Empfehlungen der Ausschüsse
Gesetz zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie in der Justiz und zur Änderung weiterer Vorschriften

878. Sitzung des Bundesrates am 17. Dezember 2010

Der Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetz zu verlangen, dass der Vermittlungsausschuss gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes aus folgenden Gründen einberufen wird:

1. Zu Artikel 3 (Artikel 102a EGInsO) Artikel 3 ist zu streichen.

Begründung:

Mit Artikel 3 soll ein neuer Artikel 102a in das Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung(EGInsO) eingefügt werden, der gesetzlich die Aufnahme von Angehörigen eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in eine von dem Insolvenzgericht geführte Vorauswahlliste für Insolvenzverwalter regelt. Zudem wird eine Entscheidungsfrist von drei Monaten bei entsprechender Anwendung des § 42a Absatz 2 Satz 2 bis 4 VwVfG eingeführt.

Diese isolierte gesetzliche Regelung der Aufnahme in die sogenannten Insolvenzverwaltervorauswahllisten ist abzulehnen.

Zunächst dürfte im Hinblick auf die Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie kein zwingender Umsetzungsbedarf bestehen, da die Führung der Insolvenzverwaltervorauswahllisten derzeit gesetzlich nicht geregelt ist und die Insolvenzrichter bei der Aufnahme in die Vorauswahllisten die Wertungen der Dienstleistungsrichtlinie zu beachten haben. Zudem ist es mit guten Gründen vertretbar, die Ausnahmeregelung des Artikels 2 Absatz 2 Buchstabe i der Dienstleistungsrichtlinie als einschlägig anzusehen. So hat bereits der Bundesgerichtshof (vgl. Beschluss vom 8 Dezember 2005 - IX ZB 308/04 -, ZIP 2006, 247) zur Entlassung eines Insolvenzverwalters festgestellt, dass dieser auch im öffentlichen Interesse tätig ist. Denn der Insolvenzverwalter ist ein externer Funktionsträger mit Teilhabe an hoheitlicher Gewalt, da er die Beschlagnahmefunktion des insolvenzgerichtlichen Verfahrens ausführt.

Im Gegensatz zu dem für die inländischen Insolvenzverwalter maßgeblichen § 56 der Insolvenzordnung (InsO), der eine Führung der sogenannten Insolvenzverwaltervorauswahllisten für den Hauptanwendungsbereich nicht regelt, soll eine gesetzliche Regelung ausschließlich für Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum eingeführt werden. Insoweit handelt es sich um einen systematischen Bruch, der, wenn man die Führung von Insolvenzverwaltervorauswahllisten gesetzlich regeln will, nur dadurch behoben werden kann, dass die verpflichtende Führung von Insolvenzverwaltervorauswahllisten auch in § 56 InsO geregelt wird. Eine Ungleichbehandlung der inländischen Insolvenzverwalter im Vergleich zu denjenigen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist abzulehnen.

Ferner ist eine solche Vorauswahlliste nicht vom Insolvenzgericht, sondern von dem einzelnen Insolvenzrichter zu führen (vgl. Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 56 Rnr. 21; Lüke, ZIP 2007, 701, 704). Denn der jeweilige Insolvenzrichter bestellt im Rahmen der ihm zustehenden richterlichen Unabhängigkeit den Insolvenzverwalter und darf die Listenführung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 3. August 2009 - 1 BvR 369/08 -, NZI 2009, 641) jedenfalls dann nicht einem anderen Insolvenzrichter oder Stellen der Gerichtsverwaltung überlassen, wenn nicht sichergestellt ist, dass die Liste entsprechend der von ihm selbst für maßgeblich befundenen Kriterien geführt wird. So hat auch das OLG Düsseldorf (vgl. Beschluss vom 15. August 2008 - I-3 VA 4/07 -, NZI 2008, 614) als materiell richtigen Antragsgegner für die Zuständigkeit für den Antrag auf Aufnahme in die Vorauswahlliste zutreffend den oder die Insolvenzrichter und nicht das Gericht angesehen.

