Antrag des Landes Baden-Württemberg
Entschließung des Bundesrates zur Anpassung der in der Richtlinie 2009/48/EG über die Sicherheit von Spielzeug enthaltenen Regelungen für Chemikalien an das besondere Schutzbedürfnis von Kindern

Staatsministerium Baden-Württemberg Stuttgart, den 11. November 2010

Der Staatssekretär

An die
Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin Hannelore Kraft

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die Regierung des Landes Baden-Württemberg hat beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte

Entschließung des Bundesrates zur Anpassung der in der Richtlinie 2009/48/EG über die Sicherheit von Spielzeug enthaltenen Regelungen für Chemikalien an das besondere Schutzbedürfnis von Kindern

zuzuleiten.
Ich bitte, gemäß § 36 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates die Beratung der Vorlage in den Ausschüssen für die 48. Kalenderwoche zu veranlassen.

Mit freundlichen Grüßen
Hubert Wicker

Entschließung des Bundesrates zur Anpassung der in der Richtlinie 2009/48/EG über die Sicherheit von Spielzeug enthaltenen Regelungen für Chemikalien an das besondere Schutzbedürfnis von Kindern

Der Bundesrat möge beschließen:

  1. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass von Spielzeugen keine Gefahren für Kinder ausgehen dürfen. Anforderungen an Spielzeuge müssen in besonderem Maße den Schutzbedürfnissen von Kindern Rechnung tragen. Die in der Richtlinie 2009/48/EG über die Sicherheit von Spielzeug (neue Spielzeugrichtlinie) festgelegten Regelungen sind nach Auffassung des Bundesrates hierzu nicht geeignet.
  2. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, auf europäischer Ebene darauf hinzuwirken, dass die Richtlinie 2009/48/EG über die Sicherheit von Spielzeug unter Anwendung des Artikels 46 mit Unterstützung eines wissenschaftlichen Ausschusses kurzfristig an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt angepasst wird um das Schutzniveau für Kinder zu verbessern.
  3. Der Bundesrat begrüßt deshalb die Bitte der Bundesregierung vom 2. Juni 2010 an die Kommission, für polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) bei allen Verbraucherprodukten einen Grenzwert von 0,2 mg/kg einzuführen als einen ersten Schritt in die richtige Richtung, der aber im Hinblick auf das besondere Schutzbedürfnis von Kindern allein nicht ausreichend ist.
  4. Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung, sich darüber hinaus auf europäischer Ebene für folgende Eckpunkte zur Änderung der Richtlinie 2009/48/EG einzusetzen:
  1. Die Grenzwerte für die Verwendung von Stoffen, die Krebs erzeugen, das Erbgut verändern oder die Fortpflanzung beeinträchtigen können (CMR-Stoffe), dürfen sich nicht am Chemikalienrecht orientieren, sondern sind am technisch Machbaren auszurichten. Neben dem von der Bundesregierung geforderten Grenzwert für PAK sollte der zulässige Grenzwert für die übrigen CMR-Stoffe deshalb bei max. 10 mg/kg (0,001%) liegen.
  2. Darüber hinaus können viele CMR-Stoffe auch über die Haut aufgenommen werden. Dies gilt in besonderem Maße für Spielzeug, das längeren und intensiven Hautkontakt hat, wie Fingermalfarben oder Knetmassen. Deshalb sind neben gehaltsbezogenen Regelungen zusätzlich migrationsbezogene Regelungen zur Expositionsminderung bei Kindern erforderlich. Nach Auffassung des Bundesrates sollten sich diese Regelungen an den vergleichbaren europäischen Vorgaben für Lebensmittelkontaktmaterialien orientieren, wonach die Freisetzung der verwendeten CMR-Stoffe nicht nachweisbar sein darf.

In diesem Zusammenhang sollten die im nationalen Bedarfsgegenständerecht der Spielzeugrichtlinie festgelegten Migrationsgrenzwerte für Nitrosamine (0,01 mg/kg) und nitrosierbare Stoffe (0,1 mg/kg) in die Richtlinie 2009/48/EG übernommen werden. Diese Werte orientieren sich an den Regelungen für Sauger aus Gummi und beschreiben den technologischen umsetzbaren Stand zur Verhinderung einer Freisetzung dieser Stoffe.

