Antrag des Landes Rheinland-Pfalz
Entschließung des Bundesrates zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs

Der Chef der Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz Mainz, 8. Dezember 2016

An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Malu Dreyer

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die Landesregierung von Rheinland-Pfalz hat beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs zuzuleiten.

Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der 952. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2016 aufzunehmen und anschließend den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Clemens Hoch

Entschließung des Bundesrates zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs

Der Bundesrat möge beschließen:

Begründung:

Zu 1:

Wesentliche Ziele der Bahnreform 1993/1994 waren und sind eine Entlastung des Steuerzahlers und die Stärkung des Verkehrs auf der Schiene. Die europäische Arbeitsteilung und die Teilhabe an den globalen Warenströmen führen zu einer deutlichen Steigerung des Verkehrsaufkommens in Deutschland und Europa. Die Erwartung, dass der Schienengüterverkehr in der Lage ist, einen großen Teil des Verkehrswachstums aufzufangen und als einziger bereits heute weitgehend elektromobiler Transporteur eine strategische Versorgungssicherheit für die deutsche und europäische Industrie in einer Welt begrenzter fossiler Brennstoffe bieten kann, hat sich bisher nicht erfüllt. Es gelang zwar, Wettbewerber für den Markteinstieg zu gewinnen und die Verkehrsleistung moderat zu steigern, doch ist die angestrebte Verlagerung von Marktanteilen auf die Schiene noch nicht in dem erhofften und umweltpolitisch wünschenswerten Maße gelungen.

Zu 2:

Die Verkehrsmittelwahl erfolgt ganz überwiegend anhand von Qualitätsanforderungen und Preisen. Hier fällt die Bahn gegenüber der Straße zurück. Der LKW profitiert derzeit unter anderem von gesunkenen Dieselpreisen. Er kann das Tarif- und Sozialgefälle innerhalb Europas auch bei Verkehren durch und (faktisch) nach/aus Deutschland hinein/heraus nutzen und wird nicht mit seinen vollen externen Kosten belastet. Der deutsche Schienengüterverkehr hat dagegen steigende Trassenpreise zu verkraften und wird über Energieabgaben wie EEG- oder CO₂-Abgaben mit dreistelligen Millionenbeträgen je Jahr belastet. Er verhält sich tariftreu und hat - z.B. im Hinblick auf die Kosten der Lärmvermeidung an Güterwagen - auch einen Teil seiner externen Kosten zu tragen.

Zu 3:

Immer stärker wird eine deutliche Verminderung des Bahnlärms aus Gründen des Gesundheitsschutzes und der wirtschaftlichen Entwicklung der vom Schienenlärm betroffenen Regionen gefordert. Die politisch gewollte und im Grunde auch ökologisch sinnvolle Verlagerung von Güterverkehr von der Straße auf die Schiene kann die Bahnlärmproblematik lokal verstärken, hierdurch droht ein Akzeptanzverlust für das System Schiene. Neu- und Ausbauvorhaben werden erschwert und ein Anspruch auf angemessenen Lärmschutz zukünftig vermehrt im Einzelfall eingeklagt. Unsystematische lokale Betriebsbeschränkungen für den Schienengüterverkehr können die Folge sein.

Der Bund wird daher gebeten, die gesetzlichen Grundlagen zum Schutz vor Schienenverkehr insgesamt zu verbessern, so dass der Lärmschutz an Neu-, Ausbau und Bestandsstrecken angemessen, rechtssicher und dynamisch berücksichtigt wird und dass insbesondere auch zukünftige Verkehrszuwächse mitbetrachtet werden.

Es ist sehr zu begrüßen, dass der Bund am 25. Oktober 2016 den Entwurf für ein Schienenlärmschutzgesetz vorgelegt hat, durch das es zu einem faktischen Ende des Einsatzes lauter Güterwagen ab Ende 2020 kommen soll.

Es ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass der Bundesrat in der Vergangenheit bereits zahlreiche Beschlüsse gefasst hat, die auf eine Verbesserung der gesetzlichen Grundlagen zum Lärmschutz an Schienenwegen abzielten, zuletzt am 18.12.2015 (Bundesratsdrucksache 551/15-Beschluss).