Ferner erscheint die mit Artikel 102a Satz 2 EGInsO-neu beabsichtigte Nähe zum Verwaltungsverfahrensrecht als systemwidrig. Denn die richterliche Entscheidung über die Aufnahme in die sogenannte Insolvenzverwaltervorauswahlliste ist ein Justizverwaltungsakt im Sinne der §§ 23ff. EGGVG, dessen Ausgestaltung vielfach spezialgesetzlichen Vorschriften vorbehalten (vgl. Zöl-ler/Lückemann, ZPO, 28. Aufl., § 23 EGGVG Rnr. 12) oder verfassungsrechtlich vorgeprägt ist. Sowohl systematisch als auch vom Rechtsweg her sind die Justizverwaltungsakte ausdrücklich aus dem übrigen Verwaltungshandeln ausgegliedert (vgl. Kissel/Mayer, GVG, 5. Aufl., § 23 EGGVG Rnr. 13). Dementsprechend birgt allein die Verweisung auf eine Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes die Gefahr, dass für das Rechtsmittel gegen die Ablehnung der Aufnahme in die sogenannte Insolvenzverwaltervorauswahlliste nunmehr der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet wird. Dies ist abzulehnen.

Zudem kollidiert die Bestimmung einer Frist von drei Monaten bis zur Entscheidung über die Aufnahme mit dem bisher als zulässig erachteten Vorgehen, den Antragsteller vor der endgültigen Aufnahme in die sogenannte Insolvenzverwaltervorauswahlliste auf eine Probephase zu verweisen (vgl. nur Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 13. Aufl., § 56 Rnr. 9). Eine Betrauung mit Verfahren unterschiedlichen Schwierigkeitsgrades oder auch nur mit einem Verfahren ließe sich innerhalb der Frist nicht realisieren.

Mit dem Gesetz wird schließlich eine Vorfestlegung für ein Berufszulassungsverfahren getroffen, obwohl der diesbezügliche Diskussionsprozess über eine Zulassungsordnung für Insolvenzverwalter transparent, ergebnisoffen und unter Beteiligung aller relevanten Gruppen geführt werden muss. Hierzu hat das Bundesministerium der Justiz noch keinen entsprechenden Gesetzentwurf zur gesetzlichen Regelung der Zulassung zum Beruf des Insolvenzverwalters vorgelegt. Schon aus diesem Grund ist die Änderung des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung zum jetzigen Zeitpunkt nicht angezeigt.

2. Zu Artikel 8 Nummer 2 (§ 850k Absatz 8, 9 Satz 1 ZPO), Nummer 3 (§ 850l Absatz 4 Satz 1 ZPO)

Artikel 8 Nummer 2 und 3 ist zu streichen.

Begründung:

Die Vorschrift des § 850k Absatz 8 ZPO ist im Rahmen der parlamentarischen Beratungen des Gesetzes zur Reform des Kontopfändungsschutzes (BGBl. 2009 I, S. 1707) mit dem Ziel aufgenommen worden, die missbräuchliche Führung eines zweiten Pfändungsschutzkontos zu verhindern. Sie geht unter anderem auf die vom Bundesrat am 9. November 2007 beschlossene Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zurück, BR-Drs. 663/07(B) HTML PDF . Der Bundesrat hatte gebeten, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob schon bei der Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos sichergestellt werden könne, dass eine Person nur ein Pfändungsschutzkonto führe. Zugleich hat der Bundesrat für den Fall, dass nicht bereits bei der Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos die Führung nur eines solchen Kontos sichergestellt werden könne, um Prüfung gebeten, ob die Sanktionierung der Einrichtung eines weiteren Pfändungsschutzkontos durch die Schaffung eines gesonderten Straftatbestandes sichergestellt werden könne.

Von einer strafrechtlichen Flankierung hat der Gesetzgeber unter anderem "im Hinblick auf die nahezu flächendeckende Kontrolle mittels der ( ... ) SCHUFA-Abfrage" (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 016/12714, S. 18) abgesehen und nur noch flankierend in § 850k Absatz 9 ZPO eine Regelung aufgenommen, die in Fällen des Missbrauchs durch den Schuldner dem Gläubiger ein Verfahren an die Hand gibt, die Wirkungen weiterer Pfändungsschutzkonten zu beseitigen.

