Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften und über damit zusammenhängende Maßnahmen - COM (2012) 614 final

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss wird an den Beratungen beteiligt.

Hinweis: vgl.
Drucksache 575/10 (PDF) = AE-Nr. 100719 und AE-Nr. . 100150, 120265

Brüssel, den 14.11.2012
COM (2012) 614 final
2012/299 (COD)

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften und über damit zusammenhängende Maßnahmen (Text von Bedeutung für den EWR)

{SWD(2012) 348 final}
{SWD(2012) 349 final}

Begründung

1. Kontext des Vorschlags

Hintergrund

In der EU besteht in den obersten Führungsetagen der Unternehmen seit jeher ein ausgeprägtes Missverhältnis zwischen dem Anteil von Frauen und Männern: Nur 13,7 % der Sitze in den Leitungsorganen der größten börsennotierten Gesellschaften sind derzeit mit Frauen besetzt. Nur 15 % der nicht geschäftsführenden Direktoren in der EU (d.h. der Aufsichtsratsmitglieder in dualistisch organisierten Unternehmen) sind Frauen1. Im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Bereichen, insbesondere dem öffentlichen Sektor2, ist die Unterrepräsentanz von Frauen in den Leitungsorganen börsennotierter Gesellschaften besonders ausgeprägt.

Die Mitgliedstaaten und die EU-Organe haben in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Anstrengungen unternommen, um die Gleichstellung von Frauen und Männern in wirtschaftlichen Entscheidungsgremien, insbesondere den Frauenanteil in den Leitungsorganen börsennotierter Gesellschaften, durch entsprechende Empfehlungen und Aufforderungen zur Selbstregulierung zu fördern. In zwei Empfehlungen (von 1984 und 1996) appellierte der Rat an die Privatwirtschaft, die Präsenz von Frauen auf allen Führungsebenen unter anderem durch positive Maßnahmen zugunsten von Frauen zu erhöhen; die Kommission wurde aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um eine ausgewogene Mitwirkung von Frauen und Männern am Entscheidungsprozess herbeizuführen3. Mithilfe von Selbstregulierung und Corporate Governance-Initiativen sollten die Unternehmen angeregt werden, mehr Spitzenpositionen mit Frauen zu besetzen.

Allerdings wurden nur sehr schleppend Fortschritte bei der Erhöhung des Frauenanteils in den Leitungsorganen börsennotierter Gesellschaften erzielt - in den letzten Jahren durchschnittlich nicht mehr als 0,6 %.4 Zudem war das Ausmaß der Verbesserungen von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich, so dass sich auch die Ergebnisse sehr unterschiedlich darstellen. Die größten Fortschritte wurden in den Mitgliedstaaten und anderen Ländern verzeichnet, in denen verbindliche Maßnahmen eingeführt worden waren5.

Demgegenüber haben die Selbstregulierungsmaßnahmen, auf die sich eine Reihe von Mitgliedstaaten beschränkt haben, keine bemerkenswerten Änderungen bewirkt. Beim gegenwärtigen Tempo würde es mehrere Jahrzehnte dauern, bis in der EU eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen auch nur ansatzweise erreicht wäre.

Angesichts der unterschiedlichen Ansätze der einzelnen Mitgliedstaaten wird sich das bereits bestehende Gefälle zwischen den Mitgliedstaaten vermutlich weiter vergrößern. Einige Mitgliedstaaten haben zwar innerstaatliche Rechtsvorschriften entwickelt, haben aber auf unterschiedliche Unternehmensgruppen unterschiedliche gesetzliche Regelungen angewandt. Innerstaatliche Rechtsvorschriften, bei denen fraglich ist, ob mit ihnen das Problem angegangen werden kann, entwickeln sich in unterschiedliche Richtungen. Einige Mitgliedstaaten haben dem "Complyorexplain"-Prinzip den Vorzug gegeben, wonach Gesellschaften, die die Zielvorgabe eines ausgewogenen Zahlenverhältnisses von Frauen und Männern in ihren Leitungsorganen nicht eingehalten haben, die Gründe dafür offenlegen müssen. Andere Mitgliedstaaten haben eine verbindliche Zielvorgabe für ein ausgewogenes Zahlenverhältnis von Frauen und Männern in den Leitungsorganen börsennotierter Gesellschaften sowie Sanktionen bei Nichteinhaltung des Ziels festgelegt. Während einige Mitgliedstaaten auf börsennotierte Gesellschaften zielen, legen andere EU-Länder den Fokus ausschließlich auf Großunternehmen (unabhängig von deren Börsennotierung) oder auf öffentliche Unternehmen. Einige Mitgliedstaaten schneiden ihre Maßnahmen auf nicht geschäftsführende Direktoren/Aufsichtsratsmitglieder börsennotierter Gesellschaften zu, während die Maßnahmen anderer Mitgliedstaaten sowohl die geschäftsführenden Direktoren/Vorstandsmitglieder als auch die nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitglieder betreffen.

