Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Europäische Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen 2010 bis 2020 - Erneuertes Engagement für ein barrierefreies Europa KOM (2010) 636 endg.

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Hinweis: vgl.
Drucksache 958/08 (PDF) = AE-Nr. 080956,
Drucksache 113/10 (PDF) = AE-Nr. 100144, AE-Nr. . 070985 und 080654

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss den Ausschuss der Regionen
Europäische Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen 2010-2020: Erneuertes Engagement für ein barrierefreies Europa

1. Einleitung

In der Europäischen Union (EU) hat jede sechste Person eine leichte bis schwere Behinderung.1 Das sind etwa 80 Millionen Menschen, die wegen umwelt- und einstellungsbedingter Barrieren häufig an einer vollen Teilhabe an der Gesellschaft und Wirtschaft gehindert werden. Für Menschen mit Behinderungen liegt die Armutsquote 70 % über dem Durchschnitt,2 was teilweise durch ihren eingeschränkten Zugang zur Arbeitswelt bedingt ist.

Mehr als ein Drittel der über 75-Jährigen haben Behinderungen, die sie in gewissem Maße beeinträchtigen, und über 20 % sind erheblich beeinträchtigt.3 Diese Prozentsätze dürften weiter ansteigen, da die Bevölkerung in der EU immer älter wird.

Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben ein umfassendes Mandat zur Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Situation von Menschen mit Behinderungen.

Laut VN-Übereinkommen zählen zu den Menschen mit Behinderungen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.

Die Kommission wird mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um die Hindernisse für ein barrierefreies Europa abzubauen, und somit verschiedenen Entschließungen des Europäischen Parlaments und des Rates5 aus jüngster Zeit Folge leisten. Die vorliegende Strategie gibt den Rahmen für Maßnahmen auf europäischer Ebene vor, mit denen - zusammen mit nationalen Maßnahmen - den vielfältigen Problemen von Männern, Frauen und Kindern mit Behinderungen begegnet werden soll.

Eine uneingeschränkte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben ist wesentlich, soll die Europa-2020-Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum6 erfolgreich sein. Der Aufbau einer Gesellschaft, die niemanden ausschließt, eröffnet auch Marktmöglichkeiten und fördert die Innovation. Angesichts der Nachfrage seitens einer wachsenden Zahl von immer älter werdenden Verbrauchern sprechen stichhaltige wirtschaftliche Argumente dafür, Dienstleistungen und Produkte allen zugänglich zu machen. So ist z.B. der EU-Markt für Hilfsmittel (mit einem geschätzten Jahreswert von über 30 Mrd. EUR7) nach wie vor zersplittert, und diese Produkte sind teuer. Die politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen werden den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen nicht in angemessener Weise gerecht, genauso wenig die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen. Der Zugang zu zahlreichen Waren und Dienstleistungen sowie zu einem Großteil des baulichen Umfelds ist nach wie vor unzureichend.

Es besteht dringender Handlungsbedarf, umso mehr, als der Konjunkturabschwung sich negativ auf die Situation von Menschen mit Behinderungen ausgewirkt hat. Mit der Strategie werden verbesserte Lebensbedingungen für den Einzelnen und gleichzeitig vielfältige Vorteile für die Gesellschaft und die Wirtschaft ohne ungebührliche Belastung von Industrie und Verwaltungen angestrebt.

2. Ziele MAßNAHMEN

Allgemeines Ziel dieser Strategie ist es, Menschen mit Behinderungen in die Lage zu versetzen, ihre vollen Rechte wahrzunehmen und uneingeschränkt an der Gesellschaft und der europäischen Wirtschaft teilzuhaben, vor allem im Rahmen des Binnenmarkts. Um dieses Ziel zu erreichen und eine wirksame Durchführung des VN-Übereinkommens in der ganzen EU zu gewährleisten, bedarf es einer kohärenten Vorgehensweise. In der Strategie werden die Maßnahmen auf EU-Ebene benannt, mit denen die nationalen Maßnahmen ergänzt werden sollen, und es werden die Mechanismen8 aufgezeigt, die zur Durchführung des VN-Übereinkommens auf EU-Ebene, auch innerhalb der EU-Institutionen, notwendig sind. Außerdem verdeutlicht die Strategie, welche Unterstützung in den Bereichen Bereitstellung von finanziellen Mitteln, Forschung, Bewusstseinsbildung, Statistik und Datensammlung erforderlich ist.

