Unterrichtung durch die Bundesregierung
Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an das Europäische Parlament und den Rat über die Stärkung der chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Sicherheit in der Europäischen Union - CBRN-Aktionsplan der EU KOM (2009) 273 endg.; Ratsdok. 11480/09

Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 01. Juli 2009 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 26. Juni 2009 dem Bundesrat zugeleitet.

Die Vorlage ist von der Kommission am 26. Juni 2009 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.


Hinweis: vgl.
Drucksache 294/05 (PDF) = AE-Nr. 051080,
Drucksache 511/07 (PDF) = AE-Nr. 070618 und AE-Nr. . 032066, 090296

Auf Verlangen des Bundesratsbeauftragten (Rheinland-Pfalz) in der Ratsarbeitsgruppe Katastrophenschutz vom 15. Oktober 2009 erscheint die Vorlage als Drucksache des Bundesrates.

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Stärkung der chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Sicherheit in der Europäischen Union - CBRN-Aktionsplan der EU (Text von Bedeutung für den EWR)

1. Einleitung

Aufgrund von Befürchtungen, dass eine terroristische Vereinigung in den Besitz chemischer, biologischer, radiologischer oder nuklearer Stoffe oder Wirkstoffe (CBRN) kommen könnte, haben die Regierungen und internationalen Organisation in den letzten 10-15 Jahren umfassende Maßnahmen1 und Programme zum Schutz der Bevölkerung vor damit verbundenen Risiken beschlossen. Anlass zu dieser Besorgnis gaben gut dokumentierte Fälle, in denen terroristische Vereinigungen Interesse an solchen Stoffen gezeigt haben. Zwar gab es bisher glücklicherweise nur sehr wenige Vorfälle mit derartigen Stoffen, doch werden die Risiken allgemein als so hoch eingestuft, dass abgestimmte Maßnahmen zur Prävention, Detektion und Reaktion unabdingbar sind.

Die Experten sind sich weitgehend einig, dass Terroristen große Schwierigkeiten haben dürften, solche Stoffe "erfolgreich" zu handhaben und für Anschläge einzusetzen, und dass die Wahrscheinlichkeit solcher Anschläge daher recht gering ist. Angesichts der möglichen verheerenden Folgen, sowohl in Bezug auf die Zahl der Todesopfer als auch auf die wirtschaftlichen Auswirkungen, kann es sich aber keine Behörde leisten, diese Bedrohung zu ignorieren. Einig sind sich die Experten auch darüber, dass die Aufmerksamkeit ebenso auf kleinere CBRN-Anschläge gerichtet werden muss, da selbst diese erhebliche psychologische, gesundheitliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf die Bevölkerung hätten.

Die Europäische Union räumt derzeit Maßnahmen Vorrang ein, mit denen verhindert werden soll, dass sich Terroristen CBRN-Stoffe beschaffen. Das geht aus dem Ratsdokument "Strategie der EU zur Terrorismusbekämpfung" vom 1. Dezember 2005 und dem Papier "Bekämpfung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen - Strategie der EU gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen", das der Europäische Rat am 12. Dezember 2003 verabschiedet hat2, hervor. Ferner forderte der Rat (Justiz und Inneres) in seinen Schlussfolgerungen von 2007 speziell zu diesem Thema weitere Maßnahmen auf Ebene der EU im Bereich der CBRN-Gefahrenabwehr3.

2. Begriffsbestimmungen

Allgemein gültige Begriffsbestimmungen für CBRN-Stoffe, -Bedrohungen oder -Ereignisse gibt es nicht. So wird in einschlägigen Strategiepapieren der EU nur von "CBRN-Unfällen" gesprochen, ohne diese zu definieren. Im Zusammenhang mit CBRN-Stoffen wird auch der Begriff "Terroranschläge mit unkonventionellen Mitteln" (im Gegensatz zu konventionellen Mitteln wie Sprengstoff und Waffen) verwendet. Im militärischen Bereich spricht man von "unkonventionellen Waffen oder Massenvernichtungswaffen".

Zum Zweck dieser Mitteilung ist es jedoch am sinnvollsten, eine möglichst weit gefasste Definition der terroristischen Bedrohung mit CBRN-Stoffen zu verwenden: jegliche Verwendung chemischer, biologischer, radiologischer oder nuklearer Wirkstoffe und Stoffe für terroristische Zwecke. Aus Sicht der Prävention und Detektion kommt nur ein Ansatz in Frage, der auf sämtliche Verwendungsarten dieser Stoffe durch Terroristen abhebt, da alle damit verbundenen Risiken erfasst werden sollten.