Die disparaten Regelungen beziehungsweise das Fehlen einer Regelung auf nationaler Ebene haben nicht nur zu deutlich unterschiedlichen Frauenanteilen unter den geschäftsführenden und den nicht geschäftsführenden Direktoren sowie zu einer divergierenden Entwicklung dieser Anteile in den Mitgliedstaaten geführt, sondern sie behindern auch den Binnenmarkt, da sie unterschiedliche Anforderungen an die Corporate Governance europäischer börsennotierter Unternehmen stellen. Die unterschiedliche Entwicklung bei den innerstaatlichen Rechtsvorschriften hat eine Fragmentierung der rechtlichen Rahmenregelungen in der EU zur Folge, die sich in Form von uneinheitlichen, kaum vergleichbaren rechtlichen Verpflichtungen, Unklarheit und höheren Kosten für Unternehmen, Investoren und sonstige Interessenträger niederschlägt und in letzter Instanz das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts behindert. Diese Unterschiede in Bezug auf die Selbstregulierungsmaßnahmen und die rechtlichen Bestimmungen über die Anteile von Frauen und Männern in den Leitungsorganen können börsennotierte Unternehmen, die in anderen Mitgliedstaaten tätig sind, besonders bei der Gründung von Tochtergesellschaften, bei Unternehmenszusammenschlüssen und Übernahmen, sowie Personen, die für einen Sitz in den Leitungsorganen solcher Unternehmen kandidieren, vor praktische Probleme stellen. Die Intransparenz der Auswahlverfahren und der Qualifikationskriterien für die Besetzung von Spitzenpositionen steht in den meisten Mitgliedstaaten einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern in den Leitungsorganen entgegen und wirkt sich negativ auf den beruflichen Werdegang der Kandidaten und deren Mobilität sowie auf die Investitionsentscheidungen aus. Die fehlende Transparenz bei der Besetzung von Führungspositionen erschwert es Frauen mit den nötigen Qualifikationen für Spitzenpositionen generell, sich um eine derartige Position zu bewerben; noch schwieriger ist es, wenn das Unternehmen sich in einem anderen Mitgliedstaat befindet. Die mangelnde Transparenz der Qualifikationskriterien für die Mitglieder der Leitungsorgane von Unternehmen kann auch negative Auswirkungen auf das Vertrauen der Investoren in ein Unternehmen haben, insbesondere wenn das Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten tätig ist. Die Offenlegung des Zahlenverhältnisses von Frauen und Männern in den Leitungsorganen börsennotierter Unternehmen würde sich für die Unternehmen in einer besseren Wahrnehmung ihrer Rechenschaftspflicht sowie in Form von sachkundigerer und soliderer Entscheidungsfassung, besserer Kapitalzuweisung und letztendlich in höherem und nachhaltigerem Wachstum und Beschäftigung in der EU niederschlagen.

Durch die unzureichende Nutzung der Kompetenzen hoch qualifizierter Frauen geht wirtschaftliches Wachstumspotenzial verloren. Wenn die EU ihre demografischen Probleme in den Griff bekommen, erfolgreich am Wettbewerb einer globalisierten Wirtschaft teilnehmen und sich Drittstaaten gegenüber einen komparativen Vorteil sichern will, muss sie alle verfügbaren Humanressourcen in vollem Umfang nutzen. Ein unausgewogenes Zahlenverhältnis von Frauen und Männern in den Leitungsorganen börsennotierter Unternehmen in der EU kann für die Unternehmen auch bedeuten, dass sie sich sowohl hinsichtlich der Corporate Governance als auch der Unternehmensperformance Chancen entgehen lassen6. Das Kernproblem sind die nach wie vor vorhandenen zahlreichen Barrieren, die die ständig zunehmende Zahl hoch qualifizierter Frauen, die für Sitze in den Leitungsorganen in Betracht kommen7, auf ihrem Weg in die Spitzenpositionen überwinden müssen. Die Ursachen für die mangelnde Bereitschaft, Frauen in die Unternehmungsleitung zu berufen, liegen häufig in geschlechtsbezogenen Vorurteilen bei der Einstellung und Beförderung von Frauen, einer von Männern beherrschten Unternehmenskultur und mangelnder Transparenz der Verfahren zur Bestellung der Mitglieder von Leitungsorganen börsennotierter Unternehmen. Diese unsichtbaren Aufstiegsbarrieren, die sogenannte gläserne Decke, stehen einem optimalen Funktionieren des Arbeitsmarkts für Spitzenpositionen in der EU entgegen.

Der anhaltend niedrige Frauenanteil in den Leitungsorganen geht einher mit mangelnder Vielfalt allgemein, was sich negativ auswirkt. In Leitungsorganen, in denen die Vertreter eines Geschlechts vorherrschen, ist die Wahrscheinlichkeit des "Gruppendenkens" sehr viel größer. Dies kann dazu beitragen, dass Managemententscheidungen nicht in Frage gestellt werden; wenn es kaum unterschiedliche Meinungen, Werte und Kompetenzen gibt, kann das dazu führen, dass in den Leitungsorganen dieser Unternehmen weniger Debatten geführt, Ideen ausgetauscht und Herausforderungen bewältigt werden. Ursächlich für eine unzureichend ausgewogene Vertretung von Frauen und Männern in den Leitungsorganen ist vor allem die Tatsache, dass es nicht genügend Marktanreize für Unternehmen gibt, um die Situation zu ändern. Unangemessene Verfahren zur Besetzung von Führungspositionen tragen dazu bei, dass weiterhin Mitglieder mit ähnlichen Profilen ausgewählt werden. Die Auswahl erfolgt häufig aus einem zu engen Pool von Personen; die nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitglieder werden noch allzu häufig über ein "Alte-Herren-Netzwerk" aus Geschäfts- und persönlichen Kontakten der derzeitigen Mitglieder der Leitungsorgane auf die vakanten Positionen berufen. Durch die mangelnde Transparenz in Bezug auf das Zahlenverhältnis von Frauen und Männern in den Leitungsorganen wird das Problem verstärkt, da der Informationsgrad und das Ausmaß, in dem diese Informationen der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, häufig unzureichend sind.

Was die Zielvorgaben für den Anteil von Frauen und Männern in den Leitungsorganen, die Transparenz des Berufungsverfahrens und die Berichterstattung über das Zahlenverhältnis von Männern und Frauen in den Leitungsorganen angeht, so beeinträchtigen die genannten Probleme die Gesamtperformance der Unternehmen, ihre Rechenschaftspflicht, die Fähigkeit der Investoren, alle einschlägigen Informationen angemessen und fristgerecht zu bewerten, sowie die Effizienz der EU-Finanzmärkte. Daraus folgt, dass das Potenzial des Binnenmarkts im Hinblick auf nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung nicht in vollem Umfang ausgeschöpft werden kann. Um hier Abhilfe zu schaffen, sind klare Vorgaben in Bezug auf die von den Unternehmen zu erreichenden Ziele im Hinblick auf das Zahlenverhältnis von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern, die Transparenz der Berufungsverfahren (Qualifikationskriterien) und die Berichterstattung über den Anteil von Frauen und Männern in den Leitungsorganen der Unternehmen erforderlich.