  1. Darüber hinaus sollten unter Beibehaltung des bestehenden Schutzniveaus auch für alle anderen Arten von Stoffklassen zulässige Migrationswerte eingeführt werden. So bieten die Migrationsregelungen für Schwermetalle in der neuen Spielzeugrichtlinie keinen ausreichenden Schutz. Nach der neuen Spielzeugrichtlinie wären für Kinder die Aufnahme deutlich größerer Mengen an Blei, Quecksilber, Arsen und Barium zulässig. Bei Blei ist dies besonders kritisch, denn das Schwermetall kann das Nervensystem schädigen und beeinflusst auch in kleinsten Mengen die Intelligenzentwicklung von Kindern nachgewiesenermaßen negativ.
  2. Die Entwicklung von Allergien kann nur verhindert werden, wenn der Kontakt mit allergieauslösenden Stoffen so weit wie möglich reduziert wird. Die neue Spielzeugrichtlinie enthält zwar eine Liste von 55 verbotenen allergenen Substanzen. De facto wird dieses Verwendungsverbot durch die Einführung eines Grenzwertes von 0,01 Prozent (100 ppm = 100 mg/kg) für zulässige herstellungsbedingte Spurengehalte zum Teil wieder aufgehoben. Deshalb sollte der zulässige Spurenwert dieser verbotenen allergenen Stoffe auf 10 mg/kg gesenkt werden.

Begründung:

Die Richtlinie 2009/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sicherheit von Spielzeug ist bis spätestens 20. Januar 2011 in nationales Recht umzusetzen. Die Vorschriften sind von den Mitgliedsstaaten ab 20. Juli 2011 anzuwenden. Lediglich für die in dieser Richtlinie aufgeführten chemischen Regelungen wurde bis zum 20. Juli 2013 eine zusätzliche Übergangsregelung geschaffen, nach der die Mitgliedsstaaten das Bereitstellen von Spielzeug nicht behindern dürfen, sofern das Spielzeug diesbezüglich noch sämtliche Anforderungen der Richtlinie 88/378/EWG (alte Spielzeugrichtlinie) erfüllt.

In der neuen EU-Spielzeugrichtlinie ist festgelegt, dass Spielzeuge hinsichtlich der chemischen Sicherheit generell den allgemeinen Rechtsvorschriften über Chemikalien entsprechen müssen. Insbesondere wird auf die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH-Verordnung) Bezug genommen. Diese Rechtsvorschriften berücksichtigen grundsätzlich nicht die besonderen Schutzbedürfnisse von Kindern, wie dies bereits in dem Erwägungsgrund Nr. 21 der Richtlinie 2009/48/EG eingeräumt wird. Daher wurde in der neuen Spielzeugrichtline mit Artikel 46 der neuen Spielzeugrichtlinie der Kommission die Möglichkeit geschaffen, mit Unterstützung eines (wissenschaftlichen) Ausschusses die Richtlinie an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt anzupassen.

Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme vom 25. April 2008 zur neuen Spielzeugrichtlinie bereits auf die Verschlechterung des derzeitigen Schutzniveaus hingewiesen (vgl. Ziffer 16, 17 und 20 der Drucksache 133/08-Beschluss) und die Bundesregierung gebeten, sich in den weiteren Beratungen des Richtlinienvorschlages für Verbesserungen einzusetzen.

Angesichts des besonderen Schutzbedürfnisses von Kindern sollten die Verbesserungen kurzfristig erfolgen.

Dabei ist erforderlich, dass von der Kommission unter Anwendung des Art. 46 der neuen Spielzeugrichtlinie für

die in Spielzeug verwendet werden, kurzfristig Grenzwerte zu setzen bzw. Regelungen zu schaffen sind, die den besonderen Schutzbedürfnissen von Kindern Rechnung tragen. Diese Auffassung wird auch vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) geteilt. In seiner Stellungnahme Nr. 046/2009 vom 14. Oktober 2009 hatte das BfR seine Auffassung begründet und notwendigen oben dargestellten Änderungsbedarf an der neuen Spielzeugrichtlinie formuliert.