Wenn es hingegen in diesem Zusammenhang um Vorsorge und Reaktionsmaßnahmen geht, müssen unbedingt über die terroristische Bedrohung hinaus alle denkbaren Risiken berücksichtigt werden, denn die Katastrophen- oder Gesundheitsschutzmaßnahmen dürften bei unfallbedingten oder absichtlich herbeigeführten CBRN-Ereignissen vergleichbar sein. Das CBRN-Maßnahmenpaket ist daher in seinem Ansatz in erster Linie auf alle denkbaren Fälle ausgelegt, wobei jedoch die Abwehr einer terroristischen Bedrohung im Vordergrund steht, besonders was Präventivmaßnahmen anbelangt.

3. Neue CBRN-Maßnahmen auf einzelstaatlicher und EU-Ebene

Die in dieser Mitteilung beschriebene CBRN-Politik baut auf verschiedenen Maßnahmen auf, die in letzter Zeit von den Mitgliedstaaten und der Europäischen Union vorgeschlagen wurden.

3.1. Einzelstaatliche Maßnahmen

Verantwortlich für viele Bereiche dieses Maßnahmenpakets sind in erster Linie die Mitgliedstaaten. Sie sind für die zahlreichen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor CBRN-Bedrohungen zuständig, in die viele verschiedene Behörden einbezogen sind. Ihre Strafverfolgungs- und Katastrophenschutzbehörden und ihre ärztlichen Notfalldienste sind die ersten, die an den Ort des Ereignisses gerufen werden, und ihre Krankenwagen, Krankenhäuser und breitgefächerten Gegenmaßnahmen kommen bei der ersten medizinischen Versorgung und der Weiterbehandlung zum Einsatz. Darüber hinaus sind auch die einzelstaatlichen kriminaltechnischen Fähigkeiten gefragt, um die Ursachen des Ereignisses zu klären und im Falle von Anschlägen die Täter zu ermitteln. Im Allgemeinen sind viele Mitgliedstaaten verhältnismäßig gut auf CBRN-Bedrohungen vorbereitet. Alle haben eigene, auf ihr Land zugeschnittene Lösungen für Koordinierungs- und andere Probleme im Zusammenhang mit der Prävention, Detektion und Bewältigung von CBRN-Ereignissen.

3.2. Maßnahmen auf Ebene der EU

Nachdem 2001 auf der Tagung des Europäischen Rates von Gent erste Schritte zur Abwehr der CBRN-Bedrohung auf Ebene der EU angeregt worden waren4, wurde im Dezember 2002 das "Programm zur Verbesserung der Zusammenarbeit in der Europäischen Union im Hinblick auf die Prävention und die Begrenzung der Folgen chemischer, biologischer, radiologischer oder nuklearer terroristischer Bedrohungen" vorgelegt5. Das Programm wurde durch das Solidaritätsprogramm der Europäischen Union zu den Folgen terroristischer Bedrohungen und Anschläge ersetzt, das der Rat und die Kommission am 3. Dezember 2004 beschlossen und mit dem unter dem Eindruck der Anschläge von Madrid vom 11. März 2004 das CBRN-Programm von 2002 ausgeweitet und geändert wurde6. Die einschlägigen Elemente des Solidaritätsprogramms flossen in die Strategie und in den Aktionsplan zur Bekämpfung des Terrorismus ein, die 2005 nach den Anschlägen von London verfasst wurden7.

Die bereits genannten Schlussfolgerungen des Rates "Justiz und Inneres" vom 6. Dezember 2007 zur Abwehr chemischer, biologischer, radiologischer und nuklearer Bedrohungen und zur Biogefahrenabwehr geben den aktuellsten Überblick über die laufenden Aktivitäten. Darin vertritt der Rat die Auffassung, "dass wirksame Strategien zur Bewältigung der CBRN-Risiken [...] weiterentwickelt werden sollten". Außerdem ersucht er die Kommission, "im Rahmen ihrer Zuständigkeit ihre Arbeiten im CBRN-Bereich zusammen mit den Mitgliedstaaten und den einschlägigen Akteuren fortzusetzen, dabei Doppelarbeiten zu vermeiden und auf den in den Mitgliedstaaten vorhandenen bewährten Verfahren aufzubauen [...]".

