Unterrichtung durch die Bundesregierung
Grünbuch der Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Die Rolle der Zivilgesellschaft in der Drogenpolitik der Europäischen Union KOM (2006) 316 endg.; Ratsdok. 12147/06

Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 25. Oktober 2006 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (BGBl. I 1993 S. 313 ff.).

Die Vorlage ist von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften am 27. Juni 2006 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.


Hinweis: vgl.
Drucksache 142/05 (PDF) = AE-Nr. 050520 und
Drucksache 351/05 (PDF) = AE-Nr. 051185

Grünbuch
Die Rolle der Zivilgesellschaft in der Drogenpolitik der Europäischen Union

Ziel

Die Erzeugung und der Konsum illegaler Drogen haben weltweit dramatische Folgen und gehören deshalb zu den gravierendsten Problemen, mit denen die Gesellschaft und die Regierung derzeit konfrontiert sind. Die Erscheinungsformen dieses Problems heißen Krankheit, Kriminalität, Korruption, politische und soziale Instabilität und Verfall der Werte, die der Normalbürger als selbstverständlicher Bestandteil eines Lebens in Würde und Sicherheit betrachtet.

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind sich darüber im Klaren. Zunehmend wird ihnen auch bewusst, dass sie verstärkt zusammen arbeiten und ihre Drogenpolitik koordinieren müssen, wenn sie ihren Bürgern den hohen Gesundheits- und Sicherheitsschutz garantieren wollen, der eine zivilisierte Gesellschaft kennzeichnet und ohne den die Europäische Union ihrer Existenzgrundlage - der Zivilgesellschaft - beraubt wäre.

In diesem Grünbuch geht die Kommission der Frage nach, wie all jene, die am unmittelbarsten von der Drogenproblematik betroffen sind, wie im EU-Drogenaktionsplan 2005-20081 vorgesehen und im Sinne der Europäischen Transparenzinitiative2, enger in die Drogenpolitik der EU eingebunden werden können. Sie leitet daher eine umfassende Konsultation darüber ein, wie zu diesem Thema ein strukturierter und ständiger Dialog zwischen der Kommission und der Zivilgesellschaft gestaltet werden kann. Sie erhofft sich eine Mehrwert erbringende konstruktive Beratung und möchte die besonderen Kenntnisse und Erfahrungen der Zivilgesellschaft in einer praktikablen und nachhaltigen Weise in die politische Entscheidungsfindung auf EU-Ebene einfließen lassen. Ihr Hauptziel ist zunächst, Beiträge im Zusammenhang mit dem EU-Drogenaktionsplan zu erhalten.

Das Grünbuch erläutert die heutige Situation und skizziert die Optionen für ein weiteres Vorgehen. Alle interessierten Kreise sind hiermit aufgefordert, ihre Bemerkungen und Vorschläge bis zum 30. September 2006 an folgende Adresse zu übermitteln:


Europäische Kommission
Generaldirektion Justiz, Freiheit und Sicherheit
Referat C2 - Koordinierung der Drogenbekämpfung
LX 46 001/88 - 1049 Brüssel, Belgien
E-Mail: JLS-drugspolicy@ec.europa.eu
Fax: +32-2-295 32 05

Die Beiträge werden auf der Website der Kommission in der Sprache veröffentlicht, in der sie unterbreitet werden. Der Name des Verfassers wird angegeben, es sei denn, es wurde um Anonymität oder vertrauliche Behandlung gebeten. Die Kommission wird die Beiträge in einem Bericht zusammenfassen und Vorschläge für das weitere Vorgehen formulieren, die ebenfalls auf ihrer Website veröffentlichen werden.

1. Hintergrund

Drogenbedingten Gesundheitsschäden und Risiken für die Gesellschaft sowie Drogendelikte machen der Öffentlichkeit große Sorge. Meinungsumfragen haben ergeben, dass diese Problematik als ein wichtiger Bereich betrachtet wird, in dem die EU handeln sollte3. Die EU hat deshalb bereits in den 90er Jahren damit begonnen, Drogenbekämpfungsstrategien und einschlägige Aktionspläne zu erarbeiten. Die Drogenbekämpfungsstrategie für den Zeitraum 2005-20124 wird derzeit durch einen Aktionsplan umgesetzt, der die Jahre 2005 bis 2008 abdeckt. Die Kommission wird jedes Jahr und nach Ablauf dieses Zeitraums die Ergebnisse bewerten, bevor sie einen Aktionsplan für 2009-2012 vorlegen wird.

