsächlich von Fachkräften ausgeübt wird, die sich in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis bei privatwirtschaftlichen Unternehmen oder öffentlichen Stellen befinden, bei denen die Arbeitgeber bei der Prüfung der Kompetenzen einzustellender Mitarbeiter eine Rolle spielen und im Fall von Unfällen oder bei Beschwerden haftbar sind.

Diese beiden Faktoren - Fachausbildung und Ausübung des Berufs im Angestelltenverhältnis - sollten bei der Bewertung der Notwendigkeit der Reglementierung berücksichtigt werden. Sie erklären beispielsweise, warum der Beruf des Ingenieurs in Frankreich nicht reglementiert ist: Dort sind 95 % der Ingenieure in einem Unternehmen oder in der öffentlichen Verwaltung beschäftigt, und das wichtigste Einstellungskriterium ist der Ruf der Ingenieurschule, die der künftige Mitarbeiter absolviert hat.

3.2.3 Vorschriften auf regionaler Ebene

Auf regionaler Ebene geltende Vorschriften für Qualifikationen sollten der gleichen Bewertung der Notwendigkeit unterzogen werden wie die auf zentraler Ebene eines Landes geltenden Vorschriften. Allerdings stellt sich in diesem Zusammenhang eine weitere Herausforderung: Die gegenseitige Anerkennung von Qualifikationen zwischen den Regionen eines Mitgliedstaats muss gewährleistet sein, um sicherzustellen, dass Fachkräfte dieses Landes oder aus einem anderen Mitgliedstaat im gesamten Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats ihren Beruf ausüben können. Wie in Artikel 10 Absatz 4 der Dienstleistungsrichtlinie vorgesehen, sollte mit jeder Genehmigung grundsätzlich das gesamte Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats abgedeckt werden. In Spanien wird in Kürze eine umfassende Reform der einschlägigen Vorschriften anlaufen.

3.3 Bewertung der Verhältnismäßigkeit der Reglementierung

In den Fällen, in denen die Reglementierung des Zugangs zu einem Beruf durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses begründet ist, sind die Mitgliedstaaten auch aufgefordert, zu untersuchen, in welcher Form und auf welcher Ebene die Reglementierung erfolgt, und nicht gerechtfertigte Beschränkungen oder Hindernisse zu beseitigen.

3.3.1 Umfang und Anzahl der vorbehaltenen Tätigkeiten

Im Rahmen der Überprüfung sollte das Niveau der geforderten Qualifikation vor dem Hintergrund der Komplexität der im betreffenden Beruf auszuübenden Aufgaben untersucht werden. In einigen Fällen könnte es möglich sein, den regulatorischen Rahmen zu überarbeiten, ohne das angestrebte Ziel zu gefährden, indem z.B. der Umfang der vorbehaltenen Tätigkeiten verringert, der Zugang zu einigen vorbehaltenen Tätigkeiten oder anderen reglementierten Berufen gewährleistet oder ein weniger restriktiver Ansatz gewählt wird. Wenn beispielsweise Fachkräfte aus dem Ausland einen teilweisen Zugang zu einigen, nicht aber allen vorbehaltenen Tätigkeiten beantragen, könnte dies ein Indikator dafür sein, ob die bestehende Reglementierung noch verhältnismäßig ist.

3.3.2 Auswirkungen auf die Dienstleistungsempfänger und auf den Markt

Im Rahmen der Bewertung der Verhältnismäßigkeit der Reglementierung sollten auch die Auswirkungen der Reglementierung auf die Empfänger der Dienstleistungen untersucht werden. Grundsätzlich könnte sich jede Berufsreglementierung mit dem Argument des Verbraucherschutzes rechtfertigen lassen, um die mit den betreffenden beruflichen Tätigkeiten verbundenen Risiken zu reduzieren. Allerdings sollten in jedem Mitgliedstaat auch wirtschaftliche Faktoren wie Preise, Löhne, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungssituation (siehe Punkte 2.2 und 2.3) geprüft und mit den anderen Mitgliedstaaten diskutiert werden.

3.3.3 Alternative Modelle im Vergleich

Die Mitgliedstaaten verwenden unterschiedliche Formen der Reglementierung beruflicher Tätigkeiten. Der gängigste Ansatz behält das Recht zur Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten durch nationale Rechtsvorschriften oder Bestimmungen qualifizierten Fachkräften vor. Andere Formen der Reglementierung umfassen den Schutz von Berufsbezeichnungen oder obligatorische oder in einigen Fällen sogar freiwillige Zertifizierungssysteme (siehe Anhang I).