Politischer Kontext

Die Förderung des Frauenanteils in wirtschaftlichen Entscheidungsgremien, und insbesondere die wirtschaftliche Dimension eines ausgewogeneren Zahlenverhältnisses von Männern und Frauen in den Leitungsorganen börsennotierter Unternehmen, ist in jüngster Zeit in nationalen, europäischen und internationalen Gremien zunehmend erörtert worden.

Die Europäische Kommission hat ihr Engagement für eine stärkere Teilhabe von Frauen an Führungspositionen sowohl in ihrer Frauen-Charta8 und ihrer Strategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2010-2015,9 als auch in mehreren Berichten zu diesem Thema10erneut bekräftigt.

Im Europäischen Pakt für die Gleichstellung der Geschlechter 2011-2020 vom 7. März 2011 erklärte der Rat, dass eine Geschlechtergleichstellungspolitik für Wirtschaftswachstum, Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit von wesentlicher Bedeutung ist, und forderte mit Nachdruck eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Entscheidungsprozessen auf allen Ebenen und in allen Bereichen, damit alle Talente in vollem Umfang genutzt werden.

Das Europäische Parlament hat wiederholt an die Unternehmen und die Mitgliedstaaten appelliert, den Frauenanteil in Entscheidungsgremien zu erhöhen. Es hat die Kommission aufgefordert, Vorschläge für gesetzliche Quoten zur Anhebung des Frauenanteils in den Leitungsorganen auf die kritische Schwelle von 30 % bis 2015 und auf 40 % bis 2020 vorzulegen1 1

Die europäischen Sozialpartner haben ihr Engagement, weitere Maßnahmen in dieser Richtung zu ergreifen, in ihrem Arbeitsprogramm für 2012-2014 bekräftigt.

Ziel des Vorschlags

Der Vorschlag zielt auf eine substanzielle Erhöhung des Frauenanteils in den Leitungsorganen börsennotierter Gesellschaften in der EU. Diese soll erreicht werden, indem ein Anteil von mindestens 40 % des unterrepräsentierten Geschlechts unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften als Mindestziel festgelegt wird und indem Unternehmen, in denen der Anteil des unterrepräsentierten Geschlechts unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern niedriger ist, verpflichtet werden, vorab festgelegte, klare, neutral formulierte und eindeutige Kriterien für die Auswahlverfahren geeigneter Kandidaten für solche Positionen einzuführen, um das Ziel erreichen zu können.

Mithilfe des Vorschlags sollen die Gleichstellung von Frauen und Männern in wirtschaftlichen Entscheidungsgremien und die Nutzung der in Europa vorhandenen Talente und Kompetenzen gefördert werden, um ein ausgewogeneres Zahlenverhältnis von Frauen und Männern in den Leitungsorganen zu bewirken. Gleichzeitig trägt der Vorschlag zur Verwirklichung der Ziele der Strategie Europa 2020 bei. Die vorgeschlagene Richtlinie wird die Barrieren beseitigen, denen sich Frauen, die Führungspositionen in Unternehmen anstreben, gegenübersehen. Ferner sollen die Corporate Governance und die Unternehmensperformance verbessert werden.

Eine Mindestharmonisierung der Anforderungen an börsennotierte Gesellschaften, die Mitglieder der Leitungsorgane auf der Grundlage einer objektiven vergleichenden Bewertung der Qualifikationen der Kandidaten zu berufen und ein quantitatives Ziel für das Zahlenverhältnis von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern festzulegen, scheint unabdingbar zu sein, um die Voraussetzungen für eine wettbewerbsfähige Wirtschaft sicherzustellen und Komplikationen im Arbeitsalltag börsennotierter Gesellschaften im Binnenmarkt zu verhindern.

Das in dieser Richtlinie festgelegte Ziel von 40 % gilt nur für nicht geschäftsführende Direktoren bzw. Aufsichtsratsmitglieder, damit ohne zu starke Eingriffe in das Tagesgeschäft der Gesellschaften ein angemessenes Verhältnis der Frauen- und Männeranteile in den Leitungsorganen der Gesellschaften erreicht wird. Nicht geschäftsführende Direktoren und Verwaltungs-/Aufsichtsratsmitglieder spielen eine maßgebliche Rolle bei der Besetzung von Posten der höchsten Führungsebene und der Gestaltung der Personalpolitik des Unternehmens. Eine stärkere Präsenz des unterrepräsentierten Geschlechts unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern wird sich daher auf die Geschlechterdiversität auf allen Ebenen des Unternehmens positiv auswirken.

Der Fokus des Vorschlags liegt auf börsennotierten Gesellschaften, da diese aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und ihres hohen Bekanntheitsgrads Maßstäbe für den gesamten privaten Sektor setzen. Außerdem haben sie in der Regel größere Leitungsorgane und EU-weit einen ähnlichen Rechtsstatus, so dass die nötige Vergleichbarkeit ihrer Situationen gegeben ist.

Die vorgeschlagene Zielvorgabe von einem Mindestanteil von 40 % Frauen und Männern steht im Einklang mit den Zielen, die derzeit in mehreren EU-Mitgliedstaaten/EWR-Ländern erörtert werden. Dieser Wert liegt zwischen der kritischen Masse, die notwendig ist, um die Leitungsorgane nachhaltig zu beeinflussen (30 %), und der absoluten Geschlechterparität (50 %).

Übereinstimmung mit anderen Politikbereichen und Zielen der Europäischen Union sowie mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union

Die Gleichstellung von Frauen und Männern zählt zu den Grundwerten und Kernzielen der Union, die in Artikel 2 und Artikel 3 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union verankert sind. Gemäß Artikel 8 AEUV soll die Union bei allen ihren Tätigkeiten darauf hinwirken, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern.

Es besteht bereits eine Reihe gesetzlicher Regelungen zur Förderung des Grundsatzes der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen, einschließlich für selbständig Erwerbstätige12.