Die Strategie der EU spiegelt die wesentlichen Grundsätze des Europäischen Drogenbekämpfungsmodells wider, nämlich einen ausgewogenen und integrierten Ansatz, in dem die Reduzierung des Drogenangebots und die Eindämmung der Drogennachfrage als sich ergänzende und gleichermaßen relevante Wege betrachtet werden. Sie ist Teil des Haager Programms5 und zielt auf einen hohen Gesundheitsschutz, auf einen starken sozialen Zusammenhalt und auf ein hohes Niveau an öffentlicher Sicherheit ab.

Im EU-Drogenaktionsplan 2005-2008 ist eine stärkere Einbeziehung der Zivilgesellschaft ausdrücklich vorgesehen. So soll die Kommission "ein Grünbuch über Möglichkeiten einer effizienten Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft erstellen"6.

Zur Vorbereitung des Aktionsplans 2005-2008 wurde auf einer besonderen Website eine informelle Konsultation durchgeführt. Die Kommission hat sich in ihren Schlussfolgerungen zu dieser Konsultation verpflichtet, die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft bei der Drogenbekämpfung zu strukturieren, damit auf EU-Ebene alle Beteiligten kontinuierlich Meinungen, Erfahrungen und bewährte Vorgehensweisen austauschen, Beiträge liefern und Feedback geben können7.

Das Europäische Parlament hat in seiner Empfehlung zur EU-Drogenbekämpfungsstrategie 2005-2012 eine verstärkte Einbeziehung der Zivilgesellschaft, Nichtregierungsorganisationen, und gemeinnützigen Organisationen sowie der allgemeinen Öffentlichkeit, einschließlich der Drogenbenutzer, in die Suche nach Lösungen für die Drogenprobleme gefordert.8. Auch der Wirtschafts- und Sozialausschuss (WSA) hat auf die Bedeutung einer aktiven Beteiligung der Zivilgesellschaft hingewiesen.

Die Kommission hat im Januar 2006 eine Konferenz veranstaltet, an der über 100 Vertreter der Zivilgesellschaft teilgenommen und sich darüber ausgetauscht haben, wie Bürgereinrichtungen enger in die Drogenbekämpfung auf EU-Ebene eingebunden werden können. Die wichtigsten Ergebnisse der Diskussionen waren,

Außerdem wurde festgestellt, dass es schwierig ist, die Repräsentativität dieses Forums zu bestimmen. Ferner haben die Teilnehmer den Wunsch geäußert, dass die Zivilgesellschaft auch enger in die Überwachung der Umsetzung des EU-Drogenaktionsplans und in die Festlegung künftiger Prioritäten eingebunden werden soll.9

Der geänderte Vorschlag für einen Beschluss des EP und des Rates zur Auflegung eines Finanzprogramms für Drogenprävention und -aufklärung für 2007-1310 sieht die Einbindung der Zivilgesellschaft in die Durchführung und Weiterentwicklung des EU-Aktionsplans vor.

2. Der Begriff "Zivilgesellschaft"

Es gibt keine allgemein anerkannte Definition von Zivilgesellschaft. Die Kommission geht oft von einer Definition aus, die eine breite Palette von Organisationen erfasst, die sowohl soziale als auch wirtschaftliche Akteure sind. Für die Zwecke der in diesem Grünbuch erörterten Thematik wird der Begriff in einem engeren Sinne verwendet. Zugrunde gelegt wird die von der Horizontalen Gruppe "Drogen" (HDG) in ihrer thematischen Debatte von September 2005 vorgeschlagene Definition, nach der die Zivilgesellschaft die im Raum zwischen Staat und Markt tätigen Nichtregierungs-, gemeinnützigen und Bürgerorganisationen, einschließlich der Beteiligung Einzelner, bezeichnet11. Wichtig ist hier, dass diese Definition auch einzelne Bürger erfasst, die sich in einem bestimmten gesellschaftlichen Bereich sichtbar engagieren oder einen bedeutenden Beitrag leisten.

