Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 94/19/EG über Einlagensicherungssysteme im Hinblick auf Deckungssumme und Auszahlungsfrist KOM (2008) 661 endg.; Ratsdok. 14317/08

Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 22. Oktober 2008 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 16. Oktober 2008 dem Bundesrat zugeleitet.

Die Vorlage ist von der Kommission am 17. Oktober 2008 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.

Die Europäische Zentralbank wird an den Beratungen beteiligt.


Hinweis: vgl.
Drucksache 474/92 = AE-Nr. 921840 und AE-Nr. 061756

Begründung

1. Kontext des Vorschlages

In Zeiten volatiler Märkte besteht die Hauptsorge der Einleger darin, ob ihre Einlagen im Falle einer Bankenpleite sicher sind.

Seit 1994 ist durch das Gemeinschaftsrecht sichergestellt, dass alle Mitgliedstaaten über ein Einlagensicherungssystem verfügen, das greift, wenn Banken Konkurs anmelden müssen. Im Jahr 2006 legte die Kommission eine Mitteilung1 zur Überprüfung der geltenden Regelungen vor, die deutlich machte, dass verschiedene Punkte noch verbessert werden könnten. Allerdings kam die Mitteilung seinerzeit zu dem Schluss, dass dies in vielen Fällen ohne Änderung der bestehenden Rechtsvorschriften erreicht werden könnte.

Die Ereignisse der Jahre 2007 und 2008 und insbesondere die aktuellen Turbulenzen an den Finanzmärkten haben die Schwachstellen und ihre Folgen für das Einlegervertrauen jedoch in bisher unbekanntem Maße zutage treten lassen.

Vor allem ist auch das Bewusstsein gewachsen, dass viele Sparer bei einer Bankenpleite möglicherweise auf der Strecke bleiben und keine Entschädigung erhalten könnten, weil ihre Ersparnisse über dem in ihrem Land garantierten Betrag liegen. Die vorgeschriebene Deckungssumme von mindestens 20 000 EUR ist seit 1994 nicht angepasst worden und angesichts der Ersparnisverteilung in verschiedenen Ländern nicht mehr angemessen. Es gibt Belege dafür, dass die durch unterschiedliche nationale Regelungen entstehenden Wettbewerbsverzerrungen im Einlagengeschäft reale Verwerfungen hervorrufen.

Außerdem wird die derzeitige Auszahlungsfrist von drei Monaten den Bedürfnissen und Erwartungen der Einleger nicht gerecht.

Bei seinem Treffen am 7. Oktober 2008 stimmte der Rat der Europäischen Union darin überein, dass die Priorität derzeit darin besteht, das Vertrauen in den Finanzsektor wiederherzustellen und sein reibungsloses Funktionieren zu gewährleisten. Der Rat verpflichtete sich, alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um die Einlagen der Sparer zu schützen, und begrüßte die Absicht der Kommission, so rasch wie möglich einen geeigneten Vorschlag vorzulegen, um die Konvergenz der Einlagensicherungssysteme zu erhöhen. Die Richtlinie sollte daher in drei zentralen Punkten geändert werden:

2. Folgenabschätzung und öffentliche Konsultation

Angesichts des dringenden Handlungsbedarfs musste beim vorliegenden Vorschlag auf eine Folgenabschätzung und eine öffentliche Konsultation verzichtet werden.

Die Kommission konnte jedoch wichtige Erkenntnisse aus der Überprüfung der Richtlinie 94/19/EG verwerten. Im Zusammenhang mit ihrer Mitteilung von 2006 hat die Kommission bei der Gemeinsamen Forschungsstelle insbesondere Berichte über die Deckungssumme, eine etwaige Harmonisierung der Finanzierungsmechanismen (2006/7) und die Effizienz der Einlagensicherungssysteme (2008) angefordert.

Unterstützt wurden diese Arbeiten vom European Forum of Deposit Insurers (EFDI), insbesondere hinsichtlich der Hindernisse für eine rasche Auszahlung an die Einleger. Der vorliegende Vorschlag trägt all diesen Arbeiten Rechnung.

Die Berichte sind abrufbar unter: http://ec.europa.eu/internal_market/bank/guarantee/index_de.htm

3. Auswirkungen auf den Haushalt

Der Vorschlag hat keine Auswirkungen auf den Gemeinschaftshaushalt.

