Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Grünbuch der Kommission über die Zukunft der Mehrwertsteuer: Wege zu einem einfacheren, robusteren und effizienteren Mehrwertsteuersystem KOM (2010) 695 endg.

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Hinweis: vgl.
Drucksache 113/10 (PDF) = AE-Nr. 100144

1. Einführung

Frankreich war das erste Land in Europa, das 1954 die Mehrwertsteuer (MwSt) eingeführt hat. 1967 kamen die Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft überein, ihre nationalen Umsatzsteuersysteme durch ein gemeinsames MwSt-System zu ersetzen. Seitdem haben weltweit rund 140 Länder1 eine Mehrwertsteuer eingeführt.

2008 entfielen 21,4 % der nationalen Steuereinnahmen der EU-Länder (einschließlich Beiträge zur sozialen Sicherheit) auf die Mehrwertsteuer - eine Steigerung um 12 % seit 19952. Somit ist die Mehrwertsteuer für die Staatshaushalte eine wichtige Einnahmequelle - in vielen Mitgliedstaaten sogar die allerwichtigste. 2008 machten die MwSt-Einnahmen durchschnittlich 7,8 % des BIP eines Mitgliedstaates aus - ein Anteil, der seit 1995 um fast 13 % angestiegen ist.

Durch die Finanz- und Wirtschaftskrise wurden die Staatshaushalte zahlreicher Mitgliedstaaten erheblich belastet. Insbesondere aufgrund des rezessionsbedingten Einbruchs bei den direkten Steuern und den Besitzsteuern dürfte der Anteil der MwSt-Einnahmen an den Gesamteinnahmen vieler Mitgliedstaaten in letzter Zeit noch weiter zugenommen haben.

Mehrere Mitgliedstaaten haben in jüngster Zeit ihre MwSt-Sätze erhöht oder erwägen einen solchen Schritt, um dem Konsolidierungsbedarf infolge der Krise gerecht zu werden oder weil sie langfristig den Schwerpunkt von direkten auf indirekte Steuern verlagern wollen. Eine solche Verlagerung kann mit der relativen Effizienz von Steuern begründet werden, die den Verbrauch belasten, denn Konsum bildet eine breitere und stabilere Grundlage als Gewinne und Einkünfte. Die breitere Bemessungsgrundlage ermöglicht niedrigere Steuersätze, wodurch die Besteuerung weniger Verzerrungen bewirkt und Wachstum und Beschäftigung gefördert werden.

Davon abgesehen gilt es auch, die Steuersysteme anzupassen, um den Auswirkungen Rechnung zu tragen, die eine alternde Gesellschaft auf Arbeitsmärkte, Spar- und Konsumverhalten und öffentliche Ausgaben haben wird. Die Finanzierung des Wohlfahrtsstaates wird sich möglicherweise weniger auf die Besteuerung von Arbeit und Kapital (Zinsen) stützen können, was ebenfalls für eine Hinwendung zu indirekten Steuern spricht.

Nach über vierzig Jahren ist es an der Zeit, einen kritischen Blick auf das MwSt-System zu werfen, um es besser auf den Binnenmarkt abzustimmen, seine Fähigkeit, Einnahmen zu generieren, durch eine Verbesserung seiner wirtschaftlichen Effizienz und Solidität zu verbessern, seinen Beitrag zu Maßnahmen in anderen politischen Bereichen zu verstärken und gleichzeitig die Befolgungs- und Erhebungskosten zu senken. Auf diese Weise kann die Reform des MwSt-Systems durch sein Potential, dem Binnenmarkt neue Impulse zu geben und eine intelligente Haushaltskonsolidierung in den Mitgliedstaaten zu unterstützen eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung der Strategie Europa 20203 und der Rückkehr auf den Wachstumspfad spielen. Verbesserungen dieser Art erfordern ein umfassendes MwSt-System, das sich Änderungen im wirtschaftlichen und technischen Umfeld anpassen kann und solide genug ist, um Betrugsattacken zu widerstehen, wie sie in den letzten Jahren aufgetreten sind.

Durch eine Vereinfachung des MwSt-Systems könnten auch die operativen Kosten von Steuerpflichtigen und Steuerverwaltungen gesenkt werden, was dem Fiskus Mehreinnahmen verschafft.

Da es sich bei der Mehrwertsteuer um eine den Verbrauch belastende Steuer und nicht um eine Steuer auf Unternehmen handelt, muss die entscheidende Rolle, welche die Unternehmen bei der Erhebung der Mehrwertsteuer spielen, gebührend anerkannt werden. Den Unternehmen entstehen aus der Befolgung von MwSt-Vorschriften erhebliche Verwaltungskosten, und die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen könnte erheblich verbessert werden, wenn diese Belastung verringert würde.

Das sind die wichtigsten Herausforderungen der EU im MwSt-Bereich. Sie müssen im einzigartigen Rahmen des 1993 mit der Abschaffung der Steuerkontrollen an den Binnengrenzen der EU geschaffenen Binnenmarktes bewältigt werden, der den freien Verkehr von Waren und Dienstleistungen zwischen den Mitgliedstaaten gewährleistet.

Mit diesem Grünbuch soll eine umfassende Konsultation interessierter Kreise zu der Frage eingeleitet werden, wie das derzeitige MwSt-Systems funktioniert und wie es künftig aussehen sollte.

2. Weshalb soll das MWST-System gerade jetzt auf den Prüfstand

In den letzten zehn Jahren wurde das Konzept verfolgt, das MwSt-System schrittweise zu vereinfachen und zu modernisieren, was zu positiven Ergebnissen geführt hat, jetzt aber an seine Grenzen stößt.

Verschiedene andere Faktoren lassen ebenfalls darauf schließen, dass nunmehr der Zeitpunkt gekommen ist, umfassendere Überlegungen anzustellen.

2.1. Komplexität des jetzigen Systems

Die Komplexität der MwSt-Vorschriften verursacht den Unternehmen Verwaltungslasten. In den 13 vorrangigen, im Rahmen der Agenda "Bessere Rechtsetzung "4 genannten Bereichen sind fast 60 % des gesamten Verwaltungsaufwands der Unternehmen auf MwSt-Vorschriften zurückzuführen. Nach Ansicht der Wirtschaft verliert die EU dadurch an Anziehungskraft für Investitionen5 .

Besonderen Anlass zur Besorgnis geben verschiedene Kernbestandteile des Systems wie mehrwertsteuerliche Pflichten, Vorsteuerabzug und Steuersätze. Diese Faktoren können KMU stärker belasten, weil es für sie zu kostspielig sein kann, für die zunehmend komplexer werdenden MwSt-Bestimmungen die Hilfe von Fachleuten in Anspruch zu nehmen.

2.2. Für ein besseres Funktionieren des Binnenmarkts

Die Tatsache, dass inländische und EU-interne Umsätze6 für MwSt-Zwecke nach wie vor unterschiedlich behandelt werden, kann das gute Funktionieren des Binnenmarktes beeinträchtigen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass das MwSt-Recht der EU den Mitgliedstaten zahlreiche Optionen und Sonderregelungen zugesteht, die dazu führen, dass die Bestimmungen EU-weit voneinander abweichen.

In der Mitteilung der Kommission zu Europa 2020: Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum wird hervorgehoben, dass ein stärkerer, vertiefter und erweiterter Binnenmarkt von fundamentaler Bedeutung ist. Eine "binnenmarktorientierte Reform der MwSt-Vorschriften" war eine der Empfehlungen, die Professor Monti im Mai 2010 in seinem im Auftrag von Kommissionspräsident Barroso erstellten Bericht über eine umfassende Strategie für die Neubelebung des Binnenmarktes aussprach7.

In der Mitteilung zu einer Binnenmarktakte erläutert die Kommission mehrere Initiativen wie die Schaffung günstiger rechtlicher und steuerlicher Rahmenbedingungen zur Reduzierung des Verwaltungsaufwands und zur Erleichterung grenzüberschreitender Tätigkeiten. Die Mehrwertsteuer ist in dieser Hinsicht ein Schlüsselfaktor8.