In den Außenbeziehungen wird dieser konkrete und bereichsübergreifende Ansatz, der die enge Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen der Mitgliedstaaten und der Kommission erfordert, durch die Strategie der EU gegen Massenvernichtungswaffen und durch Gemeinschaftsinstrumente, wie das Instrument für Stabilität, das Instrument für die Zusammenarbeit im Bereich der nuklearen Sicherheit (INSC) und das Instrument für Heranführungshilfe (IPA), bestätigt8.

3.3. Krisenreaktionsmechanismen der EU

Zwar sind die Mitgliedstaaten für die Reaktion auf CBRN-Ereignisse zuständig, doch wurden auf EU-Ebene solide Krisenmanagementverfahren und -instrumente zur Unterstützung der Mitgliedstaaten in Krisen, die sich über die Grenzen hinaus auswirken, entwickelt. Die Europäische Union hat ihr Instrumentarium ausgebaut, um im Ernstfall ein koordiniertes Vorgehen sicherzustellen und die gegenseitige Hilfe der Mitgliedstaaten zu organisieren. Dazu wurde das Gemeinschaftsverfahren für den Katastrophenschutz9 entwickelt. Das Verfahren soll in erster Linie die Zusammenarbeit bei Katastrophenschutzeinsätzen in schweren Notfällen erleichtern, die möglicherweise ein sofortiges Eingreifen erfordern. Über das Beobachtungs- und Informationszentrum (BIZ) beteiligt sich die Kommission aktiv an der Mobilisierung, am Transport der Katastrophenschutzhilfe in betroffene Länder und an deren Koordinierung.

Darüber hinaus beruhen die EU-Regelungen zur Koordinierung in Notfällen und Krisen auf einem übergreifenden Krisenmanagementkonzept und kommen sowohl bei Krisen innerhalb der EU als auch anderswo zum Einsatz. Die Kommission beteiligt sich über das ARGUS-System daran. Unter anderem werden mit Hilfe dieses Systems Daten aus den Frühwarnsystemen der Kommission, wie ECURIE, dem System zum schnellen Informationsaustausch im Fall eines radiologischen Notstands, EWRS, dem Frühwarnsystem für übertragbare Krankheiten, RAS-BICHAT, dem Schnellwarnsystem bei Angriffen und Bedrohungen mit biologischen und chemischen Stoffen, und dem Beobachtungs- und Informationszentrum (BIZ) für den Katastrophenschutz direkt ausgetauscht. Ferner kommt dem Gesundheitssicherheitsausschuss, der sich mit Krisenvorsorge befasst, CBRN-Übungen durchführt und eine Liste der gesundheitsgefährdenden Pathogene und Chemikalien erstellt, bei Gesundheitsgefahren eine wichtige Rolle zu. Schließlich bewertet das Europäische Zentrum für die Prävention und die Bekämpfung von Seuchen (ECDC) das Risiko von ansteckenden Krankheiten und von Ereignissen mit biologischen Stoffen.

4. Der CBRN-Aktionsplan der EU

4.1. Ausarbeitung des CBRN-Aktionsplans der EU - die CBRN-Taskforce

Im Februar 2008 richtete die Kommission die CBRN-Taskforce ein und beauftragte sie, die CBRN-Strategie auszuarbeiten. Kennzeichnend für die Tätigkeit der Taskforce war vor allem ihr bereichs- und dienststellenübergreifender Ansatz. Die Mitglieder der Taskforce kamen aus den unterschiedlichsten Behörden und Einrichtungen, angefangen von Ministerien (Inneres, Justiz, Verteidigung und Gesundheit) bis zu nationalen Krisenreaktions- und Zivilschutzeinrichtungen, Strahlenschutzbehörden und anderen Ersthelferstellen wie auch forensischen Instituten und Behörden für die nukleare Sicherungskontrolle. Auch Mitarbeiter von EU-Einrichtungen, darunter von Europol und Eurojust, waren vertreten. Das zeigt, wie stark das Interesse vieler Seiten an der Mitarbeit bei der Entwicklung weiterer strategischer Maßnahmen auf europäischer Ebene war.

Der Abschlussbericht der Taskforce wurde im Januar 2009 vorgelegt und enthielt 264 Empfehlungen. Das beweist nicht nur, wie viel Arbeit noch zu erledigen war, sondern auch, dass große Einigkeit unter den Experten darüber herrschte, was zur Lösung der vorhandenen Probleme getan werden muss. Der CBRN-Aktionsplan der EU stützt sich auf diesen Abschlussbericht.

