Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten

Der Bundesrat hat in seiner 906. Sitzung am 1. Februar 2013 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe a0 - neu - (Inhaltsübersicht ZPO),

Nummer 2a - neu - (§ 130a1 - neu - ZPO), Artikel 3 Nummer 2a - neu - (§ 46c1 - neu - ArbGG), Artikel 4 Nummer 1a - neu - (§ 65a1 - neu - SGG), Artikel 5 Nummer 1a - neu - (§ 55a1 - neu - VwGO), Artikel 6 Nummer 1a - neu - (§ 52a1 - neu - FGO), Artikel 25 Absatz 5a - neu - (Inkrafttreten, Außerkrafttreten)

Begründung:

Zu Buchstabe a

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung strebt eine bundesweite, flächendeckende Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs zum 1. Januar 2018 an, ermöglicht aber den Ländern für einen Übergangszeitraum bis zum 31. Dezember 2021 diese Eröffnung jeweils hinauszuschieben (Opt-Out-Lösung).

Erst zum 1. Januar 2022 wird eine Nutzungspflicht für die Rechtsanwälte, Behörden und juristischen Personen des öffentlichen Rechts begründet.

Dies wird damit begründet, dass die für Rechtsanwälte statuierte Nutzungspflicht erst verantwortet werden könne, wenn gesichert sei, dass der elektronische Zugang zu den Gerichten fehlerfrei und ohne Störungen funktioniere. Insbesondere müssten die vorgesehenen sicheren Übermittlungswege, über die elektronische Dokumente ohne qualifizierte Signatur eingereicht werden können, auch bei hohem Datenvolumen zuverlässig einsetzbar sein (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs, S. 65).

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung wird dem erklärten Ziel einer effektiven (auch möglichst frühzeitigen) und nachhaltigen Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs nicht hinreichend gerecht, weil die Nutzungspflicht zu spät einsetzt und damit der in einigen Ländern ohnehin schon bestehende status quo (keine wesentliche Ausnutzung der (nahezu) vollständigen Öffnung der Gerichte für den elektronischen Rechtsverkehr) bis zum 31. Dezember 2021 ohne wesentlichen Fortschritt perpetuiert wird. Wie sich gerade in den Ländern, die ihre Gerichte (weitgehend oder vollständig) bereits für den elektronischen Rechtsverkehr eröffnet haben (z.B. Brandenburg, Berlin, Bremen, Hessen, Sachsen), zeigt, bedarf es zur nachhaltigen Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs einer zeitnahen Verpflichtung der professionellen Einreicher zur Einreichung entsprechender Dokumente. Für die Länder stellte es eine erhebliche und unzumutbare Belastung dar, über Jahre hinweg bei den Gerichten eine vollständig funktionierende technische und personelle Infrastruktur vorhalten zu müssen, wenn diese voraussichtlich nur spärlich genutzt würde. Dies ist weder der Sache nach noch investitionspolitisch sinnvoll.

Überdies besteht die Gefahr, dass sich aufgrund der Nutzungspflicht (erst) zum 1. Januar 2022 viele Rechtsanwälte noch nicht ausreichend auf den elektronischen Rechtsverkehr eingestellt haben werden und erstmals zum Stichtag massenhaft Eingänge im elektronischen Rechtsverkehr erfolgen. Dies könnte sowohl auf Seiten der Rechtsanwälte, die ihrerseits die Nutzung sicher stellen müssen, zu erheblichen Problemen führen, als auch die Gerichte und deren Infrastruktur massiv überfordern.

Die vorgeschlagenen Änderungen nehmen auf die von der Praxis vielfältig geäußerten Bedenken, Anregungen und Befürchtungen Rücksicht, ohne die flächendeckende Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs länger als geboten zu hinauszuschieben. Die Übergangsphase zwischen bundesweiter Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs und Nutzungspflicht sollte zudem möglichst kurz gehalten werden.

Dies gibt auch den Rechtsanwälten (etc.) die Möglichkeit zur "Gewöhnung mit Anstoß" an den neuen Rechtszustand. Bereits getätigte - und vom Ziel des Gesetzes erwünschte - Investitionen sind nicht sinnlos, weil sie uneingeschränkt im ganzen Bundesgebiet genutzt werden können und die Übergangszeiträume überschaubar sind. Auch können die Rechtsanwälte etwaige Haftungsrisiken dadurch reduzieren, dass sie sich bereits frühzeitig ab dem 1. Januar 2020 insgesamt auf den elektronischen Rechtsverkehr umstellen; auch hierdurch wird das angestrebte Ziel mittelbar gefördert.

