Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Die Verfahren für die Kontrolle der Tätigkeiten von Europol durch das Europäische Parlament unter Beteiligung der nationalen Parlamente KOM (2010) 776 endg.

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Hinweis: vgl.
Drucksache 031/07 (PDF) = AE-Nr. 070052,
Drucksache 616/09 (PDF) = AE-Nr. 090467 und
Drucksache 246/10 (PDF) = AE-Nr. 100286

Brüssel, den 17.12.2010 KOM (2010) 776 endgültig

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat - Die Verfahren für die Kontrolle der Tätigkeiten von Europol durch das Europäische Parlament unter Beteiligung der nationalen Parlamente

1. Einleitung: die Parlamentarische Kontrolle von EUROPOL

Geltende Rechtsgrundlage für die Errichtung von Europol ist der einschlägige Ratsbeschluss vom 6. April 20091, durch den das 1998 in Kraft getretene2 und im Jahr 2007 durch das Inkrafttreten von drei Protokollen3 geänderte Europol-Übereinkommen aufgehoben wurde.

Der Ratsbeschluss stellte in erster Linie darauf ab, die damalige Rechtsgrundlage von Europol durch ein Instrument zu ersetzen, das flexibler als ein internationales Abkommen war. Zudem wurde die auf zwischenstaatlicher Ebene vollzogene Finanzierung durch einen Zuschuss aus dem Haushaltsplan der Gemeinschaft ersetzt, wodurch Europol der Status einer EU-Agentur verliehen wurde. Der Aufbau von Europol als einer für die Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden zuständigen EU-Einrichtung, die mit der Sammlung, dem Austausch und der Analyse von Informationen über grenzüberschreitende, zwei oder mehr Mitgliedstaaten betreffende Straftaten befasst ist, blieb im Wesentlichen unverändert, das Mandat von Europol hingegen wurde von der "organisierten Kriminalität" auf "Formen schwerer Kriminalität" ausgeweitet. Darüber hinaus wurden durch den Beschluss weitere Änderungen vorgenommen, die aber am grundsätzlichen Auftrag von Europol, das nach wie vor eine nicht mit Zwangsbefugnissen ausgestattete Unterstützungsstelle für Strafverfolgungsbehörden ist, nichts änderten.

Der Ratsbeschluss trat am 1. Januar 2010, einen Monat nach dem Inkrafttreten des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), in Kraft.

Artikel 88 AEUV sieht eine neue rechtliche Regelung für Europol vor. Er besagt, dass die Tätigkeit von Europol durch gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (d.h. nach dem Mitentscheidungsverfahren) erlassene Verordnungen geregelt wird. Ein Aspekt dieser künftigen Verordnungen des Europäischen Parlaments und des Rates, durch die u.a. der Aufbau und die Aufgaben von Europol festgelegt werden sollen, sind die Verfahren für die Kontrolle der Tätigkeiten von Europol durch das Europäische Parlament unter Beteiligung der nationalen Parlamente. Die Kommission wurde im Stockholmer Programm4 ersucht, ein Diskussionspapier zu diesen Verfahren vorzulegen.

Über den künftigen Rechtsrahmen für Europol werden gegenwärtig unter Anleitung durch die Kommission Überlegungen angestellt, in die alle Organe und sonstige Beteiligte, insbesondere Vertreter des Europäischen Parlaments und des Rates, eingebunden sind. Im weiteren Verlauf der Erörterungen werden die Organe ersucht werden, konkrete Vorschlage zu unterbreiten, wie Mechanismen einer parlamentarischen Kontrolle in Übereinstimmung mit Artikel 88 AEUV eingeführt und wirksam in die Praxis umgesetzt werden könnten.

Das Europäische Parlament und insbesondere der von diesem eingesetzte Ausschuss für Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten (LIBE) haben in den vergangenen zehn Jahren diverse Entschließungen und Diskussionspapiere zum Thema demokratische Kontrolle angenommen.

Ferner hat der schwedische Ratsvorsitz im Jahr 2001 eine Übersicht aller Rechtsvorschriften über die demokratische Kontrolle von Europol sowie Vorschläge zur Ausweitung der Rolle des Europäischen Parlaments in den im Zusammenhang mit Europol stehenden Fragen5 vorgelegt.