4.2. Übergeordnetes Ziel und Kernmaßnahmen

Das übergeordnete Ziel der vorgeschlagenen neuen CBRN-Strategie besteht darin, die CBRN-Bedrohung der Bevölkerung in der Europäischen Union einzudämmen und den möglichen Schaden zu begrenzen. Erreicht werden soll das durch einen kohärenten CBRN-Aktionsplan der EU mit nach ihrer Priorität eingestuften Maßnahmen, der sämtliche einschlägig befasste Stellen, darunter auch Vertreter der Industrie, einbezieht. Die Strategie wird mit Programmen der Gemeinschaft und mit GASP-Maßnahmen (insbesondere dem Instrument für Stabilität10, dem Instrument für die Zusammenarbeit im Bereich der nuklearen Sicherheit und dem Instrument für Heranführungshilfe) zur Eindämmung der CBRN-Risiken und Stärkung der Abwehrbereitschaft außerhalb der EU sowie mit einschlägigen Bestimmungen des Euratom-Vertrags und des abgeleiteten Rechts abgestimmt: Die Maßnahmen sollen sich ergänzen.

Dazu werden die Anstrengungen und Ressourcen vor allem darauf konzentriert, die Wahrscheinlichkeit des Eintritts von CBRN-Ereignissen zu verringern und etwaige Folgen einzudämmen. Beispiele für entsprechende Kernmaßnahmen sind:

Erreicht werden soll dies mit den 133 Maßnahmen, die im CBRN-Aktionsplan vorgesehen sind, der zu dem vorliegenden Maßnahmenpaket gehört.

Der CBRN-Aktionsplan der EU ist nicht rechtsverbindlich. Unmittelbare rechtliche und finanzielle Auswirkungen auf die EU könnten nur von ggf. zu verabschiedenden Rechtsakten zur Einführung des Aktionsplans ausgehen. Dazu müsste eine Folgenabschätzung vorgenommen werden, darunter eine Bewertung der Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Forschung sowie eine systematische, strenge Überwachung, um die Vereinbarkeit mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu gewährleisten.

4.3. Arbeitsschwerpunkte

Die drei Arbeitsschwerpunkte zur CBRN-Sicherheit im Aktionsplan sind:

Diese drei Arbeitsschwerpunkte werden von horizontalen Maßnahmen flankiert, die für sämtliche CBRN-Bereiche konzipiert wurden.

4.4. Prävention

Im Mittelpunkt des CBRN-Aktionsplans stehen präventive Maßnahmen. Zunächst sollen zuverlässige Risikoanalysen vorgenommen werden, woraufhin die Anstrengungen auf wenige Schwachstellen konzentriert werden, die arglistig ausgenutzt werden könnten. Nach dem CBRN-Aktionsplan sollte daher zunächst auf der Grundlage einer gründlichen Risikoanalyse eine Einstufung der hochriskanten CBRN-Stoffe vorgenommen werden. Viele weitere, speziell für hochriskante CBRN-Stoffe konzipierte Maßnahmen bauen darauf auf.

Daran anknüpfend sind Maßnahmen in folgenden Bereichen vorgesehen: Sicherung von CBRN-Stoffen und Einrichtungen, Kontrolle von CBRN-Stoffen, Entwicklung einer sehr weit gehenden Sicherheitskultur beim Personal, Erkennung verdächtiger Handlungen und Verhaltensweisen im Zusammenhang mit hochriskanten CBRN-Stoffen, Verbesserung der Sicherheit beim Transport, beim Informationsaustausch, Einfuhr- und Ausfuhrregelungen und Stärkung der Zusammenarbeit bei der Sicherheitsüberwachung von Kernmaterialien.

4.5. Detektion

Mit der Prävention Hand in Hand gehen muss die Fähigkeit zur Detektion von Vorfällen. Das ist auch unerlässlich, um auf ein CBRN-Ereignis in angemessener Weise reagieren zu können, da ohne eine Detektionskapazität nicht festgestellt werden kann, welche Stoffe bei einem Vorfall im Spiel waren. In einer Europäischen Union ohne Binnengrenzen sollten Detektionssysteme sowohl an den Außengrenzen als auch innerhalb der Mitgliedstaaten stationiert werden. Die sofortige richtige Identifizierung kann tausende von Menschenleben retten und ist eine wichtige Voraussetzung für angemessene Reaktionsmaßnahmen.