2.3. Optimierung der Steuererhebung und Bekämpfung der Betrugsanfälligkeit des Systems

Ein MwSt-System auf breiter Grundlage, idealerweise mit einem einzigen Satz, käme dem Ideal einer reinen Konsumbesteuerung mit minimalen Befolgungskosten sehr nahe. In der EU deckt jedoch der Normalsatz nur etwa zwei Drittel des gesamten Verbrauchs ab, und für das verbleibende Drittel gelten verschiedene Steuerbefreiungen oder ermäßigte Sätze9. In den EU-Staaten, die auch der OECD angehören, machen die tatsächlichen MwSt-Einnahmen durchschnittlich nur 55 % der Einnahmen aus, die theoretisch anfielen, wenn der gesamte Endverbrauch zum Normalsatz besteuert würde. Andere OECD-Länder wie Japan, Südkorea oder die Schweiz haben effizientere MwSt-Systeme, bei denen diese Quote bei rund 73 % liegt10.

2008 beliefen sich die gesamten MwSt-Einnahmen der Mitgliedstaaten auf rund 862 Mrd. Euro. In einer Studie11 wurde die MwSt-Lücke der EU (die Differenz zwischen den tatsächlichen MwSt-Einnahmen und dem theoretisch aufgrund der Wirtschaftsleistung der Mitgliedstaaten erzielbaren Mehrwertsteueraufkommen) auf 12 % der theoretischen MwSt-Einnahmen für 2006 veranschlagt, wobei einige Mitgliedstaaten über 20 % lagen. Diese MwSt-Lücke ist nicht nur auf Steuervermeidung und insolvenzbedingte Ausfälle zurückzuführen, sondern auch auf Betrug, der sich teilweise aus den systembedingten Schwächen der geltenden Bestimmungen ergibt, die insbesondere einen grenzüberschreitenden Erwerb von Gegenständen und Dienstleistungen ermöglichen, ohne dass Mehrwertsteuer anfällt.

2.4. Technologische Veränderungen und Änderungen im wirtschaftlichen Umfeld

Im Gegensatz zum technologischen und wirtschaftlichen Umfeld, das von rasanten Veränderungen bei Geschäftsmodellen, dem verstärkten Einsatz neuer Technologien und der wachsenden Bedeutung des Dienstleistungssektors gekennzeichnet ist (auf den heute etwa 70 % der Wirtschaftstätigkeit entfällt) und das generell im Zeichen einer Globalisierung der Wirtschaft steht, hat sich das MwSt-System der EU nur langsam entwickelt.

Die technologischen Veränderungen können aber auch neue Wege für die MwSt-Erhebung aufzeigen, um die Belastung für die Unternehmen zu verringern und MwSt-Ausfälle einzudämmen. Das bestehende Steuererhebungsmodell ist seit Einführung der Mehrwertsteuer im Großen und Ganzen unverändert geblieben.

3. zu behandelnde Fragen

Die Diskussionen über die künftige Gestaltung der Mehrwertsteuer lassen sich in zwei Bereiche einteilen:

Der erste betrifft die Grundsätze der Besteuerung von EU-internen Umsätzen, auf denen ein vollständig an den Binnenmarkt angepasstes MwSt-System der EU beruhen sollte. Der zweite betrifft Fragen, bei denen unabhängig von der Behandlung EU-interner Umsätze Handlungsbedarf besteht.

In einem Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen wird ausführlich auf die technischen Aspekte einiger im vorliegenden Grünbuch behandelter Themen eingegangen (siehe unter http://ec.europa.eu/taxation customs/index de.htm ).

4. Mehrwertsteuerliche Behandlung grenzüberschreitender Umsätze im Binnenmarkt

4.1 Umsetzung der endgültigen Regelung auf Grundlage der Besteuerung im Ursprungsland

Den ersten Rechtsvorschriften zur Mehrwertsteuer, die auf EU-Ebene erlassen wurden, lag das Bemühen zugrunde, ein auf den Binnenmarkt zugeschnittenes MwSt-System einzuführen, das EU-weit genauso funktioniert wie in einem einzelnen Land.

Die MwSt-Richtlinie 12 enthält nach wie vor die Aussage, dass die derzeitigen Vorkehrungen für die Besteuerung des Handels zwischen Mitgliedstaaten vorübergehender Art sind und durch eine endgültige Regelung ersetzt werden, die grundsätzlich auf der Besteuerung von Gegenständen und Dienstleistungen im Mitgliedstaat des Ursprungs beruht.

Einem 1987 unternommenen Versuch, dieser Ankündigung auf der Grundlage tatsächlicher Warenströme Taten folgen lassen, war jedoch kein Erfolg beschieden. Der Alternativvorschlag von 1996 auf der Grundlage des Ortes, an dem der Leistungserbringer ansässig ist, wurde ebenfalls verworfen.

Eine Besteuerung im Ursprungsland wurde bisher aus folgenden Gründen nicht akzeptiert:

Im Juni 2007 forderte der Rat die Kommission im Rahmen der Debatte über die Bekämpfung von MwSt-Betrug auf, sich erneut mit der Frage zu beschäftigen, wie ein MwSt-System gestaltet werden kann, das auf einer Besteuerung beim Abgang der Gegenstände beruht.

Um in der Frage unterschiedlicher MwSt-Sätze eine Lösung zu finden, analysierte die Kommission ein Modell, bei dem EU-interne Leistungen an Steuerpflichtige zu einem Satz von 15 % besteuert würden, wobei der Bestimmungsmitgliedstaat entweder die zusätzliche Mehrwertsteuer bis zum anwendbaren Satz vom Kunden einzieht oder aber die zu viel entrichtete Mehrwertsteuer erstattet.

Der Rat hat jedoch nicht auf das Ersuchen der Kommission reagiert, positives Interesse zu zeigen, damit die Kommission eingehender prüfen kann, ob eine solche Lösung gangbar wäre.

Inzwischen sind neue Richtlinien zur Bestimmung des Ortes der Besteuerung bei bestimmten Umsätzen 13 eindeutig vom Grundsatz der Besteuerung im Ursprungsmitgliedstaat abgerückt und sehen als Ort der Besteuerung den Ort vor, an dem der Verbrauch erfolgt oder an dem der Kunde ansässig ist.

4.2 Die alternative Lösung: Besteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat

Bei der Besteuerung im Bestimmungsland fließen die MwSt-Einnahmen unmittelbar an den Mitgliedstaat, in dem der Verbrauch erfolgt - zu dessen inländischen Steuersätzen und nach Maßgabe seiner Steuerbefreiungen -, wodurch die Haupteinwände gegen eine Besteuerung im Ursprungsland wegfallen.

Dabei muss jedoch dafür Sorge getragen werden, dass EU-interne Umsätze und inländische Umsätze gleich behandelt werden. Eine solche Gleichbehandlung wird dadurch gewährleistet, dass entweder EU-interne Umsätze besteuert werden oder aber die effektive Erhebung der Mehrwertsteuer auf inländische Umsätze durch ein allgemein anwendbares Reverse-Charge-System beseitigt wird (bei dem die Steuerschuldnerschaft auf den steuerpflichtigen Leistungsempfänger übergeht). Eine andere Frage lautet jedoch, ob tatsächlich eine Gleichbehandlung erforderlich ist, und wenn nicht, in welchem Umfang eine unterschiedliche Behandlung hinnehmbar wäre, ohne das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes zu beeinträchtigen oder bei grenzüberschreitenden Umsätzen Betrug zu ermöglichen.

4.2.1. Beibehaltung der Grundsätze des jetzigen Systems

Im derzeitigen MwSt-System erfolgt eine Unterscheidung nach Leistungen zwischen Steuerpflichtigen (Business to Business oder "B2B") und Leistungen an Endverbraucher (Business to Consumer oder "B2C").

Bei grenzüberschreitenden B2B-Umsätzen wird nach dem allgemeinen Grundsatz, der sowohl für Lieferungen als auch für Dienstleistungen gilt, zu dem Steuersatz und den Bedingungen des Bestimmungsmitgliedstaats besteuert (in den die Gegenstände geliefert werden oder - bei Dienstleistungen - in dem das Unternehmen des Kunden ansässig ist), und die Mehrwertsteuer wird vom Kunden an den Fiskus abgeführt. Das führt dazu, dass eine inländische Lieferung von Gegenständen bzw. Dienstleistung anders behandelt wird als eine EU-interne Lieferung oder Dienstleistung. Diese Unterscheidung führt zu Komplexität und Betrugsanfälligkeit.