Die Strategie legt den Schwerpunkt auf die Beseitigung von Barrieren.9 Die Kommission hat hierzu acht wesentliche Aktionsbereiche festgelegt: Zugänglichkeit, Teilhabe, Gleichstellung, Beschäftigung, allgemeine und berufliche Bildung, sozialer Schutz, Gesundheit und Maßnahmen im Außenbereich. Für jeden Aktionsbereich werden die wichtigsten Maßnahmen skizziert, wobei das übergeordnete Ziel auf EU-Ebene jeweils in einem Kästchen ins Blickfeld gerückt wird. Diese Bereiche wurden ausgewählt, weil sie einen Beitrag zu den allgemeinen Zielen der Strategie und des VN-Übereinkommens, den damit zusammenhängenden Strategiedokumenten der EU-Institutionen und des Europarats sowie den Ergebnissen des EU-Aktionsplans für Menschen mit Behinderungen 2003-2010 und einer Anhörung der Mitgliedstaaten, Interessengruppen und der breiten Öffentlichkeit leisten können. Die nationalen Maßnahmen, auf die verwiesen wird, sollen die Maßnahmen auf EU-Ebene ergänzen; sie decken die Verpflichtungen, die den Mitgliedstaaten aus dem VN-Übereinkommen erwachsen, nicht erschöpfend ab. Die Kommission wird sich des Weiteren im Rahmen der Europa-2020-Strategie, ihrer Vorreiterinitiativen und der Neubelebung des Binnenmarkts mit der Situation der Menschen mit Behinderungen befassen.

2.1. Aktionsbereiche

1. Zugänglichkeit

Es gilt, für Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigten Zugang zur physischen Umwelt, zu Verkehrsmitteln, Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen (IKT) sowie zu anderen Einrichtungen und Diensten zu gewährleisten. In allen diesen Bereichen bestehen noch erhebliche Barrieren. So entsprechen beispielsweise in der EU-27 im Schnitt lediglich 5 % der öffentlichen Internetseiten voll und ganz den Standards für die Barrierefreiheit im Netz, auch wenn ein größerer Prozentsatz der Seiten zum Teil zugänglich ist. Noch immer bieten zahlreiche Fernsehsender kaum Programme mit Untertitelung und Audiodeskription an.10 Zugänglichkeit ist eine Voraussetzung für die Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben, doch für die EU ist es noch ein weiter Weg bis zur Erreichung dieses Ziels. Die Kommission schlägt vor, auf Rechtsvorschriften und andere Instrumente, etwa Normung, zu setzen, um die Zugänglichkeit zur baulichen Umwelt, zu IKT und zu Verkehrsmitteln in Einklang mit den Leitinitiativen "Digitale Agenda" und "Innovationsunion" zu optimieren. Auf der Grundlage der Grundsätze intelligenter Rechtsetzung wird sie prüfen, inwiefern es von Vorteil ist, Regulierungsmaßnahmen zu verabschieden, um die Zugänglichkeit zu Produkten und Diensten zu gewährleisten, einschließlich Maßnahmen zur verstärkten Nutzung der öffentlichen Auftragsvergabe (die sich in den USA als äußerst wirksam herausgestellt hat11). Sie wird die Einbeziehung des Aspekts Zugänglichkeit und des Konzepts "Design für alle" in die Lehrpläne und Ausbildung der betroffenen Berufsgruppen fördern. Des Weiteren wird sie einen EU-weiten Markt für assistive Technologien unterstützen. Nach Konsultation der Mitgliedstaaten und anderer Interessengruppen wird die Kommission in Erwägung ziehen, ob bis 2012 ein europäischer Rechtsakt über die Zugänglichkeit vorgelegt werden soll und spezifische Standards für einzelne Sektoren entwickelt werden könnten, um das Funktionieren des Binnenmarkts für barrierefreie Produkte und Dienste wesentlich zu verbessern.

Die EU-Maßnahmen werden die nationalen Maßnahmen zur Verwirklichung der Zugänglichkeit und zum Abbau vorhandener Barrieren sowie zur Verbesserung der Verfügbarkeit assistiver Technologien und der Wahlmöglichkeiten in diesem Bereich unterstützen und ergänzen.