Bei der Förderung oder Gestaltung der zivilgesellschaftlichen Beteiligung kommt den Mitgliedstaaten zwar eine entscheidende Rolle zu, doch der EU-Ebene wird zunehmend Gewicht beigemessen. Wie sich unlängst herausgestellt hat, hängt die Wirkung und überhaupt die Akzeptanz der EU entscheidend vom Engagement der EU-Bürger ab12. Die Zivilgesellschaft muss eingebunden werden, damit Folgendes erreicht werden kann:

Die Bürger können sich in verschiedenen Phasen der politischen Entscheidungsfindung einschalten. Die Zivilgesellschaft kann die Legitimität und Verantwortlichkeit der Regierenden stärken, den Informationsfluss verbessern und Sprachrohr für all die sein, die von einer Politik betroffen sind und sonst kein Gehör finden.

3. Zusammenarbeit Kommission - Zivilgesellschaft: Stand der Dinge

Zu den Bemühungen um eine europäische Governance und ein bürgernäher regiertes Europa gehört auch, die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft zu intensivieren.13 Die Regeln für diese engere Zusammenarbeit sind in mehreren Kommissionsdokumenten festgelegt.

So wurden die Grundsätze für die Beziehungen zur Zivilgesellschaft und zu den Interessengruppen - Offenheit und Gleichbehandlung - erstmals 1992 in einer Mitteilung ("Ein offener und strukturierter Dialog zwischen der Kommission und den Interessengruppen"14) festgeschrieben. In den letzten Jahren hat sie insbesondere in ihrem Weißbuch "Europäisches Regieren" und in der Mitteilung "Allgemeine Grundsätze und Mindeststandards für die Konsultation betroffener Parteien" ihre diesbezügliche Politik präzisiert und weiterentwickelt.

Auch in ihrer Mitteilung "Strategische Ziele 2005-2009 - Eine Partnerschaft für die Erneuerung Europas" hat sie sich verpflichtet, die Möglichkeiten einer aktiveren Mitwirkung aller Beteiligten an der EU-Politikkonzipierung zu verbessern15. In dieser Mitteilung hat sie festgehalten, dass "Konsultation und Beteiligung unverzichtbare Bestandteile der Partnerschaft sind".

NB. Aus dem Anhang geht hervor, wie sich die Zusammenarbeit Zivilgesellschaft - Kommission in einigen Bereichen gestaltet.

4. Politik und Rechtsvorschriften der EU auf dem Gebiet der Drogenbekämpfung

Auch wenn es keine gemeinsame europäische Drogenpolitik gibt (im Gegensatz z.B. zur gemeinsamen Agrarpolitik), besteht wachsende Einsicht darin, dass ernsthafte und komplexe Drogenfragen nicht von den Mitgliedstaaten allein behandelt werden können, sondern eine effektive Zusammenarbeit auf EU Ebene benötigen. Die EU hat daher eine Drogenstrategie und Aktionspläne zur Schaffung eines gemeinsamen Handlungsansatzes erarbeitet. Zusätzlich finden sich in den EU Verträgen rechtliche Bestimmungen, die die Grundlage zum Handeln auf EU Ebene darstellen und damit nationale Massnahmen ergänzen.

Die der Gemeinschaft durch den EG-Vertrag zugewiesenen Befugnisse16 erlauben es ihr, in einigen Bereichen, z.B. Geldwäsche, Handel mit Drogenausgangsstoffen und Gesundheitsschutz, einen maßgeblichen Beitrag zur Drogenbekämpfung zu leisten. In letzterem Bereich ergänzt die Gemeinschaft die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Verringerung drogenkonsumbedingter Gesundheitsschäden, einschließlich der Informations- und Vorbeugungsmaßnahmen. So hat die Gemeinschaft z.B. eine auf Artikel 57 EG-Vertrag gestützte Richtlinie zur Verhinderung von Geldwäsche, eine auf Artikel 95 EG-Vertrag gestützte Verordnung über die Drogenausgangsstoffe und eine auf Artikel 152 EG-Vertrag gestützte Empfehlung des Rates zur Prävention und Reduzierung von Gesundheitsschäden im Zusammenhang mit der Drogenabhängigkeit angenommen. Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) ist eine Agentur der Gemeinschaft, die auf der Grundlage des EG-Vertrags geschaffen wurde.