B2C-Leistungen werden in der Regel in dem Mitgliedstaat besteuert, in dem die Gegenstände erworben werden oder in dem der Dienstleistungserbringer ansässig ist. Da jedoch die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen besteht, gelten für die Besteuerung am Ort der Bestimmung Sonderregelungen, die Leistungserbringern (bei Fernverkäufen von Gegenständen oder bei bestimmten Dienstleistungen) oder Erwerbern (z.B. Erwerbe durch steuerbefreite Steuerpflichtige, insbesondere kleine Unternehmen, oder durch nichtsteuerpflichtige juristische Personen sowie Erwerb neuer Fahrzeuge) umfangreiche Pflichten auferlegen.

Dessen ungeachtet hat das System aber auch Vorteile. Den Mitgliedstaaten garantiert es ein gewisses Maß an Handlungsfreiheit und steuerliche Souveränität bei der Verwaltung der Mehrwertsteuer. Für Unternehmenskunden scheinen grenzüberschreitende B2B-Umsätze keine großen MwSt-Probleme aufzuwerfen und könnten sogar einige Vorteile haben, da die Mehrwertsteuer nicht vorfinanziert werden muss.

Belastet wird vor allem der Leistungserbringer, der in seinem Mitgliedstaat die Steuerbefreiung (bei der Lieferung von Gegenständen) oder die Nichtbesteuerung (bei Dienstleistungen) begründen muss und mit zusätzlichen Meldepflichten sowie zunehmend auch strengeren Förmlichkeiten konfrontiert ist, mit denen Betrug verhindert werden soll. Der bürokratische Aufwand für grenzüberschreitende Umsätze hat stetig zugenommen. Zudem können Steuerbefreiungen oder eine Nichtbesteuerung von den Steuerverwaltungen beanstandet werden, wenn an anderen Stellen der Lieferkette Betrug aufgetreten ist, und für ordnungsgemäß tätige Unternehmen kann es schwierig sein, sich gegenüber solchen Risiken abzuschirmen.

Wenn die Grundzüge der derzeitigen MwSt-Regelung beibehalten werden sollen, muss die Anwendung dieser Regelung unter dem Gesichtspunkt von Rechtssicherheit und Verwaltungsaufwand bei EU-internen Umsätzen gründlich überprüft und verbessert werden.

4.2.2. Generelle Anwendung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (ReverseCharge-Verfahren)

Durch die Verlagerung der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger bei inländischen B2B-Umsätzen könnte eine kohärente Behandlung von inländischen und EU-internen Umsätzen erreicht werden. Auf diese Weise würde die systemimmanente Betrugsanfälligkeit des derzeitigen MwSt-Systems bekämpft. Andererseits wären für inländische Umsätze zusätzliche Prüfungen und Meldepflichten erforderlich, um eine Verlagerung des Betrugs auf die Einzelhandelsebene zu verhindern, da der Grundsatz der fraktionierten Entrichtung der Steuer, die als großer Vorteil gilt, wegfiele.

Die Kommission hat das System 2008 geprüft14. Sie kam zu dem Ergebnis, dass das Reverse-Charge-Verfahren nicht ausgeschlossen werden sollte, bei optionaler Einführung aber das Funktionieren des Binnenmarktes beeinträchtigen würde. Die Kommission erklärte sich bereit, ein Pilotprojekt zu erwägen, um die Einführung eines obligatorischen generellen Reverse-Charge-Verfahrens zu erproben. An diesem Standpunkt hat sich nichts geändert, die Kommission ist sich aber der administrativen und wirtschaftlichen Implikationen eines solchen Projekts bewusst.

4.2.3. Besteuerung EU-interner Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen

Eine kohärente Behandlung von inländischen und EU-internen Umsätzen könnte auch dadurch erreicht werden, dass EU-interne Umsätze zu den Sätzen und nach den Vorschriften des Bestimmungsmitgliedstaats besteuert werden.

Dadurch würde der Grundsatz der fraktionierten Entrichtung der Steuer für grenzüberschreitende Umsätze wiederhergestellt und der systemimmanenten Betrugsanfälligkeit entgegengewirkt. Andererseits würde aber die Zahl der Umsätze, für die Steuerpflichtige in einem Mitgliedstaat, in dem sie nicht ansässig sind, die Mehrwertsteuer schulden, ganz erheblich zunehmen.

Bei der Besteuerung von EU-internen Lieferungen oder Dienstleistungen kann der Bestimmungsort auf zweierlei Art und Weise definiert werden:

Da die Mehrwertsteuer bei EU-internen Vorgängen im Bestimmungsmitgliedstaat anfallen würde, wäre im Ursprungsmitgliedstaat eine einzige Anlaufstelle erforderlich, um MwSt-Verbindlichkeiten zu regeln, die in Mitgliedstaaten anfallen, in denen der Leistungserbringer nicht ansässig ist.

Eine solche Änderung hätte sowohl für die Unternehmen als auch für die Steuerverwaltungen Folgen. Eine Besteuerung EU-interner Leistungen würde sich auf die Liquidität beider Parteien auswirken, und die Meldepflichten müssten völlig neu überarbeitet werden. Die Kommission hat derartige Maßnahmen noch nicht im Detail analysiert, ist aber bereit, diese Optionen eingehender zu prüfen.

4.3 Andere Varianten

Der Kommission ist bewusst, dass in der Öffentlichkeit auch andere als die oben beschriebenen Regelungen diskutiert worden sind. Sie will diese Möglichkeiten nicht aus der Diskussion heraushalten, hält es aber nicht für erforderlich, sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu vertiefen, da es sich bei den meisten um reine Varianten zu handeln scheint.

Frage 1. Sind die derzeitigen MwSt-Bestimmungen für den EU-internen Handel dem Binnenmarkt angemessen oder verhindern sie, dass die Vorteile des Binnenmarktes optimal genutzt werden

Frage 2. Bitte führen Sie im letztgenannten Fall aus, welches Ihrer Ansicht nach die geeignetsten MwSt-Vorkehrungen für EU-interne Leistungen wären. Halten Sie eine Besteuerung im Ursprungsmitgliedstaat weiterhin für ein relevantes und erreichbares Ziel

5. Weitere Kernfragen

In diesem Abschnitt wird auf die anderen Kernfragen eingegangen, die behandelt werden müssen, um ein solides, einfacheres und effizienteres MwSt-System für den Binnenmarkt zu verwirklichen. Diese Fragen beziehen sich auf das derzeitige System.

5.1 Wie kann die Neutralität des MwSt-Systems gewährleistet werden

5.1.1. Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer

Die für öffentliche Einrichtungen geltenden Bestimmungen haben zur Folge, dass vergleichbare Tätigkeiten je nach dem Status des Leistungserbringers in Bezug auf die Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden. Die Entwicklung in den Mitgliedstaaten - zunehmende Privatisierung und Deregulierung von Tätigkeiten, die traditionell dem öffentlichen Sektor vorbehalten waren - hat diese Unterschiede weiter verstärkt. Es gibt neue Formen der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Behörden und dem Privatsektor (öffentlichprivate Partnerschaften), die Infrastrukturen und grundlegende öffentliche Leistungen (Straßen, Eisenbahnen, Schulen, Krankenhäuser, Gefängnisse, Wasser- oder Abwasserbehandlung) zur Verfügung stellen.

Sind öffentliche Einrichtungen von der Mehrwertsteuer befreit oder fallen sie nicht in deren Anwendungsbereich, so ist es für sie interessanter, die Auslagerung von Tätigkeiten zu begrenzen, um zu vermeiden, dass sie nicht abzugsfähige Mehrwertsteuer entrichten müssen. Auf diese Weise wird die Mehrwertsteuer zu einem Faktor, der Investitions- und Ausgabeentscheidungen beeinflusst.

