Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über den konsularischen Schutz von Unionsbürgern im Ausland KOM (2011) 881 endg.

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Das Europäische Parlament wird an den Beratungen beteiligt.

Hinweis: vgl.
Drucksache 616/09 (PDF) = AE-Nr. 090467,
Drucksache 732/10 (PDF) = AE-Nr. 100871 und AE-Nr. 110219

Brüssel, den 14.12.2011 KOM (2011) 881 endgültig 2011/0432 (CNS)

Vorschlag für Richtlinie des Rates über den konsularischen Schutz von Unionsbürgern im Ausland (Text von Bedeutung für den EWR)

{SEK(2011) 1555 endgültig}
{SEK(2011) 1556 endgültig}

Begründung

1. Hintergrund des vorgeschlagenen Rechtsakts

1.1 Einleitung

EU-Bürger, die in ein Drittland reisen oder in einem Land leben, in dem der Mitgliedstaat ihrer Staatsangehörigkeit weder eine Botschaft noch ein Konsulat unterhält, haben ein Recht auf konsularischen Schutz durch die Konsularbehörden eines jeden anderen Mitgliedstaats. Dieser ist verpflichtet, diesen Bürgern nicht vertretener EU-Mitgliedstaaten unter denselben Bedingungen Hilfe zu leisten wie seinen eigenen Staatsangehörigen.

In der letzten Zeit waren viele EU-Bürger von Krisen betroffen, beispielsweise nach den demokratischen Aufständen im Frühjahr 2011 in Libyen, Ägypten und Bahrain oder nach dem Erdbeben in Japan im März 2011. Auch in alltäglichen Situation, etwa bei schwerer Erkrankung oder wenn man Opfer einer Straftat geworden ist, ist konsularischer Schutz oft unerlässlich.

Dieser Legislativvorschlag ersetzt infolge des mit dem Vertrag von Lissabon eingeführten Rechtsrahmens den Beschluss 95/553/EG über den konsularischen Schutz für EU-Bürger 1. Er enthält die Kooperations- und Koordinierungsmaßnahmen, mit denen der konsularische Schutz von Bürgern nicht vertretener EU-Mitgliedstaaten erleichtert wird, und dient ferner der Umsetzung der Maßnahme 8 des "Berichts über die Unionsbürgerschaft 2010 - Weniger Hindernisse für die Ausübung von Unionsbürgerrechten", mit der sich die Kommission verpflichtete, u.a. durch den Vorschlag von Legislativmaßnahmen im Jahr 2011 das Recht der Unionsbürger auf Unterstützung in Drittstaaten durch die diplomatischen und konsularischen Behörden aller Mitgliedstaaten zu stärken2.

1.2 Kontext und Gründe für den Vorschlag

Das Recht auf konsularischen Schutz für EU-Bürger, deren Heimatstaat in einem Drittland keine diplomatische oder konsularische Vertretung unterhält, unter denselben Bedingungen, die für die eigenen Staatsangehörigen gelten, ist ein besonderes im Rahmen der Unionsbürgerschaft garantiertes Recht und in Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe c und Artikel 23 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sowie Artikel 46 der Grundrechtecharta der Europäischen Union verankert. Dieses Recht ist Ausdruck der Solidarität innerhalb der Union, Kennzeichen der Identität der Union in Drittländern und Zeichen der praktischen Vorteile, die mit der Unionsbürgerschaft verbunden sind.

Der konsularische Schutz ist integraler Bestandteil der Bürgerrechtsstrategie der Union. Mit dem Stockholmer Programm ersuchte der Europäische Rat die Kommission, "geeignete Maßnahmen zu prüfen, mit denen die Koordinierung und Kooperation gewährleistet wird, die erforderlich ist, um den konsularischen Schutz gemäß Artikel 23 AEUV zu erleichtern"3. In seiner Entschließung vom 25. November 2009 sprach sich das Europäische Parlament dafür aus, die Koordinierung und Zusammenarbeit in Bezug auf den konsularischen Schutz zu stärken4, nachdem es bereits in seiner Entschließung vom 11. Dezember 2007 gemeinsame Konzepte und verbindliche Leitlinien vorgeschlagen und gefordert hatte, nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon den Beschluss 95/553/EG zu überprüfen5.

