Gesetzesantrag der Länder Berlin, Bremen, Hamburg
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
(Artikel 3 Absatz 3 Satz1)

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen

Gesetzesantrag der Länder Berlin, Bremen, Hamburg
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 3 Satz1)

Der Regierende Bürgermeister von Berlin Berlin, 29. September 2009

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Peter Müller

Sehr geehrter Herr Präsident,

die Senate des Landes Berlin, der Freien Hansestadt Bremen und der Freien und Hansestadt Hamburg haben beschlossen, dem Bundesrat den anliegenden


mit dem Antrag zuzuleiten, seine Einbringung beim Deutschen Bundestag gemäß Artikel 76 Absatz 1 Grundgesetz zu beschließen.
Ich bitte, den Gesetzentwurf gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 862. Sitzung am 16. Oktober 2009 zu setzen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.


Mit freundlichen Grüßen
Klaus Wowereit

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 3 Satz 1)

Vom ...

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen; Artikel 79 Absatz 2 des Grundgesetzes ist eingehalten:

Artikel 1
Änderung des Grundgesetzes

In Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch das Gesetz vom ... (BGBl. I S. ...) geändert worden ist werden nach den Wörtern "wegen seines Geschlechtes," die Wörter "seiner sexuellen Identität," eingefügt.

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeines

Als Konsequenz aus der nationalsozialistischen Verfolgungs- und Selektionspolitik hatte sich der Parlamentarische Rat 1948/49 dafür entschieden, neben dem allgemeinen Gleichbehandlungsgebot des Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz in Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz zu verankern, welche persönlichen Merkmale als Anknüpfungspunkt staatlicher Differenzierung schlechthin ausscheiden: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden."

Zwei der im nationalsozialistischen Deutschland systematisch verfolgten Personengruppen fehlten in dieser Aufzählung: Behinderte und Homosexuelle. Im Rahmen der Überarbeitung des Grundgesetzes nach der Deutschen Einheit wurde 1994 in Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 Grundgesetz das Verbot der Benachteiligung aufgrund der Behinderung aufgenommen. In der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat sprach sich zwar eine Mehrheit für die Aufnahme eines Diskriminierungsverbots aufgrund der sexuellen Identität aus, die erforderliche Zweidrittelmehrheit wurde jedoch nicht erreicht (BT-Drs. 012/6000, S. 54).

Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, transsexuelle und intersexuelle Menschen sind in unserer Gesellschaft auch heute noch Anfeindungen, gewaltsamen Übergriffen und Benachteiligungen ausgesetzt. Zwar ist die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität in vielen Bereichen durch einfachgesetzliche Regelungen verboten, z.B. § 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, § 75 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz, § 9 Bundesbeamtengesetz, § 9 Beamtenstatusgesetz, § 19a Sozialgesetzbuch IV. Die Ergänzung des Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 Grundgesetz schafft darüber hinaus eine klare Maßgabe für den einfachen Gesetzgeber und hält zum Abbau rechtlicher wie außerrechtlicher Benachteiligungen an.

Ein ausdrückliches Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität im Grundgesetz entfaltet zudem mittels der Ausstrahlungswirkung über die Generalklauseln des Zivilrechts in zahlreichen Rechtsbereichen Wirkung. Letztlich steht es für das deutliche Bekenntnis, dass Gesichtspunkte der sexuellen Identität eine ungleiche Behandlung in unserer Gesellschaft unter keinen Umständen rechtfertigen können.

Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, transsexuelle und intersexuelle Menschen sind auch durch das allgemeine Gleichbehandlungsgebot des Artikels 3 Absatz 1 Grundgesetz vor willkürlicher Ungleichbehandlung seitens des Staates geschützt.

Die Frage, welche Gründe geeignet sind, eine Ungleichbehandlung sachlich zu rechtfertigen, verweist auch auf die herrschenden gesellschaftlichen Moral- und Wertvorstellungen. Diese sind in den letzten Jahren und Jahrzehnten von einem Abbau der Vorurteile und der damit verbundenen gesellschaftlichen Ächtung gegenüber Menschen gekennzeichnet, deren sexuelle Identität von den traditionell anerkannten Mustern abweicht.

Die verfassungsgerichtlich bestätigte (BVerfGE 6, 389, 420 ff., 432 ff.) frühere Strafbarkeit der "Unzucht zwischen Männern" gemäß § 175 StGB in der Fassung des Gesetzes vom 28. Juni 1935 (RGBl. I, S. 839), die erst durch das Erste Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 25. Juni 1969 (BGBl. I, S. 645) aufgehoben wurde, belegt, dass das allgemeine Gleichbehandlungsgebot des Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz keinen ausreichenden Schutz gegenüber abweichenden, in der Gesellschaft herrschenden Sexualvorstellungen bietet. Ein Umschlag des gesellschaftlichen Klimas gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern, transsexuellen und intersexuellen Menschen ist derzeit zwar nicht zu befürchten. Es ist jedoch eine wesentliche Funktion verfassungsrechtlicher (Grundrechts-)Normen, ihren Regelungsgehalt der Gestaltungsmacht des einfachen Gesetzgebers und damit dem Wechselspiel der verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Kräfte zu entziehen.

Nicht zuletzt mit Blick auf diejenigen, die zwischen 1949 und 1969 nach § 175 StGB strafrechtlich verfolgt wurden, signalisiert ein ausdrückliches Diskriminierungsverbot in Art. 3 Absatz 3 Grundgesetz, dass Fragen der Sexualität fortan nicht mehr zum Nachteil gereichen dürfen. Bundestag und Bundesrat haben dem an die Europäische Union gerichteten Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung in Art. 21 Absatz 1 Charta der Grundrechte der Europäischen Union bereits zugestimmt, ebenso der Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft zur Bekämpfung derartiger Diskriminierungen in ihrem Zuständigkeitsbereich (vgl. Artikel 13 Absatz 1 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft).

Mehrere Landesverfassungen enthalten ein Verbot der Ungleichbehandlung aufgrund der sexuellen Identität (Artikel 10 Absatz 2 Verfassung von Berlin, Artikel 12 Absatz 2 Verfassung des Landes Brandenburg, Artikel 2 Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen) bzw. aufgrund der sexuellen Orientierung (Artikel 2 Absatz 3 Verfassung des Freistaats Thüringen). Entsprechende Verbote sind z.B. auch in den Verfassungen Portugals (Art. 13) und Schwedens (Kapitel 1 Artikel 2 Regeringsformen/Regierungsform) zu finden.

B. Zu den einzelnen Vorschriften

Zu Artikel 1

Die Formulierung greift den der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat vorgelegten Textvorschlag auf (vgl. BT-Drs. 012/6000, S. 54).

Zu Artikel 2

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten dieses Gesetzes.