Was die Verwendung von Geräten angeht, mit denen sich CBRN-Stoffe nachweisen lassen, werden sich die Anstrengungen auf Ebene der Europäischen Union auf die Festlegung von Mindeststandards für die Detektion konzentrieren, die für die gesamte EU gelten: Erprobungs-, Test- und Zertifizierungsregeln für die CBRN-Detektion sollen festgelegt und der Austausch guter Verfahren für die Detektion von CBRN-Stoffen soll verbessert werden.

4.6. Vorsorge und Reaktion

Weitere Anstrengungen müssen zur Verbesserung der bestehenden Maßnahmen unternommen werden, besonders im Bereich der CBRN-Ereignisse, die in böser Absicht herbeigeführt werden. Schwerpunkte sollten sein: CBRN-Notfallplanung, Ausbau der Gegenmaßnahmen, Verbesserung des Informationsflusses, Verbesserung der Modellierungswerkzeuge und der kriminalpolizeilichen Ermittlungsverfahren.

4.7. Horizontale Maßnahmen

Als horizontale Maßnahmen sind im CBRN-Aktionsplan die internationale Zusammenarbeit, die Kommunikation mit der Bevölkerung, Informationsmittel, Schulungen, personalbezogene Sicherheitsmaßnahmen, Forschungsmaßnahmen und die Strafbarmachung von CBRN-Handlungen vorgesehen.

5. Umsetzung

5.1. Bestehende Strukturen

Der Aktionsplan sollte in erster Linie über bestehende Strukturen umgesetzt werden. Die wenigen neuen Arbeitsgremien, die im EU-Aktionsplan vorgesehen sind, sind hauptsächlich als vorläufige Einrichtungen für bestimmte Ziele gedacht, die innerhalb bestimmter Fristen erreicht werden sollen.

Im Bereich des Katastrophenschutzes werden das Gemeinschaftsverfahren für den Katastrophenschutz und das Finanzierungsinstrument hierfür genutzt, um die Abwehrbereitschaft von CBRN-Ereignissen zu verbessern. Vorgesehen sind Workshops, Schulungen (mindestens einmal im Jahr), Expertenaustauschprogramme, Simulationen, die Entwicklung von Szenarien und die Bewertung der Reaktionsfähigkeit. Zusätzlich bedarf es weiterer Maßnahmen zur Verbesserung der Reaktionsfähigkeit der EU auf CBRN-Ereignisse, insbesondere durch die Verstärkung der Katastrophenschutzmodule, die Ermittlung des Bedarfs an neuen Modularten sowie die Prüfung der Möglichkeit einer vorsorglichen Stationierung wichtiger Module bei großen öffentlichen Veranstaltungen. Die im Verfahren vorgesehenen Arbeitsbereiche werden über ein geplantes neues EU-Programm zur Stärkung der CBRN-Abwehrfähigkeit koordiniert. Das Programm wird sämtliche Tätigkeiten im Katastrophenschutzbereich erfassen, darunter die im CBRN-Aktionsplan der EU vorgesehenen Tätigkeiten, und dafür sorgen, dass das Verfahren für den Katastrophenschutz maßgeblich zur Umsetzung dieses Aktionsplans beiträgt.

Für den Gesundheitsbereich wurden bereits umfassende Strukturen entwickelt. Der Gesundheitssicherheitsausschuss und die vorhandenen Systeme für den Informationsaustausch wie das EWRS, das RAS BICHAT und das RASFF werden bei der Durchführung der gesundheitspolitischen Maßnahmen des Aktionsplans eine maßgebliche Rolle spielen.

5.2. CBRN-Beratungsgruppe

Nachdem die CBRN-Taskforce einen so entscheidenden Beitrag zur Ausarbeitung des Maßnahmenpakets geleistet hat, wird die Kommission auch in der Umsetzungsphase weiter mit Mitgliedern der Taskforce zusammenarbeiten und dazu eine CBRN-Beratungsgruppe einrichten, in der sie den Vorsitz führt. Zweimal jährlich könnten mit besonderen Aspekten chemischer, biologischer sowie radiologischer bzw. nuklearer Stoffe befasste Arbeitsgruppen dieser Beratungsgruppe zusammentreten, um die Umsetzung des Aktionsplans nach dessen Verabschiedung zu besprechen, darunter auch die Berichte aus den oben genannten Gremien für spezifische Fragen. Die Arbeitsgruppen könnten dann dem für alle horizontalen Fragen zuständigen Plenum der Beratungsgruppe Bericht erstatten. Dieses könnte je nach Bedarf ein- oder zweimal im Jahr zusammentreten. Selbstverständlich wäre für einen Informationsaustausch und für eine Abstimmung mit vorhandenen Strukturen zu sorgen, darunter beispielsweise mit den Arbeitsgruppen des Rates, dem Gesundheitssicherheitsausschuss und mit Gremien, die auf der Grundlage des Euratom-Vertrags eingerichtet werden.