Im "Bericht über die Unionsbürgerschaft 2010 - Weniger Hindernisse für die Ausübung von Unionsbürgerrechten" kündigte die Kommission an, sie werde das auch in Krisenzeiten geltende Recht der Unionsbürger auf Unterstützung in Drittstaaten durch die diplomatischen und konsularischen Behörden aller Mitgliedstaaten stärken, indem sie 2011 Legislativmaßnahmen vorschlagen und die Bürger mithilfe einer diesem Thema gewidmeten Website und gezielter Öffentlichkeitsarbeit besser informieren werde6. In ihrer Mitteilung vom 23. März 2011 über den konsularischen Schutz der EU-Bürger in Drittstaaten erneuerte die Kommission ihre Zusage und erklärte, sie werde Legislativvorschläge für die zur Erleichterung des konsularischen Schutzes von Bürgern nicht vertretener Mitgliedstaaten erforderlichen Koordinierungs- und Kooperationsmaßnahmen unterbreiten; ferner werde sie sich mit dem finanziellen Ausgleich als Gegenleistung für den konsularischen Schutz in Krisensituationen befassen7.

Die früheren Vorschriften besagten, dass die Mitgliedstaaten die notwendigen Regeln untereinander abstimmen und festlegen müssen. Mit dem Vertrag von Lissabon wird die Kommission ermächtigt, Richtlinien über Kooperations- und Koordinierungsmaßnahmen vorzuschlagen, damit jeder Unionsbürger im Hoheitsgebiet eines dritten Landes, in dem der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, nicht vertreten ist, den konsularischen Schutz eines jeden anderen Mitgliedstaats unter denselben Bedingungen wie Staatsangehörige dieses Staates genießen kann 8. Im derzeit geltenden EU-Rechtsakt, dem Beschluss 095/553/EG9, ist vorgesehen, dass dieser fünf Jahre nach seinem Inkrafttreten im Jahr 2002 überprüft wird.

Der bisherige konsularische Schutz von Bürgern eines nicht vertretenen Mitgliedstaats kann weiter verbessert werden. Darüber, was Artikel 23 AEUV genau bedeutet und welche Zuständigkeiten aus dem Recht auf konsularischen Schutz abzuleiten sind, besteht kein Konsens. Um als Recht mit präziser Bedeutung Wirkung zu entfalten, reicht die knappe Formulierung des Vertragsartikels nicht aus. Nationale Konsulargesetze und -verfahren sind ebenso unterschiedlich wie die zugrunde liegenden Konzepte des konsularischen Schutzes von Bürgern, deren Mitgliedstaat nicht vertreten ist.

Eine Klärung scheint besonders in vier Bereichen vonnöten zu sein:

(1) Persönlicher Geltungsbereich

Es ist zu klären, für wen das Recht auf konsularischen Schutz gilt. Der Mitgliedstaat eines EU-Bürgers gilt nicht nur dann als "nicht vertreten", wenn er weder eine Botschaft noch ein Konsulat in einem Drittland unterhält, sondern auch dann, wenn die Botschaft oder das Konsulat nicht "erreichbar" ist10. Allerdings gibt es kein Einvernehmen darüber, wann eine Botschaft oder ein Konsulat erreichbar ist11. Außerdem wäre zu klären, ob auch eine Drittlandsstaatsangehörigkeit besitzende Familienangehörige von EU-Bürgern, deren Mitgliedstaat nicht vertreten ist, in den Genuss des konsularischen Schutzes kommen.

(2) Zugang zum konsularischen Schutz und Zusammenarbeit/Koordinierung

Es muss geklärt werden, welcher Mitgliedstaat den Bürger eines nicht vertretenen EU-Mitgliedstaats unterstützen muss und wie die Unterstützung mit dem Herkunftsmitgliedstaat des Bürgers zu koordinieren ist. Diese Unklarheit verursacht Verzögerungen und gewährleistet keinen wirksamen Schutz unter den Bedingungen, die für eigene Staatsangehörige gelten. Nach dem Vertrag kann der Bürger eines nicht vertretenen Mitgliedstaats frei wählen, an welche Botschaft/welches Konsulat er sich wenden möchte; in der Praxis bestehen Vereinbarungen über die Lastenverteilung. Diese Vereinbarungen sind annehmbar, solange sichergestellt ist, dass die Interessen dieses Bürgers wirksam wahrgenommen werden. Sie werden allerdings gewöhnlich nicht sehr bekannt gemacht, so dass es für den Bürger schwierig ist zu wissen, welche Botschaft oder welches Konsulat ihm helfen wird.

Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen der/dem Hilfe leistenden Botschaft/Konsulat und dem Herkunftsmitgliedstaat müssen weiter geregelt werden. Anders als bei eigenen Staatsangehörigen verlangt die Hilfeleistung für den Bürger eines nicht vertretenen EU-Mitgliedstaats eine wirksame Zusammenarbeit mit den Konsularbehörden dieses Staates. Eindeutigere Regeln für Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen dem Hilfe leistenden Mitgliedstaat und dem Mitgliedstaat der Staatsangehörigkeit des Bürgers wären sowohl für die konsularischen Behörden als auch für den Bürger von Vorteil. Dazu zählt auch, welche Arten von Unterstützung im Rahmen des konsularischen Schutzes für Bürger, deren Mitgliedstaat nicht vertreten ist, gewöhnlich anfallen (z.B. im Todesfall, bei Straftaten usw.) und wie diese Unterstützung zwischen dem Hilfe leistenden Mitgliedstaat und dem Mitgliedstaat der Staatsangehörigkeit des Bürgers koordiniert wird.

(3) Koordinierung vor Ort

Um die Koordinierung und Zusammenarbeit in Bezug auf Bürger nicht vertretener Mitgliedstaaten zu gewährleisten, müssen die Konsularbehörden im Drittstaat miteinander in Verbindung treten und über spezifische Informationen verfügen 12. Für Bürger nicht vertretener Mitgliedstaaten wesentliche Informationen werden bisher nicht systematisch gesammelt. Nach dem Vertrag über die Europäische Union sollen ferner die diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Mitgliedstaaten und die Unionsdelegationen in Drittländern und bei internationalen Konferenzen sowie ihre Vertretungen bei internationalen Organisationen zur Verwirklichung dieses Rechts beitragen 13. Die jeweiligen Zuständigkeitsbereiche und Handlungsmöglichkeiten sind noch nicht genau festgelegt. Die gegenwärtigen Bedingungen führen also nicht dazu, dass die Union im Außenbereich kohärent handelt und die vorhandenen personellen und finanziellen Ressourcen optimal genutzt werden.

(4) Hilfe in Krisensituationen/Kostenerstattung

Im neuen Rechtsrahmen für die Zusammenarbeit sollte eindeutig festgelegt werden, wer Bürgern nicht vertretener Mitgliedstaaten in Krisensituationen Hilfe leistet; ferner ist die Rolle des so genannten "federführenden Staates", der in Krisensituationen tätig werden soll, zu klären 14. Bei der Notfallplanung werden Bürger nicht vertretener Mitgliedstaaten nicht speziell berücksichtigt, und in Krisensituationen ist es schwierig, deren Zahl genau zu erfassen. Vor allem in schweren Krisen bedürfen die vor Ort tätigen Mitarbeiter der Unterstützung durch Kriseninterventionsspezialisten.

Bis heute sehen die Rechtsakte und Leitlinien für die Erstattung der bei der konsularischen Unterstützung anfallenden Kosten allgemeine und umständliche Verfahren 15 vor, die in Krisensituationen im Allgemeinen nicht angewandt werden, weil sie anscheinend nicht auf die entsprechenden Erfordernisse zugeschnitten sind16. Wenn die Lastenverteilung nicht klar ist und in der Praxis nicht stattfindet, gibt es weniger Anreize für einen proaktiven Ansatz, der auch Verantwortlichkeiten berücksichtigt, die nicht auf die eigenen Staatsangehörigen beschränkt sind.

Eine ausführliche Analyse der Schwierigkeiten mit dem derzeitigen System sowie der Auswirkungen der verschiedenen ins Auge gefassten Lösungen findet sich in der beigefügten Folgenabschätzung.