Diese Beiträge bezogen sich auf die Bestimmungen des Europol-Übereinkommens und auf die Legislativvorschläge für die drei genannten Protokolle zu dessen Änderung. In dieser Mitteilung wird darüber hinaus auf den Standpunkt eingegangen, den das Europäische Parlament bezüglich des Vorschlags für einen Ratsbeschluss zur Errichtung von Europol vertreten hat.

Europol ist die erste EU-Einrichtung, die auf dem Gebiet der polizeilichen Zusammenarbeit tätig ist. Als die laufende Debatte ihren Anfang6 nahm, wurden Entscheidungen in diesem Bereich überwiegend auf zwischenstaatlicher Ebene getroffen, so dass der Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts nur am Rande berührt wurde und das Europäische Parlament mithin nur sehr begrenzte Eingriffsmöglichkeiten hatte. In der ursprünglichen Fassung des Übereinkommens war die parlamentarische Kontrolle auf einen vom Ratsvorsitz weiterzuleitenden jährlichen Sonderbericht über die Tätigkeiten von Europol und auf eine Konsultation zu etwaigen Änderungen des Übereinkommens begrenzt. Das Europäische Parlament war der Auffassung, dass die Mitwirkung von Europol bei polizeilichen Tätigkeiten sowie die zentrale Rolle, die Europol beim Informationsaustausch zwischen nationalen Strafverfolgungsdiensten einnahm, einer über die Bestimmungen des Übereinkommens hinausgehenden parlamentarischen Kontrolle bedurfte. Die Verarbeitung von Informationen und insbesondere von personenbezogenen Daten, die ja ein zentrales Thema der EU ist, kann sich auf die Grundrechte des Einzelnen - und insbesondere eben auf das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten - auswirken. Daher wurde eine stärkere parlamentarische Kontrolle als geeignetes Mittel für eine Verbesserung der demokratischen Legitimität in diesem Bereich gesehen.

Diese Mitteilung fasst die Überlegungen und Meinungen zusammen, die in der Vergangenheit zum Thema parlamentarische Kontrolle von Europol geäußert worden sind, und gibt einen Überblick über die derzeitigen Kontrollen der Tätigkeit von Europol. Auf dieser Grundlage werden sodann Schlussfolgerungen gezogen und Empfehlungen vorgestellt, die als Grundlage für künftige Diskussion dienen können. Einige der unterbreiteten Vorschläge könnten im Rahmen der geltenden Rechtsgrundlage für Europol umgesetzt werden, andere würden weitere Überlegungen erfordern und könnten in den neuen Vorschlag für eine Europol-Verordnung (unter anderem mit einer Änderung der Rechtsgrundlage nach Maßgabe von Artikel 88 AEUV) einfließen, den die Kommission im Anschluss an eine Evaluierung des geltenden Ratsbeschlusses und eine Folgenabschätzung spätestens im Jahr 2013 vorzulegen beabsichtigt.

2. die Parlamentarische Kontrolle der Tätigkeiten von EUROPOL nach dem geltenden Rechtsrahmen

Durch den Ratsbeschluss zur Errichtung von Europol sind dem Europäischen Parlament neue Befugnisse übertragen worden. Das Verhältnis zwischen Europol und dem Europäischen Parlament hat sich somit radikal verändert: Dadurch, dass Europol in den Rechtsrahmen der EU integriert wurde, ist das Europäische Parlament nunmehr direkt in die Steuerung der Tätigkeit dieser neuen Struktur eingebunden - nicht zuletzt in seiner Eigenschaft als Teil der Haushaltsbehörde.

2.1. Europäisches Parlament

Haushaltsverfahren

Was den Einfluss des Europäischen Parlaments anbelangt, resultiert die bemerkenswerteste Neuerung des Ratsbeschlusses daraus, dass sich der Status von Europol von einer zwischenstaatlichen Einrichtung zu einer EU-Einrichtung ändert, was eine direkte Finanzierung aus dem EU-Haushalt mit sich bringt. Es bedeutet zudem, dass Europol künftig der Haushaltsordnung unterliegt. Das Europäische Parlament kann somit in seiner Eigenschaft als Teil der Haushaltsbehörde künftig unmittelbaren Einfluss auf die Tätigkeiten von Europol nehmen7.

