Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur besseren Bekämpfung des Einbringens von Rauschgift in Vollzugsanstalten

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen auf öffentliche Haushalte.

E. Sonstige Kosten

Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur besseren Bekämpfung des Einbringens von Rauschgift in Vollzugsanstalten

Der Bundesrat hat in seiner 864. Sitzung am 27. November 2009 beschlossen, den beigefügten Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.

Anlage
Entwurf eines Gesetzes zur besseren Bekämpfung des Einbringens von Rauschgift in Vollzugsanstalten

Vom...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Betäubungsmittelgesetzes

Artikel 2
Inkrafttreten

Begründung

A. Allgemeines

Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind etwa ein Drittel der in Europa inhaftierten Gefangenen drogenabhängig. Die Mehrzahl der drogenabhängigen Gefangenen setzt ihren Konsum in der Haft fort. Diese Ausgangssituation prägt wesentliche Bereiche des Gefängnisalltags. In vielen Justizvollzugsanstalten ist trotz umfangreicher Kontrollen das Drogenproblem so beherrschend, dass das wichtige Vollzugsziel der Resozialisierung der Gefangenen nahezu vollständig in den Hintergrund gedrängt wird. Aufwändige und kostenintensive Entgiftungs- und Beratungsmaßnahmen sowie Therapieangebote laufen ins Leere. Entsprechendes gilt für die Jugendarrestanstalten. Der entsprechend seinen gesetzlichen Zielen auf die Behandlung suchtkranker Personen ausgerichtete Maßregelvollzug kann zwar die überwiegende Zahl der Untergebrachten zur Abstinenz und zur Verarbeitung der Sucht motivieren. Auch tragen die insgesamt höhere Therapiebereitschaft der Untergebrachten, die milieutherapeutische Verhinderung von Subkulturen und die spezifischen Sanktionsmöglichkeiten bis hin zum vorzeitigen Abbruch der Therapie dazu bei, dass sich die Problematik im Maßregelvollzug weniger dramatisch darstellt. Trotz der engen Anbindung der Untergebrachten an das Personal im Rahmen der Bezugspflege sowie effektive Kontrollen, z.B. durch regelmäßige Drogenscreenings, lässt sich der illegale Drogenkonsum aber auch im Maßregelvollzug nicht vollständig unterbinden.

Der Zustrom illegaler Drogen in die Vollzugsanstalten gefährdet aber nicht nur bereits drogenabhängige Gefangene, sondern bedroht auch die Gesundheit zahlreicher anderer Gefangener und Arrestanten, die infolge ihrer Isolation, der Gleichförmigkeit des Vollzugsalltags und der häufig so empfundenen Perspektivlosigkeit für den Drogenkonsum besonders anfällig sind und oft erst unter dem Einfluss von Mitgefangenen aus dem Betäubungsmittelmilieu zum Drogenmissbrauch verführt und abhängig werden. Nach dem Drogen- und Suchtbericht 2009 der Bundesregierung ist der Anteil intravenöser Drogenkonsumenten in Haftanstalten gegenüber der Allgemeinbevölkerung um das 73-98fache erhöht.

Dies hat nicht nur eine wachsende Zahl von Rauschgiftsüchtigen zur Folge, sondern stellt auch eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung innerhalb der Vollzugsanstalten dar.

Die Situation von Drogenabhängigen im Vollzug kann als Spiegelbild der Situation Drogenabhängiger innerhalb der Gesellschaft angesehen werden. Auch die Folgeerscheinungen des Drogenkonsums innerhalb der Vollzugsanstalten sind die gleichen wie außerhalb des Vollzugs: Überdosierungen und Drogentote, gestreckte und verunreinigte Substanzen, Beschaffungsdruck, Händlerhierarchien, Infektionsrisiken. Drogen im Vollzug sind begrenzt verfügbar, von minderer Qualität und wesentlich teurer als außerhalb der Anstalt. Um ihren Drogenkonsum zu decken, sehen sich die Drogenabhängigen daher gezwungen, selbst Drogen in die Anstalt einzubringen oder dies zu veranlassen, damit zu handeln oder sich zu prostituieren. Die Folge sind subkulturelle Abhängigkeiten. Etliche Gefangene leihen sich bei Mitgefangenen - gegen hohe Zinsen - Geld, ohne in der Lage zu sein, ihre Schulden zurückzuzahlen. Die hierdurch entstehenden Konflikte führen nicht selten zu Gewalttätigkeiten oder Diebstählen.

Zu dieser Situation kommen die gesundheitlichen Auswirkungen für die Konsumenten hinzu. Neben unmittelbaren körperlichen Auswirkungen des Drogenkonsums bestehen häufig gravierende psychische Probleme, die teilweise im Suizid enden. Zudem besteht die Gefahr, dass sich die Konsumenten durch das gemeinsame Benutzen von nicht sterilen Spritzen Infektionen zuziehen. Laut Drogen- und Suchtbericht 2009 der Bundesregierung ist der Anteil der Gefangenen mit einer Hepatitis-C-Infektion gegenüber der Allgemeinbevölkerung um das 26-32fache und derjenigen mit einer HIV-Infektion um das 16-24fache erhöht.

