Beschluss des Bundesrates Verordnung zur Regelung der Grundsätze des Verfahrens für die Arbeit der Einigungsstellen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch
(Einigungsstellen-Verfahrensverordnung-Einigungs-StVV)

Der Bundesrat hat in seiner 805. Sitzung am 5. November 2004 beschlossen, der Verordnung gemäß Artikel 80 Abs. 2 des Grundgesetzes nach Maßgabe der nachstehenden Änderungen zuzustimmen:

1. Zu § 1

§ 1 ist wie folgt zu fassen:

Als Folge ist

Begründung

Bei getrennter Aufgabenwahrnehmung entscheidet die Agentur für Arbeit über die Erwerbsfähigkeit und Hilfebedürftigkeit des oder der Arbeitsuchenden ( § 44a SGB II), weshalb hier die Einigungsstelle auch angesiedelt sein sollte. Nach § 44b Abs. 3 SGB II nimmt die Arbeitsgemeinschaft die Aufgaben der Agentur für Arbeit als Leistungsträger nach dem SGB II wahr und entscheidet somit auch über die Erwerbsfähigkeit und Hilfebedürftigkeit des oder der Arbeitsuchenden. Beim Bestehen einer Arbeitsgemeinschaft sollte die Einigungsstelle daher ihren Sitz bei der Arbeitsgemeinschaft haben.

2. Zu § 2 Abs. 1 und Abs. 4

§ 2 Abs. 1 ist wie folgt zu fassen:

In der Folge

ist § 2 Abs. 4 zu streichen.

Begründung

Die Verordnung regelt gemäß der Ermächtigungsnorm die Grundsätze des Verfahrens für die Arbeit der Einigungsstellen. Die Zusammensetzung der Mitglieder der Einigungsstelle wird bereits in § 45 Abs. 1 Satz 2 SGB II geregelt. Die Art und Weise, wie die Leistungsträger ihre Vertreter der Einigungsstelle bestellen, obliegt allein den Trägern nach Maßgabe der dort geltenden internen Regelungen, die Grundsätze der Selbstverwaltung der Träger dürfen insoweit durch die Verordnung nicht beschränkt werden. Nach der gesetzlichen Regelung ist es auch möglich, dass der Vertreter eines Leistungsträgers diesem Träger selbst nicht angehört. So ist zum Beispiel sinnvoll, bei Beteiligung des Sozialhilfeträgers in Fragen der Grundsicherungsleistung bei voller Erwerbsminderung als Vertreter einen Angehörigen des Rentenversicherungsträgers zu entsenden, der über die Frage der Erwerbsfähigkeit für den Sozialhilfeträger bindend entscheidet.

Neben den Mitgliedern bestellen die Leistungsträger nach Maßgabe ihrer internen Vorschriften ebenfalls Stellvertreter, die die Aufgaben der Mitglieder bei deren Verhinderung wahrnehmen.

Begründung zur Folge:

Die Streichung des Absatzes 4 ist Folgeregelung zur Änderung von Absatz 1. Eine Vertreterregelung für die Mitglieder entfällt dadurch, dass die Bestellung den Trägern selbst obliegt. Führt der Leiter bzw. der Geschäftsführer eines Trägers den Vorsitz der Einigungsstelle, so ist dessen Vertretung ebenfalls durch interne Regelungen des Trägers bestimmt.

3. Zu § 2 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3

§ 2 Abs. 2 ist wie folgt zu ändern:

Begründung

Um die Arbeitsfähigkeit der Einigungsstelle zeitnah zu gewährleisten, müssen sich die Mitglieder der Einigungsstelle bereits bis zur ersten Sitzung gemeinsam auf einen unabhängigen Vorsitzenden einigen. Wird eine Einigung nicht erzielt, nimmt der nach § 45 Abs. 1 Satz 4 SGB II zu bestimmende Vorsitzende bereits an der ersten Sitzung teil.

Ein Losverfahren über den ersten Vorsitz in den Fällen des § 45 Abs. 1 Satz 4 SGB II ist nicht erforderlich. Dem Gesetz ist zu entnehmen, dass zunächst ein Mitglied der Agentur für Arbeit diese Aufgabe übernimmt.

4. Zu § 2 Abs. 2 Satz 1

In § 2 Abs. 2 Satz 1 sind die Wörter ", der die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst besitzt" zu streichen.

Begründung

Die erforderliche fachliche Qualifikation des Vorsitzenden ist im Gesetz nicht geregelt. Die Forderung nach einer Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst geht unzulässig über die Ermächtigungsnorm hinaus. Die Regelung ist verfassungswidrig und daher zu streichen.

