Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 9. Oktober 2008 mit Empfehlungen an die Kommission zu Lamfalussy-Folgemaßnahmen: Künftige Aufsichtsstruktur (2008/2148(INI))

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 9. Oktober 2008 angenommen.

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass die Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG derzeit überarbeitet werden und ein Vorschlag zu Kreditratingagenturen erwartet wird,

B. in der Erwägung, dass die Kommission einer Reihe von Aufforderungen des Parlaments, einschließlich der in den genannten Entschließungen ergangenen Aufforderungen nicht nachgekommen ist, und in der Erwägung, dass die Anlage eine Liste von Empfehlungen enthält, wie die Funktionsweise der Finanzmarktaufsicht verbessert werden könnte,

C. in der Erwägung, dass die Finanzaufsicht nicht mit der Marktintegration und der globalen Entwicklung der Finanzmärkte Schritt gehalten hat, die eine Aktualisierung der bestehenden Regulierungs- und Aufsichtssysteme erfordern, um Systemrisiken besser zu bewältigen, Finanzstabilität zu schaffen, die Ziele der Europäischen Union zu verwirklichen und zu einer Verbesserung der weltweiten Governance im Finanzwesen beizutragen,

D. in der Erwägung, dass jedwede Rechtsetzungsempfehlung des Parlaments grundsatzorientiert sein sollte und die in der Anlage dargelegten Empfehlungen in Absprache mit den Aufsichtsbehörden, den Finanzmarktteilnehmern und anderen einschlägigen Gremien weiterentwickelt werden sollten,

E. unter Hinweis darauf, dass es eine zunehmende Zahl paneuropäischer Unternehmen gibt, deren Aktivitäten sich über mehrere Mitgliedstaaten erstrecken; in der Erwägung, dass die Verzahnung zahlreicher nationaler Behörden die Komplexität erhöht und die Verantwortlichkeiten verwischt hat, insbesondere was die makroprudentielle Aufsicht und das Krisenmanagement betrifft,

F. in der Erwägung, dass sich die aktuelle Finanzkrise, die durch zweitklassige Hypotheken in den USA und daraus abgeleitete Produkte ausgelöst wurde, aufgrund der immer stärkeren Integration der Märkte weltweit ausgebreitet hat und sich dadurch die Hinweise verstärken, dass die Regulierung und Beaufsichtigung der Finanzmärkte in ihrer jetzigen Form weder auf der Ebene der Europäischen Union noch auf internationaler Ebene hinreichend aufeinander abgestimmt ist; in der Erwägung, dass eine Reform der Regulierung und Beaufsichtigung der Finanzmärkte begrüßenswert ist,

G. in der Erwägung, dass die Krise zu einer Kreditverknappung und damit zu einer Erhöhung der Kreditkosten für viele Marktteilnehmer geführt hat; in der Erwägung, dass Wirtschaftswachstum und Beschäftigung durch die gegenwärtigen Turbulenzen auf den Finanzmärkten unter Druck geraten,

H. in der Erwägung, dass Kapitalmarktintermediation und neue Arten von Finanzinstrumenten durchaus Vorteile gebracht haben, aber auch neue Ursachen für Systemrisiken weltweit schaffen,

I. in der Erwägung, dass durch das "Originatetodistribute"-Modell der Wettbewerb verstärkt und das Risiko gestreut wurde; in der Erwägung, dass diese Modell jedoch die Anreize zur Risikobewertung und -überwachung verringert und in einigen Fällen zu einer Missachtung der Sorgfaltspflicht geführt hat,

J. in der Erwägung, dass missbräuchliche Praktiken wie unzureichendes Risikomanagement, unverantwortliche Kreditvergabe, hohe Verschuldung (Fremdkapitaleinsatz), mangelnde Sorgfalt und ein plötzlicher Rückzug von Liquidität erhebliche Gefahren für Finanzinstitute mit sich bringen und die Finanzstabilität bedrohen können,

K. in der Erwägung, dass innovative Techniken, durch die das Risiko auf der Mikroebene verringert werden sollte und die an sich mit den geltenden Rechtsvorschriften im Einklang waren, eine Risikokonzentration und ein Systemrisiko mit sich bringen konnten,