Das Einbringen von Betäubungsmitteln in eine Vollzugsanstalt unter Missachtung oder Überwindung bestehender Sicherheitsvorkehrungen ist ein Ausdruck erhöhter Kriminalität. Die Täter handeln aus Eigennutz und missbrauchen die besondere Anfälligkeit der Gefangenen für den Drogenkonsum.

Angesichts der zahlreichen Einbringungsmöglichkeiten können die im Vollzug durchgeführten Kontrollen nicht immer vollumfänglich wirken. Im Wesentlichen erfolgt das Einbringen von Betäubungsmitteln in den Vollzug auf folgenden Wegen: durch die Gefangenen und Untergebrachten selbst, durch Besucher, durch Justizbedienstete, in Briefen oder Paketen oder durch so genannte Mauerwürfe. Bei der Zuführung von Gefangenen oder deren Lockerungsrückkehr wird zwar regelmäßig eine körperliche Durchsuchung durchgeführt. Diese führt jedoch selten zum Auffinden von Betäubungsmitteln, da diese in der Regel in Körperöffnungen versteckt oder verschluckt werden (so genanntes Bodypacking). Es bedarf daher einer körperlichen Untersuchung, die ausschließlich von einem Arzt durchgeführt und nur in Verdachtsfällen angeordnet werden kann (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 4. Februar 2009 - 2 BvR 455/08 -, StV 2009, 253). Die körperliche Durchsuchung von Besuchern ist ohnehin nur eingeschränkt möglich. Eine körperliche Durchsuchung von Justizbediensteten oder Mitarbeitern der Maßregelvollzugseinrichtungen setzt ebenfalls einen Verdacht voraus. Auch die Kontrolle von Briefen und Paketen führt nicht immer zum Auffinden darin verborgener Betäubungsmittel, da diese nicht selten in besonders aufwändiger Weise in unverdächtig erscheinenden Gegenständen, insbesondere in Lebensmitteln, versteckt werden.

Nach der geltenden Rechtslage erfüllt das Einbringen von Rauschgift in eine Vollzugsanstalt lediglich den Grundtatbestand des § 29 Absatz 1 BtMG, der einen Strafrahmen von Geldstrafe bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe vorsieht. Nur bei gewerbsmäßiger Tatbegehung wird die benannte Strafzumessungsregel des § 29 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 BtMG erfüllt und ein Strafrahmen von einem Jahr bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe eröffnet. Eine gewerbsmäßige Begehungsweise wird bei dem einmaligen Einschmuggeln von Rauschgift in eine Justizvollzugsanstalt oder eine Einrichtung des Maßregelvollzugs in der Regel jedoch nicht - ebenso wenig wie die Qualifikationsmerkmale der §§ 29a, 30, 30a BtMG - vorliegen oder jedenfalls nicht sicher nachweisbar sein.

Mit dem Gesetzentwurf sollen daher das Einbringen von Rauschgift in eine Vollzugsanstalt, das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und weitere auf die Abgabe von Betäubungsmitteln gerichtete Handlungen in einer Vollzugsanstalt auch bei nicht gewerbsmäßiger Tatbegehung zu benannten Regelbeispielen für einen besonders schweren Fall im Sinne des § 29 Absatz 3 BtMG werden.

Zwar können das Einbringen von bzw. der Handel mit Betäubungsmitteln im Vollzug mit Blick auf Artikel 3 Absatz 5 Satz 1 Buchstabe g des am 28. Februar 1994 in Deutschland in Kraft getretenen Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen - VN-Suchtstoffübereinkommen 1988 - (BGBl. 1993 II S. 1136) auch derzeit bereits als unbenannte schwere Fälle im Sinne von § 29 Absatz 3 Satz 1 BtMG gewertet werden (vgl. Körner, Betäubungsmittelgesetz, 6. Auflage, 2007, § 29 Rnr. 1958 f.; Weber, Betäubungsmittelgesetz, 2. Auflage 2003, § 29, Rnr. 1347; Kotz, in: Münchner Kommentar StGB, Band 5, § 29 BtMG Rnr. 1575). Gleichwohl bedarf es einer ausdrücklichen Normierung dieser Tathandlungen als Regelbeispiele, um die kriminelle, sich hinsichtlich ihrer Gefährlichkeit von den üblichen Drogengeschäften abhebende Vorgehensweise der Täter deutlich zu kennzeichnen, sie spürbar zu ahnden und auf diese Weise dem Ziel des VN-Suchtstoffübereinkommens 1988 effektiv Beachtung zu verschaffen.

