Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll von Nagoya/Kuala Lumpur vom 15. Oktober 2010 über Haftung und Wiedergutmachung zum Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit

A. Problem und Ziel

In Artikel 27 des Protokolls von Cartagena vom 29. Januar 2000 über die biologische Sicherheit haben sich die Vertragsparteien verpflichtet, völkerrechtliche Regeln und Verfahren im Bereich der Haftung und Wiedergutmachung für Schäden zu erarbeiten, die durch die grenzüberschreitende Verbringung lebender veränderter Organismen entstehen. Damit wird das Ziel verfolgt, einen Beitrag zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt zu leisten. Der Abschluss einer entsprechenden völkerrechtlichen Vereinbarung im Bereich der Haftung und Wiedergutmachung entspricht der Umweltpolitik und Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung.

B. Lösung

Das mittlerweile ausgehandelte und von der Bundesrepublik Deutschland am 20. September 2011 unterzeichnete Zusatzprotokoll von Nagoya/Kuala Lumpur über Haftung und Wiedergutmachung zum Cartagena-Protokoll sieht ein öffentlichrechtliches System zur Schadensbeseitigung (administrativer Haftungsansatz) vor und setzt damit die in Artikel 27 des Cartagena-Protokolls beschlossene Verpflichtung der Vertragsparteien um. Mit dem vorliegenden Vertragsgesetzentwurf soll die für die Ratifikation des Zusatzprotokolls erforderliche Zustimmung von Bundestag und Bundesrat eingeholt werden.

C. Alternativen

Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand resultieren für Bund, Länder und Kommunen aus der Verabschiedung des Vertragsgesetzes nicht.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Für die Bürgerinnen und Bürger entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Für die Wirtschaft entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Ein geringfügig erhöhter Erfüllungsaufwand kann beim Bund durch den Ausbau der Verwaltungsstrukturen zum Cartagena-Protokoll entstehen. Ein etwaiger Mehrbedarf an Sach- und Personalmitteln soll finanziell und stellenmäßig im jeweiligen Einzelplan ausgeglichen werden. Ansonsten entsteht für die Verwaltung, insbesondere für Länder und Kommunen, kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.

F. Weitere Kosten

Für die Wirtschaft, insbesondere für mittelständische Unternehmen, und für die sozialen Sicherungssysteme entstehen keine sonstigen Kosten. Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll von Nagoya/Kuala Lumpur vom 15. Oktober 2010 über Haftung und Wiedergutmachung zum Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit

Bundesrepublik Deutschland
Berlin, den 21. Dezember 2012
Die Bundeskanzlerin

An den Präsidenten des Bundesrates

Hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll von Nagoya/Kuala Lumpur vom 15. Oktober 2010 über Haftung und Wiedergutmachung zum Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit mit Begründung und Vorblatt.

Federführend ist das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.

Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 01.02.13

Entwurf
Gesetz zu dem Zusatzprotokoll von Nagoya/Kuala Lumpur vom 15. Oktober 2010 über Haftung und Wiedergutmachung zum Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit

Vom ...

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Dem in New York am 20. September 2011 von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichneten Zusatzprotokoll von Nagoya/Kuala Lumpur vom 15. Oktober 2010 über Haftung und Wiedergutmachung zum Protokoll von Cartagena vom 29. Januar 2000 über die biologische Sicherheit (BGBl. 2003 II S. 1506, 1508) wird zugestimmt. Das Zusatzprotokoll wird nachstehend mit einer amtlichen deutschen Übersetzung veröffentlicht.

Artikel 2

Die Bundesregierung wird ermächtigt, Änderungen des Zusatzprotokolls, die sich ausschließlich auf wissenschaftliche, technische oder verwaltungsmäßige Angelegenheiten beziehen und sich im Rahmen der Ziele des Zusatzprotokolls halten, nach seinem Artikel 16 Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 29 Absatz 4 Buchstabe e des Protokolls von Cartagena vom 29. Januar 2000 über die biologische Sicherheit und den Artikeln 29 und 30 des Übereinkommens vom 5. Juni 1992 über die biologische Vielfalt (BGBl. 1993 II S. 1741, 1742) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates in Kraft zu setzen.