5.3. Finanzielle Unterstützung der Kommission

Der Kommission stehen zur Unterstützung der Umsetzung des Maßnahmenpakets vor allem die vorhandenen Finanzierungsprogramme zur Verfügung, insbesondere die spezifischen Programme "Prävention, Abwehrbereitschaft und Folgenbewältigung im Zusammenhang mit Terrorakten" und anderen Sicherheitsrisiken" und "Kriminalprävention und Kriminalitätsbekämpfung"11. Diese spezifischen Programme laufen noch bis Dezember 2013. In den jährlichen Arbeitsprogrammen beider Finanzierungsprogramme werden die Beträge festgelegt, die für die Umsetzung des Maßnahmenpakets zur Verfügung stehen. Zur Unterstützung der Umsetzung des CBRN-Aktionsplans sind für den Zeitraum 2010-2013 bis zu 100 Mio. EUR eingeplant.

Zusätzlich dazu werden aus folgenden Programmen und Instrumenten Mittel für die Durchführung des CBRN-Aktionsplans zur Verfügung gestellt.

Im Rahmen des Finanzierungsinstruments für den Katastrophenschutz12 ist eine Finanzhilfe zur Unterstützung und Ergänzung der Anstrengungen der Mitgliedstaaten zum Schutz vor allem von Menschen, aber auch der Umwelt und von Vermögenswerten, einschließlich des kulturellen Erbes, im Falle von Naturkatastrophen und durch Menschen verursachten Katastrophen, bei Terroranschlägen und bei technologischen, radiologischen oder ökologischen Unfällen sowie zur Förderung einer verstärkten Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten beim Katastrophenschutz vorgesehen.13 Die Laufzeit dieses Instruments endet ebenfalls am 31. Dezember 2013.

Im Bereich der Forschung bietet zudem das Siebte Rahmenprogramm für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration14, insbesondere im Sicherheitsforschungsteil, interessante Finanzierungsmöglichkeiten für Forschungsarbeiten zu den Schwerpunkten des CBRN-Aktionsplans der EU. Die Ergebnisse von CBRN betreffenden Projekten (Detektion, Krisenmanagement), die im Rahmen der ersten Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen durchgeführt werden, werden nach und nach verfügbar. Dieses Rahmenprogramm endet - wie die anderen genannten Finanzierungsprogramme auch - am 31. Dezember 2013. Andere Schwerpunkte in der Sicherheitsforschung werden sich aus den Arbeiten des Europäischen Forums für Sicherheitsforschung und Innovation (ESRIF) ergeben, dessen Bericht die möglichen künftigen Bedrohungen mit CBRN-Stoffen und der Bedarf an Forschungs- und Innovationsmaßnahmen zur Abwehr dieser Bedrohungen zu entnehmen sein werden.

Unterstützt werden die Tätigkeit des Gesundheitssicherheitsausschusses sowie die Maßnahmen für die Abwehr von CBRN-Gesundheitsgefahren und die Reaktion auf solche Bedrohungen auch weiterhin durch das Gesundheitsprogramm 2008-2013 der EU.

Für den Fall, dass ein CBRN-Ereignis tatsächlich eintritt, hat die Europäische Kommission eine Ausweitung des bestehenden Solidaritätsfonds der Europäischen Union vorgeschlagen, so dass Mittel aus diesem Fonds dafür verwendet werden können, dem betroffenen Mitgliedstaat bzw. den betroffenen Mitgliedstaaten bei der Folgenbewältigung zu unterstützen15.

Eine Möglichkeit, wie die zur Umsetzung des CBRN-Aktionsplans zur Verfügung stehenden Mittel verwendet werden könnten, ist, dass beispielsweise ein Mitgliedstaat oder eine Gruppe von Mitgliedstaaten Beihilfen für die Entwicklung und Durchführung bestimmter Maßnahmen erhält bzw. erhalten. Dabei sind natürlich die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten und der Kommission zu berücksichtigen und die einschlägigen Haushaltsvorschriften einzuhalten.