L. in der Erwägung, dass schädliche Aufsichtsarbitrage vermieden werden sollte,

M. in der Erwägung, dass die Unterschiede zwischen den nationalen Systemen der Mitgliedstaaten angesichts des grenzüberschreitenden Charakters des Bankwesens in Europa, des Erfordernisses einer koordinierten Antwort auf Negativschocks wie auch einer wirksamen Behandlung von Systemrisiken soweit wie möglich reduziert werden müssen, und in der Erwägung, dass die Notwendigkeit besteht, weiter zu gehen, als die Kommission es in ihren bisherigen Untersuchungen getan hat, und die Richtlinie 94/19/EG so bald wie möglich zu ändern, um einen vergleichbaren Schutz von Bankeinlagen in der gesamten Europäischen Union zu gewährleisten, damit die Finanzstabilität und das Vertrauen der Sparer erhalten sowie Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden,

N. in der Erwägung, dass gegenüber der Öffentlichkeit, den Investoren und den Aufsichtsbehörden ein angemessenes Maß an Transparenz sichergestellt werden muss,

O. in der Erwägung, dass Entgeltsysteme, die die individuelle Leistung und die Unternehmensleistung widerspiegeln, nicht das kurzfristige Eingehen überhöhter Risiken auf Kosten der notwendigen langfristigen Leistung und Vorsicht belohnen sollten,

P. in der Erwägung, dass Interessenkonflikte, die durch das von Finanzinstituten, Ratingagenturen und Wirtschaftsprüfungs- und Anwaltskanzleien verwendete Geschäftsmodell ausgelöst werden können, angegangen und überwacht werden müssen,

Q. in der Erwägung, dass die Versäumnisse von Ratingagenturen im Zusammenhang mit komplex strukturierten Produkten und ein falsches Verständnis der Bedeutung von Ratings seitens der Marktteilnehmer erhebliche negative externe Effekte und Marktunsicherheiten verursacht haben; in der Erwägung, dass die Verfahren von Ratingagenturen überprüft werden müssen,

R. in der Erwägung, dass Selbstregulierungslösungen, die von den Ratingagenturen vorgeschlagen werden, noch nicht erprobt wurden und wahrscheinlich nicht ausreichen werden, um der zentralen Funktion gerecht zu werden, die ihnen im Finanzsystem zukommt,

S. in der Erwägung, dass Marktintegration zwar generell von Nutzen ist, jedoch mit einem angemessen integrierten Aufsichtsansatz einhergehen sollte, der auch unnötige bürokratische Hürden vermeidet und mit einer besseren Rechtsetzung im Einklang steht,

T. in der Erwägung, dass die Kommission eine umfassende Folgenabschätzung für einen Legislativvorschlag durchführen sollte,

U. in der Erwägung, dass die Europäische Union eine konsequentere und wirksamere, ordnungsgemäß umgesetzte, aber nicht zu stark belastende Regulierung und Aufsicht benötigt, um die Gefahr künftiger Finanzkrisen abzumildern und gleiche Bedingungen für alle Marktteilnehmer über die Grenzen hinweg zu schaffen; in der Erwägung, dass die Europäische Union eine führende internationale Rolle übernehmen und die konsequente Umsetzung und Konvergenz ihrer eigenen Regulierung und Aufsicht verstärken sollte,

V. in der Erwägung, dass eine umfassende Überprüfung der derzeitigen Regulierungs- und Aufsichtsvorkehrungen der Europäischen Union einschließlich Maßnahmen zur Verbesserung der globalen Aufsichtszusammenarbeit erforderlich ist, die die Bereiche Eigenkapitalrahmen, Transparenz und Governance als wichtigste Voraussetzungen für wirksame Regulierungs- und Aufsichtsvorkehrungen auf koordinierte Weise abdeckt,

W. in der Erwägung, dass der Aufsichtsansatz an die spezifischen Merkmale der Branche und die Aspekte angepasst sein sollte, die bereits reguliert sind; in der Erwägung, dass sich die Ziele der Finanzmarktaufsicht und der Aufsicht über bestimmte Institute voneinander unterscheiden,

X. in der Erwägung, dass bei künftigen Vorschlägen die Verhandlungen über den Solvabilität-II-Vorschlag und die Überarbeitung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG berücksichtigt werden sollten,

Y. in der Erwägung, dass bei der Aufsichtszusammenarbeit der Drittstaatendimension der Beaufsichtigung internationaler Gruppen Rechnung getragen werden muss, da die meisten - wenn nicht sogar alle - großen Finanzgruppen in der Europäischen Union Drittstaateninteressen haben,