Mitgliedstaaten, die derartige Systeme anwenden, werden aufgefordert, schriftlich darzulegen, wie die obligatorischen und in einigen Fällen sogar freiwilligen Zertifizierungssysteme in der Praxis funktionieren. Dabei sollten sie sich auf die Durchführung der Akkreditierung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 als hoheitliche Tätigkeit beziehen, und zwar sowohl in dem Bereich, in dem sie freiwillig ist als auch in dem Bereich, in dem sie obligatorisch ist und die zur Anerkennung akkreditierter Zertifikate führt.

Die gegenseitige Evaluierung sollte für die Mitgliedstaaten, die Berufe in den betreffenden Branchen nicht reglementieren, eine Gelegenheit sein, über alternative Verfahren, die einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses anerkennen, zu informieren. Dabei sollten sich Mitgliedstaaten, die unterschiedliche Ansätze verfolgen, über die Auswirkungen aller Arten formeller und informeller Beschränkungen des Zugangs zu beruflichen Tätigkeiten austauschen.

4. der Arbeitsplan

Der Beginn des in der Tabelle in Anhang II skizzierten Verfahrens ist für November 2013 vorgesehen. Jeder Mitgliedstaat sollte zunächst eine exakte Bestandsaufnahme aller auf nationaler Ebene reglementierten Berufe vornehmen und anschließend für jeden Beruf prüfen, ob die Reglementierung gerechtfertigt ist. Der nächste wichtige Schritt sollte der frühestmögliche Vergleich der Ergebnisse im Rahmen einer breit angelegten gegenseitigen Evaluierung zwischen allen Mitgliedstaaten sein. Die Kommission wird über die Fortschritte der Mitgliedstaaten bei der gegenseitigen Evaluierung in regelmäßigen Abständen Bericht erstatten. Bereits im April 2015 sollten die Mitgliedstaaten Vorschläge für erste Maßnahmen zur Überprüfung der Zugangsbeschränkungen für bestimmte berufliche Tätigkeiten vorlegen.

Die gegenseitige Evaluierung sollte nach Wirtschaftszweigen vorgenommen werden, damit dem wirtschaftlichen Kontext Rechnung getragen werden kann (Wettbewerb, Preise, Beschäftigung, Arbeitskräftemangel, Dienstleistungsqualität). Um die Arbeit zu erleichtern, sollten die Überprüfung und die gegenseitige Evaluierung in zwei Phasen mit genauen Zeitplänen durchgeführt werden, wobei jeweils eine andere Gruppe von Wirtschaftszweigen behandelt wird. Die erste Gruppe sollte alle reglementierten Berufe in den Branchen umfassen, in denen die Modernisierung des Regulierungsrahmens einen wesentlichen Beitrag zu Beschäftigung und Wachstum leisten könnte. Dazu zählen Unternehmensdienste, Baugewerbe, Verarbeitendes Gewerbe, Immobiliengewerbe, Verkehr, Groß- und Einzelhandel. Die zweite Gruppe sollte die restlichen Wirtschaftszweige umfassen: (Bildung, Unterhaltung, Gesundheit und soziale Dienste, andere Netzwerkdienste als Verkehr, öffentliche Verwaltung, Tourismus, sonstige Dienstleistungen/Tätigkeiten).

Parallel dazu wird die Kommission im ersten Halbjahr 2014 ein Wirtschaftsgutachten in Auftrag geben (siehe Punkt 2.5). Außerdem wird die Kommission wie im Juni 2013 jährliche Workshops durchführen, zu denen sie Interessenträger und Berufsvertreter einladen wird.

Nachdem jede Gruppe reglementierter Berufe Gegenstand einer Überprüfung und der gegenseitigen Evaluierung war, werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, nationale Aktionspläne vorzulegen, die auch bereits eingeleitete Maßnahmen umfassen können. In den Aktionsplänen sollte für jeden reglementierten Beruf die am besten geeignete Maßnahme aufgeführt werden. Dabei bieten sich folgende Optionen:

Mitgliedstaaten, die von den Berufsverbänden aufgefordert werden, neue Reglementierungen einzuführen, sollten in ihrem Aktionsplan eindeutige und transparente Kriterien aufführen, nach denen die Forderungen neuer Reglementierungen geprüft werden.