Auch ist das Europäische Parlament für die Kontrolle des Haushalts zuständig 8. Es erteilt dem Direktor von Europol unter Berücksichtigung einer Empfehlung des Rates die Entlastung für die Ausführung des Haushaltsplans. Zudem ist Europol verpflichtet, dem Europäischen Parlament auf dessen Anfrage alle Informationen zu übermitteln, die für die ordnungsgemäße Abwicklung des Entlastungsverfahrens für das betreffende Haushaltsjahr erforderlich sind.

Direkter Austausch mit dem Europäischen Parlament

Durch eine neue Bestimmung des Beschlusses ist die Möglichkeit für einen regelmäßigen förmlichen Austausch zwischen dem Europäischen Parlament und Europol geschaffen worden: Das Europäische Parlament kann künftig jederzeit darum ersuchen, dass der Vorsitz des Rates, der Vorsitzende des Verwaltungsrates und der Direktor vor dem Europäischen Parlament auftreten, um Europol betreffende Angelegenheiten (unter Berücksichtigung der Verpflichtung zur Zurückhaltung und Verschwiegenheit) zu erörtern9. Besonders wichtig ist, dass künftig die Verpflichtung besteht, derartigen Ersuchen des Europäischen Parlaments nachzukommen. Auch dies ist eine wichtige Neuerung, weil das Europäische Parlament somit die Möglichkeit erhält, den Direktor selbst zu befragen. Auch ist eine solch strenge Verpflichtung ein Novum im Bereich Justiz und Inneres.

Anhörung des Europäischen Parlaments zu Durchführungsmaßnahmen

Das Europäische Parlament ist zu allen Maßnahmen zur Durchführung der geltenden Rechtsgrundlage (Ratsbeschluss) anzuhören.

Der Ratsbeschluss enthält eine Reihe von Bestimmungen über die dem Europäischen Parlament zur Verfügung zu stellenden Informationen. Gegenüber dem dritten Protokoll zur Änderung des Europol-Übereinkommens von 2003 handelt es sich dabei um eine Verbesserung:

Unterrichtung des Europäischen Parlaments durch den Rat

Der Rat genehmigt alljährlich folgende Dokumente10 und leitet sie zur Information an das Europäische Parlament weiter:

Unterrichtung des Europäischen Parlaments durch die gemeinsame Kontrollinstanz12

Die gemeinsame Kontrollinstanz erstellt in regelmäßigen Abständen Tätigkeitsberichte und leitet sie dem Europäischen Parlament und dem Rat zu13.

2.2. Nationale Parlamente

Die Kontrolle der Tätigkeiten von Europol durch die nationalen Parlamente erfolgt im Wege der Kontrolle der nationalen Regierungen durch die Parlamente gemäß dem Verfassungsrecht der einzelnen Mitgliedstaaten.

Verantwortlich für die Leitung und Kontrolle von Europol ist dessen Verwaltungsrat. Dieser setzt sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammen und berichtet dem Rat. Die für Europol-Angelegenheiten zuständigen Ratsmitglieder (d.h. die Innen- und die Justizminister) unterliegen der Kontrolle durch ihre nationalen Parlamente.

Jeder dieser Minister hat sein nationales Parlament in geeigneter Weise über die Arbeitsweise von Europol zu informieren und ist für die Europol-Politik seines Ministeriums verantwortlich. Europol unterliegt somit bereits einer Kontrolle durch die nationalen Parlamente.

Wie in Abschnitt 3.2 näher ausgeführt wird, werden die derzeit geltenden Praktiken der parlamentarischen Kontrolle von Europol im vorbereitenden Bericht des Sekretariats der Ausschüsse für Gemeinschafts- und Europa-Angelegenheiten der Parlamente der Europäischen Union (COSAC) für die 41. COSAC-Konferenz beschrieben14.

Die Kontrolle ist gleichwohl von Land zu Land unterschiedlich. So ist in einigen Mitgliedstaaten die vom Parlament ausgeübte Kontrolle von Europol auf eine dokumentengestützte Adhoc-Kontrolle bei der Erörterung von Rechtsakten (z.B. von Legislativvorschlägen zur Änderung der Kompetenzen von Europol) begrenzt. Beispielsweise erfolgte in Bezug auf den Ratsbeschluss über die Errichtung von Europol in einigen Mitgliedstaaten eine Exante-Kontrolle durch die nationalen Parlamente15.