Da durch § 850k Absatz 8 ZPO einem Privatunternehmen ein Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Auskunfteien eingeräumt wird, ist die Beseitigung des bestehenden Wettbewerbsvorteils der SCHUFA Holding AG grundsätzlich zu begrüßen. Indessen bestehen erhebliche Bedenken gegen die konkrete Ausgestaltung einer Änderung von § 850k Absatz 8 ZPO.

Eine im Interesse von Vollstreckungsgläubigern erforderliche Missbrauchskontrolle erfordert, dass alle oder zumindest der ganz überwiegende Teil der Kreditinstitute die Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos einer zentralen Stelle melden bzw. bei einer solchen Stelle Auskunft über ein bestehendes Pfändungsschutzkonto eines Kunden erhalten. Wenn die Kreditinstitute zukünftig die Möglichkeit haben sollten, die Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos an Auskunfteien ihrer Wahl zu melden, ist die Missbrauchskontrolle nicht mehr in dem bislang bestehenden Umfang gewährleistet. Auch die von der Bundesregierung unterstellte "hohe Marktabdeckung der SCHUFA Holding AG" bietet keine hinreichende Gewähr, dass die Daten auch weiterhin "im Wesentlichen bei einer Stelle konzentriert" bleiben. Sollte eine verlässliche Überprüfung der Versicherung des Kunden nur durch Anfragen bei verschiedenen Auskunfteien möglich sein, würde dies eine Missbrauchskontrolle erheblich erschweren.

Es ist daher zu erwägen, eine zentrale Stelle zu bestimmen, der alle Kreditinstitute die Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos melden. In Betracht käme beispielsweise die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht oder das Bundeszentralamt für Steuern, welches bereits in das Kontrollverfahren der freigestellten Kapitalerträge eingebunden ist und nach § 802l Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 ZPO (eingefügt durch das Gesetz zur Erleichterung elektronischer Anmeldungen zum Vereinsregister und anderer vereinsrechtlicher Regelungen vom 24. September 2009, BGBl. I S. 3145) ab dem 1. Januar 2012 dem Gerichtsvollzieher zur Auskunftserteilung über Konten verpflichtet sein wird. Denkbar wäre gegebenenfalls auch die Aufnahme einer Regelung in die ZPO, wonach das Bundesministerium der Justiz ermächtigt wird, eine bzw. mehrere Auskunftei(en) konkret zu bestimmen, welchen Kreditinstitute die Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos melden (müssen).

Für den Fall, dass eine zentrale Stelle nicht bestimmt werden kann, wäre die Schaffung eines strafrechtlichen Missbrauchsschutzes (im Hinblick auf eine nicht mehr vorhandene "nahezu flächendeckende Kontrolle") erneut zu diskutieren.

Da die Änderung von § 850k Absatz 8 ZPO nicht im Zusammenhang mit der Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie steht und hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung einer Änderung noch erheblicher Diskussionsbedarf besteht, sollte gegenwärtig auf die Änderung verzichtet werden. Dies würde die Bundesregierung unter anderem auch in die Lage versetzen, wie in der Gegenäußerung angekündigt (vgl. BT-Drs. 17/3356, Seite 31) "weitere Möglichkeiten der Optimierung der Missbrauchskontrolle erneut zu prüfen". Zu berücksichtigen ist ferner auch, dass das Gesetz über die Reform des Kontopfändungsschutzes vom 7. Juli 2009 bereits in Kraft getreten (BGBl. I S. 1707) und eine Änderung vor Inkrafttreten folglich nicht mehr erreichbar ist. Die konkrete Ausgestaltung einer Änderung könnte im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens betreffend Änderungen des Zwangsvollstreckungsrechts diskutiert werden. In Betracht käme beispielsweise eine Diskussion im Rahmen der parlamentarischen Beratungen über den Gesetzentwurf des Bundesrates für ein Gesetz zur Neustrukturierung und Modernisierung des Pfändungsschutzes vom 7. Mai 2010, BR-Drs. 139/10(B) HTML PDF .

Mit der Streichung von Nummer 2 muss zugleich als redaktionelle Folgeänderung auch eine Streichung von Nummer 3 einhergehen, da die sprachlichen Änderungen nur einheitlich vorgenommen werden können.