5.4. Zeitplan, Berichte und Überprüfung

Der CBRN-Aktionsplan wird 2013 überprüft. Somit steht genügend Zeit zur Verfügung, um konkrete Fortschritte zu erzielen. Außerdem entspricht das den Laufzeiten der Finanzierungsprogramme für den Aktionsplan. In diesem Zeitraum sind regelmäßig Berichte vorzulegen und die Umsetzung des Aktionsplans zu überwachen. Die Beratungsgruppe wird systematisch in diese Tätigkeiten einbezogen, indem sie beispielsweise den mit CBRN-Fragen befassten Arbeitsgruppen des Rates Berichte vorlegt. Außerdem wird die Kommission einen Halbzeitbericht vorlegen. Dank der Flexibilität des Aktionsplans können die Schwerpunkte während der Umsetzung jederzeit angepasst und weitere Änderungen vereinbart werden.

6. Sicherheit und Gesundheit kombinieren - ein Überblick über bewährte Praktiken

Frühere Arbeiten zur Biogefahrenabwehr, die die Kommission gemeinsam mit Europol und den Strafverfolgungs- und Gesundheitsbehörden der Mitgliedstaaten durchgeführt hat, ergaben u. a., dass die Zusammenarbeit und Koordinierung der einzelnen Stellen, die mit der Prävention von CBRN-Ereignissen und der Reaktion darauf befasst sind, verbessert werden sollte. Zwar sind alle diese Stellen im öffentlichen Interesse tätig, und die Rettung von Menschenleben hat bei allen oberste Priorität, doch unterscheiden sich ihre Ansätze zwangsläufig je nach ihrem Tätigkeitsbereich. Diese Behörden werden höchstwahrscheinlich unter den erschwerten Bedingungen nach einem gerade eingetretenen traumatischen Ereignis mit möglicherweise zahlreichen Todesopfern tätig werden müssen. In solchen Situationen muss man sich auf eine gute Organisation verlassen können. Es müssen regelmäßige Probeübungen stattfinden, um die gut koordinierte und wirksame Reaktion gewährleisten zu können, die die Öffentlichkeit erwarten kann.

Zur Unterstützung der Anstrengungen der Mitgliedstaaten in diesen Bereichen hat die Kommission die Ergebnisse dreier voneinander unabhängiger regionaler Workshops, in denen Fachleute aus den Mitgliedstaaten über solche Themen gesprochen haben, in einem Dokument zusammengestellt. Die von diesen Fachleuten genannten derzeitigen bewährten Praktiken, besonders für die Abwehr chemischer und biologischer Angriffe, sind darin aufgeführt. Ausschließlicher Zweck dieses Dokuments ist es, den Mitgliedstaaten bei der Verbesserung ihrer CBRN-Vorsorge zu helfen.

7. Außenbeziehungen

Wichtigstes Element der EU-Politik im Bereich der Außenbeziehungen im CBRN-Bereich ist die Strategie der EU gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen vom Dezember 2003 (auch "MVW-Strategie der EU" genannt). Diese Strategie wurde vor kurzem überprüft und überarbeitet. Daraus ergaben sich die "neuen Handlungslinien der Europäischen Union im Bereich der Bekämpfung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und ihrer Trägersysteme", die im Dezember 2008 vom Rat verabschiedet wurden16. Diese neuen Handlungslinien und das CBRN-Maßnahmenpaket der EU werden zusammen mit einschlägigen Instrumenten der Gemeinschaft, insbesondere mit dem Instrument für Stabilität, Synergieeffekte entwickeln und so das mit CBRN-Stoffen verbundene Risiko vermindern helfen. Die Kommission wird ihrerseits für einen kohärenten und koordinierten Durchführungsansatz sorgen. Im März 2009 legte die Kommission eine Mitteilung mit ihren Ansichten zur Nichtverbreitung von Kernmaterial17 und Wegen zur Stärkung der Nichtverbreitungspolitik vor allem aus Sicht der nuklearen Sicherheit im Rahmen des Euratom-Vertrags vor.