Gewährleistung des barrierefreien Zugangs zu Waren, Dienstleistungen - auch öffentlichen Dienstleistungen - und Hilfsmitteln für Menschen mit Behinderungen

2. Teilhabe

Nach wie vor sehen sich Menschen mit Behinderungen zahlreichen Hindernissen für die uneingeschränkte Ausübung ihrer Grundrechte, auch ihrer Rechte der Unionsbürgerschaft, und für ihre Teilhabe als gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft gegenüber. Zu diesen Rechten gehören das Recht auf Freizügigkeit, das Recht selbst zu bestimmen, wo und wie man leben möchte, sowie das Recht auf uneingeschränkten Zugang zu Kultur-, Erholungs- und Sportaktivitäten. So kann z.B. eine Person mit einer anerkannten Behinderung, die in ein anderes Land in der EU umzieht, ihren Anspruch auf nationale Leistungen, wie etwa kostenlose oder ermäßigte Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln, verlieren.

Die Kommission wird sich dafür einsetzen, dass

Die EU-Maßnahmen werden nationale Maßnahmen unterstützen, die darauf abstellen, dass

Verwirklichung der vollen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an der Gesellschaft, indem

3. Gleichstellung

Über 50 % aller europäischen Bürger/innen sind der Meinung, dass Diskriminierung wegen einer Behinderung oder des Alters in der EU weitverbreitet ist. 13 Wie in den Artikeln 1, 21 und 26 der EU-Charta und den Artikeln 10 und 19 AEUV gefordert, wird die Kommission die Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderungen fördern und dabei einen zweigleisigen Ansatz verfolgen, bei dem zum einen die geltenden EU-Rechtsvorschriften herangezogen werden, um Schutz vor Diskriminierungen zu bieten, und zum anderen eine aktive Politik zur Bekämpfung von Diskriminierungen und Förderung der Chancengleichheit im Rahmen der EU-Strategien durchgeführt wird. Die Kommission wird auch dem Aspekt der Mehrfachdiskriminierung von Menschen mit Behinderungen, die aus weiteren Gründen wie Staatsangehörigkeit, Alter, Rasse oder ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung sowie sexuelle Ausrichtung Diskriminierungen ausgesetzt sind, Aufmerksamkeit schenken.

Außerdem wird sie darauf achten, dass die Richtlinie 2000/78/EG14 zum Verbot von Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf in vollem Umfang angewendet wird. Durch Sensibilisierungskampagnen auf EU-Ebene und in den Mitgliedstaaten wird sie die Vielfalt fördern und Diskriminierungen bekämpfen; zudem wird sie die Arbeit von NRO auf EU-Ebene, die auf diesem Gebiet tätig sind, unterstützen.

Die EU-Maßnahmen werden die nationalen Strategien und Programme zur Förderung der Gleichstellung unterstützen und ergänzen, etwa durch Förderung der Konformität der nationalen Rechtsvorschriften über Rechtsfähigkeit mit dem VN-Übereinkommen.

Beseitigung von Diskriminierungen aufgrund einer Behinderung in der EU

4. Beschäftigung

Hochwertige Arbeitsplätze gewährleisten wirtschaftliche Unabhängigkeit, fördern die Selbstentfaltung und sind der beste Schutz vor Armut. Die Erwerbstätigenquote für Menschen mit Behinderungen beträgt allerdings lediglich etwa 50 %.15 Damit die EU-Wachstumsziele erreicht werden können, müssen mehr Menschen mit Behinderungen einer bezahlten Erwerbstätigkeit auf dem offenen Arbeitsmarkt nachgehen. Die Kommission wird das Potenzial der Europa-2020-Strategie und ihrer Agenda für neue Kompetenzen und neue Beschäftigungsmöglichkeiten voll ausschöpfen und den Mitgliedstaaten Analysen und politische Leitlinien an die Hand geben sowie Informationsaustausch und sonstige Unterstützung anbieten. Sie wird die Kenntnisse über die Beschäftigungslage von Frauen und Männern mit Behinderungen verbessern, Probleme aufzeigen und Lösungsvorschläge unterbreiten. Besondere Aufmerksamkeit wird sie Jugendlichen mit Behinderungen bei ihrem Übergang von der Ausbildung ins Erwerbsleben widmen. Sie wird die Frage der innerberuflichen Mobilität auf dem offenen Arbeitsmarkt und in geschützten Werkstätten aufgreifen und dabei auf Informationsaustausch und wechselseitiges Lernen setzen. Des Weiteren wird sie sich unter Einbeziehung der Sozialpartner mit den Themen Selbständigkeit und hochwertige Arbeitsplätze befassen, einschließlich Aspekten wie Arbeitsbedingungen und beruflicher Aufstieg. Die Kommission wird verstärkt freiwillige Initiativen zur Förderung von Vielfalt in Unternehmen, wie etwa von Arbeitgebern unterzeichnete Chartas der Vielfalt, und eine Initiative für eine soziale Unternehmenskultur unterstützen.