Artikel 3

Begründung zum Vertragsgesetz

Zu Artikel 1

Auf das Zusatzprotokoll ist Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes anzuwenden, da es sich, soweit es in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union fällt, auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung bezieht.

Das Vertragsgesetz bedarf nach Artikel 84 Absatz 1 Satz 5 und 6 des Grundgesetzes der Zustimmung des Bundesrates, weil das Zusatzprotokoll, das innerstaatlich in Geltung gesetzt wird, Verfahrensregelungen enthält und insoweit für abweichendes Landesrecht keinen Raum lässt.

Zu Artikel 2

Mit dieser Vorschrift soll die Bundesregierung ermächtigt werden, auf dem Wege der Rechtsverordnung künftige Änderungen des Zusatzprotokolls, die sich ausschließlich auf wissenschaftliche, technische oder verwaltungsmäßige Angelegenheiten beziehen, innerstaatlich in Kraft zu setzen. Dies gilt auch für den Fall, dass Anlagen zum Zusatzprotokoll beschlossen werden. Die Verordnungsermächtigung dient der Entlastung des Gesetzgebers und der Vereinfachung des Verfahrens, da im Falle von ausschließlich wissenschaftlichen, technischen oder verwaltungsmäßigen Änderungen und Ergänzungen ein neues Vertragsgesetz vermieden wird.

Die Zustimmung des Bundesrates ist nach Artikel 80 Absatz 2 des Grundgesetzes erforderlich.

Zu Artikel 3

Die Bestimmung des Absatzes 1 entspricht dem Erfordernis des Artikels 82 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes.

Nach Absatz 2 ist der Zeitpunkt, in dem das Zusatzprotokoll nach seinem Artikel 18 Absatz 2 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft tritt, im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben.

Schlussbemerkung

Mit dem Zusatzprotokoll werden völkerrechtlich verbindliche Regelungen für die Haftung und Wiedergutmachung für Schäden eingeführt, die durch die grenzüberschreitende Verbringung von lebenden veränderten Organismen*) an der biologischen Vielfalt entstehen können. Im Cartagena-Protokoll hatten sich im Jahr 2000 die Vertragsparteien verpflichtet, entsprechende Regeln und Verfahren zu erarbeiten. Das entsprechende Zusatzprotokoll zum Cartagena-Protokoll konnte im Oktober 2010 in Nagoya/Japan verabschiedet werden. Es enthält Regelungen zur verpflichtenden Beseitigung von Schäden an der biologischen Vielfalt durch den Betreiber und zur zivilrechtlichen Haftung des Betreibers. Da dies ein Beitrag zum Schutz der biologischen Vielfalt ist, entspricht das Zusatzprotokoll den umweltpolitischen Zielen und der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung. Der Gesetzentwurf enthält keine gleich stellungsrelevanten Aspekte.

Finanzielle Auswirkungen für Bund, Länder und Kommunen ergeben sich unmittelbar aus der Verabschiedung des Vertragsgesetzes nicht. Für die Bürgerinnen und Bürger entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.

Für die Wirtschaft und die Verwaltung entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand, da die bereits bestehenden nationalen Regelungen den inhaltlichen Vorgaben und Verpflichtungen des Zusatzprotokolls entsprechen. Ein geringfügig erhöhter Vollzugsaufwand kann allenfalls beim Bund durch die Schaffung bzw. den Ausbau nationaler Verwaltungsstrukturen entstehen, ebenso wie zusätzliche Sekretariats- und Personalkosten für das Cartagena-Protokoll. Ein etwaiger Mehrbedarf des Bundes an Sach- und Personalmitteln soll finanziell und stellenmäßig im jeweiligen Einzelplan ausgeglichen werden. Es werden keine Informationspflichten neu eingeführt, geändert oder aufgehoben.

Sonstige Kosten entstehen für die Wirtschaft nicht. Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind von dem Vertragsgesetz nicht zu erwarten.