Der Vorschlag steht im Einklang mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ("Charta"). Er wird zur Förderung der Grundrechte beitragen, insbesondere der Rechte im Zusammenhang mit der Gleichheit von Männern und Frauen (Artikel 23) und der Berufsfreiheit und dem Recht, einen frei gewählten Beruf auszuüben (Artikel 15). Der Vorschlag berührt auch die unternehmerische Freiheit (Artikel 16) und das Recht auf Eigentum (Artikel 17). Dies ist jedoch gerechtfertigt, da nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Fokus des Vorschlags auf den nicht geschäftsführenden Mitgliedern von Leitungsorganen liegt, die zwar in Interaktion mit anderen Akteuren der Corporate Governance sind, in das operative Tagesgeschäft der Unternehmen aber nicht eingreifen.

Nach Artikel 21 Absatz 1 der Charta sind Diskriminierungen wegen des Geschlechts grundsätzlich verboten. Artikel 23 zufolge steht der Grundsatz der Gleichheit der Beibehaltung oder der Einführung spezifischer Vergünstigungen für das unterrepräsentierte Geschlecht nicht entgegen.

Der Grundsatz der positiven Maßnahmen ist auch in Artikel 157 Absatz 4 des AEUV anerkannt.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat festgelegt, welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit der Widerspruch zwischen den Konzepten der formalen Gleichbehandlung und der positiven Maßnahmen, die eine faktische Gleichstellung herbeiführen sollen, aufgelöst werden kann. Beide Konzepte sind sowohl in der Charta als auch in Artikel 157 AEUV und Artikel 3 der Richtlinie 2006/54/EG anerkannt.

Folgende Kriterien müssen erfüllt sein:

Der Vorschlag steht im Einklang mit diesen Kriterien (s. Artikel 4 Absatz 3).

2. Ergebnisse der Konsultationen der Beteiligten Parteien und Folgenabschätzungen

Konsultation und Fachwissen

Zwischen dem 5. März und dem 28. Mai 2012 führte die Kommission eine Konsultation der Öffentlichkeit durch zu der Frage, ob und wenn ja, wie die Problematik des unausgewogenen Zahlenverhältnisses von Frauen und Männern in den Leitungsorganen von Unternehmen angegangen werden soll. Von den insgesamt 485 Antworten kamen 161 von einzelnen Bürgern und 324 von Organisationen aus 13 Mitgliedstaaten, von drei Regionalregierungen, aus sechs Städten oder Kommunen, von 79 Unternehmen (sowohl große börsennotierte Gesellschaften als auch KMU), 56 Unternehmensverbänden auf EU- und nationaler Ebene, 53 NRO (größtenteils Frauenorganisationen), Gewerkschaften, Berufsverbänden, politischen Parteien, Anleger- und Aktionärsverbänden, Akteuren der Corporate Governance und andere.

Unter den Befragten bestand breites Einvernehmen darüber, dass der Frauenanteil in den Leitungsorganen von Unternehmen dringend erhöht werden muss. Die Befragten waren mehrheitlich der Ansicht, dass eine geschlechtermäßig ausgewogene Belegschaft und mit Frauen und Männern zu gleichen Anteilen besetzte Leitungsorgane der Unternehmen ein Motor für Innovation, Kreativität, verantwortungsvolle Verwaltung und Marktexpansion ist und dass es kurzsichtig wäre, das wirtschaftliche Potenzial qualifizierter Frauen nicht zu nutzen. Die Interessenträger vertraten allerdings unterschiedliche Auffassungen in der Frage, wie ein Wandel herbeizuführen ist. Während einige, vorwiegend Interessengruppen aus der Wirtschaft, weiter der Selbstregulierung den Vorzug gaben, sprachen sich andere Interessenträger, einschließlich Gewerkschaften, Frauenorganisationen, andere NRO und mehrere Regional- und Kommunalbehörden, für einen ehrgeizigeren Ansatz in Form von verbindlichen Zielvorgaben aus. Einige Interessenträger schlugen vor, sich zunächst auf die nicht geschäftsführenden Mitglieder von Leitungsorganen und Verwaltungs-/Aufsichtsräten zu konzentrieren, da dies einen weniger großen Eingriff in das Tagesgeschäft der Unternehmen darstellen würde, und sich später mit den geschäftsführenden Mitgliedern der Leitungsorgane zu befassen.

Einer Eurobarometer-Umfrage aus dem Jahr 1113 zufolge waren 88 % der Europäer der Auffassung, dass Frauen in Führungspositionen von Unternehmen zu gleichen Anteilen vertreten sein sollten wie Männer. Bei der Frage, welcher Option sie den Vorzug geben würden, um ein ausgewogenes Zahlenverhältnis von Frauen und Männern in den Leitungsorganen von Unternehmen zu erreichen, entschieden sich 31 % für Selbstregulierungsmaßnahmen der Unternehmen, 26 % für verbindliche gesetzliche Maßnahmen und 20 % für unverbindliche Maßnahmen wie Corporate-Governance-Kodizes und -Chartas. Dessen ungeachtet sprachen sich 75 % der Europäer für eine gesetzliche Regelung aus, sofern diese den Qualifikationen Rechnung trägt und den Vertretern eines Geschlechts nicht automatisch den Vorzug gibt.

Folgenabschätzung

In der Folgenabschätzung wurden fünf Optionen analysiert, die im Bericht über die Folgenabschätzung ausführlich beschrieben sind:

Aus einer Gegenüberstellung der Optionen ergab sich, dass

Der Wirkungsgrad der einzelnen Optionen steht zudem in direktem Zusammenhang mit der Intensität des Eingriffs in die Rechte der Unternehmen und Anteilseigner, einschließlich ihrer Grundrechte. Im Vergleich zu einer nicht verbindlichen Maßnahme mit einer zwar spürbaren, doch begrenzten Wirkung, lässt sich eine deutliche Erhöhung der Wirkung im Hinblick auf die angestrebten Ziele nur mit einem rechtsverbindlichen Instrument erreichen, das Mindestvorschriften für das zahlenmäßige Verhältnis von Frauen und Männern in den Leitungsorganen von Unternehmen festlegt.