Die EU-Maßnahmen werden nationale Bemühungen unterstützen und ergänzen, die darauf abstellen, die Arbeitsmarktsituation von Menschen mit Behinderungen zu analysieren; gegen die Sozialleistungsabhängigkeit von Menschen mit Behinderungen vorzugehen, die sie davon abhalten, in den Arbeitsmarkt einzutreten; die Eingliederung von Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt mithilfe des Europäischen Sozialfonds (ESF) zu erleichtern; aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zu entwickeln; Arbeitsplätze besser zugänglich zu machen; Dienstleistungen für Stellenvermittlung, Unterstützungsstrukturen und Schulung am Arbeitsplatz zu entwickeln; die Nutzung der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung16 zu fördern, die vorsieht, dass staatliche Beihilfen ohne vorherige Anmeldung bei der Kommission gewährt werden können.

Schaffung der Voraussetzungen, damit viel mehr Menschen mit Behinderungen ihren Lebensunterhalt auf dem offenen Arbeitsmarkt verdienen können

5. Allgemeine und berufliche Bildung

In der Altersgruppe der 16- bis 19-Jährigen beträgt die Quote der Nichtbeteiligung an schulischer Bildung für stark behinderte Jugendliche 37 % und für teilweise behinderte Jugendliche 25 % gegenüber 17 % für nichtbehinderte Jugendliche. 17 Der Zugang zum Regelunterricht ist für schwerbehinderte Kinder schwierig und mitunter erfolgt eine Trennung. Menschen mit Behinderungen, vor allem Kinder, müssen in angemessener Weise in das allgemeine Bildungssystem integriert und individuell unterstützt werden, wobei das Wohl des Kindes zu berücksichtigen ist. Unter völliger Achtung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für den Lehrinhalt und die Organisation der Bildungssysteme wird die Kommission das Ziel einer integrativen und hochwertigen allgemeinen und beruflichen Bildung im Rahmen der Initiative "Jugend in Bewegung" unterstützen. Sie wird den Kenntnisstand zu Bildungsniveaus und Möglichkeiten für Menschen mit Behinderungen verbessern und ihre Mobilität fördern, indem sie die Beteiligung am Programm für lebenslanges Lernen erleichtert.

Die EU-Maßnahmen werden die nationalen Bemühungen im Rahmen des ET 2020, des strategischen Rahmens für die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung18, unterstützen, die darauf abstellen, rechtliche und organisatorische Hindernisse zu beseitigen, die für Menschen mit Behinderungen in den Systemen der allgemeinen Bildung und des lebenslangen Lernens bestehen; die integrative Bildung und das personalisierte Lernen durch rechtzeitige Unterstützung und Früherkennung besonderer Bedürfnisse zu fördern; eine angemessene Schulung und Unterstützung der Fachkräfte auf allen Ebenen des Bildungswesens anzubieten sowie über Beteiligungsquoten und Ergebnisse Bericht zu erstatten.