Um den Prozess zu erleichtern, schlägt die Kommission vor, in drei Phasen mit genauen Zeitplänen vorzugehen und den Mitgliedstaaten in jeder Phase zeitnah Rückmeldung zu geben.

4.1 Erste Phase: Bestandsaufnahme der reglementierten Berufe in jedem Mitgliedstaat

Ab November 2013 prüfen die Mitgliedstaaten die in der Kommissionsdatenbank der reglementierten Berufe bereits verfügbaren Informationen und liefern sämtliche zusätzlichen Angaben, einschließlich zum Schutz von Berufsbezeichnungen und zu beruflichen Tätigkeiten, die einer obligatorischen Zertifizierung bedürfen. In den Fällen, in denen eine obligatorische Zertifizierung auf eine EU-Richtlinie zurückgeht (z.B. im Straßenverkehr), teilen die Mitgliedstaaten der Kommission mit, auf welches Rechtsinstrument der EU sich die Zertifizierung bezieht. Außerdem liefern die Mitgliedstaaten für jeden reglementierten Beruf eine Beschreibung der vorbehaltenen Tätigkeiten. Es wird davon ausgegangen, dass die Datenbank der reglementierten Berufe bis Februar 2014 alle einschlägigen Daten enthält.

Die Kommission beabsichtigt, im März 2014 eine Europakarte der reglementierten Berufe zu veröffentlichen.

4.2 Zweite Phase (November 2013 - April 2015): Überprüfung, Evaluierung und nationale Aktionspläne für die erste Gruppe von Wirtschaftszweigen

Zwischen November 2013 und Mai 2014 unterziehen die Mitgliedstaaten die Berufe der ersten Gruppe einer detaillierten Prüfung. Ab Juni 2014 wird die Kommission Sitzungen organisieren, auf denen die Mitgliedstaaten sich über die Ergebnisse ihrer nationalen Überprüfungen austauschen können. Alle Mitgliedstaaten werden Gelegenheit haben, die Entwicklungen und ersten Schlussfolgerungen anderer Mitgliedstaaten zu kommentieren.

Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, den Ergebnissen der Kommission, die sie im November 2014 in ihrem jährlichen Bericht über den Stand der Integration des Binnenmarkts (zusammen mit einem detaillierteren Evaluierungsbericht) vorstellen wird, Rechnung zu tragen.

Auf der Grundlage der Überprüfung und der gegenseitigen Evaluierung dürfte jeder Mitgliedstaat in der Lage sein, bis April 2015 einen ersten Bericht über die Berufe der ersten Gruppe vorzulegen und anzugeben, welche Maßnahmen er bereits eingeleitet hat oder einzuleiten beabsichtigt. Die aus diesen Berichten gewonnenen Erkenntnisse sollten in nationale Reformprogramme einfließen, die im Rahmen des Europäischen Semesters zeitgleich vorzulegen sind. Die Erkenntnisse könnten auch bei der Ausarbeitung der länderspezifischen Empfehlungen 2015 berücksichtigt werden.

4.3 Dritte Phase (Juni 2014 - Januar 2016): Überprüfung, Evaluierung und nationale Aktionspläne für die zweite Gruppe von Wirtschaftszweigen

Für die Berufe der zweiten Gruppe ist das gleiche Verfahren anzuwenden wie für die Berufe der ersten Gruppe. Die Kommission wird im November 2015 in ihrem jährlichen Bericht über den Stand der Integration des Binnenmarkts und in einem detaillierteren Evaluierungsbericht umfassende Schlussfolgerungen darlegen. Die Mitgliedstaaten werden bis Januar 2016 einen zweiten Bericht vorlegen und angeben, welche Maßnahmen sie bereits eingeleitet haben oder einzuleiten beabsichtigen. Die aus diesen Berichten gewonnenen Erkenntnisse könnten im Rahmen des Europäischen Semesters 2016 genutzt werden.

Im Juni 2015 und März 2016 wird die Kommission auf der Grundlage der Aktionspläne der Mitgliedstaaten vom Juni 2015 und Januar 2016 gegebenenfalls Abhilfemaßnahmen vorschlagen, zu denen unter anderem die Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren bei Aufrechterhaltung diskriminierender oder unverhältnismäßiger nationaler Anforderungen gehören könnte.