Zusatzprotokoll von Nagoya/Kuala Lumpur über Haftung und Wiedergutmachung zum Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit (Übersetzung)

Die Vertragsparteien dieses Zusatzprotokolls - als Vertragsparteien des Protokolls von Cartagena über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt, im Folgenden als "Protokoll" bezeichnet; unter Berücksichtigung des Grundsatzes 13 der Erklärung von Rio über Umwelt und Entwicklung; in Bekräftigung des Vorsorgeprinzips in Grundsatz 15 der Erklärung von Rio über Umwelt und Entwicklung; in Anerkennung der Notwendigkeit, im Einklang mit dem Protokoll geeignete Abhilfemaßnahmen für den Fall eines Schadens oder der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines Schadens vorzusehen; eingedenk des Artikels 27 des Protokolls - sind wie folgt übereingekommen:

Artikel 1
Ziel

Dieses Zusatzprotokoll zielt darauf ab, durch die Festlegung von völkerrechtlichen Regeln und Verfahren im Bereich der Haftung und Wiedergutmachung im Zusammenhang mit lebenden veränderten Organismen zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt beizutragen, wobei auch Risiken für die menschliche Gesundheit zu berücksichtigen sind.

Artikel 2
Begriffsbestimmungen

Artikel 3
Geltungsbereich

Artikel 4
Kausalität

Zwischen dem Schaden und dem betreffenden lebenden veränderten Organismus wird im Einklang mit dem innerstaatlichen Recht ein Kausalzusammenhang hergestellt.

Artikel 5
Abhilfemaßnahmen

Artikel 6
Ausnahmen

Artikel 7
Fristen

Die Vertragsparteien können in ihrem innerstaatlichen Recht Folgendes vorsehen:

Artikel 8
Finanzielle Obergrenzen

Die Vertragsparteien können in ihrem innerstaatlichen Recht finanzielle Obergrenzen für die Rückforderung von im Zusammenhang mit Abhilfemaßnahmen entstandenen Kosten und Auslagen vorsehen.

Artikel 9
Rückgriffsrecht

Dieses Zusatzprotokoll schränkt Rückgriffsrechte oder Schadensersatzansprüche, die ein Betreiber möglicherweise gegen eine andere Person hat, nicht ein.

Artikel 10
Finanzielle Sicherheiten

Artikel 11
Verantwortlichkeit der Staaten für völkerrechtswidrige Handlungen

Dieses Zusatzprotokoll lässt die Rechte und Verpflichtungen der Staaten nach den Regeln des allgemeinen Völkerrechts in Bezug auf die Verantwortlichkeit der Staaten für völkerrechtswidrige Handlungen unberührt.

Artikel 12
Umsetzung und Bezug zur zivilrechtlichen Haftung

Artikel 13
Bewertung und Überprüfung

Die Konferenz der Vertragsparteien, die als Tagung der Vertragsparteien des Protokolls dient, überprüft fünf Jahre nach Inkrafttreten dieses Zusatzprotokolls und danach alle fünf Jahre die Wirksamkeit dieses Zusatzprotokolls, sofern die Vertragsparteien Informationen zur Verfügung gestellt haben, die eine solche Überprüfung erforderlich machen. Die Überprüfung erfolgt im Rahmen der Bewertung und Überprüfung des Protokolls nach Artikel 35 des Protokolls, sofern die Vertragsparteien dieses Zusatzprotokolls nichts anderes beschließen. Die erste Überprüfung hat eine Überprüfung der Wirksamkeit der Artikel 10 und 12 zu umfassen.

Artikel 14
Die Konferenz der Vertragsparteien, die als Tagung der Vertragsparteien des Protokolls dient

Artikel 15
Sekretariat

Das durch Artikel 24 des Übereinkommens eingesetzte Sekretariat ist gleichzeitig Sekretariat dieses Zusatzprotokolls.

Artikel 16
Verhältnis zum Übereinkommen und zum Protokoll

Artikel 17
Unterzeichnung

Dieses Zusatzprotokoll liegt für die Vertragsparteien des Protokolls vom 7. März 2011 bis 6. März 2012 am Sitz der Vereinten Nationen in New York zur Unterzeichnung auf.

Artikel 18
Inkrafttreten

Artikel 19
Vorbehalte

Vorbehalte zu diesem Zusatzprotokoll sind nicht zulässig.