Förderung der integrativen Bildung und des lebenslangen Lernens für Schüler/innen und Studierende mit Behinderungen

6. Sozialer Schutz

Eine niedrigere Beteiligung an der allgemeinen Bildung und am Arbeitsmarkt führt zu Einkommensungleichheiten und Armut für Menschen mit Behinderungen sowie zu sozialer Ausgrenzung und Isolation. Menschen mit Behinderungen müssen soziale Sicherungssysteme und Programme zur Armutsbekämpfung, behinderungsbezogene Unterstützung, Programme des sozialen Wohnungsbaus und sonstige Unterstützungsdienste sowie Ruhestandsregelungen und Leistungsprogramme in Anspruch nehmen können. Die Kommission wird diesen Fragen im Rahmen der Europäischen Plattform zur Bekämpfung der Armut Beachtung schenken. Dazu gehört die Bewertung der Angemessenheit und Tragfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme und der Unterstützung durch den ESF. Die EU wird nationale Maßnahmen zur Gewährleistung der Qualität und Tragfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme für Menschen mit Behinderungen, vor allem durch politischen Austausch und gegenseitiges Lernen unterstützen, wobei die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten in vollem Umfang gewahrt bleiben.

Förderung angemessener Lebensbedingungen für Menschen mit Behinderungen

7. Gesundheit

Menschen mit Behinderungen haben mitunter nur eingeschränkten Zugang zu Gesundheitsleistungen, u.a. ärztlichen Routinebehandlungen, was zu weiteren, nicht mit ihrer Behinderung zusammenhängenden Benachteiligungen ihrer Gesundheit führen kann. Sie haben Anspruch auf gleichberechtigten Zugang zur Gesundheitsversorgung, einschließlich der Vorsorge, sowie speziellen, erschwinglichen und hochwertigen Gesundheits- und Rehabilitationsleistungen, die ihre Bedürfnisse berücksichtigen, auch geschlechtsspezifische. Hier sind in erster Linie die Mitgliedstaaten gefordert, die für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung zuständig sind. Die Kommission wird politische Entwicklungen zugunsten eines gleichberechtigten Zugangs zur Gesundheitsversorgung - u.a. zu hochwertigen Gesundheits- und Rehabilitationsleistungen - für Menschen mit Behinderungen unterstützen. Sie wird bei der Durchführung von Strategien zur Bekämpfung gesundheitlicher Ungleichheit besonderes Augenmerk auf Menschen mit Behinderungen legen, Maßnahmen im Bereich Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz fördern, mit denen das Risiko des Entstehens von Behinderungen während des Berufslebens verringert und die Wiedereingliederung von Arbeitskräften mit Behinderungen verbessert werden soll,19 sowie auf die Vermeidung dieser Risiken hinarbeiten.

Die EU-Maßnahmen werden nationale Maßnahmen unterstützen, die darauf abstellen, diskriminierungsfreien Zugang zu Gesundheitsleistungen und -einrichtungen zu bieten; das Bewusstsein für die Behinderungsthematik im Medizinstudium und in den Lehrplänen für Angehörige der Gesundheitsberufe zu schärfen; angemessene Rehabilitationsleistungen anzubieten; Dienstleistungen im Bereich psychische Gesundheit und die Entwicklung von Leistungen in den Bereichen Frühintervention und Bedarfsanalyse zu fördern.

Förderung des gleichberechtigten Zugangs zu Gesundheitsleistungen und damit zusammenhängenden Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen

8. Maßnahmen im Außenbereich

Die EU und die Mitgliedstaaten sollten die Rechte der Menschen mit Behinderungen bei ihren Maßnahmen im Außenbereich fördern, u.a. im Rahmen der EU-Erweiterungs-, Nachbarschafts- und Entwicklungsprogramme. Die Kommission wird sich gegebenenfalls in einem umfassenderen Nichtdiskriminierungsrahmen dafür einsetzen, dass Behinderung als Menschenrechtsfrage bei EU-Maßnahmen im Außenbereich in den Fokus gerückt wird; das Bewusstsein für das VN-Übereinkommen und die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen, einschließlich Barrierefreiheit, bei Soforthilfe und humanitärer Hilfe geschärft wird; das Netz der für Behindertenfragen zuständigen Korrespondenten gefestigt und das Bewusstsein für Behindertenfragen bei den EU-Delegationen geschärft wird; gewährleistet ist, dass Kandidatenländer und potenzielle Kandidatenländer Fortschritte bei der Förderung der Rechte von Menschen mit Behinderungen erzielen, und sichergestellt ist, dass die Finanzierungsinstrumente für die Heranführungshilfe genutzt werden, um die Situation von Menschen mit Behinderungen zu verbessern.