2. Anhörung interessierter Kreise

Es fand eine ausführliche Konsultation interessierter Kreise statt. In einer umfassenden öffentlichen Anhörung zum Thema Rechte der Unionsbürger des Jahres 2010 wurden Beiträge aller Bürger und Akteure eingeholt; besonderes Augenmerk galt dabei dem konsularischen Schutz für EU-Bürger. Dieser öffentlichen Anhörung ging eine andere zum Grünbuch von 2007 über den diplomatischen und konsularischen Schutz des Unionsbürgers in Drittländern voraus 17. Die dabei vorgebrachten Gedanken gingen in die Diskussionen während der Konferenz zu den Rechten der EU-Bürger vom 1. - 2. Juli 2010 ein; dabei wurde der konsularische Schutz ausführlich behandelt. Akteure, die am konsularischen Schutz ein besonderes Interesse haben (beispielsweise die Mitgliedstaaten, Reiseveranstalter, Nichtregierungsorganisationen und Wissenschaftler) wurden weiter gehend konsultiert, u.a. im Wege zweier einschlägiger Workshops vom 24. September 2010 und 23. Juni 2011. Die konsularischen und diplomatischen Behörden aller Mitgliedstaaten wurden in der Arbeitsgruppe des Rates zu konsularischen Fragen (Working Group Consular Affairs - COCON) auf dem Laufenden gehalten und im Wege einer Online-Befragung konsultiert. Kürzlich wurden sechs repräsentative Mitgliedstaaten besucht; ferner besuchten externe Berater vier ausgewählte Drittländer18, um direkt mit Konsularangelegenheiten betraute Personen vor Ort zu befragen. Bei der Vorbereitung dieses Vorschlags hat die Kommission den Ergebnissen von vier Studien über verschiedene Aspekte der Richtlinienüberarbeitung Rechnung getragen19.

Die beteiligten Akteure unterstützen im Allgemeinen die geplante Reform. Angesichts der durch den Vertrag von Lissabon geschaffenen neuen rechtlichen Lage ist eine Überarbeitung des Beschlusses 95/553/EG notwendig; diese sollte auch dazu genutzt werden, die Koordinierung und Zusammenarbeit zu verstärken und zugrunde liegende Rechtsbegriffe zu klären. Die wichtigsten Elemente der Reform waren nach Auffassung der Befragten folgende: Hinsichtlich der Frage, wann eine Botschaft oder ein Konsulat "erreichbar" ist, haben die befragten Mitgliedstaaten anscheinend keine einheitliche Auffassung20. Der Anhörung der Akteure zufolge21 erscheint eine Zeitspanne von einem Tag, um die Botschaft oder das Konsulat zu erreichen, konsularischen Schutz zu erhalten und zurückzureisen, als angemessen. Vertreter der Zivilgesellschaft sprachen sich für eine klare und verbindliche rechtliche Regelung aus. Ferner wiesen sie darauf hin, dass die Einbeziehung von aus Drittstaaten stammenden Familienangehörigen ein wichtiger Punkt sei22; die meisten Mitgliedstaaten vertraten die Auffassung, dass es wenigsten möglich sein sollte, diese einzubeziehen (allerdings verlangten sie, dass die Bedingungen für die Einbeziehung zu klären seien)23. Was den Zugang zum konsularischen Schutz und die Koordinierung/Zusammenarbeit anbelangt, sprechen sich die Mitgliedstaaten und die Vertreter der Zivilgesellschaft generell für mehr Transparenz hinsichtlich der bilateralen und örtlichen Absprachen über die Lastenverteilung aus. Vertreter der Zivilgesellschaft betonen, dass sichergestellt sein muss, dass Bürger nicht vertretener Mitgliedstaaten konsularischen Schutz unter den Bedingungen erhalten, die für die Staatsangehörigen des Hilfe leistenden Mitgliedstaats gelten. Die Bereitstellung guter Kommunikationswege und eindeutige Rechtsvorschriften werden von einer breiten Mehrheit 24 als wichtige oder sehr wichtige Faktoren für eine noch wirksamere Hilfe erachtet. In Bezug auf Krisensituationen und ihre finanziellen Auswirkungen sprechen sich die Vertreter der Mitgliedstaaten ausdrücklich für das weiter auszubauende Konzept des federführenden Staates aus und weisen auf die Vorteile einer umfassenden Krisenvorsorge hin25. Vertreter der Zivilgesellschaft heben hervor, dass auch in Krisen gewährleistet sein muss, dass Bürger nicht vertretener Mitgliedstaaten ebenso wirkungsvoll unterstützt werden wie eigene Staatsangehörige.