Mit verbindlichen Maßnahmen wären vergleichsweise höhere Kosten und ein größerer Verwaltungsaufwand verbunden, aber angesichts der zu erwartenden wirtschaftlichen Vorteile wären diese immer noch moderat. Der Verwaltungsaufwand dürfte bei allen Optionen minimal sein, da nur börsennotierte Unternehmen betroffen sein werden, die die vorhandenen Berichtssysteme nutzen können.

Der vorliegende Vorschlag zielt auf die größere Effizienz verbindlicher Zielvorgaben für nicht geschäftsführende Mitglieder der Leitungsorgane und die damit verbundenen Vorteile für die Wirtschaft und die Gesellschaft, die stärkere Eingriffe in die Grundrechte rechtfertigen. Es wird darauf verzichtet, eine rechtlich verbindliche Zielvorgabe für geschäftsführende Direktoren/Vorstandsmitglieder festzulegen, da diese Position sehr branchenspezifische Kenntnisse und Erfahrung in der Organisation des Tagesgeschäfts eines Unternehmens erfordert. Allerdings sollte den Unternehmen vorgeschrieben werden, in Bezug auf die geschäftsführenden Direktoren/Vorstandsmitglieder Eigenverpflichtungen einzugehen, die sie auf der Grundlage ihrer besonderen Umstände festlegen, und über die Einhaltung dieser Eigenverpflichtungen Bericht zu erstatten. Der Vorschlag stützt sich demzufolge auf Option 4.

3. Rechtliche Aspekte des Vorschlags

Rechtsgrundlage

Artikel 157 Absatz 3 AEUV bietet die Rechtsgrundlage für verbindliche Maßnahmen der Union zur Anwendung des Grundsatzes der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen, einschließlich positiver Maßnahmen zugunsten von Frauen.

Der Vorschlag stützt sich auf Artikel 157 Absatz 3 AEUV. Subsidiarität

Die von einigen Mitgliedstaaten eingeführten Maßnahmen zur Schaffung eines ausgewogenen Zahlenverhältnisses von Männern und Frauen in den Leitungsorganen von Unternehmen sind sehr unterschiedlicher Art, und eine große Anzahl von Mitgliedstaaten, insbesondere die Mitgliedstaaten mit einem besonders niedrigen Frauenanteil unter den Mitgliedern der Leitungsorgane, haben bislang keine Maßnahmen ergriffen. Sie zeigen keinerlei Bereitschaft dazu oder sehen sich Widerstand gegenüber, derartige Maßnahmen aus eigener Initiative zu ergreifen. Gleichzeitig bestehen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten, was die Vertretung von Männern und Frauen in den Leitungsorganen von Unternehmen anbelangt; der Schlüsselindikator reicht von 3 % bis 27 %. Diese Situation gefährdet die Verwirklichung des grundlegenden Ziels, die Gleichstellung von Frauen und Männern in wirtschaftlichen Entscheidungsgremien in der Union zu erreichen.

Nach den Prognosen im Bericht über die Folgenabschätzung, denen umfangreiche Informationen über in allen Mitgliedstaaten bestehende oder geplante einschlägige Legislativ- oder Selbstregulierungsmaßnahmen zugrunde gelegt wurden, wird die Vertretung von Frauen in den Leitungsorganen börsennotierter Gesellschaften voraussichtlich von 13,7 % im Jahr 2012 auf 20,4 % (20,84 %, wenn die KMU ausgeschlossen sind) im Jahr 2020 ansteigen. Lediglich ein Mitgliedstaat, Frankreich, wird aufgrund seiner verbindlichen Quotenregelung bis 2020 einen Frauenanteil von 40 % in den Leitungsorganen von Unternehmen erreicht haben. Nur sieben Mitgliedstaaten - Finnland, Lettland, die Niederlande, die Slowakei, Spanien, Dänemark und Schweden - dürften den Schwellenwert von 40 % vor 2035 erreichen. Neben der Tatsache, dass dies unter dem Gesichtspunkt der Gleichstellungsfrage nicht zufriedenstellend wäre, würde es nicht ausreichen, um für die kritische Masse an Frauen in den Leitungsorganen der Unternehmen in der Union zu sorgen, die einschlägigen Forschungen zufolge erforderlich ist, um positive Auswirkungen auf die Unternehmensperformance zu generieren. Bei diesem Szenario ist davon auszugehen, dass die EU nicht einmal bis 2040 einen Frauenanteil von 40 % in den Leitungsorganen der Unternehmen erreichen wird. Abgesehen davon, dass die Mitgliedstaaten generell effizient handeln können, zeigen die konkreten Angaben der Mitgliedstaaten in Bezug auf ihre Absichten, einschließlich ihrer Antworten im Rahmen der öffentlichen Konsultation und der Prognosen, die unter Auswertung der verfügbaren einschlägigen Informationen erstellt wurden, ganz unzweideutig, dass sich das Ziel eines ausgewogeneren Zahlenverhältnisses von Frauen und Männern in den Leitungsorganen von Unternehmen im Einklang mit den Zielvorgaben dieses Vorschlags nicht durch Maßnahmen einzelner Mitgliedstaaten bis 2020 oder in absehbarer Zukunft erreichen lässt.

Diese Situation birgt gewisse Gefahren für die Verwirklichung des grundlegenden Ziels der Gleichstellung der Geschlechter in der Union. Um gemeinschaftsweit die Voraussetzungen für eine wettbewerbsfähige Wirtschaft zu schaffen und um den Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten in Arbeits- und Gleichbehandlungsfragen zu vermeiden, wurde der Grundsatz des gleichen Entgelts für gleiche Arbeit und der Gleichstellung der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt in den Gründungsverträgen verankert. Es kommt vor, dass Mitgliedstaaten zögern, diesen Bereich im Alleingang gesetzlich zu regeln, da sie die Gefahr erkennen, dass sie ihre eigenen Unternehmen gegenüber Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten möglicherweise benachteiligen. Diese Wahrnehmung, die durch Druck aus der Geschäftswelt weiter verstärkt wird, stellt eine zusätzliche große Hürde dar, die die Mitgliedstaaten davon abhält, angemessene Maßnahmen zu ergreifen.