Die EU-Maßnahmen werden nationale Initiativen unterstützen und ergänzen, die darauf abstellen, Behindertenfragen in Gesprächen mit Drittstaaten aufzugreifen und gegebenenfalls - unter Berücksichtigung der in Accra eingegangenen Verpflichtungen bezüglich der Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit - die Behindertenthematik und die Durchführung des VN-Übereinkommens einzubeziehen. Sie wird Vereinbarungen und Verpflichtungen in Bezug auf Behindertenfragen in internationalen Foren (Vereinte Nationen, Europarat, OECD) fördern.

Förderung der Rechte von Menschen mit Behinderungen im Rahmen der EU-Maßnahmen im Außenbereich

2.2. Durchführung der Strategie

Für die Strategie bedarf es eines gemeinsamen und erneuerten Engagements der EU-Institutionen und aller Mitgliedstaaten. Die Maßnahmen in den genannten Schlüsselbereichen müssen durch folgende allgemeine Instrumente gestützt werden:

1. Bewusstseinsbildung

Die Kommission wird dafür sorgen, dass gewährleistet ist, dass Menschen mit Behinderungen sich ihrer Rechte bewusst sind, und dabei besonderes Augenmerk auf den barrierefreien Zugang zu Materialien und Informationskanälen legen. Sie wird für Ansätze im Sinne des "Design für alle" von Produkten, Dienstleistungen und Umfeldern sensibilisieren.

Die EU-Maßnahmen werden nationale Kampagnen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Fähigkeiten und den Beitrag von Menschen mit Behinderungen unterstützen und ergänzen sowie den Austausch bewährter Verfahren in der hochrangigen Gruppe "Behinderungsfragen" fördern.

Schärfung des Bewusstseins in der Gesellschaft für Behindertenfragen sowie Förderung einer besseren Aufklärung der Menschen mit Behinderungen über ihre Rechte und deren Ausübung

2. Finanzielle Unterstützung

Die Kommission wird dafür sorgen, dass die EU-Programme in den Bereichen, die für Menschen mit Behinderungen von Belang sind, Finanzierungsmöglichkeiten bieten (etwa Forschungsprogramme). Kosten für Maßnahmen, die Menschen mit Behinderungen die Beteiligung an den EU-Programmen ermöglichen, sollten erstattungsfähig sein. Bei EU-Finanzierungsinstrumenten, insbesondere den Strukturfonds, müssen Barrierefreiheit und Nichtdiskriminierung gewährleistet sein.

Die EU-Maßnahmen werden Anstrengungen der Mitgliedstaaten unterstützen und ergänzen, die darauf abstellen, die Barrierefreiheit zu verbessern und Diskriminierungen zu bekämpfen durch allgemeine Finanzierung, durch eine ordnungsgemäße Anwendung des Artikels 16 der allgemeinen Verordnung über die Strukturfonds 20 und durch Festlegung höchster Anforderungen an die Barrierefreiheit bei der öffentlichen Auftragsvergabe. Alle Maßnahmen sollten in Einklang mit dem europäischen Wettbewerbsrecht, insbesondere den Vorschriften über staatliche Beihilfen, durchgeführt werden. Optimierung der Nutzung der EU-Finanzierungsinstrumente für Barrierefreiheit und Nichtdiskriminierung sowie Steigerung des Bekanntheitsgrads von behindertenrelevanten Finanzierungsmöglichkeiten in Programmen für den Zeitraum nach 2013

3. Statistiken und Datensammlung sowie Überwachung

Die Kommission wird für die Bündelung der behindertenrelevanten Informationen sorgen, die bei EU-Erhebungen im Sozialbereich (EU-Statistik über Einkommen und Lebensbedingungen, Arbeitskräfteerhebung - Adhoc-Modul, Europäische Gesundheitsumfrage) gesammelt werden, eine gezielte Erhebung zu den Hindernissen für die soziale Eingliederung behinderter Menschen ausarbeiten und eine Reihe von Indikatoren zur Überwachung der Situation von Menschen mit Behinderungen in Bezug auf Europa-2020- Kernziele (Bildung, Beschäftigung und Verringerung der Armut) vorlegen. Die EU-Agentur für Grundrechte wird aufgefordert, im Rahmen ihres Mandats durch Datensammlung, Forschungsarbeiten und Analysen zu dieser Aufgabe beizutragen.