Die Kommission hat kürzlich eine Studie über die wirtschaftliche und soziale Auswirkung der Mehrwertsteuer auf öffentliche Einrichtungen und über entsprechende Lösungsmöglichkeiten eingeleitet. Eine Möglichkeit könnte darin bestehen, alle wirtschaftlichen Tätigkeiten öffentlicher Einrichtungen in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer einzubeziehen und ein Verzeichnis auszunehmender Tätigkeiten aufzustellen. Alternativ könnten die Voraussetzungen geklärt und modernisiert werden, unter denen öffentliche Einrichtungen nicht länger als außerhalb des Anwendungsbereichs der Mehrwertsteuer befindlich angesehen werden.

Bezüglich der mehrwertsteuerlichen Behandlung von Umsätzen, die Holdinggesellschaften insbesondere mit der Verwaltung von Anteilen und mit Finanzverwaltungsfunktionen erzielen, hat der Europäische Gerichtshof einige Anhaltspunkte geliefert, deren praktische Umsetzung aber nach wie vor schwierig ist. Eine Lösung könnte darin bestehen, die rechtliche Lage in der MwSt-Richtlinie zu klären.

Frage 3. Halten Sie die derzeitigen MwSt-Vorschriften für öffentliche Behörden und Holdinggesellschaften insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Steuerneutralität für annehmbar Wenn nein, weshalb nicht

Frage 4. Welche anderen Probleme gibt es bezüglich des Anwendungsbereichs der Mehrwertsteuer

Frage 5. Wie können diese Probleme gelöst werden 5.1.2. Steuerbefreiungen

Steuerbefreiungen sind nicht mit dem Prinzip der Mehrwertsteuer als Steuer mit breiter Bemessungsgrundlage vereinbar. Bei vielen Steuerbefreiungen ist es fraglich, ob sie noch relevant sind. Je weniger Steuerbefreiungen es gibt, desto breiter ist die Bemessungsgrundlage, wodurch die Steuer effizienter und neutraler wird, was eine gangbare Alternative zur Erhöhung der MwSt-Sätze darstellt.

Die MwSt-Richtlinie unterscheidet zwischen Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten (z.B. sozialer Art, in Bildungswesen und Kultur) und Steuerbefreiungen für andere Tätigkeiten, z.B. aufgrund steuertechnischer Schwierigkeiten bei der Anwendung der Steuer auf die betreffenden Umsätze (Finanzdienstleistungen und Glücksspiele) oder aufgrund der Wechselwirkung mit anderen Steuern (Umsätze mit Grundstücken).

Diese Steuerbefreiungen müssen insbesondere im Lichte der wirtschaftlichen und technologischen Veränderungen überprüft werden.

Das gilt auch für die Steuerbefreiungen, die die Mitgliedstaaten weiterhin anwenden dürfen, weil sie bereits am 1. Januar 1978 oder zum Zeitpunkt des Beitritts galten. Ein Bespiel ist die Personenbeförderung, die je nach dem verwendeten Beförderungsmittel weiterhin von der Steuer befreit werden kann. Andere Ausnahmeregelungen ermöglichen Mitgliedstaaten, Mehrwertsteuer auf Umsätze zu erheben, die andernfalls steuerbefreit wären. Dadurch wird das Ziel eines gemeinsamen MwSt-Systems geschwächt.

In Bezug auf die Steuerbefreiungen in dem Vorschlag für Postdienste und den Vorschlägen für Finanz- und Versicherungsdienstleistungen 15 sind die Diskussionen noch nicht abgeschlossen. In der Studie über öffentliche Einrichtungen (siehe Punkt 5. 1.1 Absatz 3) wird ebenfalls auf Steuerbefreiungen für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten eingegangen.

Frage 6. Welche MwSt-Befreiungen sollten abgeschafft werden Erklären Sie bitte, weshalb Sie diese Befreiungen für problematisch halten. Welche Steuerbefreiungen sollten beibehalten werden Führen Sie dafür bitte Gründe an.

Frage 7. Wirft das gegenwärtige System zur Besteuerung der Personenbeförderung hinsichtlich der Steuerneutralität oder aus anderen Gründen Probleme auf Sollte auf die Personenbeförderung unabhängig vom Beförderungsmittel Mehrwertsteuer erhoben werden

Frage 8. Wie können diese Probleme gelöst werden 5.1.3. Vorsteuerabzug

Durch das Vorsteuerabzugsrecht wird für die Unternehmen Steuerneutralität gewährleistet. Der Umfang, in dem Vorsteuer abgezogen werden kann, ist von entscheidender Bedeutung; nicht unerheblich ist aber auch die Frage, wann und wie der Vorsteuerabzug erfolgt.

Bei Gegenständen und Dienstleistungen, die für besteuerte wirtschaftliche Tätigkeiten verwendet werden, wirkt die Mehrwertsteuer nur dann neutral, wenn sie vollumfänglich abgezogen werden kann. In Fällen, in denen Gegenstände und Dienstleistungen für verschiedene Zwecke (besteuerte oder steuerbefreite Tätigkeiten, unternehmensfremde Zwecke) verwendet werden und sich diese Verwendung während der wirtschaftlichen Lebensdauer der Gegenstände oder Dienstleistungen ändert, kann es schwierig sein, eine solche Neutralität, die für die Unternehmen EU-weit gleiche Wettbewerbsbedingungen gewährleistet, zu erreichen.

Das Vorsteuerabzugsrecht muss eingeschränkt werden, wenn Gegenstände oder Dienstleistungen auch für unternehmensfremde Zwecke (vor allem für den privaten Verbrauch) genutzt werden. In Fällen, in denen es nicht ohne Weiteres oder überhaupt nicht möglich ist, den Anteil des geschäftlichen und des privaten Verbrauchs zu bestimmen, kann das Problem durch pauschale Beschränkungen gelöst werden; diese sollten aber der wirtschaftlichen Realität entsprechen und nicht dazu dienen, zusätzliche Einnahmen zu generieren.

Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Gegenstand geliefert bzw. die Dienstleistung erbracht wird, unabhängig davon, ob die Zahlung durch den Kunden erfolgt ist. Diese Bestimmung kann insbesondere Unternehmen, die eine Zahlung hinauszögern, Liquiditätsvorteile verschaffen, während das leistende Unternehmen - häufig ein KMU - belastet wird. Geht das MwSt-System dagegen von der Zahlung aus (Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten), so dass der Steueranspruch entsteht und die Steuer abzugsfähig ist, wenn die Zahlung erfolgt, wäre in Bezug auf die Liquidität aller Beteiligten Neutralität gegeben. Ein solches System wurde auch Mehrwertsteuerausfälle aufgrund der Zahlungsunfähigkeit des Kunden begrenzen.

In der Regel erfolgt der Abzug durch eine Verrechnung der abzugsfähigen mit der fälligen Mehrwertsteuer. Hinsichtlich der Frage, ob der Steuerpflichtige Anspruch auf Rückzahlung hat, vertreten die Steuerverwaltungen unterschiedliche Auffassungen, da bei solchen Vergütungen ein gewisses Betrugsrisiko besteht. Dieses Risiko sollte allerdings nicht als Grund dafür dienen, den Abzug ungebührlich hinauszuzögern.

Ferner wird der Vorsteuerabzug auch durch Erstattungsregelungen für Unternehmen, die in unterschiedlichen Mitgliedstaaten ansässig sind, kompliziert und hinausgezögert. Dies könnte durch eine einzige Anlaufstelle gelöst werden, über die die in einem Mitgliedstaat angefallene Vorsteuer mit der dort zu entrichtenden Mehrwertsteuer verrechnet würde.

Frage 9. Was sind Ihrer Auffassung nach die größten Probleme beim Vorsteuerabzug

Frage 10. Wie könnten die Regeln für den Vorsteuerabzug neutraler und gerechter gestaltet werden

5.1.4. Internationale Dienstleistungen

Die wachsende Bedeutung internationaler Dienstleistungen im Gefolge von Globalisierung, Deregulierung und kommunikationstechnologischen Entwicklungen wirkt sich auch auf die Mehrwertsteuer aus. Um eine Doppelbesteuerung oder eine Nichtbesteuerung solcher Dienstleistungen zu vermeiden, ist ein international abgestimmtes Vorgehen erforderlich. In dieser Hinsicht leistet die OECD wichtige Arbeit.