3. Rechtliche Aspekte des Vorschlags

3.1 Zusammenfassung der vorgeschlagenen Maßnahmen

Hauptzweck dieses Vorschlags ist es,

Der Vorschlag betrifft im Einzelnen folgende Aspekte:

(1) Persönlicher Geltungsbereich

Mit dem Vorschlag wird geklärt, dass ein EU-Bürger als Bürger eines nicht vertretenen Mitgliedstaats zu betrachten ist, wenn die Botschaft oder ein Konsulat seines Mitgliedstaats nicht "erreichbar" ist. Eine Botschaft oder ein Konsulat ist nicht "erreichbar", wenn es dem EU-Bürger nicht möglich ist, an einem Tag (mit einem in diesem Drittland üblichen Verkehrsmittel) die Hinreise zur Vertretung und die Rückreise zu seinem Ausgangspunkt zu bewältigen. Für den Fall, dass die Dringlichkeit der Angelegenheit raschere Hilfe erfordert, ist eine Ausnahmeregelung vorgesehen. Nach dem Vorschlag werden ferner Familienangehörige aus Drittländern in den konsularischen Schutz für EU-Bürger einbezogen. Nach Artikel 23 AEUV darf es keine diskriminierende Behandlung geben, und gemäß Artikel 7 und 24 der Grundrechtecharta der Europäischen Union sowie nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind die wesentlichen den EU-Bürgern zustehenden Rechte auch auf deren Familienangehörigen auszudehnen, damit sichergestellt ist, dass diese Rechte in vollem Umfang wirksam werden 26. Folglich ist im Vorschlag vorgesehen, dass den Familienangehörigen von EU-Bürgern aus Drittländern der gleiche Schutz zu gewähren ist wie den aus Drittländern stammenden Familienangehörigen der Bürger des eigenen Staates27.

(2) Zugang zum konsularischen Schutz und Zusammenarbeit/Koordinierung

Im Vorschlag wird betont, dass sich EU-Bürger an das Konsulat oder die Botschaft "jedes" anderen Mitgliedstaats wenden können. Allerdings sind besondere Vereinbarungen der Mitgliedstaaten möglich, solange die Transparenz (durch Mitteilung und anschließende Veröffentlichung auf der Website der Kommission) gewährleistet ist und effektiv auf die Hilfeersuchen reagiert wird.

Ferner wird im Einzelnen festgelegt, welche Hilfe die Mitgliedstaaten üblicherweise auf der Grundlage gemeinsamer Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten beim konsularischen Schutz28 in den häufigsten Fällen (d.h. bei Festnahme oder Inhaftierung, für Opfer von Gewaltverbrechen, bei schwerem Unfall oder schwerer Erkrankung, im Todesfall, durch Hilfe und Rückführung in Not und die Notwendigkeit von Rückkehrausweisen) leisten und welche Verfahren in solchen Fällen für die Zusammenarbeit und Koordinierung zwischen den Konsularbehörden gelten. Um dem Selbstbestimmungsrecht der Bürger Rechnung zu tragen, sieht der Vorschlag vor, dass die Bürger zu ihren Wünschen befragt werden und diesen nach Möglichkeit entsprochen wird; dies gilt auch für die Frage, ob Familien- oder andere Angehörige (z.B. über eine Festnahme) informiert werden sollen. Ebenso ist beim Tod einer Person der Wunsch der nächsten Angehörigen zu berücksichtigen, wie mit dem Leichnam zu verfahren ist.