Darüber hinaus werden die vereinzelten, disparaten Regelungen auf nationaler Ebene die Funktionsweise des Binnenmarktes zwangsläufig behindern. Unterschiedliche gesellschaftsrechtliche Bestimmungen und Sanktionen bei Verstößen gegen eine nationale verbindliche Quote wie der Ausschluss aus öffentlichen Vergabeverfahren, könnten Unternehmen vor Probleme stellen und sie von Auslandsinvestitionen und der Gründung von Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten abhalten. Unterschiedliche Bestimmungen oder das Fehlen von Bestimmungen für die Auswahlverfahren zur Besetzung der Spitzenpositionen von nicht geschäftsführenden Mitgliedern von Leitungsorganen, ohne dass Mindeststandards einzuhalten sind, und die Auswirkungen dieser Unterschiede auf die Corporate Governance und die Bewertung der Corporate Governance durch Investoren könnten die Funktionsweise des Binnenmarktes weitreichend behindern.

Die der Ausschöpfung des Kompetenzpools der am besten qualifizierten Frauen für Spitzenpositionen in Leitungsorganen inhärenten Wettbewerbsfähigkeits- und Wachstumschancen können wegen des Umfangs der Maßnahme effizienter genutzt werden, wenn alle Mitgliedstaaten an einem Strang ziehen, insbesondere diejenigen, die derzeit einen niedrigen Frauenanteil aufweisen und die keinerlei Maßnahmen ergriffen oder auch nur geplant haben. Nur ein Vorgehen auf EU-Ebene kann effektiv dazu beitragen, dass unionsweit die Voraussetzungen für eine wettbewerbsfähige Wirtschaft geschaffen und Komplikationen im Wirtschaftsleben vermieden werden, indem eine Mindestharmonisierung der Anforderungen an die Corporate Governance in Bezug auf die Berufungsentscheidungen auf der Grundlage objektiver Qualifikationskriterien auf den Weg gebracht wird, mit der ein ausgewogeneres Zahlenverhältnis von Männern und Frauen unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern erreicht werden kann.

Daher kann der Schluss gezogen werden, dass die Ziele dieser Richtlinie auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und besser durch EU-weit abgestimmte Maßnahmen als durch einzelstaatliche Initiativen mit variablem Anwendungsbereich, Anspruch und Wirkungsgrad erreicht werden können. Der Vorschlag steht daher im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip.

Verhältnismäßigkeit

Nicht verbindliche Maßnahmen wie Empfehlungen auf EU-Ebene oder Aufforderungen zur Selbstregulierung haben in der Vergangenheit nicht zur Verwirklichung des Ziels einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern in wirtschaftlichen Entscheidungsgremien in der Union beigetragen und werden dies auch in Zukunft voraussichtlich nicht tun. Zur Verwirklichung dieses Ziels müssen daher weiterreichende Maßnahmen auf EU-Ebene getroffen werden. Diese Maßnahmen sollten allerdings nicht über das für die Erreichung dauerhafter Veränderungen bei den Anteilen von Frauen in den Leitungsorganen börsennotierter Gesellschaften unbedingt Notwendige hinausgehen und weder die Funktionsweise privatwirtschaftlicher Gesellschaften noch die Marktwirtschaft berühren.

In diesem Vorschlag für eine Mindestharmonisierung werden lediglich gemeinsame Ziele festgelegt. Den Mitgliedstaaten wird ausreichend Handlungsspielraum bei der Entscheidung gelassen, wie diese Ziele auf nationaler Ebene unter Berücksichtigung der jeweiligen Rahmenbedingungen auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene, insbesondere des Gesellschaftsrechts sowie der Regeln und Verfahren für die Berufung von Mitgliedern der Leitungsorgane von Unternehmen, am besten erreicht werden sollten. Der Vorschlag sieht nur dann Änderungen am nationalen Gesellschaftsrecht vor, wenn dies für die Mindestharmonisierung der Bestimmungen über die Berufungsentscheidungen unerlässlich ist, und trägt den unterschiedlichen Strukturen der Leitungsorgane in den Mitgliedstaaten Rechnung. Der Vorschlag gilt nicht für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), da der Verwaltungsaufwand für kleine Unternehmen unverhältnismäßig hoch sein könnte. Wie vorstehend erläutert, werden lediglich für nicht geschäftsführende Mitglieder von Leitungsorganen quantitative Ziele festgelegt. Dadurch wird sichergestellt, dass nur sehr begrenzt in die Tagesgeschäfte des Unternehmens eingegriffen wird. Da die nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitglieder hauptsächlich Aufsichtsfunktionen wahrnehmen, ist es zudem leichter, qualifizierte unternehmens- oder bereichsfremde Kandidaten zu finden, was in Wirtschaftssektoren wichtig ist, in denen eines der Geschlechter unter den Arbeitskräften besonders unterrepräsentiert ist.

Aufgrund der befristeten Geltung der vorgeschlagenen Richtlinie (siehe Artikel 10) steht die Richtlinie im Einklang mit den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit.

Wahl des Rechtsinstruments

Eine Richtlinie ist das geeignetste Instrument, um ein kohärentes Mindestmaß an ausgewogener Vertretung von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern in den Leitungsorganen börsennotierter Gesellschaften in der EU zu gewährleisten. Dabei bleibt es den Mitgliedstaaten freigestellt, die detaillierten Vorschriften an ihr nationales Gesellschaftsrecht anzupassen und die geeignetsten Durchsetzungs- und Sanktionsverfahren festzulegen. Die Richtlinie ermöglicht es einzelnen Mitgliedstaaten, auf freiwilliger Basis über diese Mindestvorgaben hinauszugehen.

Europäischer Wirtschaftsraum

Der vorliegende Rechtsakt ist für den Europäischen Wirtschaftsraum von Bedeutung. Nach entsprechendem Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses wird die Richtlinie auf Drittstaaten Anwendung finden, die dem Europäischen Wirtschaftsraum angehören.