5. Schlussfolgerungen

Die Transparenz in Bezug auf die reglementierten Berufe und der Prozess der gegenseitigen Evaluierung dürften zur Modernisierung der den Berufszugang beschränkenden nationalen Rechtsvorschriften beitragen. Die Ergebnisse dürften die Mobilität der Fachkräfte im Binnenmarkt fördern, zur Schaffung neuer Arbeitsplätze in den betreffenden Wirtschaftszweigen beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit dieser und damit verbundener Branchen verbessern und Wachstumsmöglichkeiten erschließen.

Die Kommission erwartet, dass die Mitgliedstaaten sich voll und ganz für dieses Vorhaben einsetzen und ausreichende Finanzmittel für die Teilnahme an der Überprüfung und der gegenseitigen Evaluierung der nationalen Vorschriften bereitstellen. Die Kommission ist sich des Umfangs der auf nationaler Ebene durchzuführenden Arbeiten bewusst und ist bereit, wo immer dies möglich ist, Unterstützung zu leisten.

Anhang I
Unterschiedliche Ansätze für die Reglementierung beruflicher Tätigkeiten

1. Reglementierte Berufe in Verbindung mit vorbehaltenen Tätigkeiten

Der gängigste Ansatz besteht darin, das Recht zur Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten durch nationale Rechtsvorschriften oder Bestimmungen qualifizierten Fachkräften vorzubehalten. Im Rahmen dieses Ansatzes legen die Mitgliedstaaten eine Reihe beruflicher Tätigkeiten fest, deren Ausübung ihrer Auffassung nach eine besondere Qualifikation erfordert. Die Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Planung von Gebäuden beispielsweise sind in vielen Mitgliedstaaten ausschließlich Architekten vorbehalten.

Die Qualifikationsanforderungen und der Umfang der vorbehaltenen Tätigkeiten werden in der Regel von einer Behörde auf nationaler oder regionaler Ebene überprüft. In einigen Fällen wird diese Befugnis Berufsverbänden (Berufsständen, Berufskammern, berufsbildenden Hochschulen) übertragen, die organisatorische und disziplinarrechtliche Funktionen ausüben und für die Entwicklung und Anwendung eines deontologischen Kodex zuständig sind.

Um durch nationale Reglementierungen geschaffene Beschränkungen des Berufszugangs zu überwinden, wurde ein System der gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen innerhalb der EU eingeführt. Die Richtlinie 2005/36/EG gilt für Fachkräfte, die ihre Qualifikation in einem Mitgliedstaat erworben haben (wobei unerheblich ist, ob der Beruf dort reglementiert ist oder nicht) und sich in einem anderen Mitgliedstaat, in dem der Beruf reglementiert ist, niederlassen oder Dienstleistungen erbringen wollen.

2. Berufliche Tätigkeiten, deren Reglementierung durch eine obligatorische Zertifizierung erfolgt

Der Zugang zu beruflichen Tätigkeiten, deren Ausübung eine besondere Kenntnis technischer Regeln oder Verfahren erfordert, können auf nationaler Ebene der obligatorischen Zertifizierung unterliegen. In einigen Fällen leitet sich diese Verpflichtung aus den einschlägigen EU-Rechtsvorschriften ab. Der größte Unterschied zwischen diesem Ansatz und der vorstehend beschriebenen Praxis der vorbehaltenen Tätigkeiten besteht darin, dass die Qualifikationsanforderung nicht ausschließlich an den Beruf geknüpft ist. Die Ausübung einiger weniger besonders technischer Dienstleistungen setzt den Besitz eines Befähigungsnachweises, der von Angehörigen verschiedener Berufe erworben werden könnte, voraus.

Ein Beispiel dafür sind die EU-Vorschriften im Bereich der fluorierten Gase17, die die Zertifizierung von Unternehmen und Personal in Bezug auf bestimmte fluorierte Treibhausgase enthaltende ortsfeste Kälteanlagen, Klimaanlagen und Wärmepumpen vorschreiben. Ähnliche Rechtsvorschriften wurden auf EU-Ebene für bestimmte Kategorien von Triebfahrzeugführern18 und Fahrern bestimmter Kraftfahrzeuge für den Güter- oder Personenkraftverkehr19 entwickelt.

In all diesen Fällen legen die EU-Rechtsvorschriften die Mindestausbildungsanforderungen fest. Manchmal legen sie auch die Bedingungen und Verfahren für die Anerkennung von Befähigungsnachweisen, die in anderen Mitgliedstaaten ausgestellt wurden, fest. Basieren die Zertifizierungssysteme auf der Akkreditierung nach der Verordnung (EG) Nr. 765/2008, sind die anderen Mitgliedstaaten zudem verpflichtet, die Befähigungsnachweise anzuerkennen. In den Fällen, in denen dies nicht zutrifft oder in denen die genauen Bedingungen für die Anerkennung nicht angegeben sind, bietet die Richtlinie 2005/36/EG den für die Anerkennung erforderlichen Rahmen.