Z. in der Erwägung, dass im Anschluss an die Schlussfolgerungen des Rates vom 3. Juni 2008, 4. Dezember 2007 und 9. Oktober 2007 bereits ein umfassendes Arbeitsprogramm angelaufen ist, um gezielte Verbesserungen an den Regelungen für die EU-Aufsichtszusammenarbeit vorzunehmen; in der Erwägung, dass in der Europäischen Union und weltweit ebenfalls ausgedehnte Arbeitsprogramme eingeleitet wurden mit dem Ziel, die Ursachen der Marktturbulenzen zu verstehen und angemessen zu reagieren;

AA. in der Erwägung, dass bis Herbst 2008 eine Gruppe der Weisen eingesetzt werden sollte, der verschiedene Akteure, wie Aufsichtsbehörden, Regulierungsbehörden und Vertreter der Wirtschaft, angehören sollten, um eine längerfristige Vision der Aufsicht zu konzipieren; in der Erwägung, dass dieser Gruppe die Aufgabe übertragen werden sollte, einen Entwurf und einen Fahrplan für eine grundlegendere langfristige Reform in Richtung auf eine vollständige institutionelle Integration auszuarbeiten; in der Erwägung, dass sich die Gruppe über die Architektur der Finanzaufsicht hinaus auch mit Fragen wie einem einzigen Regelhandbuch für die Finanzaufsicht, einem Einlagensicherungssystem und einem gemeinsamen Insolvenzsystem befassen sollte, die einem integrierten Finanz- und Aufsichtssystem angemessen sind,

Anlage zur Entschliessung
Ausführliche Empfehlungen zum Inhalt des verlangten Vorschlags/der verlangten Vorschläge

1. Empfehlung 1 - Grundvoraussetzungen für wirksame Regulierungs- und Aufsichtsstrukturen

Das Europäische Parlament ist der Auffassung, dass der zu erlassende Rechtsakt/die zu erlassenden Rechtsakte Folgendes regeln sollte/sollten:

1.1. Maßnahmen zur Verbesserung des EU-Regelungsrahmens für Finanzdienstleistungen

Eigenkapitalrahmen, insbesondere

1.2. Maßnahmen zur Verbesserung der Transparenz

1.3. Governance-Maßnahmen

Besondere Aufmerksamkeit ist folgenden Punkten zu widmen:

Transparenz der Ratingmethodik, der Annahmen und der Stresstests; Möglichkeit der Aufsichtsbehörden, einen "Prüfpfad" der Korrespondenz zwischen Originator und Ratingagentur zu verlangen und im Falle erheblicher Bedenken bezüglich der Modelle benachrichtigt zu werden.

Gewährleistung, dass die Ratingagenturen detailliertere Informationen über die besonderen Eigenschaften komplexer Schuldtitel, hypothekarischer Produkte und herkömmlicher Forderungen bereitstellen und die Ratingagenturen unterschiedliche Symbole für das Rating von komplexen Schuldtiteln, hypothekarischen Produkten und herkömmlichen Forderungen verwenden.

Förderung der Transparenz von Ratingagenturen und verstärkte Transparenz der methodischen Vorgehensweisen und der Kriterien im Zusammenhang mit besonderen Ratings von komplexen Schuldtiteln, hypothekarischen Produkten und herkömmlichen Forderungen.

2. Empfehlung 2 - Finanzstabilitäts- und Systemrisikomaßnahmen

Das Europäische Parlament ist der Auffassung, dass der zu erlassende Rechtsakt/die zu erlassenden Rechtsakte Folgendes regeln sollte/sollten:

3. Empfehlung 3 - Aufsichtsrechtlicher Rahmen

Das Europäische Parlament ist der Auffassung, dass der zu erlassende Rechtsakt/die zu erlassenden Rechtsakte darauf abzielen sollte/sollten, das derzeitige Aufsichtssystem wie folgt zu regulieren, zu rationalisieren, zu integrieren und zu ergänzen:

3.1. Beaufsichtigung großer grenzüberschreitend tätiger Finanzgruppen

3.2. Struktur der EU-Aufsicht: Stufe-3-Ausschüsse des Lamfalussy-Prozesses

3.3. Regelungen für die EU-Finanzstabilität