4. Rechtliche Aspekte

Als Rechtsinstrument ist eine Richtlinie zur Änderung der geltenden Richtlinie am besten geeignet. Der Vorschlag stützt sich auf Artikel 47 Absatz 2 EG-Vertrag, die Rechtsgrundlage für den Erlass gemeinschaftlicher Maßnahmen zur Errichtung eines Binnenmarkts für Finanzdienstleistungen.

Gemäß dem in Artikel 5 EG-Vertrag genannten Grundsatz der Subsidiarität und der

Verhältnismäßigkeit sollten die Ziele der vorgeschlagenen Maßnahme auf Gemeinschaftsebene verwirklicht werden, da sie auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können. Die vorgeschlagenen Bestimmungen gehen nicht über das zur Erreichung der Ziele notwendige Maß hinaus.

Nur durch einen Rechtsakt der Gemeinschaft kann sichergestellt werden, dass in mehreren Mitgliedstaaten tätige Kreditinstitute vergleichbaren Einlagensicherungsvorschriften unterliegen, die gleiche Wettbewerbsvoraussetzungen schaffen, keine unnötigen Erfüllungskosten im grenzübergreifenden Geschäft erzeugen und somit die weitere Integration des Binnenmarkts fördern. Ein Tätigwerden der Gemeinschaft sorgt außerdem für ein hohes Maß an Finanzstabilität innerhalb der EU.

5. Einzelerläuterung zum Vorschlag

5.1 Verkürzung der Auszahlungsfrist

Die gegenwärtig dreimonatige Auszahlungsfrist, die sogar auf neun Monate verlängert werden kann, schmälert das Vertrauen der Einleger und wird ihren Bedürfnissen nicht gerecht. Viele Einleger dürften schon nach weniger als einer Woche in ernste finanzielle Schwierigkeiten geraten. Die Auszahlungsfrist sollte daher auf drei Tage verkürzt werden und nicht verlängerbar sein.

Allerdings sollte die Frist erst dann anlaufen, wenn die Unfähigkeit des Kreditinstituts zur Rückzahlung der Einlagen behördlich festgestellt wurde oder die Forderungen der Einleger gerichtlich ausgesetzt wurden. Wenn die zuständigen Behörden erstmals festgestellt haben, dass ein Kreditinstitut Einlagen nicht zurückgezahlt hat, haben sie nach der aktuellen Regelung 21 Tage Zeit, eine entsprechende offizielle Feststellung zu treffen. Im Interesse einer raschen Auszahlung sollte diese Frist von 21 Tagen auf 3 Tage verkürzt werden.

Gegenwärtig sind nach Artikel 2 nur Interbankeneinlagen und Einlagen, die in Zusammenhang mit Geldwäsche stehen, von einer Rückzahlung ausgeschlossen.

Nach Artikel 7 Absatz 2 in Verbindung mit Anhang 1 steht es den Mitgliedstaaten frei weitere 14 Ausnahmen von der Rückzahlung vorzusehen. Dazu gehören unter anderem Einlagen vom Finanzsektor und der öffentlichen Hand, von engen Verwandten des Abschlussprüfers der Bank und Einlagen von Gesellschaften, die "so groß sind, dass die in Artikel 11 der (...) Richtlinie 78/660/EWG (...) vorgesehene Möglichkeit, eine verkürzte Bilanz aufzustellen, für sie nicht in Frage kommt". Es liegt auf der Hand, dass die meisten Ausnahmen eine rasche Auszahlung in erheblichem Maße behindern. Aus diesem Grund müssen sie abgeschafft werden.

Um eine rasche Auszahlung zu gewährleisten, sollte sich ein Einlagensicherungssystem nur auf Privatkundeneinlagen erstrecken. Die Mitgliedstaaten sollten allerdings die Möglichkeit haben, weitere Einleger einzubeziehen sofern eine rasche Auszahlung dadurch nicht behindert wird.

5.2 Selbstbehalt

Die aktuelle Richtlinie sieht einen fakultativen Selbstbehalt von bis zu 10 % vor, d.h. einen bestimmten Verlustanteil, der vom Einleger getragen werden muss. Diese Regelung ist für das Einlegervertrauen nachweislich kontraproduktiv und hat die aktuellen Probleme möglicherweise noch verschärft. Das "Moral Hazard"-Argument (die Einleger sollten "bestraft" werden, wenn sie ihr Geld bei einer Bank einlegen, die zwar hohe Zinsen bietet, aber auch hohe Risiken eingeht) greift hier nicht, denn private Einleger können die finanzielle Solidität ihrer Bank in aller Regel nicht beurteilen. Die Möglichkeit des Selbstbehalts sollte daher abgeschafft werden.