3. Geschützte Berufsbezeichnungen

Ein anderer Ansatz besteht darin, den Zugang zu Berufsbezeichnungen zu reglementieren. In diesem Fall bedarf es einer spezifischen Qualifikation, um die Berufsbezeichnung zu führen, aber die mit dem Beruf assoziierte Tätigkeit ist nicht den Trägern der Berufsbezeichnung vorbehalten: jeder kann die Tätigkeiten ausüben, solange er nicht die Berufsbezeichnung "verwendet". Die Berufsbezeichnung des "Ingenieurs" beispielsweise ist in Deutschland gesetzlich geschützt und kann nur auf der Grundlage eines Hochschuldiploms in Ingenieurwissenschaften oder Naturwissenschaften erworben werden.

Einigen Berufsverbänden wurde von staatlicher Stelle die ausschließliche Befugnis zur Verleihung von Berufsbezeichnungen übertragen (z.B. in der Charta der Berufsverbände im Vereinigten Königreich vorgesehen).

Eine geschützte Berufsbezeichnung ist ein Signal für Verbraucher und Arbeitgeber, dass der Träger dieser Berufsbezeichnung die besonderen Qualifikationsanforderungen erfüllt. Allerdings bleibt dem Arbeitgeber freigestellt, Fachkräfte einzustellen, die die Berufsbezeichnung nicht tragen.

4. Systeme der Zertifizierung auf freiwilliger Basis

Systeme der Zertifizierung auf freiwilliger Basis werden häufig bei nicht gesetzlich reglementierten Berufen verwendet. Ziel dieser Art von Zertifizierung ist es im Wesentlichen, die berufliche Kompetenz nachzuweisen, die Qualität der Dienstleistungen zu garantieren und die Verbraucher zu informieren. Nach Artikel 26 der Dienstleistungsrichtlinie20 soll die Verwendung von Zertifizierungssystemen und Gütesiegeln gefördert werden, um die Kompetenz der Dienstleistungserbringer einschätzen und eine hohe Dienstleistungsqualität gewährleisten zu können.

Einige Zertifizierungssysteme werden von staatlich ernannten Regulierungsbehörden entwickelt (z.B. vom Hairdressing Council im Vereinigten Königreich). Allerdings kann diese Art von Zertifizierungssystemen mit hohen Kosten für die Beteiligten verbunden sein.

Die Berufsverbände tendieren zunehmend dazu, ihre eigenen Zertifizierungssysteme zu entwickeln und in einigen Fällen auch die Mitgliedschaft im Berufsverband mit der vorherigen Zertifizierung zu verknüpfen.

In Italien wurde 2012 ein neues Gesetz zur Organisation der nicht reglementierten Berufe verabschiedet, mit dem die Möglichkeit eingeführt wurde, Berufsverbände zu konstituieren und die freiwillige Selbstzertifizierung von Fachkräften, die reglementierte Tätigkeiten ausüben, zu fördern. Grundlage der Selbstzertifizierung müssen nationale technische Normen sein, die die für die Ausübung des Berufs erforderlichen Kompetenzen festlegen.

Dank dieser Verfahren sollen die beruflichen Tätigkeiten für die Verbraucher transparenter werden und die Wahl der Dienstleistungserbringer erleichtern. Wenn die Zertifizierungssysteme allerdings nicht auf der Akkreditierung nach der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 basieren, gibt es weder eine Kontrolle der Qualität noch eine Kontrolle der Funktionsweise dieser Systeme. Darüber hinaus können sie in der Praxis Beschränkungen des Zugangs zu beruflichen Tätigkeiten zur Folge haben, indem sie beispielsweise die Entwicklung marktbeherrschender Berufsverbände fördern und dadurch neue Marktteilnehmer aus anderen Ländern isolieren. Obwohl es keine rechtlichen Beschränkungen des Zugangs zu beruflichen Tätigkeiten gäbe, würde die Zertifizierung auf dem Markt unerlässlich werden. Da es keine staatliche Reglementierung gäbe, käme auch das Anerkennungssystem nach der Richtlinie 2005/36/EG nicht zur Anwendung.

Anhang II