(3) Koordinierung vor Ort / EU-Mehrwert

Nach dem Vorschlag sollten bei örtlichen Sitzungen über die Zusammenarbeit beim konsularischen Schutz auch regelmäßig Informationen über Bürger nicht vertretener Mitgliedstaaten ausgetauscht werden. Der Vorsitzende dieser Sitzungen sollte Daten darüber sammeln, an wen sich diese Bürger im Bedarfsfall wenden können, um Hilfe zu erhalten (z.B. regional zuständige Botschaft oder regional zuständiges Konsulat von nicht vertretenen Mitgliedstaaten). Es ist vorgesehen, dass die EU-Delegationen unter bestimmten Bedingungen den Vorsitz bei diesen Sitzungen führen oder sie anderweitig unterstützen.

(4) Hilfe in Krisensituationen/Kostenerstattung

Im Hinblick auf Krisensituationen sieht der Vorschlag folgende Verbesserungen vor: Örtliche Notfallpläne müssen Bürger nicht vertretener EU-Mitgliedstaaten stets einschließen. Im Vorschlag wird die Bedeutung des federführenden Staates/der federführenden Staaten für den Schutz der Bürger nicht vertretener Mitgliedstaaten hervorgehoben, und es werden die diesbezüglichen Aufgaben festgelegt: Der federführende Staat ist für die Koordinierung und Leitung der Hilfe für die Bürger nicht vertretener EU-Mitgliedstaaten zuständig. Der federführende Staat kann dem Vorschlag zufolge zusätzliche Unterstützung des EU-Katastrophenschutzverfahrens und der Krisenbewältigungsstrukturen des EAD anfordern. Ferner ist zusätzliche Unterstützung und die Ausschöpfung von Synergien durch die Einbeziehung nationaler Konsularexperten, insbesondere der nicht vertretenen Mitgliedstaaten, in die bestehenden Interventionsteams der Union vorgesehen. Was die Aufteilung der finanziellen Lasten anbelangt, wird ein auf Krisen abgestimmtes vereinfachtes Erstattungsverfahren vorgesehen. Dazu gehören eine Vereinfachung der Information über Verfahren, an denen Konsularbehörden und Bürger beteiligt sind, die Einführung von standardisierten Antragsformularen und die Einführung eines Systems, mit dem die Kostenerstattung vereinfacht wird (in Fällen, in denen die Kosten nicht genau berechnet werden können, soll sie anteilig29 oder mit Hilfe von Pauschalsätzen 30 erfolgen). Dieses verbesserte Kostenerstattungsverfahren ergänzt die Unterstützung durch das EU-Katastrophenschutzverfahren und die Krisenbewältigungsstrukturen des EAD.

3.2 Rechtsgrundlage

Die Zuständigkeit der EU für die Annahme von Rechtsakten über den konsularischen Schutz für Bürger nicht vertretener EU-Mitgliedstaaten ist nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon in Artikel 23 Absatz 2 AEUV niedergelegt. Danach kann der Rat Richtlinien zur Festlegung der notwendigen Koordinierungs- und Kooperationsmaßnahmen zur Erleichterung des Schutzes von Bürgern nicht vertretener EU-Mitgliedstaaten erlassen. Diese Bestimmung gilt für alle Mitgliedstaaten.

3.3 Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit

Der konsularische Schutz von Bürgern eines nicht vertretenen Mitgliedstaats hat definitionsgemäß eine grenzübergreifende Dimension, da durch ihn die im Rahmen der Unionsbürgerschaft garantierten Rechte über die Grenzen der EU hinweg Geltung erhalten. Diese Initiative betrifft ein besonderes den EU-Bürgern gewährtes Recht auf konsularischen Schutz durch die konsularischen und diplomatischen Behörden eines anderen Mitgliedstaats unter den Bedingungen, die für die Staatsangehörigen des Schutz gewährenden Staates gelten. Dieses Recht ist unmittelbar mit dem Konzept der Unionsbürgerschaft und den Zuständigkeiten der Union nach dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union verbunden. Daher erscheint es angemessen, die notwendigen Koordinierungs- und Kooperationsmaßnahmen zur Erleichterung der Wahrnehmung dieses Rechts nicht in Beschlüssen der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten, sondern in der Rechtsordnung der Union zu regeln. Umsetzbarkeit und Kohärenz dieses Rechts werden durch seine Einbettung in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaten, durch das Recht der nationalen Gerichte, beim Europäischen Gerichtshof um Leitlinien zur seiner Auslegung nachzusuchen, und durch die Befugnis der Kommission, die Einhaltung zu gewährleisten, weiter verbessert.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird in diesem Vorschlag angemessen berücksichtigt, da er auf spezifische Kooperations- und Koordinierungsmaßnahmen bei häufigen Vorkommnissen (z.B. Tod, Straftaten) und auf Krisensituationen beschränkt bleibt. Er baut auf frühere Rechtsakte auf und bezieht neuere Entwicklungen, z.B. das Konzept des federführenden Staates, ein, wobei der Schwerpunkt eindeutig auf den Bürgern nicht vertretener EU-Mitgliedstaaten liegt. Der beiliegenden Folgenabschätzung ist zu entnehmen, dass der Nutzen jeder einzelnen vorgeschlagenen Änderung größeres Gewicht hat als die damit verbundenen Kosten. Insofern sind die vorgeschlagenen Maßnahmen verhältnismäßig.