Die Kommission wird zudem ein webbasiertes Instrument einrichten, das einen Überblick über die konkreten Maßnahmen und Rechtsvorschriften zur Umsetzung des VN-Übereinkommens vermittelt.

Die EU-Maßnahmen wird die Anstrengungen der Mitgliedstaaten unterstützen und ergänzen, die darauf abstellen, statistische Angaben und Daten zu sammeln, welche die Hindernisse, denen sich Menschen mit Behinderungen bei der Ausübung ihrer Rechte gegenübersehen, verdeutlichen.

Ergänzung regelmäßiger behindertenrelevanter Statistiken zwecks Überwachung der Situation von Menschen mit Behinderungen

4. Im VN-Übereinkommen geforderte Mechanismen

Der in Artikel 33 des VN-Übereinkommens geforderte Regelungsrahmen (Anlaufstellen, Koordinierungsmechanismus, unabhängiger Mechanismus und Einbeziehung der Menschen mit Behinderungen und der sie vertretenden Organisationen) ist auf zwei Ebenen aufzugreifen: in den Mitgliedstaaten in einem breiten Spektrum der EU-Politik sowie innerhalb der EU-Institutionen. Auf EU-Ebene werden auf der Grundlage bestehender Einrichtungen Mechanismen für die Koordinierung zwischen den Kommissionsdienststellen und den EU-Institutionen zum einen sowie zwischen der EU und den Mitgliedstaaten zum anderen geschaffen. Die Durchführung der Strategie und des VN-Übereinkommens wird regelmäßig in der hochrangigen Gruppe "Behinderungsfragen" mit Vertretern der Mitgliedstaaten und ihren nationalen Anlaufstellen, der Kommission, behinderten Menschen und den sie vertretenden Organisationen sowie anderen Interessengruppen erörtert. Für informelle Ministertagungen werden weiterhin Sachstandsberichte vorgelegt.

Außerdem wird ein Überwachungsrahmen geschaffen, der einen oder mehrere unabhängige Mechanismen einschließt und die Durchführung des VN-Übereinkommens fördert, schützt und überwacht. Im Anschluss an den Abschluss des VN-Übereinkommens und nach Erwägung der möglichen Rolle einer Anzahl bestehender Stellen und Einrichtungen der EU wird die Kommission einen Regelungsrahmen vorschlagen, um die Durchführung des VN-Übereinkommens in Europa zu erleichtern, wobei übermäßiger Verwaltungsaufwand vermieden werden soll.

Die Kommission wird Ende 2013 einen Bericht über die im Rahmen dieser Strategie erzielten Fortschritte vorlegen, der die Durchführung der Maßnahmen, die Fortschritte in den Mitgliedstaaten und den EU-Bericht an den VN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen zum Gegenstand hat. 21 Sie wird Statistiken und Datensammlungen heranziehen, um die Veränderungen der Ungleichheiten zwischen Menschen mit Behinderungen und der Gesamtbevölkerung zu veranschaulichen und behindertenspezifische Indikatoren für die Europa-2020-Vorgaben in den Bereichen Bildung, Beschäftigung und Armutsbekämpfung zu erarbeiten. Bei dieser Gelegenheit können Strategie und Maßnahmen überarbeitet werden. Ein weiterer Bericht ist für 2016 geplant.

3. Schlussfolgerung

Mit dieser Strategie soll das gesamte Potenzial der EU-Charta der Grundrechte, des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und des VN-Übereinkommens ausgeschöpft sowie die Europa-2020-Strategie und ihre Instrumente voll genutzt werden. Die Strategie setzt einen Prozess in Gang, durch den für Menschen mit Behinderungen neue Möglichkeiten eröffnet werden, damit sie uneingeschränkt und gleichberechtigt mit anderen an der Gesellschaft teilhaben können. Angesichts der alternden Bevölkerung in Europa werden die Maßnahmen konkrete Auswirkungen auf die Lebensqualität eines wachsenden Teils der Bürger/innen haben. Die EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten sind aufgerufen, im Rahmen dieser Strategie zusammenzuarbeiten, um ein barrierefreies Europa für alle zu schaffen.