5. Zu § 2 Abs. 3

§ 2 Abs. 3 ist wie folgt zu fassen:

Begründung

Die Mitglieder der Einigungsstelle sind nach der Zahl im Gesetz abschließend bestimmt. Es besteht daher kein Raum für die Hinzuziehung weiterer Träger, die für eine Leistungsverpflichtung außerdem in Frage kommen könnten. Die Verordnung geht insoweit unzulässig über die gesetzliche Regelung hinaus. Bei Hinzuziehung weiterer Leistungsträger als Mitglieder, die insoweit auch stimmberechtigt wären, hätte in der Folge ein "unzuständiger" Leistungsträger ein Stimmrecht und könnte die Entscheidung der Einigungsstelle beeinflussen, auch wenn er nach Klärung der Sachlage nicht mehr zur Leistung verpflichtet, also nicht mehr "Träger der anderen Leistung" nach § 45 Absatz 1 SGB II ist. Die beantragte Änderung gewährleistet, dass der beteiligte als dann leistungspflichtiger Träger dessen Stelle als Mitglied übernimmt. Das Einverständnis des Betroffenen zur Beteiligung eines weiteren Trägers ist vorab einzuholen, da ein Antrag beim zu beteiligenden Träger bisher nicht gestellt wurde und eine Übermittlung der medizinischen Daten als besonders schutzwürdige Sozialdaten einer eingeschränkten Übermittlungsbefugnis nach § 76 SGB X unterliegt.

6. Zu § 4 Abs. 2 Satz 1

In § 4 Abs. 2 Satz 1 sind die Wörter "dem anderen Träger" durch die Wörter "der Geschäftsstelle" zu ersetzen.

Begründung

Sofern ein Vorsitzender der Einigungsstelle noch nicht bestellt ist, ist es sinnvoll, die Geschäftsstelle der Einigungsstelle anzurufen. Diese fordert die beteiligten Träger zur Benennung der Mitglieder und eines Vorsitzenden auf und beruft die erste Sitzung der Einigungsstelle ein.

7. Zu § 8 Abs. 2

§ 8 Abs. 2 ist wie folgt zu fassen:

Begründung

Stimmberechtigt sind lediglich Mitglieder der Einigungsstelle. Mitglieder sind entweder die nach § 2 Abs. 1 bestellten Vertreter oder ein Vertreter des Leistungsträgers, der nach § 2 Abs. 3 an die Stelle des ursprünglich zur Leistung verpflichteten Trägers ( § 45 Abs. 1 SGB II) tritt. Eine Übertragung der Stimmberechtigung auf weitere Träger ist damit entbehrlich.

Die Arbeitsfähigkeit der Einigungsstelle soll auch erhalten bleiben für den Fall, dass sich ein Leistungsträger weigert, einen Beschluss herbeizuführen, indem dessen als Mitglied entsandter Vertreter nicht an der Sitzung der Einigungsstelle teilnimmt. Die Entscheidung der Einigungsstelle kann nach Fristsetzung durch den Vorsitzenden auch ohne Stimme dieses Mitgliedes erfolgen. Bei Stimmgleichheit entscheidet nach § 8 Abs. 1 Satz 3 bereits die Stimme des Vorsitzenden. Es ist daher nicht erforderlich und rechtlich auch bedenklich, dass der Vorsitzende das Stimmrecht des abwesenden Mitgliedes übernimmt.

8. Zu § 8 Abs. 3

§ 8 Abs. 3 ist zu streichen.

Begründung

Die Regelung ist entbehrlich. Es ist nicht ersichtlich, welche Fälle von dieser Vorschrift betroffen sein sollen. Der am Gerichtsverfahren beteiligte Träger ist an die Ausführung des Urteils und die ggf. damit verbundene Leistungsgewährung gebunden. Der Fall, dass ein nicht am Gerichtsverfahren beteiligter Leistungsträger durch ein Urteil zur Leistungsgewährung verpflichtet wird, dieser jedoch nicht nachkommt, weil er die Auffassung des Gerichtes nicht teilt, kann nicht durch die Einigungsstelle geregelt werden. Es ist nicht Aufgabe der Einigungsstelle, den nicht am Verfahren beteiligten Träger an die Entscheidung des Gerichtes zu binden. Das Ergebnis der Einigung wäre in diesem Fall vorweggenommen. Sofern der Träger nicht bereits am gerichtlichen Verfahren beteiligt worden ist, wird hier ggf. ein weiteres gerichtliches Verfahren gegenüber diesem Träger erforderlich werden.

Ein dem Urteil zugrunde liegender unzutreffender Sachverhaltes andererseits kann nur dazu führen, das Urteil anzufechten, nicht jedoch, die Einigungsstelle anzurufen, um ein Ergebnis zu erzielen, welches der Ausführung des Urteils entgegensteht. Ändern sich die tatsächlichen Verhältnisse nach Vorliegen des rechtskräftigen Urteils, erlässt der zur Leistungsgewährung verurteilte Träger ab Änderung der Verhältnisse einen Aufhebungsbescheid.

Die an ein Entscheidungsverfahren bei der Einigungsstelle gebundene vorläufige Leistungspflicht zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nach § 44a Satz 3 SGB II kann nicht durch die Verordnung auf Fälle ausgedehnt werden, in denen bereits ein rechtskräftiges Urteil vorliegt.