Artikel 20
Rücktritt

Artikel 21
Verbindliche Wortlaute

Die Urschrift dieses Zusatzprotokolls, dessen arabischer, chinesischer, englischer, französischer, russischer und spanischer Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, wird beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt.

Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Zusatzprotokoll unterschrieben.

Geschehen zu Nagoya am 15. Oktober 2010.

Denkschrift

A. Allgemeiner Teil

Das Protokoll von Cartagena vom 29. Januar 2000 über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt (BGBl. 2003 II S. 1506, 1508), das am 11. September 2003 in Kraft getreten ist, wurde von der Bundesrepublik Deutschland am 20. November 2003 ratifiziert. Unter dem Dach des Übereinkommens vom 5. Juni 1992 über die biologische Vielfalt (BGBl. 1993 II S. 1741, 1742) stellt das Cartagena-Protokoll eine wichtige Etappe in der Entwicklung einer nachhaltigen Nutzung der modernen Biotechnologie und ihrer Anwendung in der Umwelt im internationalen Kontext dar. Tatsächlich ist das Cartagena-Protokoll das erste völkerrechtliche Instrument, das sich ganz gezielt mit Aspekten der Sicherheit von Umwelt und Gesundheit im Zusammenhang mit der Verwendung lebender veränderter Organismen befasst. Gegenstand des Protokolls sind auf Grundlage des Vorsorgeprinzips Regelungen zur grenzüberschreitenden Verbringung von lebenden veränderten Organismen, insbesondere Genehmigungsverfahren und Informationsvorschriften. Diese sollen zum Schutz der biologischen Vielfalt die Sicherheit im Umgang mit den Organismen erhöhen, wobei auch Risiken für die menschliche Gesundheit zu berücksichtigen sind.

Derzeit haben 162 Staaten das Cartagena-Protokoll ratifiziert oder sind ihm beigetreten (Stand: 9. Juli 2012). Die Europäische Union und alle ihre 27 Mitgliedstaaten sind Vertragsparteien des Protokolls.

Regelungen zur Beseitigung eines Schadens an der biologischen Vielfalt und zur Haftung für solche Schäden enthält das Cartagena-Protokoll nicht. In Artikel 27 des Cartagena-Protokolls haben sich die Vertragsparteien verpflichtet, auf ihrer ersten Tagung (COP/MOP1) einen Prozess der Erarbeitung internationaler Regeln und Verfahren im Bereich der Haftung und Wiedergutmachung für Schäden anzustoßen, die durch die grenzüberschreitende Verbringung lebender veränderter Organismen entstanden sind. Damit wird das Ziel verfolgt, einen Beitrag zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt zu leisten.

Nach mehrjährigen Verhandlungen in einer unbefristeten Adhoc-Arbeitsgruppe juristischer und technischer Experten für Haftungs- und Wiedergutmachungsfragen konnte auf dem 4. Treffen der Vertragsparteien im Mai 2008 in Bonn (COP/MOP4) ein politischer Durchbruch erzielt werden. Dieser ermöglichte es, die Verhandlungen während der deutschen Präsidentschaft fortzuführen und am 15. Oktober 2010 das Nagoya/Kuala-Lumpur-Zusatzprotokoll über die Haftung und Wiedergutmachung zum Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit im Rahmen der Abschlussplenarsitzung von COP/MOP5 (Nagoya/Japan) zu verabschieden.

Das Zusatzprotokoll sieht ein öffentlichrechtliches System zur Schadensbeseitigung (administrativer Haftungsansatz) vor, das weitgehend der EU-Umwelthaftungsrichtlinie entspricht. Danach verlangen die Vertragsparteien von den Wirtschaftsbeteiligten, wenn ein Schaden an der biologischen Vielfalt durch lebende veränderte Organismen aufgetreten ist, geeignete Abhilfemaßnahmen zu ergreifen. Wenn der verantwortliche Betreiber nicht tätig wird, können die zuständigen Behörden geeignete Abhilfemaßnahmen auf Kosten des Betreibers durchführen. Hinsichtlich der zivilrechtlichen Haftung haben die Vertragsparteien vereinbart, in ihrem innerstaatlichen Recht angemessene Regeln und Verfahren für Sach- oder Personenschäden vorzusehen. Dabei können die Vertragsparteien weiterhin ihre bestehenden allgemeinen zivilrechtlichen Haftungsvorschriften anwenden oder neue Rechtsvorschriften speziell für diesen Zweck entwickeln oder eine Kombination aus beiden Vorgehensweisen vorsehen. Das Zusatzprotokoll erfüllt damit den Arbeitsauftrag aus Artikel 27 des Cartagena-Protokolls.