Titel VI EU-Vertrag sieht eine verstärkte Zusammenarbeit bei der Schaffung eines Raums der Freiheit, Sicherheit und des Rechts, d.h. auch bei der Drogenbekämpfung, vor. In diesen Bereichen verfügen sowohl die Kommission als auch die Mitgliedstaaten über das Initiativrecht. Auf der Grundlage des EU-Vertrags wurden u.a. ein Rahmenbeschluss über den illegalen Drogenhandel (Titel VI Artikel 31 und 34 EU-Vertrag)17 sowie ein Beschluss des Rates über die psychoaktiven Substanzen (Titel VI Artikel 29, 31 und 34 EU-Vertrag)18 angenommen.

5. Akteure der Zivilgesellschaft auf dem Gebiet der Drogenbekämpfung

Dieses Grünbuch ist der erste Versuch, den Dialog mit den Einrichtungen der Zivilgesellschaft auf dem Gebiet der Drogenbekämpfung zu strukturieren. Es gibt viele Gründe, warum die Zivilgesellschaft stärker in die Planung, Durchführung und Bewertung der Drogenpolitik eingebunden werden sollte. Der Dialog mit der Zivilgesellschaft und anderen Beteiligten in der Phase der Politikkonzipierung trägt zum Erfolg der Maßnahmen bei und fördert das Engagement der Akteure.. Für die Zivilgesellschaft ist die EU weit entfernt.Außerdem mangelt es ihnen vielfach an den für eine Mitwirkung erforderlichen Strukturen und Kenntnissen. Doch die Zivilgesellschaft schultert oft eine große Verantwortung bei der örtlichen Durchführung von Maßnahmen, wie sie im Drogenaktionsplan der EU vorgesehen sind, insbesondere wenn es um Drogenprävention sowie um die Behandlung und Rehabilitation von Drogenbenutzern geht. Die Zivilgesellschaft besteht aus Organisationen, die entweder Dienstleistungen erbringen, oder die Belange der in diesen Bereichen Tätigen vertreten. Die Stärke der nichtstaatlichen Organisationen und der gemeinnützigen Einrichtungen liegt häufig darin, dass sie in der Lage sind, innovative Konzepte auszuarbeiten, die auf realistischen Einschätzungen des tatsächlichen Bedarfs beruhen. Viele Einrichtungen der Zivilgesellschaft stehen in direktem Kontakt zu den von diesem Problem am meisten betroffenen Gruppen.

Die Vielfalt der zivilgesellschaftlichen Akteure ist auf jedem Gebiet sehr groß. Dies muss bei der Einrichtung von Konsultationsstrukturen auf EU-Ebene beachtet werden, wobei jedoch nicht vergessen werden darf, dass die Debatte effizient und strukturiert ablaufen muss.

Zwischen den auf dem Gebiet der Drogenbekämpfung tätigen Einrichtungen verlaufen oft philosophische, ideologische, moralische und wissenschaftliche Trennungslinien. Jede Maßnahme zur weiteren Einbindung der Zivilgesellschaft auf EU-Ebene geht also einher mit einer Entscheidung darüber, welche Einrichtung in den Prozess einbezogen werden soll, und welche Art von Beiträgen von ihr erwartet wird. Die Januar-Konferenz über die Zivilgesellschaft in der EU hat erkennen lassen, dass beide Fragen bislang noch nicht befriedigend beantwortet sind.

Es gibt auch Gruppierungen und Vereinigungen, die Drogenkonsumenten oder ihre Familien unterstützen oder vertreten. Schließlich können viele andere zivilgesellschaftliche Akteure, die zwar nicht direkt oder nicht in erster Linie in der Drogenbekämpfung tätig sind, ebenfalls wertvolle Beiträge zu einem Dialog leisten. Dies gilt insbesondere für den Bereich HIV/Aids.

Die Organisationen der Zivilgesellschaft bemühen sich überwiegend um die Reduzierung der Drogennachfrage; dennoch sollte ihre Rolle bei der Angebotsverringerung nicht unterschätzt werden (z.B. im Kampf gegen lokale Drogenmärkte). Viele Organisationen sammeln im Rahmen der Entwicklungsarbeit Erfahrungen mit der Drogenbekämpfung in anderen Ländern.