Abgesehen von der Gewährleistung von Rechtssicherheit bezüglich der Besteuerung im Land des Verbrauchs muss aber auch dafür gesorgt werden, dass die Mehrwertsteuer richtig angewendet wird. Dies gilt insbesondere für elektronisch erbrachte B2C-Dienstleistungen wie den Online-

Vertrieb von Musiksoftware, bei der die Mehrwertsteuererhebung weitgehend davon abhängt, dass außerhalb der EU ansässige Unternehmen die einschlägigen Bestimmungen einhalten. Hier stellt sich die Frage, ob eine solche Situation unter dem Gesichtspunkt von Neutralität und Wettbewerbsfähigkeit für in der EU ansässige Unternehmen und für die Haushalte der Mitgliedstaaten langfristig hinnehmbar ist.

Eine Lösung könnte darin bestehen, die Steuerbehörden zu internationaler Zusammenarbeit bei der Mehrwertsteuer zu ermutigen. Dagegen besteht die auf den ersten Blick weniger attraktive, aber in verschiedenen Rechtsgebieten außerhalb der EU wie beispielsweise Kanada erwogene Alternative darin, Möglichkeiten zu finden, um die Mehrwertsteuer bei privaten Verbrauchern zu erheben, beispielsweise durch die Überprüfung von Online-Zahlungen.

Eine andere Frage bezieht sich auf Neutralität und Transparenz bei der Behandlung von Dienstleistungen in internationalen Konzernen, die je nach der gewählten Struktur (Zweigstelle/Hauptsitz oder Mutter-/Tochtergesellschaft) und nicht je nach Art der Dienstleistung unterschiedlich ist.

Frage 11. Nennen Sie die wichtigsten Probleme bei den derzeitigen MwSt-Vorschriften für internationale Dienstleistungen unter den Gesichtspunkten von Wettbewerb und Steuerneutralität oder anderen Faktoren.

Frage 12. Wie können diese Probleme gelöst werden Ist eine verstärkte Koordinierung auf internationaler Ebene erforderlich

5.2. Wie viel Harmonisierung erfordert der Binnenmarkt

Bei einer Überarbeitung des MwSt-Systems muss zum einen festgestellt werden, ob weiterer Harmonisierungsbedarf besteht, um das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbessern und die Befolgungskosten für die Unternehmen zu senken, und zum anderen, wie viel Flexibilität die Mitgliedstaaten brauchen, ohne dass ein Zielkonflikt entsteht.

5.2.1. Das Gesetzgebungsverfahren

Eine Harmonisierung im Mehrwertsteuerbereich16 erfordert Einstimmigkeit; welche Rechtsinstrumente zu benutzen sind, ist jedoch nicht festgelegt. Bei einer Regelung durch Richtlinien des Rates verbleibt den Mitgliedstaaten ein gewisser Spielraum, um das Mehrwertsteuerrecht der EU in ihr nationales Recht umzusetzen und dabei den jeweiligen Besonderheiten Rechnung zu tragen. Die Folge davon ist jedoch, dass MwSt-Bestimmungen in den einzelnen Mitgliedstaaten häufig unterschiedlich ausfallen. Bei einer Regelung durch Verordnungen des Rates anstatt durch Richtlinien würde die Harmonisierung verstärkt, und die EU könnte insbesondere Doppelbesteuerung oder Nichtbesteuerung verhindern oder die mehrwertsteuerlichen Pflichten gebietsfremder Unternehmen regeln.

Maßnahmen, die auf EU-Ebene ergriffen werden, um die MwSt-Richtlinie umzusetzen, setzen ebenfalls Einstimmigkeit voraus. Dieser Mechanismus, bei dem neue Änderungen der MwSt-Richtlinie noch vor ihrem Inkrafttreten rasch durch eine Ratsverordnung klargestellt werden, hat sich als ineffizient erwiesen. Das Ergebnis davon ist, dass die Unternehmen oft nicht wissen, wie neue Regeln in der Praxis anzuwenden sind.

Eine Lösung bestünde darin, dass die Kommission ermächtigt wird, Durchführungsbeschlüsse zu erlassen, wenn die Mehrheit der Mitgliedstaaten zustimmt. Die Kommission hat in der Vergangenheit bereits einen solchen Vorschlag, der die Rolle des MwSt-Ausschusses geändert hätte, vorgelegt 17, der aber vom Rat nicht aufgegriffen wurde.

Des Weiteren könnte das Problem, wenn auch auf unvollkommene Weise, dadurch gelöst werden, dass die Kommission zu Informationszwecken erläutert, wie Änderungen in den MwSt-Vorschriften zu verstehen sind.

Bei einer inkorrekten Umsetzung von Änderungen zur MwSt-Richtlinie können natürlich Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet werden, was aber nicht immer zu einer schnellen Lösung der praktischen Probleme führt, mit denen Unternehmen konfrontiert sein können. Solche Probleme könnten vermieden werden, wenn neue Vorschriften geraume Zeit vor ihrem Inkrafttreten umgesetzt werden. Es könnte erwogen werden, den nationalen Umsetzungsprozess auf EU-Ebene zu straffen und zu koordinieren.

Frage 13. Enthalten die MwSt-Vorschriften der EU Bestimmungen, die in einer Ratsverordnung anstatt in einer Richtlinie geregelt werden sollten

Frage 14. Sollten per Kommissionsbeschluss Durchführungsvorschriften erlassen werden

Frage 15. Könnten, wenn diese Möglichkeiten ausscheiden, Leitlinien zu neuen MwSt-Vorschriften der EU hilfreich sein (auch wenn sie für die Mitgliedstaaten nicht verbindlich sind) Könnten Leitlinien auch Nachteile haben

Frage 16. Wie sollten das Legislativverfahren, seine Transparenz und die Rolle der Beteiligten in dem Verfahren von der ersten Phase (Erstellung eines Vorschlags) bis zur letzten (Umsetzung in den Mitgliedstaaten) generell verbessert werden

5.2.2. Ausnahmen und Fähigkeit der EU, umgehend zu reagieren

Die Mitgliedstaaten können die Ermächtigung beantragen, zur Vereinfachung der Steuererhebung oder zur Verhütung der Steuerhinterziehung oder - umgehung im Einzelfall abweichende Sondermaßnahmen anzuwenden; solche Maßnahmen sind befristet und auf eine bestimmte Situation in dem betreffenden Land zugeschnitten18.

Dies hat jedoch zu einer Vielzahl von Sonderregelungen und geänderten Bestimmungen in den Mitgliedstaaten geführt, was das MwSt-System insbesondere für Unternehmen, die in mehr als einem Mitgliedstaat tätig sind, noch komplexer macht und das Konzept gleicher Wettbewerbsbedingungen für EU-Unternehmen untergräbt.

Zudem wurde in jüngster Zeit aus Erfahrungen mit organisiertem Betrug deutlich, dass das Verfahren zur Genehmigung von Ausnahmen nicht immer flexibel genug ist, um eine umgehende und angemessene Reaktion zu gewährleisten. Eine Lösung könnte darin bestehen, der Kommission mehr Befugnisse zu verleihen, damit sie kurzfristig auf den begründeten Antrag eines Mitgliedstaats hin befristete Ausnahmen beschließen kann, um Betrug zu verhindern.

Frage 17. Hatten Sie aufgrund von Ausnahmen, die Mitgliedstaaten gewährt wurden, Schwierigkeiten Wenn ja, welche

Frage 18. Ist das derzeitige Verfahren für die Gewährung von Ausnahmen ihrer Ansicht nach zufriedenstellend und wenn nein, was könnte verbessert werden

5.2.3. MwSt-Sätze

Das "endgültige" MwSt-System auf der Grundlage einer Besteuerung im Ursprungsland würde im Vergleich zum gegenwärtigen System, in dem die Besteuerung im Bestimmungsland erfolgt - und das den Mitgliedstaaten im Rahmen der Binnenmarkterfordernisse mehr Flexibilität bietet - eine stärkere Harmonisierung der Steuersätze erfordern.