In dem COP/MOP5-Beschluss zur Annahme des Nagoya/Kuala-Lumpur-Zusatzprotokolls werden die Vertragsparteien des Cartagena-Protokolls nunmehr aufgefordert, das Zusatzprotokoll so rasch wie möglich zu unterzeichnen und die Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder gegebenenfalls Beitrittsurkunden baldmöglichst zu hinterlegen. Die Bundesrepublik Deutschland hat das Zusatzprotokoll am 20. September 2011 in New York gezeichnet.

Das Zusatzprotokoll entspricht mit seinem Ziel, einen Beitrag zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt zu leisten, der Umweltpolitik und Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung. Mit der Verabschiedung des Zusatzprotokolls ist eine der wesentlichen Streitfragen, die schon während der Verhandlungen zum Cartagena-Protokoll bestanden, gelöst worden. Mit diesem völkerrechtlich verbindlichen Rechtsinstrument wird ein erheblicher Beitrag zum Schutz der biologischen Vielfalt geleistet, weil in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern - im Gegensatz zu den meisten Industrieländern - entsprechende Regelungen nicht existieren. Dies gilt insbesondere für die Regelung, dass nationale Behörden Wirtschaftsbeteiligte zu Sanierungsmaßnahmen verpflichten, wenn Schäden an der biologische Vielfalt durch die grenzüberschreitende Verbringung von lebenden veränderten Organismen entstanden sind. Mit der Ratifikation des Zusatzprotokolls wird ein wichtiger Beitrag zur Umsetzung des Cartagena-Protokolls geleistet.

Es handelt sich bei dem Zusatzprotokoll um einen "Gemischten Vertrag", da die Inhalte und Regelungen teilweise in die Zuständigkeit der Europäischen Union nach Artikel 191 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union und teilweise in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen. Die Europäische Union hat das Zusatzprotokoll am 11. Mai 2011 gezeichnet und strebt eine unmittelbare Ratifikation an.

Die Europäische Union ist nach rechtlicher Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass in der Europäischen Union bereits rechtliche Instrumente zu sämtlichen in dem Zusatzprotokoll geregelten Angelegenheiten bestehen und diese für die Mitgliedstaaten verbindlich sind. Die Bundesrepublik Deutschland hat infolge dieses Rechts der Europäischen Union und aufgrund der bestehenden Haftungsvorschriften gegenwärtig eine innerstaatliche Rechtslage, die mit den Inhalten und Verpflichtungen des Zusatzprotokolls übereinstimmt. Dies gilt insbesondere aufgrund des Umweltschadensgesetzes, das die Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden umsetzt. Eine Änderung des innerstaatlichen Rechts aufgrund des Zusatzprotokolls ist nicht erforderlich. Mit den vorliegenden Vorschriften zur Haftung und Wiedergutmachung im Rahmen des Nagoya/Kuala-Lumpur-Zusatzprotokolls ist weder eine neue, über die bereits bestehenden Regelungen hinausgehende Staatshaftung noch für Deutschland eine neue zivilrechtliche Haftung vorgesehen.

B. Besonderer Teil

Die Präambel nennt die Grundsätze, auf denen das Zusatzprotokoll basiert, namentlich das Vorsorgeprinzip gemäß Grundsatz 15 der Erklärung von Rio über Umwelt und Entwicklung sowie die Notwendigkeit, im Fall eines Schadens geeignete Abhilfemaßnahmen vorzusehen.

Artikel 1 nennt das Ziel des Zusatzprotokolls, das darin besteht, durch die Regelungen zur Haftung und Wiedergutmachung zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt beizutragen.