6. Weiteres Vorgehen Optionen

Die Ausführungen in diesem Kapitel beruhen auf den Rückmeldungen, die die Kommission im Zuge der informellen Konsultation der Zivilgesellschaft zur Vorbereitung dieses Grünbuchs erhalten hat, sowie auf den Ergebnissen der Konferenz vom Januar 2006. Sowohl die Konsultation als auch die Konferenz haben gezeigt, dass ein ständiger strukturierter Dialog mit der Kommission oberstes Anliegen der Zivilgesellschaft ist.

Die Kommission unterbreitet nunmehr zwei Optionen für diesen Dialog:

6.1. Drogenforum der Zivilgesellschaft

Ein Drogenforum wäre eine breite Plattform für einen strukturierten Dialog; allerdings müsste die Mitgliedschaft darin in irgendeiner Weise begrenzt werden, damit es sich verwalten lässt und konkrete Ergebnisse hervorbringen kann. Ziel ist nicht die Schaffung einer zivilgesellschaftlichen Versammlung als Plattform für unterschiedliche Ideologien, sondern die Einführung eines pragmatischen Instruments zur praxisorientierten Beratung und somit zur Unterstützung der Konzeption und Durchführung drogenpolitischer Strategien.

Das Forum wäre keine formale Struktur innerhalb der Kommission, sondern eine Plattform für regelmäßige informelle Konsultationen. Zur Diskussion würden in erster Linie die Themen dies EU-Aktionsplans stehen, doch andere Themen von gemeinsamem Interesse auf dem Drogengebiet sollten nicht ausgeschlossen werden. Das Forum sollte bereits bestehende Dialoge zwischen der Zivilgesellschaft und nationalen oder lokalen Regierungen weder ersetzen noch lediglich abbilden. Sein Hauptziel sollte sein, einen EU-Mehrwert zu erbringen. Die Akteure und politischen Optionen sollten ausgewogen vertreten sein, damit einseitige Stellungnahmen vermieden werden.

Den Vorsitz des Forums hätte die Kommission, die auch bestimmte praktische Fragen regeln und die Kontinuität der Arbeit sichern stellen würde.

Die Mitgliedschaft im Forum wäre auf eine bestimmte Zeit begrenzt. Für eine Mitgliedschaft in Frage kämen Einrichtungen, die bestimmte Kriterien erfüllen, u.a.:

Die Kommission würde die Auswahl unter den Organisationen, die diese Kriterien erfüllen, auf der Grundlage einer Aufforderung zur Interessenbekundung treffen, nachdem sie die Reaktionen auf das Grünbuch ausgewertet und ihren Bericht veröffentlicht hat.

6.2. Thematische Verknüpfung bestehender Netze

Als Alternative oder ergänzend zur Einrichtung eines Drogenforums der Zivilgesellschaft wäre die Stärkung der thematischen Verbindungen zwischen den verschiedenen Netzen vorstellbar. In Europa ist eine Vielzahl von Netzen im Drogenbereich tätig. Sie sind oft sehr erfolgreich beim netzinternen Austausch beispielsweise von bewährten Praktiken und wirksamen Lösungen usw.; hingegen ist die Informationsverbreitung außerhalb des Netzes, einschließlich des Feedback an die Kommission, vielfach noch verbesserungsfähig.

Eine informelle, unbürokratische und wirtschaftliche Möglichkeit, den Informationsfluss zu strukturieren und die Zivilgesellschaft effizienter zu konsultieren, bestünde darin, mit derselben Thematik befasste Netze zu verknüpfen.

Von den thematisch ausgerichteten Netzen würde u. a. erwartet, dass sie die Kommission - sowie im Übrigen auch die Mitgliedstaaten und die anderen EU-Institutionen - in Angelegenheiten unterstützen, die besondere Erfahrungen oder Fachkenntnisse erfordern und in denen sie einen besonderen Beitrag leisten könnten. Sofern sie als repräsentativ gelten, könnten sie außerdem für die Kommission als Kontaktstelle fungieren, die mit dieser gemeinsam mögliche Finanzierungsquellen der Gemeinschaft ermittelt und die Netzwerkmitglieder darüber unterrichtet.