Es wird argumentiert, dass die Anwendung eines einzigen MwSt-Satzes auf alle Gegenstände und Dienstleistungen unter dem Gesichtspunkt, die wirtschaftliche Effizienz zu optimieren, eine ideale Lösung wäre19. Ermäßigte Sätze hingegen werden häufig als Instrument des Gesundheits- und Umweltschutzes sowie als kulturpolitisches Instrument gesehen, um den Zugang der Allgemeinheit zu Kultur und Bildung zu vereinfachen und Anreize für Innovationen im Umweltbereich und ein wissensbasiertes, ressourceneffizientes Wachstum zu schaffen20.

Die derzeitigen Variationen beim Normalsatz in der EU und die ermäßigten Steuersätze einiger Mitgliedstaaten scheinen den Binnenmarkt nicht zu stören. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass das gegenwärtige MwSt-System Korrekturmechanismen vorsieht (Sonderregelungen für den Fernverkauf von Gegenständen oder Dienstleistungen und für neue Fahrzeuge, siehe Punkt 4.2.1), was aber die Komplexität des Systems beträchtlich erhöht.

Grenzüberschreitende Umsätze mit Gegenständen und Dienstleistungen, für die ermäßigte Sätze gelten, verursachen jedoch für die Wirtschaft Befolgungskosten und Rechtsunsicherheit. Das wird insbesondere dann zum Problem, wenn ein Unternehmen in einem Mitgliedstaat, in dem es nicht ansässig ist, die Mehrwertsteuer schuldet. In dieser Hinsicht könnte eine verbindliche Online-Datenbank mit den Gegenständen und Dienstleistungen, für die ermäßigte Steuersätze gelten, für mehr Transparenz sorgen.

Davon abgesehen gibt es nach wie vor Inkohärenzen bei den Steuersätzen für vergleichbare Gegenstände oder Dienstleistungen. So können Mitgliedstaaten beispielsweise auf bestimmte kulturelle Produkte einen ermäßigten Steuersatz anwenden, müssen aber auf konkurrierende Online-Dienste wie E-Books und Online-Ausgaben von Zeitungen den Normalsatz erheben. Laut der "Digitalen Agenda für Europa"21 sollte die Herausforderung der Konvergenz zwischen digitalem und physischem Umfeld bei allen Überprüfungen der Politik, auch der Steuerpolitik, berücksichtigt werden. Um diese Diskriminierungen zu beseitigen, gibt es zwei Lösungsmöglichkeiten - entweder die Aufrechterhaltung des Normalsatzes oder die Übernahme der für herkömmliche Träger geltenden ermäßigten Sätze in das digitale Umfeld.

Frage 19. Verursacht die derzeitige Struktur der MwSt-Sätze Ihrer Ansicht nach größere Beeinträchtigungen des Binnenmarktes (Wettbewerbsverzerrungen), eine Ungleichbehandlung vergleichbarer Produkte (insbesondere von Online-Diensten gegenüber Produkten oder Dienstleistungen mit ähnlichem Inhalt) oder höhere Befolgungskosten für die Unternehmen Wenn ja, in welchen Situationen

Frage 20. Würden Sie es vorziehen, wenn es keine ermäßigten Sätze (oder nur sehr wenige) gäbe, so dass die Mitgliedstaaten einen niedrigeren Normalsatz anwenden könnten Oder würden Sie eine Liste verbindlicher, einheitlich angewandter ermäßigter MwSt-Sätze in der EU befürworten, etwa um bestimmte politische Ziele zu verwirklichen, die insbesondere in "Europa 2020" ausgeführt sind

5.3. Verringerung des Verwaltungsaufwands

5.3.1. Aktionsprogramm der Kommission zur Verringerung der Verwaltungslasten und zur Straffung der mehrwertsteuerlichen Pflichten

Nachdem der Europäische Rat 2007 das Aktionsprogramm der Kommission 22 gutgeheißen hatte23, die Verwaltungslasten infolge von EU-Rechtsvorschriften bis 2012 um 25 % zu verringern, legte die Kommission 2009 ein Programm vor, das u.a. auch die Mehrwertsteuer betraf24.

Dieses Programm enthält 16 Maßnahmen, etwa die Abschaffung der jährlichen zusammenfassenden MwSt-Erklärungen oder der Aufstellungen EU-interner Erwerbe und die Verringerung der Häufigkeit von MwSt-Erklärungen; es wird von der Hochrangigen Gruppe unabhängiger Interessenträger im Bereich Verwaltungslasten, der Edmund Stoiber vorsteht, unterstützt25. Sechs dieser Maßnahmen hat die Kommission angenommen bzw. vorgeschlagen.

Im Gefolge der neuen Vorschriften über den Ort der Erbringung von Dienstleistungen schlug die Hochrangige Gruppe vor kurzem weitere Maßnahmen zur Verringerung der Verwaltungslasten vor.

Die Mitgliedstaaten haben einen gewissen Spielraum in der Frage, wie sie die gemeinsamen Pflichten aus der MwSt-Richtlinie erfüllen. Das Ergebnis ist eine Vielfalt bei den nationalen mehrwertsteuerlichen Pflichten und insbesondere bei den MwSt-Erklärungen, die unterschiedliche Arten von Angaben erfordern und sich auch hinsichtlich des Umfangs der verlangten Angaben unterscheiden. Eine Möglichkeit, die Befolgungskosten zu verringern, könnte darin bestehen, eine in allen Amtssprachen verfügbare, EU-weite Standard-MwSt-Erklärung auszuarbeiten, deren Verwendung für die Unternehmen freiwillig wäre, die aber von allen Mitgliedstaaten angenommen werden müsste.

Davon abgesehen können die Mitgliedstaaten weitere Pflichten vorsehen, die sie für erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Mehrwertsteuer sicherzustellen und um Steuerhinterziehung zu vermeiden, ohne dass die Wirkung solcher Maßnahmen vorher auf EU-Ebene geprüft werden muss. Umfang und Kosten solcher zusätzlichen Pflichten sind der Studie zu entnehmen, die die GD Unternehmen im Rahmen des Programms "Bessere Rechtsetzung" erstellen ließ26.

Ein einheitlicheres Vorgehen in diesem Bereich würde die Entwicklung von IT-Tools für die EU-weite Beachtung mehrwertsteuerlicher Pflichten mit Sicherheit vereinfachen und die Verwaltungslasten für in mehreren Mitgliedstaaten tätige Unternehmen verringern. Die Änderung der derzeitigen Praxis in den Mitgliedstaaten wäre aber sowohl für die Steuerverwaltungen als auch für die Unternehmen - einschließlich derjenigen, die solchen Pflichten nur in einem einzigen Mitgliedstaat nachkommen müssen - mit Kosten verbunden.

Wenn eine umfassende Harmonisierung nicht angemessen ist, könnten Unterschiede dadurch begrenzt werden, dass auf EU-Ebene möglichst viele Standardpflichten festgelegt werden, die die Mitgliedstaaten auferlegen können. Ein solches vordefiniertes Pflichtenspektrum könnte von IT-Systemen besser bewältigt werden.

Frage 21. Auf welche größeren Probleme sind Sie bei den derzeitigen Bestimmungen über mehrwertsteuerliche Pflichten gestoßen

Frage 22. Welche Maßnahmen sollten auf EU-Ebene ergriffen werden, um diese Probleme zu lösen

Frage 23. Sind die genannten Maßnahmen, wie sie auch in dem Programm zur Verringerung der Verwaltungslasten für die Mehrwertsteuer (Nr. 6 bis 15) und in der Stellungnahme der Hochrangigen Gruppe vorgeschlagen wurden, Ihrer Ansicht nach durchführbar und zielführend

5.3.2. Kleinunternehmen

Mit dem "Small Business Act" für Europa 27 einigte sich die EU auf zwei Schlüsselgrundsätze, um den Bedürfnissen von KMU Rechnung zu tragen. So sollten Regelungen nach dem Prinzip "Vorfahrt für KMU" konzipiert werden, und die KMU sollten dabei unterstützt werden, die Möglichkeiten des Binnenmarktes stärker zu nutzen. Die Verbesserung des wirtschaftlichen Umfelds für KMU ist auch Bestandteil einer Leitinitiative der Kommission im Rahmen von "Europa 2020", "Eine Industriepolitik für das Zeitalter der Globalisierung"

Mit der Sonderregelung für Kleinunternehmen soll in erster Linie der bei Anwendung der normalen MwSt-Vorschriften entstehende Verwaltungsaufwand verringert werden. So haben Unternehmen, deren Jahresumsatz unterhalb einer bestimmten Schwelle liegt, Anspruch auf eine Befreiung von der Mehrwertsteuer.