Durch die Änderungen wird nach Auffassung der Länder das erklärte Ziel des Gesetzentwurfs insgesamt kompakt, effektiv und gleichwohl übersichtlich umgesetzt. Das Zusammenspiel der Opt-Out- und Opt-In-Möglichkeiten macht es für die Länder besonders attraktiv, den elektronischen Rechtsverkehr in ihrem Bereich frühzeitig zu öffnen, um schon während der Jahre 2018 und 2019 Erfahrungen mit den Vorschriften sammeln zu können, ohne mit unüberschaubaren Eingängen rechnen zu müssen, und dann die Phase der gerichtsbarkeitsweisen Nutzungsverpflichtung voll ausnutzen zu können. Die Länder können in diesem Zeitraum darüber hinaus gezielt ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die neuen Systeme schulen.

Zu Buchstabe b

Die Nutzungspflicht für Rechtsanwälte (etc.) soll jedoch, ungeachtet der Opt-In-Möglichkeit der Länder, flächendeckend spätestens zum 1. Januar des Jahres 2022 eintreten, weshalb in Artikel 25 Absatz 5 nach dem Wort "treten" das Wort "spätestens" eingefügt werden soll.

Einer besonderen Inkrafttretensregelung bedarf es für den neuen Artikel 24 (Absatz 1 und Absatz 2) nicht. Er wird vielmehr insgesamt und zutreffend von der Inkrafttretensregelung in Artikel 25 Absatz 6 erfasst.

11. Zu Artikel 25 Absatz 4a - neu - (Inkrafttreten)

Nach Artikel 25 Absatz 4 ist folgender Absatz 4a einzufügen:

(4a) Artikel 7 Nummer 4 tritt am 1. Januar 2017 in Kraft."

Begründung:

Nach dem Gesetzentwurf sind die Länder verpflichtet, bis zum 1. Januar 2016 das länderübergreifende elektronische Schutzschriftenregister einzurichten und ab diesem Zeitpunkt als gemeinsame Empfangseinrichtung vorzuhalten. Alle ordentlichen Gerichte und Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit werden ab diesem Zeitpunkt bei Eingang eines Antrags auf Arrest oder einstweilige Verfügung eine Registerabfrage durchführen müssen. Die Einzelbegründung zu Artikel 7 Nummer 4 (§ 49c BRAO-E) führt dabei zutreffend aus, dass erst dann für die Gerichte ein spürbarer Effizienzgewinn zu erwarten ist, wenn sich das Schutzschriftenregister für die Rechtsanwaltschaft als Regeleinreichungsweg etabliert hat und die Registerabfrage die bisherige - außerhalb des Anwendungsbereichs des § 49c BRAO-E weiterhin zulässige - gerichtseigene Registrierung und Verwahrung von Schutzschriften weitgehend ersetzt hat. Bis dies erreicht ist, wird sich der Aufwand aufgrund der Parallelität der Registerabfrage und Suche im eigenen Schutzschriftenbestand für die Gerichte zunächst eher erhöhen. Es ist daher für die Abläufe in der Justiz von entscheidender Bedeutung, dass die Übergangszeit zwischen der Einführung des Schutzschriftenregisters und der verpflichtenden Nutzung durch die Rechtsanwälte möglichst kurz ausfällt. Dieser Zeitraum soll maximal ein Jahr betragen, wodurch den Rechtsanwälten ebenso wie den Gerichten ausreichend Zeit bleibt, sich auf die künftig beidseitig verbindliche Nutzung des elektronischen Schutzschriftenregisters einzustellen. Für die Rechtsanwälte entsteht durch die Nutzungsverpflichtung kein erheblicher Umstellungsaufwand. Für die Einstellung von Schutzschriften in das Schutzschriftenregister wird es im Wesentlichen eines Internetanschlusses bedürfen. Für ein sicheres Registrierungsverfahren kann zudem das bereits ein Jahr früher - zum 1. Januar 2016 - von der Bundesrechtsanwaltskammer einzurichtende besondere elektronische Anwaltspostfach nutzbar gemacht werden.

Artikel 7 Nummer 4 (§ 49c BRAO-E) soll deshalb spätestens am 1. Januar 2017 in Kraft treten.

12. Zum Gesetzentwurf allgemein

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob die noch bestehenden Regelungen über Papierbekanntmachungen und -veröffentlichungen weitgehend durch eine zentrale Internetveröffentlichung ersetzt werden können.