Ein konkretes Beispiel für die Verknüpfung dieser Netze bietet beispielsweise der Bereich Drogentherapie. So könnten EU-Netze zu den Themen therapeutische Gemeinschaften, Substitutionsbehandlung, Drogentherapeuten usw. über zivilgesellschaftliche Ansätze für den Zugang zur Behandlung und zur Verbesserung der Behandlungsqualität sowie über bewährte Verfahrensweisen beraten (Ziel 12 des EU-Aktionsplans). Die Diskussionen könnten im Internet, in Sitzungen und in anderer Form stattfinden.

7. Schlussfolgerung

Entsprechend dem EU-Drogenaktionsplan skizziert das Grünbuch, was im Wesentlichen zu tun wäre, damit die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft effizienter wird. Es werden die Gesichtspunkte dargelegt, die bei der Einrichtung eines stärker strukturierten und dauerhaften drogenpolitischen Dialogs zwischen der Kommission und der Zivilgesellschaft zu bedenken sind, und Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt.

Anhang
Beispiele für die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und der Zivilgesellschaft

Die Kommission praktiziert seit langer Zeit die Konsultation und den Dialog mit der Zivilgesellschaft und hat dafür zahlreiche Möglichkeiten entwickelt. Konkrete Beispiele für die Organisation des Dialogs finden sich nachstehend. Die Kommission ist daran interessiert zu erfahren, inwiefern die derzeitige Praxis in anderen Bereichen für die Strukturierung des drogenpolitischen Dialogs relevant sein könnte.

1. Konsultation im Internet

Die Kommission hat Mindeststandards für eine transparente und kohärente Konsultation interessierter Kreise eingeführt und in diesem Zusammenhang einen einzigen Zugang über das Internet "Ihre Stimme in Europa"19 eingerichtet. Die Website dient nicht nur der Konsultation, sondern bietet auch die Möglichkeit, an Diskussionen über die europäische Politik teilzunehmen und der Kommission Anregungen und Feedback zu geben. Interessenten können sich außerdem regelmäßig über künftige Konsultationen oder Debatten informieren lassen.

2. Offene Konsultation mit interessierten Kreisen, Anmeldung erforderlich

Die GD Handel verbindet seit 1998 die Internet-Konsultation interessierter Kreise mit einer offenen Konsultation. An dem Dialog können sich gemeinnützige Organisationen der Zivilgesellschaft in der EU und in Beitrittsländern beteiligen. Im Rahmen dieser umfassenden Konsultation, die auf eine bessere Politikkonzeption und mehr Transparenz abzielt, werden handelspolitische Probleme zur Sprache gebracht.

Die Teilnehmer müssen sich in einer besonderen Datenbank registrieren lassen, über die auch die Kommunikation zwischen ihnen und der Kommission abläuft.

3. Repräsentatives Netz der Zivilgesellschaft (NRO)

Durch das Aktionsprogramm der Gemeinschaft zur Förderung einer aktiven europäischen Bürgerschaft unterstützt die GD Bildung und Kultur eine Vielfalt von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die die Beteiligung der Bürger an dem europäischen Projekt zum Ziel haben. Diese Organisationen umfassen NRO Netzwerke und Plattformen, Gewerkschaften, "Think Tanks" sowie Verbände von allgemeinem europäischem Interesse. In diesem Zusammenhang hat die Kommission ein informelles Netzwerk auf europäischer Ebene gegründet und veranstaltet mit diesen regelmässige Sitzungen, in denen wichtige Fragen der Bürgerpartizipation diskutiert werden. Ziel dieser Sitzungen ist es, Input und Ideen zu sammeln für die Analyse (impact analysis) der auf diesem Gebiet relevanten Initiativen. Das Netzwerk bildet weiterhin ein Forum zur Diskussion horizontaler Fragen.

Die GD Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit hat die Zusammenarbeit mit einer 1995 eingerichteten Plattform der europäischen NRO des sozialen Sektors aufgenommen. Für die Diskussion über das Grünbuch zur europäischen Sozialpolitik haben mehrere NRO ein spezielles Forum organisiert. Diese Zusammenarbeit wurde auf informeller Basis fortgesetzt und führte zu gemeinsamen Stellungnahmen zu dem Vorschlag für ein Europäisches Forum für Sozialpolitik.