Zudem stellt die bisherige Rechtsprechung an die Annahme eines (unbenannten) besonders schweren Falles hohe Anforderungen. Ein besonders schwerer Fall liegt danach nur dann vor, wenn der Unrechts- und Schuldgehalt der Tat aus der Zahl der Durchschnittsfälle herausragt. Der unbenannte Strafschärfungsgrund nach § 29 Absatz 3 Satz 1 BtMG ist daher nur dann zu bejahen, wenn die Tat bei Berücksichtigung aller Umstände die erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden und deshalb vom Gesetz für den Spielraum des ordentlichen Strafrahmens schon bedachten Fälle an Strafwürdigkeit so übertrifft, dass der ordentliche Strafrahmen zur Sühne nicht ausreicht (so der - allerdings vor Inkrafttreten des VN-Suchtstoffübereinkommens 1988 ergangene - Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 13. Juli 1993 - 1 Ss 136/93 -, wonach das Einschmuggeln von Haschisch in eine Justizvollzugsanstalt für sich genommen noch nicht ohne weiteres einen unbenannten schweren Fall des § 29 Absatz 3 BtMG begründen soll - NStZ 1993, 549).

Auch unter dem Blickwinkel des Bestimmtheitsgebots bedarf es einer Normierung des Einbringens von Betäubungsmitteln in eine Vollzugsanstalt als besonders schwerer Fall. Der Gesetzgeber ist gehalten, den Strafrahmen vorzugeben und diesen nicht auf die Praxis zu verlagern. Darüber hinaus stellt das Bundesverfassungsgericht strenge Maßstäbe an die Bestimmtheit gerade von schweren Strafandrohungen (BVerfG, Urteil vom 20. März 2002 - 2 BvR 794/95 -, NJW 2002, 1779).

B. Zu den einzelnen Vorschriften

Zu Artikel 1 (Änderung des Betäubungsmittelgesetzes)

Die in § 29 Absatz 3 Satz 2 BtMG aufgezählten Regelbeispiele werden um die Fälle des Einbringens von Betäubungsmitteln in eine Vollzugsanstalt, des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sowie der Veräußerung und Abgabe von Betäubungsmitteln im Vollzug erweitert.

Der Begriff "Vollzugsanstalten", mit dem die Justizvollzugsanstalten, die Jugendstraf- und Jugendarrestanstalten sowie die Einrichtungen des freiheitsentziehenden Maßregelvollzugs erfasst werden, lehnt sich an § 115 Absatz 1 Nummer 2 OWiG an.

Die Ausgestaltung als Regelbeispiel ermöglicht - im Gegensatz zu der ebenfalls denkbaren Heraufstufung zum Verbrechen - eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung tragende flexible Ahndung.

Das Einbringen von Betäubungsmitteln wird regelmäßig als besonders schwerer Fall erfasst, weil solche Täter mit besonderer krimineller Energie handeln, um die bestehenden Sicherheitsvorkehrungen der Vollzugseinrichtung zu umgehen oder zu überwinden. In Anlehnung an die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Einfuhr von Betäubungsmitteln liegen die Voraussetzungen dieses Regelbeispiels vor, wenn der Täter Betäubungsmittel so in den Bereich der Justizvollzugsanstalt verbringt, dass sie ihm oder einem Dritten tatsächlich zur Verfügung stehen.

Mit der Aufnahme des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in einer Vollzugsanstalt als besonders schweren Fall sollen insbesondere die Konstellationen erfasst werden, in denen der Täter nicht selbst die Drogen in die Vollzugsanstalt einbringt, sondern dort Tätigkeiten entfaltet, die darauf gerichtet sind, den Umsatz mit Betäubungsmitteln in der Anstalt zu ermöglichen oder zu fördern, sei es auch nur als Vermittler.

Mit dem Regelbeispiel des Veräußerns sollen die Fälle erfasst werden, in denen der Täter zwar entgeltlich, aber uneigennützig Betäubungsmittel in der Vollzugsanstalt abgibt.

Um insbesondere die Fälle des Überlassens von Betäubungsmitteln gegen sexuelle Handlungen und die des Tauschens von Betäubungsmitteln als besonders schwere Fälle zu erfassen, soll auch die Abgabe von Betäubungsmitteln in Vollzugsanstalten zum Regelbeispiel werden.

Für die Fälle des Erwerbs, des sonstigen Verschaffens oder des Besitzes von Betäubungsmitteln in einer Vollzugseinrichtung soll es bei der Strafandrohung des Grundtatbestandes des § 29 Absatz 1 BtMG verbleiben, um insbesondere die Gefangenen, die innerhalb der Anstalt Betäubungsmittel zum Eigenkonsum erwerben, sich verschaffen oder besitzen, von der erhöhten Strafandrohung auszunehmen. Befindet sich ein Gefangener im Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, findet ohnehin der Verbrechenstatbestand des § 29a Absatz 1 Nummer 2 BtMG Anwendung.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.