Diese Regelung hat jedoch verschiedene Mängel. Da der Rechtsrahmen größtenteils darauf basiert, wann ein Mitgliedstaat der EU beigetreten ist, gibt es unterschiedliche Schwellen, und auch der Spielraum der Mitgliedstaaten für die Festlegung solcher Schwellen ist unterschiedlich. Davon abgesehen tragen die Berechnungsmethode für die Schwelle und der Anwendungsbereich der Regelung der Existenz des Binnenmarktes keine Rechnung. So ist beispielsweise keine Regelung für Lieferungen bzw. Dienstleistungen in anderen Mitgliedstaaten vorgesehen. Darüber hinaus sind für bestimmte grenzüberschreitende Erwerbe, insbesondere von Dienstleistungen, eine MwSt-Registrierung, eine MwSt-Erklärung und MwSt-Zahlungen erforderlich.

Die Mitgliedstaaten können für die Besteuerung und die Steuererhebung noch weitere vereinfachte Regelungen, etwa eine Pauschalregelung, anwenden; solche Regelungen werden jedoch unterschiedlich angewendet und betreffen nur inländische Tätigkeiten.

Durch all diese Regelungen wird das Problem, dass Kleinunternehmen, insbesondere wenn sie EU-weit tätig sind, relativ gesehen höhere Befolgungskosten haben als größere Unternehmen, nur teilweise gelöst.

Eine EU-weite Regelung mit gemeinsamer Schwelle und mehr Spielraum für die Verringerung von Befolgungskosten im Binnenmarkt wäre eine naheliegende Lösung, die das Wachstum von Kleinunternehmen begünstigen könnte.

Neben den Regelungen für kleine Unternehmen wurde in den siebziger Jahren auch eine Sonderregelung für landwirtschaftliche Erzeuger eingeführt, die mit der Anwendung der normalen Vorschriften Schwierigkeiten haben. Da Konzepte, die Kleinunternehmen zugute kommen, auch dem Vereinfachungsbedarf von Landwirten entgegenkommen könnten, muss darüber nachgedacht werden, ob diese Regelung beibehalten werden soll.

Frage 24. Sollte die derzeitige Steuerbefreiungsregelung für Kleinunternehmen überprüft werden, und was wäre bei dieser Neubewertung zu beachten

Frage 25. Sollten weitere Vereinfachungen erwogen wären, und was wären die wichtigsten Bestandteile davon

Frage 26. Tragen Regelungen für Kleinunternehmen den Bedürfnissen kleiner Landwirte ausreichend Rechnung

5.3.3. Andere mögliche Vereinfachungsinitiativen 5.3.3.1. Einzige Anlaufstelle

Bei B2C-Umsätzen, die in einem Mitgliedstaat besteuert werden, in dem der Leistungserbringer nicht ansässig ist, ist es nicht immer einfach, die Vorschriften dieses Mitgliedstaats einzuhalten. Es gibt Anzeichen dafür, dass Unternehmen solche Umsätze vermeiden, um Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen. In anderen Fällen werden Vorschriften außer Acht gelassen, und die Mehrwertsteuer wird in dem Mitgliedstaat erhoben, in dem der Leistungserbringer ansässig ist und nicht dort, wo die Leistung tatsächlich bewirkt wird.

Die von der Kommission 2004 vorgeschlagene Regelung mit einer einzigen Anlaufstelle28, die dem Rat nach wie vor vorliegt, sollte solche Fälle lösen. Das zugrunde liegende Konzept hat nach wie vor Gültigkeit. Für elektronische B2CDienstleistungen durch nicht in der EU ansässige Unternehmen gibt es eine enger gefasste Regelung, die 2015 auf Telekommunikations- und Rundfunkdienstleistungen sowie auf in der EU ansässige Dienstleister ausgedehnt werden soll.

Solange die Mehrwertsteuer auf einer Besteuerung im Bestimmungsland beruht, ist eine einzige Anlaufstelle zur Verwaltungsvereinfachung wünschenswert, weil die Vorschriften besser befolgt und der grenzüberschreitende Handel gefördert würden. Laut der "Mitteilung der Kommission über grenzüberschreitenden elektronischen Handelsverkehr in der EU"29 stellen MwSt-Vorschriften ein erhebliches Hindernis dar. Da heutzutage über 60 % der Bevölkerung in der EU regelmäßig das Internet benutzt und 60 % dieser Menschen online Gegenstände oder Dienstleistungen erwerben, dürfte die Frage heute noch viel relevanter sein. Diese Zahl hat sich seit 2004 (als der Vorschlag erstmals vorgelegt wurde) verdoppelt und wird sich angesichts der Bedeutung, die der "Digitalen Agenda"30 beigemessen wird, weiter erhöhen.

Frage 27. Halten sie das Konzept einer einzigen Anlaufstelle für eine wichtige Vereinfachungsmaßnahme Wenn ja, was sollte es beinhalten

5.3.3.2. Anpassung des MwSt-Systems an große, europaweite Unternehmen

Die Rechtsstruktur (Mutter-/Tochtergesellschaften oder Hauptsitz/Zweigniederlassungen) von Unternehmen, die in verschiedenen Mitgliedstaaten wirtschaftlich tätig sind, wirkt sich erheblich auf die mehrwertsteuerliche Behandlung dieser Unternehmenstätigkeiten aus. Sie betrifft beispielsweise die Vorschriften für grenzüberschreitende Umsätze zwischen Unternehmensteilen und die Berechnung der abzugsfähigen Vorsteuer.

Unternehmen bemängeln, dass es keine kohärenten, eindeutigen MwSt-Vorschriften gibt, die auf bestehende Unternehmensstrukturen zugeschnitten sind. Die Steuerbehörden wiederum sind besorgt, dass komplexe Unternehmensstrukturen Möglichkeiten eröffnen, um Steuern zu vermeiden.

Wenn Umsätze zwischen verbundenen Unternehmen oder die Lieferung von Gegenständen zwischen Zweigniederlassungen nicht von der Mehrwertsteuer erfasst würden oder der räumliche Anwendungsbereich von MwSt-Gruppen ausgedehnt würde, könnten sich die mehrwertsteuerlichen Befolgungskosten für zahlreiche Umsätze in der EU verringern. Andererseits müsste aber sichergestellt werden, dass ein solcher Schritt großen Unternehmen keine unangemessenen Wettbewerbsvorteile gegenüber kleineren Unternehmen oder neue Möglichkeiten für Steuerbetrug oder Steuervermeidung schafft.

Frage 28. Erschweren die derzeitigen MwSt-Vorschriften unternehmens- oder konzerninterne grenzüberschreitende Umsätze Wie können diese Probleme gelöst werden

5.3.3.3. Synergien mit Rechtsvorschriften in anderen Bereichen

Damit die Zollverfahren bei der Einfuhr möglichst weitgehend vereinfacht werden können, ist den mehrwertsteuerlichen Aspekten Rechnung zu tragen. Außerdem könnte es den Unternehmen leichter fallen, sich regelkonform zu verhalten, wenn die MwSt-Vorschriften und Vorschriften für andere Steuern, insbesondere die Verbrauchsteuer, besser miteinander in Einklang gebracht werden.

Vor kurzem wurden Konsultationen zur Vereinfachung der Verfahren zur MwSt-Erhebung in Verbindung mit der zentralisierten Zollabfertigung eingeleitet, doch könnten auch noch andere Bereiche geprüft werden.