Andere Parlamente haben ihr Recht, die Regierung in EU-Angelegenheiten zur Rechenschaft zu ziehen, dazu genutzt, zu einem beliebigen Zeitpunkt Informationen über Europol zu erhalten (Belgien und Frankreich). Daneben bestehen weitere Praktiken wie direkte Beziehungen zwischen dem nationalen Parlament und dem Landesvertreter im Verwaltungsrat von Europol oder alljährlich stattfindende Erörterungen der Berichte über Europol.

In Dänemark und in Irland hat die Regierung die Zustimmung des Parlaments einzuholen, bevor sie im Rat der Mitwirkung ihres Landes bei Maßnahmen im Bereich Justiz und Inneres zustimmen kann. Europol-Angelegenheiten werden jeweils erörtert, wenn sie auf der Tagesordnung einer anstehenden Sitzung des Rates der Justiz- und Innenminister stehen. Auf diese Weise kann das nationale Parlament unmittelbar auf Europol betreffende Entscheidungen Einfluss nehmen.

Bezüglich der Möglichkeit einer künftigen Zusammenarbeit zwischen den nationalen Parlamenten heißt es in dem genannten Halbjahresbericht, dass die nationalen Parlamente Europol gegenwärtig im Rahmen der allgemeinen Kontrolle der in den Bereich Justiz und Inneres fallenden Angelegenheiten kontrollieren - teils über den Ausschuss für EU-Angelegenheiten, teils über die Fachausschüsse und teils über beides.

3. Die Debatte über die Parlamentarische Kontrolle von EUROPOL

Der in Abschnitt 2 beschriebene geltende Rahmen für die parlamentarische Kontrolle von Europol spiegelt die Entwicklung wider, die die Debatte über dieses Thema in den vergangenen zehn Jahren genommen hat. Darüber hinaus trägt diese Mitteilung auch den Auffassungen Rechnung, die in der Vergangenheit mit Blick auf eine geeignete parlamentarische Kontrolle von Europol zum Ausdruck gebracht worden sind.

3.1. Der Standpunkt des Europäischen Parlaments

Verankerung im Gemeinschaftsrecht und Finanzierung aus dem Gemeinschaftshaushalt

Das Europäische Parlament hat insbesondere für den Fall der Fortentwicklung Europols zu einer europäischen Polizeieinheit mit grenzüberschreitenden operativen Befugnissen wiederholt eine Verankerung von Europol auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene gefordert und zudem vorgeschlagen, den Haushalt von Europol in den Gemeinschaftshaushalt zu übernehmen. Da das Verfahren zur Änderung des Übereinkommens sehr langwierig und umständlich ist, bestand das Europäische Parlament auf dessen Ersetzung durch einen Ratsbeschluss.

Unterrichtung und Anhörung des Europäischen Parlaments

Die (bloße) Unterrichtung durch einen jährlichen Sonderbericht über die Tätigkeit von Europol wurde für unzureichend befunden.

Das Europäische Parlament forderte daher, regelmäßig (vierteljährlich) über die Tätigkeiten von Europol unterrichtet zu werden. Außerdem drängte es den Rat, dem im ehemaligen Vertrag über die Europäische Union verankerten Recht, informiert und angehört zu werden, Rechnung zu tragen. Insbesondere erwartete das Europäische Parlament, zu einer breiten Palette von Themen im Zusammenhang mit der Arbeitsweise von Europol zu Rate gezogen zu werden, und es forderte zudem, dass seine Auffassungen gebührend berücksichtigt werden sollten.

Im Jahr 2001 brachte das Europäische Parlament den Wunsch zum Ausdruck, bei der Festlegung der Prioritäten der Tätigkeiten von Europol zu Rate gezogen zu werden.