Der Gruppe gehören heute 39 Organisationen aus dem sozialen Bereich an. Sie bringt mehr als 1 700 lokale, regionale, nationale und europäische Organisationen, Vereinigungen und andere gemeinnützige Einrichtungen zusammen, die ein breites Spektrum der Zivilgesellschaft repräsentieren.

4. Kombination von zweistufigen Foren

4.1. Forum zur Gesundheitspolitik und Offenes Forum

Gesundheitspolitische Fragen werden mit der Zivilgesellschaft auf zwei Ebenen erörtert: im EU-Forum zur Gesundheitspolitik und im Offenen Forum.

Das EU-Forum zur Gesundheitspolitik ist das Ergebnis einer Konsultation, die die Kommission im Nachgang zu ihrer Mitteilung über die gesundheitspolitische Strategie der Europäischen Gemeinschaft und ihrem Vorschlag für ein Aktionsprogramm der Gemeinschaft im Bereich der öffentlichen Gesundheit20 abgehalten hat. Im Forum zur Gesundheitspolitik setzen sich europäische Dachverbände, die Interessengruppen aus dem Gesundheitsbereich vertreten, für eine transparente Gesundheitsstrategie der EU ein, die den Anliegen der Öffentlichkeit Rechnung trägt. Das Forum findet zweimal jährlich in Brüssel statt und vertritt vier Gruppen von Organisationen:

Das Forum zählt mehr als 50 europäische Mitgliedsorganisationen mit nationalen Mitgliedsverbänden in allen oder den meisten EU-Staaten. Organisationen, die nicht Mitglieder sind, aber dennoch Interesse an dem Forum haben, können sich in einer Datenbank von Organisationen registrieren lassen und werden dann regelmäßig über die Tätigkeit des Forums unterrichtet (Verteilung des Protokolls, Konsultation usw.).

Das Offene Forum erweitert - im Wege einer Konferenz und einer Ausstellung - die Tätigkeit des Forums zur Gesundheitspolitik auf eine breitere Gruppe von im Wesentlichen nationalen Akteuren. Ziel ist, Gruppen und Organisationen, die sich normalerweise nicht an der politischen Entscheidungsfindung der EU beteiligen, eine Plattform für Netzwerkarbeit und Gedankenaustausch zu bieten. Das Offene Forum wurde im November 2005 zum zweiten Mal ausgerichtet (370 Teilnehmer).

4.2. HIV-Thinktank und Forum der Zivilgesellschaft

Die von der Kommission vorgesehene Koordinierungsstruktur soll zur Konzeption und Umsetzung der politischen Maßnahmen im Bereich HIV/Aids in Europa beitragen. Zu diesen gehören der HIV/Aids-Thinktank und ein Forum der Zivilgesellschaft zu HIV/Aids. Der Thinktank hat Vertreter der Mitgliedstaaten, der Kandidatenländer und der EWR -Länder. Darüber hinaus werden Vertreter der Zivilgesellschaft, der relevanten internationalen Organisationen, Belarus, Moldawiens, Rußlands, der Schweiz und der Ukraine zu den Sitzungen als Beobachter eingeladen.

An dem Forum der Zivilgesellschaft zu HIV/Aids beteiligen sich 30 NRO und Organisationen der Zivilgesellschaft aus ganz Europa. Das Forum setzt sich für die verstärkte informelle Konsultation der Zivilgesellschaft ein, wird beratend tätig und trägt durch seine Stellungnahmen zu den gesundheitspolitischen Vorschlägen, Aktivitäten und Prioritäten zur Festlegung der Schwerpunkte der HIV-/Aids-Bekämpfung bei. Das Forum ist nicht fest in der Kommission angesiedelt, doch diese organisiert die Sitzungen und erstattet die Reisekosten. Die Mitgliedschaft muss beantragt werden; die Kommission wählt die Mitglieder aus.

Die Teilnehmer müssen Organisationen der Zivilgesellschaft sein und schwerpunktmäßig im Bereich HIV/Aids arbeiten. Es muss sich um Patientenvereinigungen, NRO mit der Zielgruppe infizierte Personen oder um ein europäisches Netz handeln. Sie müssen ausreichend vor Ort vertreten sein und über gute Kommunikationsverbindungen zu anderen örtlichen NRO verfügen, damit sie die Lage des Landes verständlich darstellen und als Kontaktstelle für das Land dienen können21.