Frage 29. In welchen Bereichen der MwSt-Vorschriften müssen Synergien mit anderen steuer- oder zollrechtlichen Vorschriften gefördert werden

5.4 Ein robusteres MwSt-System

5.4.1. Überprüfung der MwSt-Erhebung

Seit der erstmaligen Einführung der Mehrwertsteuer in der EU hat sich an der Erhebungsweise kaum etwas geändert. So wird nach wie vor in erster Linie von der Selbstveranlagung des Steuerpflichtigen ausgegangen, auf die dann Prüfungen durch die Steuerverwaltung folgen.

Im Rahmen der aktuellen Debatte über die Strategie zur Bekämpfung von MwSt-Betrug, in der die Effizienz dieser Erhebungsmethode infrage gestellt wurde, leitete die Kommission 2009 eine Durchführbarkeitsstudie ein, um festzustellen, wie die Erhebung von Mehrwertsteuer mithilfe moderner Technologien und/oder durch die Einschaltung von Finanzintermediären verbessert und vereinfacht werden kann.

Dabei wurden die folgenden vier Modelle geprüft:

In der Studie 31 wurde für alle vier Modelle ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis aufgezeigt. Allerdings sind die Anfangsinvestitionskosten unterschiedlich hoch, weshalb es unterschiedlich lange dauert, bis sich die Investitionen für die nationalen Steuerverwaltungen auszahlen. Zudem könnte es auch zielführender sein, die einzelnen Modelle miteinander zu kombinieren.

Frage 30. Welche Modelle sind Ihrer Ansicht nach am vielversprechendsten und weshalb Würden Sie andere Alternativen vorschlagen

5.4.2. Schutz ehrlicher Wirtschaftsbeteiligter vor einer möglichen Verwicklung in MwSt-Betrug

Mehrere Mitgliedstaaten haben auf nationaler Ebene Maßnahmen eingeführt, um MwSt-Ausfälle infolge von Karussellbetrug einzudämmen. Dabei versuchen sie, die Steuer bei anderen Steuerpflichtigen der Umsatzkette beizutreiben. Wie der Europäische Gerichtshof bestätigt hat, kann eine Steuerverwaltung, die nachweisen kann, dass der Erwerber wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war, diesem Steuerpflichtigen das Recht auf Vorsteuerabzug verweigern.

Der Nachweis muss von den Steuerverwaltungen in jedem Einzelfall geführt werden. Dieses Verfahren ist langwierig, kostspielig und kompliziert. Zudem gehen insbesondere Steuerpflichtige, die mit neuen Lieferern zu tun haben, ein Risiko ein, weshalb sie bei jedem Steuerpflichtigen zusätzlich prüfen müssen, ob er sich gesetzeskonform verhält. Nichtsdestoweniger laufen steuerehrliche Unternehmen Gefahr, dass ihr Recht auf Vorsteuerabzug infrage gestellt wird, weil sie, ohne es zu wissen, mit Betrügern zu tun hatten.

In dem ersten, unter 5.4.1 beschriebenen Modell wird die Gelegenheit zum Karussellbetrug durch einen weitreichenden, verbindlichen Mechanismus zur Aufsplitterung von Zahlungen beseitigt. Davon abgesehen könnte auch ein einfacherer, fakultativer Mechanismus erwogen werden.

Der fakultative Mechanismus würde dem Erwerber ermöglichen, sich vor solchen Risiken zu schützen und ihm eine Überprüfung der Steuerehrlichkeit seiner Lieferer ersparen. Ein Erwerber, der diese Option in Anspruch nähme, würde die Mehrwertsteuer direkt an die Steuerbehörde und den Nettobetrag an den Lieferer entrichten.

Für die Steuerbehörden würde dies bedeuten, dass die Steuererhebung bei Umsätzen, die von den Wirtschaftsbeteiligten selbst als risikobehaftet eingestuft werden, gesichert ist. Zudem würden sie zusätzliche Informationen erhalten und über neue Betrugsmuster unterrichtet.

Diese Option könnte allerdings unerwünschte Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen dem Lieferer und dem Erwerber und somit generell auf Wirtschaftstätigkeiten haben und die Liquidität von Lieferern beeinflussen.

Frage 31. Halten Sie eine fakultative Aufsplitterung von Zahlungen für durchführbar und hilfreich

5.5. Eine effiziente und moderne Verwaltung des MwSt-Systems

Da die Steuerpflichtigen für das Funktionieren des MwSt-Systems eine entscheidende Rolle spielen, hängen die Kosten, die beiden Seiten aus der Verwaltung dieses Systems entstehen, von der Effizienz der Beziehungen zu den Steuerbehörden ab. Diese Beziehungen werden nicht nur durch Pflichten zur Anmeldung und Entrichtung von Steuern oder durch Prüfpflichten geprägt, sondern auch durch die Qualität, Zuverlässigkeit und Zugänglichkeit der von den Steuerbehörden zur Verfügung gestellten Informationen.

Steuerverwaltungsfragen fallen in erster Linie in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten. Wie der Rechnungshof in seinem Bericht32 über die Eigenmittel der EU bestätigt hat, wirken sie sich aber auch auf das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes aus.

Die Kommission hat in ihrer Mitteilung vom Dezember 2008 über eine koordinierte Strategie zur wirksameren Bekämpfung des MwSt-Betrugs in der EU33 darauf hingewiesen, dass zu diesen Fragen Überlegungen eingeleitet werden müssen. Sie schlug ein neues Konzept vor, das auf freiwilliger Befolgung von Vorschriften, Risikobewertung und Überwachung beruht. Auf diese Weise soll sowohl die Beteiligung der Steuerbehörde als auch der Verwaltungsaufwand der Unternehmen reduziert werden. Es könnten u.a. folgende Maßnahmen erwogen werden:

Frage 32. Befürworten Sie diese Vorschläge zur Verbesserung der Beziehungen zwischen Unternehmen und Steuerbehörden Haben Sie weitere Vorschläge

5.6. Sonstige Themen

Dieses Grünbuch befasst sich mit verschiedenen Diskussionsthemen, ist aber nicht erschöpfend. Es soll eine möglichst umfassende Diskussion auslösen, in der auch andere Themen zur Sprache gebracht werden können.

Frage 33. Sollten in die Überlegungen über das künftige MwSt-System der EU noch weitere, hier nicht angesprochene Fragen einbezogen werden Was würden Sie empfehlen

6. Ihre Meinung zählt

Mit diesem Grünbuch soll eine öffentliche Debatte über das künftige MwSt-System der EU ausgelöst und gefördert werden. Die Kommission fordert daher alle interessierten Parteien auf, ihre Beiträge zur Beantwortung der im vorliegenden Grünbuch aufgeworfenen Fragen bis zum 31. Mai 2011 vorzugsweise per E-Mail und im Format Word an folgende Anschrift zu senden: TAXUD-VATgreenpaper@ec. europa. eu.

In den Beiträgen muss nicht auf alle in diesem Grünbuch angesprochenen Punkte eingegangen werden. Sie können sich auf die Fragen beschränken, die für Sie von Interesse sind. Bitte geben Sie an, auf welche Themen sich Ihre Beiträge beziehen (Nummer der Frage).

Wenn Sie sich zu allen Themen äußern, möchten wir Sie bitten, sie nach ihrer Wichtigkeit zu ordnen.

Beiträge werden im Internet veröffentlicht. Bitte lesen Sie die auf der Website http://ec.europa.eu/taxation customs/index de.htm abrufbare, spezielle Datenschutzerklärung, um zu erfahren, wie mit Ihren personenbezogenen Daten und mit Ihrem Beitrag verfahren wird.

Auf dieser Website wird auch ein Bericht mit den Schlussfolgerungen aus den Beiträgen veröffentlicht.

Anhand der Schlussfolgerungen aus dieser Debatte wird die Kommission wie in ihrem Arbeitsprogramm für 1134 angekündigt bis Ende 2011 eine Mitteilung über vorrangige Bereiche vorlegen, in denen weitere Maßnahmen auf EU-Ebene angemessen wären. Dieser Mitteilung folgende Initiativen würden sich auf gründliche Folgenabschätzungen stützen.