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass im Schienengüterverkehr wegen des intermodalen Wettbewerbs derzeit keine angemessene Rendite erzielt werden kann, die eine hinreichende Investitionsfähigkeit in neues leises Material und darüber hinaus für innovative Konzepte ermöglichen würde. Deshalb ist - neben den notwendigen Maßnahmen zur Lärmminderung - grundsätzlich sowohl mit Blick auf die Lärmbelastung wie auch auf die verkehrs- und umweltpolitischen Ziele eine Verbesserung der intermodalen Wettbewerbsposition der Schiene dringend notwendig.

Zu 4:

Die Lasten durch Verkehrslärm, CO₂, Luftschadstoffe, Straßenverschleiß, Staus und Unfälle müssen verursachergerecht den Verkehrsträgern zugeordnet sowie deutlich gemindert werden. Sie können nicht länger auf die Gesamtgesellschaft, insbesondere auf die betroffene Bevölkerung entlang der Magistralen, umgewälzt werden. Modernere Technik wäre geeignet, die Attraktivität des Systems Schiene zu verbessern und Risiken, deren Realisierung erhebliche Auswirkungen auf Menschen, Umwelt und Wirtschaft haben kann, weiter zu vermindern. Anreize für die Anwendung moderner Technik zur Automatisierung, zur Vermeidung von Lärm, zur Verminderung des Energieverbrauchs, zur Verminderung von Verschleiß am Oberbau und zur Verbesserung der Sicherheit lassen sich zum Beispiel über entsprechende Vorteile beim Trassenpreis erreichen. Die Technologieförderung im Verkehr, die aktuell auch zur Bewältigung der Klimawende stattfindet und in Zukunft noch zu verstärken ist, darf sich nicht einseitig auf den Straßenverkehr beschränken, sondern muss die grundsätzlich umweltfreundliche Schiene gleichermaßen mit einbeziehen. Neue innovative Techniken bedürfen dabei in der Regel eines Anschubs, besonders in der Umstellungsphase.

Neben ordnungsrechtlichen Maßnahmen steht dem Bund zur Wahrnehmung seiner Allgemeinwohlverantwortung nach Artikel 87e des Grundgesetzes, die auch den Schienengüterverkehr umfasst, zur Steuerung der Wettbewerbsbedingungen die Infrastrukturpolitik zur Verfügung. Sie umfasst die Netzplanung und die Finanzierung. Neben einer Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Korridorstrecken und der Knoten kommt es dabei gerade für den Einzelwagenverkehr auch auf leistungsfähige Terminals und Rangierbahnhöfe an. Einen wichtigen und durchgreifenden Beitrag zur Stärkung des Schienenverkehrs insgesamt könnte der Bund leisten, indem er die Voraussetzungen für eine deutliche Senkung der Trassenpreise unter Anwendung des Grenzkostenansatzes schaffen würde.

Zu 5:

Die bisherigen Programme des Bundes zur Förderung nichtbundeseigener Betreiber von Anlagen des Güterverkehrs - Strecken des Güterfernverkehrs, Terminals des Kombinierten Verkehrs und Gleisanschlüsse - existieren weitgehend unabgestimmt nebeneinander und benachteiligen die privaten Betreiber gegenüber den bundeseigenen Betreibern. Die Grundsätze der europäischen Wettbewerbspolitik gebieten es, beim Einsatz von Bundesmitteln keinen Unterschied mehr zu machen zwischen bundeseigenen und privaten Betreibern. Die Verkehrsministerkonferenz der Länder hatte dies schon im April 2008 gefordert.

Zu 6.:

Derzeit ist noch nicht erkennbar, dass sich bei den gegebenen Rahmenbedingungen die Situation des Schienengüterverkehrs nachhaltig verbessert und das fortbestehende Ziel eines substanziellen Mehrverkehrs auf der Schiene erreicht werden kann. Deshalb ist es verständlich und entspricht dem unternehmerischen Auftrag, dass DB Cargo Schritte zu einer deutlichen Kostensenkung einleitet. Dabei würden aber zahlreiche Arbeitsplätze wegfallen und zugleich die Kapazitäten beeinträchtigt, die für eine offensive Neuaufstellung des Schienengüterverkehrs grundsätzlich weiter benötigt würden. Es ist als eine Aufgabe des Eigentümers Bund anzusehen, eine solche Entwicklung zu verhindern. Der Bund ist deshalb aufgefordert, im Rahmen der bereits begonnenen Überlegungen gemeinsam mit allen Akteuren des Sektors ein Konzept mit dem Ziel zu entwickeln, die Zukunftsfähigkeit des Schienengüterverkehrs wieder herzustellen und dauerhaft zu sichern.