Begründung:

Die noch bestehenden Regelungen über Papierbekanntmachungen und -veröffentlichungen sollten weitgehend durch eine zentrale Internetveröffentlichung - etwa im gemeinsamen Justizportal des Bundes und der Länder oder im Bundesanzeiger - ersetzt werden. Veröffentlichungen und Bekanntmachungen über die Gerichtstafel sollten ebenfalls in das Internet verlagert werden (z.B. betreffend die öffentliche Zustellung in den §§ 185 ff. ZPO). Nur dort, wo ein erkennbares nachhaltiges Bedürfnis besteht, sollten neben der Veröffentlichung und Bekanntmachung über die Internetadresse weitere Veröffentlichungsmöglichkeiten noch in Papierform verbleiben.

Obwohl die Vorzüge entsprechender Bekanntmachungen und Veröffentlichungen über das Internet schon mit Blick auf den erreichbaren Adressatenkreis greifbar sind, existieren in unterschiedlichen Regelungszusammenhängen noch Vorschriften, die Papierbekanntmachungen beziehungsweise -veröffentlichungen vorsehen. Zudem wird auch die Gerichtstafel noch als Bekanntmachungs- und Veröffentlichungsmedium genutzt, wenngleich deren Bedeutung als Informationsquelle für den jeweiligen Adressaten gegenüber Papierbekanntmachungen beziehungsweise -veröffentlichungen in entsprechenden Blättern noch als deutlich niedriger einzuschätzen sein dürfte. Mit der Veröffentlichung und Bekanntmachung in elektronischer Form würden die Informationsmöglichkeiten erheblich verbessert. Zudem würde das Erscheinungsbild der Justiz als moderner Dienstleister gestärkt.

Zu den konkret von einer erforderlichen Änderung betroffenen Gesetzen wird auf den Gesetzentwurf des Bundesrates Bezug genommen, BR-Drs. 503/12(B) HTML PDF .

13. Zum Gesetzentwurf allgemein

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, wie sichergestellt werden kann, dass bei Verwendung des De-Mail-Verfahrens zur elektronischen Übermittlung von Dokumenten an das Finanzgericht das Steuergeheimnis nach § 30 AO gewahrt bleibt.

Begründung:

Nach § 18 Absatz 1 Nummer 3 De-Mail-G müssen sich die für die Erbringung der Dienste verwendeten technischen Geräte nicht im Inland, sondern im Gebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum befinden. Der Provider kann nach § 18 Absatz 4 De-Mail-G Dritte beauftragen.

Die (rechtliche und faktische) Wahrung des Steuergeheimnisses durch die Finanzverwaltung gehört zum Kernbereich des § 30 AO. Dies beinhaltet auch, dass sich die Finanzverwaltung bei der Übermittlung von elektronischen Dokumenten eines sicheren Übertragungsweges bedienen muss. Die derzeitige Ausgestaltung des De-Mail-Verfahrens bietet jedoch keine ausreichende Gewähr gegen unbefugte Zugriffe Dritter, insbesondere der E-Mail-Provider. Hinzu kommt, dass sich der E-Mail-Provider ggf. außerhalb des Zugriffs deutscher Behörden und Gerichte befinden kann. Diesen Bedenken könnte durch Verwendung einer zusätzlichen "Ende-zu-Ende"-Verschlüsselung zwischen Verwaltung und Gericht begegnet werden, um zu verhindern, dass die übermittelten Daten von unbefugten Dritten gelesen werden.

14. Zum Gesetzentwurf allgemein

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens den Gesetzentwurf um eine Regelung zur Akteneinsicht in elektronische Dokumente zu ergänzen.

Begründung:

Der Gesetzentwurf enthält im Gegensatz zum entsprechenden Gesetzentwurf des Bundesrates keine Regelung zur Akteneinsicht in elektronische Dokumente, BR-Drs. 503/12(B) HTML PDF . Für eine derartige Regelung besteht eine Notwendigkeit, weil die bisherigen Regelungen auf eine Einsicht in Akten abstellen, die in Papierform geführt werden. Bei elektronischen Akten ergeben sich jedoch im Hinblick auf Datensicherheit und Steuergeheimnis neuartige Aspekte. So ist zu regeln, ob die Akteneinsicht durch Aktenauszug, Wiedergabe auf einem Bildschirm oder elektronische Übermittlung vorzunehmen ist. Ferner muss sichergestellt werden, dass die elektronischen Akten hierbei gegen unbefugte Zugriffe Dritter geschützt werden.