5.3 Deckungssumme

Derzeit ist eine Mindestabsicherung von 20 000 EUR vorgesehen, wobei den Mitgliedstaaten freisteht, eine höhere Deckungssumme festzulegen. Den tatsächlichen Einlagen, die sich gegenwärtig im Durchschnitt auf rund 30 000 EUR je Bürger belaufen, wird dies jedoch nicht gerecht. Um das Vertrauen der Einleger zu erhalten sollte die Deckung erheblich heraufgesetzt werden.

Der Rat der Europäischen Union hat am 7. Oktober 2008 beschlossen, dass alle Mitgliedstaaten private Einlagen zunächst für mindestens ein Jahr bis zu einer Höhe von mindestens 50 000 EUR absichern werden, wobei er darauf hinwies, dass etliche Mitgliedstaaten die Mindestdeckung auf 100 000 EUR anheben wollen. Die vorgeschriebene Deckungssumme sollte daher in einem ersten Schritt auf mindestens 50 000 EUR und nach einem Jahr auf mindestens 100 000 EUR erhöht werden.

Schätzungen zufolge sind nach der derzeitigen Regelung nur rund 65 % aller Einlagen abgesichert. Mit den neuen Deckungssummen würden schätzungsweise 80 % (bei einer Deckungssumme von 50 000 EUR) bzw. 90 % (bei einer Deckungssumme von 100 000 EUR) aller Einlagen erfasst.

Änderungen der Deckungssumme sollten nach dem normalen Komitologieverfahren beschlossen werden. Im Krisenfall muss jedoch ein promptes, koordiniertes Eingreifen der Gemeinschaft möglich sein, um im Falle eines plötzlichen Vertrauenseinbruchs bei den Einlegern mit einer Anhebung der Deckungssumme reagieren zu können. Eine Dringlichkeitsmaßnahme im Komitologieverfahren ist daher unerlässlich. Solche Dringlichkeitsmaßnahmen sollten auf 18 Monate befristet sein.

5.4 Grenzübergreifende Zusammenarbeit

Ein Einlagensicherungssystem schützt nicht nur Einleger in dem Mitgliedstaat, in dem die Bank zugelassen wurde (Herkunftsmitgliedstaat), sondern auch die Einleger von Zweigniederlassungen dieser Bank in einem anderen Mitgliedstaat (Aufnahmemitgliedstaat). Bietet das Einlagensicherungssystem des Aufnahmemitgliedstaats eine höhere Deckung als das System des Herkunftsmitgliedstaats, so kann sich die Zweigniederlassung auch dem Einlagensicherungssystem des Aufnahmemitgliedstaats anschließen, um denselben Schutz anbieten zu können wie Banken, die in diesem Staat zugelassen wurden.

Unabhängig davon, ob sich die Bank dem System des Aufnahmemitgliedstaats angeschlossen hat, müssen die Systeme des Aufnahme- und des Herkunftsmitgliedstaats in jedem Fall zusammenarbeiten, um eine rasche Auszahlung zu gewährleisten. Der Vorschlag enthält daher eine neue Bestimmung, die die Einlagensicherungssysteme ausdrücklich zur Zusammenarbeit verpflichtet.

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 94/19/EG über Einlagensicherungssysteme im Hinblick auf Deckungssumme und Auszahlungsfrist (Text von Bedeutung für den EWR)

Das Europäische Parlament und der Rat der europäischen Union -gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 47 Absatz 2, auf Vorschlag der Kommission2, nach Stellungnahme der Europäischen Zentralbank3, gemäß dem Verfahren des Artikels 251 EG-Vertrag4, in Erwägung nachstehender Gründe:

Haben folgende Richtlinie erlassen:

Artikel 1

Die Richtlinie 94/19/EG wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Umsetzung

Artikel 3
Inkrafttreten

Artikel 4
Adressaten


Geschehen zu Brüssel am
Im Namen des Europäischen Parlaments
Der Präsident
Im Namen des Rates
Der Präsident