Über das Instrument für Stabilität unterstützt die Kommission Drittländer bei der Entwicklung von Ausbildungs- und Unterstützungsmaßnahmen für die Minderung der CBRN-Risiken und die Abwehrbereitschaft. Die EU dehnt ihre Hilfsprogramme, die bisher vor allem den Ländern der ehemaligen Sowjetunion zugute kamen und für den nuklearen und biologischen Bereich konzipiert sind, nach und nach auf andere Regionen aus, darunter Südostasien, den Nahen Osten und Teile Afrikas. Die Umsetzung der Entschließung 1540 des VN-Sicherheitsrates wird durch die Unterstützung der IAEO, die Beschäftigung von früher auf dem Gebiet der Massenvernichtungswaffen tätigen Wissenschaftlern, die Bekämpfung des Kernmaterialschmuggels - einschließlich betrügerischer finanzieller Praktiken - und einen Beitrag zu einer effizienteren Ausfuhrkontrolle und Grenzüberwachung vorangebracht. Regionale "CBRN-Exzellenzzentren" werden einen entscheidenden Beitrag zum Austausch bewährter Praktiken, zum Aufbau von Kapazitäten und zur Weitergabe der auf EU-Ebene gemachten Erfahrungen an wichtige Regionen leisten. Mit Mitteln in Höhe von 300 Mio. EUR aus dem Instrument für Stabilität soll im Zeitraum 2007-2013 die Entwicklung einer CBRN-Sicherheitskultur in der gesamten Welt gefördert werden.

Das Instrument für Stabilität zeichnet sich durch eine enge Einbeziehung von Experten der Mitgliedstaaten über den neuen Mechanismus zur Unterstützung durch Sachverständige aus. Gemeinsam mit der Kommission unternahmen Sachverständige der Mitgliedstaaten im vergangenen Jahr mehrere Erkundungsreisen und veranstalteten Workshops zur Ermittlung von vorrangigen Bereichen. Das Entstehen neuer Sektoren in Schwellenländern mit den damit verbundenen Risiken der CBRN-Verbreitung, insbesondere im Zusammenhang mit der so genannten "Renaissance der Kernenergie" und der Biotechnologie, ist sehr problematisch. Angesichts dieser Risiken unterstützt die Kommission die Initiative zur Einrichtung von Kernbrennstoffbanken. Auch könnten Terroristen versuchen, Pandemien für ihre Zwecke auszunutzen, was große Gefahren für die Sicherheit und Gesundheit in sich birgt. Die Kommission plant hierzu spezifische Maßnahmen, darunter Frühwarnsysteme und den Austausch bewährter Praktiken unter Einbeziehung regionaler Organisationen. Die regionalen CBRN-Exzellenzzentren werden Angelpunkt dieser Initiativen sein. Mit Bedrohungen durch CBRN-Stoffe befassen sich auch zahlreiche internationale Gremien18 und Organisationen wie die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO), die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW), die Konferenz zur Überprüfung des B-Waffen-Übereinkommens, Interpol sowie die Globale Initiative für Gesundheitssicherheit (GHSI). In Übereinstimmung mit Artikel 19 des Vertrags über die Europäische Union besteht die wichtigste Empfehlung des CBRN-Aktionsplans der EU darin, dass sich die Europäische Union stärker darum bemühen sollte, in solchen internationalen Foren und auf Tagungen dieser internationalen Organisationen geschlossen aufzutreten.

Im allgemeineren Rahmen wurden Terrorismusbekämpfungsmaßnahmen bereits in viele Kooperationsabkommen zwischen der EU und Drittländern, die bereits gelten oder gerade ausgehandelt werden, einbezogen. Der Rat beschloss 2002, in sämtliche Abkommen mit Drittstaaten eine Terrorismusbekämpfungsklausel aufzunehmen. Seit November 2003 werden zudem in alle neuen oder verlängerten gemischten Abkommen Klauseln über die Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen aufgenommen, die inzwischen fast 100 Länder erfassen. Auch kann auf der Grundlage des Maßnahmenpakets die CBRN-Zusammenarbeit mit strategischen Partnern wie den Vereinigten Staaten weiter ausgebaut werden.

Was die Gesundheitsaspekte anbelangt, wird sich die Kommission weiterhin an den Arbeiten der Globalen Initiative für Gesundheitssicherheit beteiligen und diese unterstützen. Im Jahr 2009 möchte sie eine Mitteilung über die Gesundheitssicherung vorlegen, in der die wichtigsten internen und externen Aspekte dieses Bereichs behandelt werden.

8. Schlussfolgerungen

Der Schutz der Bevölkerung der Europäischen Union vor Terroranschlägen und anderen Verbrechen hat für die Kommission höchste Priorität. Wie Vorkommnisse in der Welt gezeigt haben, versuchen Terroristen immer wieder, an chemische, biologische, radiologische und nukleare (CBRN) Stoffe heranzukommen. Die Europäische Union tut alles, um derartige Bedrohungen zu verhindern. Der CBRN-Aktionsplan der EU soll einen entscheidenden Beitrag zu diesen Bemühungen leisten.