3.4 Auswirkungen auf die Grundrechte

Wie in der Folgenabschätzung zu diesem Vorschlag ausführlich dargelegt, werden mit diesem Vorschlag in Einklang mit der Unionsstrategie zur wirksamen Umsetzung der Charta der Grundrechte 3 1 die darin verbrieften Rechte gestärkt. Mit dieser Reform wird insbesondere das in Artikel 46 niedergelegte Grundrecht auf konsularischen Schutz der Bürger nicht vertretener Mitgliedstaaten unter den für die Staatsangehörigen des Hilfe leistenden Staates geltenden Bedingungen gestärkt, indem der Gegenstand dieses Rechts geklärt, die notwendigen Kooperations- und Koordinierungsmaßnahmen erleichtert und die wirksame Umsetzung und Einhaltung der Vorschriften gewährleistet werden. Auch für Familienangehörige aus Drittländern werden das Recht auf die Achtung des Privat- und Familienlebens und die Rechte des Kindes (Artikel 7 und 24 der Grundrechtecharta) gestärkt. Klarer abgegrenzte Zuständigkeiten und eine bessere Verteilung der Lasten in Krisensituationen würden gewährleisten, dass auch in Krisenzeiten, wenn die Grundrechte auf dem Spiel stehen, die Nichtdiskriminierung gewährleistet ist. Über den Grundsatz der Nichtdiskriminierung hinaus werden das Recht auf Leben und Unversehrtheit sowie das Recht auf Verteidigung und ein unparteiisches Gericht (Artikel 2, 3, 21, 47 und 48 der Charta der Grundrechte) gestärkt.

Vorschlag für Richtlinie des Rates über den konsularischen Schutz von Unionsbürgern im Ausland (Text von Bedeutung für den EWR)

DER Rat der Europäischen Union - gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 23, auf Vorschlag der Europäischen Kommission, nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente, nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments, gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren, in Erwägung nachstehender Gründe:

HAT folgende Richtlinie Erlassen:

Kapitel 1
Allgemeine Bestimmungen

Artikel 1
Gegenstand

In dieser Richtlinie werden die Kooperations- und Koordinierungsmaßnahmen festgelegt, die notwendig sind, um Unionsbürgern im Hoheitsgebiet eines Drittlands, in dem der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, nicht vertreten ist, die Wahrnehmung ihres Rechts auf Schutz durch die diplomatischen oder konsularischen Behörden eines anderen Mitgliedstaats zu den für die Angehörigen dieses Mitgliedstaats geltenden Bedingungen zu erleichtern.