Artikel 2 enthält die Begriffsbestimmungen der im Zusatzprotokoll verwendeten Begriffe. Danach liegt ein Schaden im Sinne des Zusatzprotokolls bei einer nachteiligen Auswirkung auf die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt vor, wobei auch Risiken für die menschliche Gesundheit zu berücksichtigen sind und die Auswirkung messbar oder anderweitig beobachtbar sowie erheblich sein muss. Dabei sind auch Risiken für die menschliche Gesundheit zu berücksichtigen. Als Betreiber gilt jede Person, die die unmittelbare oder mittelbare Kontrolle über den lebenden veränderten Organismus ausübt. Unter Abhilfemaßnahmen im Sinne des Zusatzprotokolls werden angemessene Maßnahmen verstanden, die Schaden verhüten, beschränken oder vermeiden und die die biologische Vielfalt wiederherstellen.

Artikel 3 beschreibt den sachlichen, zeitlichen und räumlichen Geltungsbereich des Zusatzprotokolls. Es gilt für Schäden, die durch lebende veränderte Organismen verursacht werden, die ihren Ursprung in einer grenzüberschreitenden Verbringung haben.

Artikel 4 regelt das Erfordernis eines Kausalzusammenhanges.

Artikel 5 enthält Regelungen zu den Abhilfemaßnahmen und zu der Vorgehens- und Verfahrensweise der zuständigen Behörde im Schadensfall. Danach ermittelt die zuständige Behörde den Verursacher, bewertet den Schaden und legt die Abhilfemaßnahmen fest. Die zuständige Behörde kann auf Kosten des Betreibers geeignete Abhilfemaßnahmen insbesondere dann ergreifen, wenn der Betreiber, der den Schaden verursacht hat, dies nicht getan hat.

Die Artikel 6, 7, 8 und 10 legen fest, dass die Vertragsparteien im innerstaatlichen Recht Ausnahmen in erheblichem Umfang, Fristen, finanzielle Obergrenzen und finanzielle Sicherheiten vorsehen können.

Die Artikel 9 und 11 regeln, dass das Zusatzprotokoll Rückgriffsrechte oder Schadensersatzansprüche des Betreibers sowie die Verantwortlichkeit der Staaten für völkerrechtswidrige Handlungen unberührt lässt.

Artikel 12 enthält die Verpflichtung der Vertragsparteien, in ihrem innerstaatlichen Recht Regeln und Verfahren für den Umgang mit Schaden vorzusehen. Dazu sehen die Vertragsparteien Abhilfemaßnahmen im Einklang mit dem Zusatzprotokoll vor und können gegebenenfalls ihr bestehendes innerstaatliches Recht einschließlich der zivilrechtlichen Haftungsregelungen anwenden oder zivilrechtliche Haftungsregelungen speziell für diese Schadensfälle oder eine Kombination aus beidem anwenden oder entwickeln. Hinsichtlich der zivilrechtlichen Haftung besteht das Ziel, im innerstaatlichen Recht angemessene Regeln und Verfahren für Sach- oder Personenschäden vorzusehen, die durch einen Schadensfall im Sinne des Zusatzprotokolls verursacht worden sind. Dabei können die Vertragsparteien weiterhin ihre bestehenden allgemeinen zivilrechtliche Haftungsvorschriften anwenden oder neue zivilrechtliche Haftungsvorschriften speziell für diesen Zweck oder eine Kombination aus beiden Vorgehensweisen entwickeln und anwenden.

Die Artikel 13 bis 21 betreffen die Überprüfung des Zusatzprotokolls fünf Jahre nach Inkrafttreten und die Organe des Zusatzprotokolls. Für das Zusatzprotokoll ist keine neue Struktur vorgesehen. Die Konferenz der Tagung der Vertragsparteien des Cartagena-Protokolls dient gleichzeitig als Tagung der Vertragsparteien des Zusatzprotokolls. Die Aufgaben des Sekretariats werden vom Sekretariat des Übereinkommens über die biologische Vielfalt übernommen. Ferner regeln die genannten Bestimmungen das Verhältnis zum Übereinkommen und zum Protokoll und legen die Modalitäten für das Inkrafttreten des Zusatzprotokolls fest. Das Zusatzprotokoll tritt 90 Tage nach Hinterlegung der 40. Ratifikationsurkunde in Kraft.