4. Auswirkungen auf den Haushalt

Der Vorschlag hat keine Auswirkungen auf den Haushalt der Union.

5. AUSFÜHRLICHE Erläuterung der einzelnen Bestimmungen

Artikel 1
Ziel der Richtlinie

In diesem Artikel ist das Ziel der Richtlinie festgelegt.

Artikel 2
Begriffsbestimmungen

Dieser Artikel enthält die wichtigsten Begriffsbestimmungen, die sich allgemein an der Empfehlung der Kommission zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats (2005/162/EG)14, hinsichtlich der Begriffsbestimmung für KMU an der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen15 und hinsichtlich der Begriffsbestimmung für öffentliche Unternehmen an der Richtlinie 2006/111/EG der Kommission vom 16. November 2006 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen 16 orientieren.

Die Begriffsbestimmungen sollen insbesondere gewährleisten, dass die Richtlinie auf alle in den Mitgliedstaaten existierenden Leitungsstrukturen der börsennotierten Gesellschaften gleichermaßen angewandt werden kann, d.h. auf ein dualistisches (zweigliedriges) System, in dem getrennte Organe für die Geschäftsführung und die Aufsicht zuständig sind, ebenso wie auf ein monistisches (eingliedriges) System, in dem ein und dasselbe Organ für die Geschäftsführung und die Aufsicht der Gesellschaft zuständig ist, und auf hybride Systeme, die Bestandteile beider Systeme aufweisen oder Gesellschaften die Wahl zwischen unterschiedlichen Modellen überlassen.

Die Definition des Begriffs "Direktor" verdeutlicht, dass die Richtlinie für nicht geschäftsführende Direktoren bzw. Aufsichtsratsmitglieder gelten soll. In den Mitgliedstaaten, in denen nach innerstaatlichem Recht oder innerstaatlicher Praxis ein bestimmter Anteil der Direktoren bzw. Aufsichtsratsmitglieder von der Belegschaft des Unternehmens und/oder von Arbeitnehmerorganisationen benannt oder gewählt werden können oder müssen, gilt dies auch für Arbeitnehmervertreter. Wie die Einhaltung der Ziele der Richtlinie im Einzelnen in der Praxis zu gewährleisten ist, sollte dabei durch die betreffenden Mitgliedstaaten festgelegt werden (siehe Erwägungsgrund 21).

Artikel 3
Ausnahme kleiner und mittlerer Unternehmen

Nach diesem Artikel sind kleine und mittlere Unternehmen (KMU) im Sinne der Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (2003/361/EG)17vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen, selbst wenn es sich um börsennotierte Gesellschaften handelt.

Artikel 4
Zielvorgaben für nicht geschäftsführende Direktoren/Aufsichtsratsmitglieder

Absatz 1 verpflichtet börsennotierte Gesellschaften, in denen das unterrepräsentierte Geschlecht weniger als 40 Prozent der nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitglieder stellt, neue Mitglieder auf der Grundlage eines Vergleichs der Qualifikationen der Kandidaten nach vorab festgelegten, klaren, neutral formulierten und eindeutigen Kriterien auszuwählen, so dass spätestens zum 1. Januar 2020 der besagte Anteil erreicht ist. Eine kürzere Frist für die Verwirklichung dieses Ziels (1. Januar 2018) gilt für börsennotierte öffentliche Unternehmen im Sinne von Artikel 2 Buchstabe b der Richtlinie 2006/111/EG der Kommission vom 16. November 2006 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen18. Die Mitgliedstaaten üben einen beherrschenden Einfluss auf diese Art von Unternehmen aus und verfügen daher über mehr Instrumente, um die notwendigen Veränderungen rascher herbeizuführen.

In Absatz 2 ist festgelegt, wie die genaue Anzahl der Posten nicht geschäftsführender Direktoren/Aufsichtsratsmitglieder, bei der die Zielvorgabe gemäß Absatz 1 als erfüllt gilt, zu berechnen ist. Die genaue Anzahl der Posten nicht geschäftsführender Direktoren, bei der die Zielvorgabe als erfüllt gilt, entspricht der Anzahl, die dem Anteil von 40 Prozent am nächsten kommt, sei es unter- oder oberhalb dieses Schwellenwerts. Um keine unverhältnismäßig strengen Auflagen zu machen, sollten börsennotierte Gesellschaften aber nicht verpflichtet sein, die Hälfte oder mehr der Posten nicht geschäftsführender Direktoren/Aufsichtsratsmitglieder mit Vertretern des unterrepräsentierten Geschlechts zu besetzen.

Absatz 3 führt eine Vorzugsregel ein, die es ermöglichen soll, die Zielvorgabe nach Absatz 1 zu erreichen. Die Vorzugsregel sieht vor, dass im Falle von Kandidaten männlichen und weiblichen Geschlechts mit gleicher Qualifikation dem Kandidaten des unterrepräsentierten Geschlechts Vorrang einzuräumen ist, es sei denn, eine objektive Beurteilung, bei der alle die einzelnen Kandidaten betreffenden Kriterien berücksichtigt werden, hat ergeben, dass spezifische Kriterien zugunsten des Kandidaten des anderen Geschlechts überwiegen. Diese Verfahrensvorschriften sind erforderlich, um sicherzustellen, dass die Zielvorgaben mit der Rechtsprechung19 des Gerichtshofs der Europäischen Union in Bezug auf positive Maßnahmen zugunsten von Frauen im Einklang stehen. Die in diesem Absatz festgelegten Anforderungen sollten gemäß dem innerstaatlichen Recht und den Satzungen der börsennotierten Gesellschaften in der geeigneten Phase des Auswahlverfahrens erfüllt werden.

Absatz 4 enthält die Verpflichtung zur Offenlegung der Qualifikationskriterien und eine Beweislastregel, die in den Fällen zur Anwendung kommen, in denen ein erfolgloser Kandidat das Auswahlverfahren anficht.