Artikel 2
Schutzberechtigte Personen

Artikel 3
Nichtvorhandensein einer Vertretung

Artikel 4
Zugang zum konsularischen Schutz

Artikel 5
Identitätsnachweis

Artikel 6
Art der Hilfe

Artikel 7
Allgemeiner Grundsatz

Die diplomatischen und konsularischen Behörden der Mitgliedstaaten arbeiten eng zusammen und stimmen sich untereinander und mit der Union ab, um den Schutz von Bürgern nicht vertretener Mitgliedstaaten unter denselben Bedingungen wie für eigene Staatsangehörige zu gewährleisten. Leisten ein Konsulat oder eine Botschaft dem Bürger eines nicht vertretenen Mitgliedstaats Hilfe, so wird das regional zuständige nächstgelegene Konsulat, die regional zuständige nächstgelegene Botschaft oder das Außenministerium des Mitgliedstaats kontaktiert, dessen Staatsangehörigkeit der Bürger besitzt. Die Mitgliedstaaten geben die zuständigen Ansprechpartner in den Außenministerien dem Europäischen Auswärtigen Dienst bekannt, der die entsprechenden Angaben auf seiner gesicherten Internetsite laufend aktualisiert.

Artikel 8
Festnahme oder Inhaftierung

Artikel 9
Opfer von Straftaten

Artikel 10
Schwerer Unfall oder schwere Erkrankung

Artikel 11
Todesfall

Kapitel 3
Finanzverfahren

Artikel 12
Allgemeine Bestimmungen

Ersucht der Bürger eines nicht vertretenen Mitgliedstaats um Hilfe in Form finanzieller Vorleistungen oder einer Rückführung, gilt vorbehaltlich Artikel6 Absatz 1 folgendes Verfahren:

Artikel 13
Vereinfachtes Verfahren in Krisensituationen

Kapitel 4
Zusammenarbeit und Koordinierung vor Ort und in Krisensituationen

Artikel 14
Zusammenarbeit vor Ort

Bei Kooperationssitzungen vor Ort findet in Bezug auf die Bürger nicht vertretener Mitgliedstaaten ein regelmäßiger Informationsaustausch unter anderem über die Sicherheit der Bürger, die Haftbedingungen oder den konsularischen Zugang statt. Sofern von den Außenministerien nicht zentral etwas anderes vereinbart wird, wird vor Ort entschieden, ob der Vertreter eines Mitgliedstaats oder die Unionsdelegation den Vorsitz führt. Der Vorsitz sammelt die Kontaktdaten insbesondere der Kontaktstellen der nicht vertretenen Mitgliedstaaten, aktualisiert sie regelmäßig und übermittelt sie den Botschaften, Konsulaten und der Unionsdelegation vor Ort.

Artikel 15
Zusammenarbeit in Krisensituationen

Artikel 16
Federführender Staat

Kapitel 5
Schlussbestimmungen

Artikel 17
Günstigere Behandlung

Die Mitgliedstaaten können günstigere Bestimmungen einführen oder beibehalten, sofern sie mit dieser Richtlinie vereinbar sind.

Artikel 18
Umsetzung

Artikel 19
Aufhebung

Der Beschluss 95/553/EG wird mit Wirkung vom [...] aufgehoben.

Artikel 20
Überwachung und Bewertung

Die Mitgliedstaaten stellen der Kommission alle relevanten Informationen betreffend die Wahrnehmung des Rechts der Bürger nicht vertretener Mitgliedstaaten und die praktische Umsetzung dieser Richtlinie sowie eine jährliche Übersicht über statistische Angaben und einschlägige Fälle zur Verfügung. Die Kommission legt dem Europäischen Parlament, dem Rat, dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und dem Ausschuss der Regionen bis zum [...] einen Bericht über die Umsetzung dieser Richtlinie vor.

Artikel 21
Inkrafttreten

Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Artikel 22

Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Geschehen zu
Im Namen des Rates
Der Präsident

Anhang 1

A. Formular für Anträge auf Kostenerstattung (Artikel 12)

A. Gemeinsames Formular - Rückzahlungsverpflichtung (finanzielle Hilfe)

Anhang 2

A. Formular für Anträge auf Kostenerstattung bezüglich Krisensituationen (Artikel 13)

A. Pauschalbeträge

Art der HilfePauschalbetrag
Evakuierung - LangstreckenreisePreis des letzten verfügbaren Flugscheins
einer kommerziellen Fluglinie: Ort der
Evakuierung - Bestimmungsort (ODER
1 000 EUR)
Interne Beförderung an einen sicheren Ort150 EUR
Ärztliche Betreuung2 500 EUR
Aufenthaltskosten (Unterkunft und
Verpflegung)
200 EUR (pro Tag)