Absatz 5 sieht für börsennotierte Gesellschaften, in denen das unterrepräsentierte Geschlecht weniger als 10 Prozent der Belegschaft ausmacht, die Möglichkeit vor, die Nichteinhaltung der Zielvorgabe zu begründen.

In Absatz 6 ist vorgesehen, dass die Zielvorgabe gemäß Absatz 1 als erreicht gilt, wenn die börsennotierten Gesellschaften nachweisen können, dass mindestens ein Drittel aller Unternehmensleitungsposten (geschäftsführende Direktoren/Vorstandsmitglieder und nicht geschäftsführende Direktoren/Aufsichtsratsmitglieder) mit Vertretern des unterrepräsentierten Geschlechts besetzt sind.

Artikel 5
Zusätzliche Maßnahmen der Gesellschaften und Berichterstattung

In Absatz 1 ist festgelegt, dass die börsennotierten Gesellschaften Eigenverpflichtungen hinsichtlich einer ausgewogenen Vertretung beider Geschlechter unter den geschäftsführenden Direktoren/Vorstandsmitgliedern eingehen, die spätestens zum 1. Januar 2020 beziehungsweise bei börsennotierten öffentlichen Unternehmen spätestens zum 1. Januar 2018 umgesetzt werden müssen.

Absatz 2 enthält die Verpflichtung für börsennotierte Gesellschaften, jährlich Angaben zu dem Zahlenverhältnis von Frauen und Männern in ihren Leitungsorganen sowie zu den im Hinblick auf die Zielvorgaben des Artikels 4 Absatz 1 und Artikel 5 Absatz 1 getroffenen Maßnahmen vorzulegen und zu veröffentlichen.

In Absatz 3 ist festgelegt, dass börsennotierte Gesellschaften, die ihre Zielvorgaben in Bezug auf die nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitglieder oder ihre Verpflichtungen hinsichtlich der geschäftsführenden Direktoren/Vorstandsmitglieder nicht erfüllt haben, zusätzlich zu den vorgenannten Angaben die Gründe hierfür nennen und die Maßnahmen beschreiben müssen, die die Gesellschaften ergriffen haben oder zu ergreifen gedenken, um die Ziele zu erreichen beziehungsweise die Verpflichtungen zu erfüllen.

In Absatz 4 sind die Befugnisse der gemäß der Richtlinie 2006/54/EG eingerichteten Stellen zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen festgelegt.

Artikel 6
Sanktionen

Dieser Artikel sieht vor, dass die Mitgliedstaaten Sanktionen festlegen müssen, die bei einem Verstoß gegen diese Richtlinie zu verhängen sind. Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Absatz 2 enthält eine nicht erschöpfende Liste möglicher Sanktionen.

Artikel 7
Mindestanforderungen

In diesem Artikel wird ausgeführt, dass die Richtlinie auf eine Mindestharmonisierung zielt. Artikel 8: Umsetzung

Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, innerhalb von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Annahme dieser Richtlinie die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, um dieser Richtlinie nachzukommen. In dem Artikel werden die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten in Bezug auf die zu ergreifenden Maßnahmen und deren Mitteilung an die Kommission präzisiert. Absatz 3 ermöglicht es Mitgliedstaaten, die bereits vor Inkrafttreten dieser Richtlinie Maßnahmen zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften ergriffen haben, die Anwendung der Verfahrensvorschriften des Artikels 4 Absätze 1, 3, 4 und 5 für die Auswahl der Direktoren auszusetzen, wenn sie nachweisen können, dass sich die in Artikel 4 Absatz 1 festgelegte Zielvorgabe mit diesen Maßnahmen genauso wirksam erreichen lässt.

Artikel 9, 10 und 11
Überprüfung, Inkrafttreten und Außerkrafttreten, Adressaten

Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Berichterstattung. Die Kommission überprüft die Anwendung dieser Richtlinie regelmäßig und erstattet alle zwei Jahre Bericht darüber, ob die Ziele der Richtlinie erreicht wurden.

Die Zielvorgaben gelten nur solange, bis dauerhafte Veränderungen bei der zahlenmäßigen Vertretung von Frauen und Männern in den Leitungsorganen börsennotierter Gesellschaften erreicht sind.

Zu diesem Zweck wurde eine Verfallsklausel in die Richtlinie aufgenommen.

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter

Gesellschaften und über damit zusammenhängende Maßnahmen (Text von Bedeutung für den EWR)

DAS Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 157 Absatz 3, auf Vorschlag der Europäischen Kommission, nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente, nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses,20 gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, in Erwägung nachstehender Gründe:

Haben folgende Richtlinie Erlassen:

Artikel 1
Gegenstand

Mit dieser Richtlinie werden Maßnahmen festgelegt, die eine ausgewogenere Vertretung von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften und raschere Fortschritte in diesem Bereich gewährleisten sollen, wobei den Gesellschaften ausreichend Zeit eingeräumt wird, um die notwendigen Vorkehrungen zu treffen.

Artikel 2
Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

Artikel 3
Ausnahme kleiner und mittlerer Unternehmen

Diese Richtlinie gilt nicht für kleine und mittlere Unternehmen (KMU).

Artikel 4
Zielvorgaben für nicht geschäftsführende Direktoren/Aufsichtsratsmitglieder

Artikel 5
Zusätzliche Maßnahmen der Gesellschaften und Berichterstattung

Artikel 6
Sanktionen

Artikel 7
Mindestanforderungen

Die Mitgliedstaaten dürfen Vorschriften einführen oder beibehalten, die eine ausgewogenere Vertretung von Frauen und Männern in Gesellschaften, die in ihrem Hoheitsgebiet niedergelassen sind, noch stärker begünstigen, solange diese Vorschriften keine ungerechtfertigte Diskriminierung bewirken und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts nicht beeinträchtigen.

Artikel 8
Umsetzung

Artikel 9
Überprüfung

Artikel 10
Inkrafttreten und Außerkrafttreten

Artikel 11
Adressaten

Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet. Geschehen zu Brüssel am [...]

Im Namen des Europäischen Parlaments
Der Präsident/Die Präsidentin
Im Namen des Rates
Der Präsident/Die Präsidentin