Stärkung der Verfahren für die parlamentarische Kontrolle

Die bestehenden Verfahren für die Kontrolle durch die nationalen Parlamente wurden vom Europäischen Parlament als umständlich und ineffizient empfunden, was auf die zwischenstaatliche Stellung von Europol zurückgeführt wurde. Das Europäische Parlament rief den Rat daher dazu auf, in einem künftigen EU-Vertrag Bestimmungen über eine umfassende parlamentarische Kontrolle von Europol auf europäischer Ebene vorzusehen. Im Jahr 2001 forderte das Europäische Parlament die Europäische Kommission auf, einen Vorschlag für eine umfassende Revision des Europol-Übereinkommens nach den besten Standards für die demokratische Kontrolle der Polizeibehörden in den Mitgliedstaaten vorzulegen.

Im Vorgriff auf die Annahme eines Ratsbeschlusses wurde gefordert, dass die Verfahren zur Kontrolle von Europol durch die nationalen Parlamente und durch das Europäische Parlament nicht weniger streng als die auf Änderungen des Übereinkommens angewendeten Bestimmungen (Ratifizierungsverfahren) sein sollten. Die Mitgliedstaaten wurden deshalb aufgefordert, zu erörtern, wie ihre nationalen Parlamente in die Annahme etwaiger Änderungen des Ratsbeschlusses über die Errichtung von Europol eingebunden werden konnten17.

Zusammenarbeit zwischen den Parlamenten und Ausübung bestehender Rechte durch die nationalen Parlamente

Das Europäische Parlament hat die nationalen Parlamente gedrängt, ihr Recht und ihre Pflicht zur Kontrolle des Handelns der für Europol zuständigen Ratsmitglieder sowie der in den Europol-Verwaltungsrat entsandten einzelstaatlichen Vertreter konsequent wahrzunehmen und dabei mit dem Europäischen Parlament eng zusammenzuarbeiten.

Ausweitung der Befugnisse von Europol

In seiner Entschließung von 1996 hatte das Europäische Parlament gefordert, das Europol-Übereinkommen mit Blick auf die Frage zu überprüfen, ob Europol im Rahmen seiner Zuständigkeiten eigene Ermittlungszuständigkeit übertragen werden sollten. Außerdem hatte es gefordert, Europol "operative Befugnisse" (was als Zwangsbefugnisse interpretiert wird) einzuräumen, "wenn die Behörde den Weisungen der Europäischen Kommission untersteht, und wenn ein solches Europäisches Polizeiamt sowohl dem Europäischen Parlament als auch den nationalen Parlamenten Rechenschaft abzulegen hat." 18

Später forderte das Europäische Parlament den Rat auf, Europol keine grenzübergreifenden operativen Befugnisse zu verleihen, ohne einen geeigneten, sich auf das Gemeinschaftsrecht gründenden Kontrollmechanismus vorzusehen, an dem das Europäische Parlament zu beteiligen sei. Im Jahr 2007 bekräftigte das Europäische Parlament erneut, die Verleihung geeigneter operativer Befugnisse und die Verbesserung der demokratischen Kontrolle seien untrennbar mit einander verbunden.

Konkret wurde Folgendes vorgeschlagen:

Möglichkeit der Einrichtung eines interparlamentarischen Ausschusses

Es könnte vorgesehen werden, dass der Ratsvorsitz bzw. seine Vertreter vor einem gemeinsamen Ausschuss, der vom Europäischen Parlament in Zusammenarbeit mit den nationalen Parlamenten eingerichtet werden kann, erscheinen, um Fragen und Probleme in Bezug auf Europol zu diskutieren.

Erhöhung der Transparenz durch einen verbesserten Informationsaustausch

Vorgeschlagen wurde insbesondere, dass dem Europäischen Parlament das Recht zuerkannt werden sollte, um einen Meinungsaustausch mit dem Direktor oder dem Ratsvorsitz über den jährlichen Sonderbericht und den Datenschutzbericht zu ersuchen. Zudem wurde vorgeschlagen, dem Europäischen Parlament das formelle Recht zuzuerkennen, den Direktor von Europol zu ersuchen, vor dem zuständigen Parlamentsausschuss zu erscheinen bzw. den Direktor zu berechtigen, auf Einladung oder auf eigenen Wunsch dort aufzutreten.

Mitwirkung bei der Ernennung bzw. Entlassung des Direktors von Europol

Das Europäische Parlament hat wiederholt gefordert, gemeinsam mit dem Rat in die Verfahren zur Ernennung bzw. Entlassung des Direktors und der stellvertretenden Direktoren von Europol eingebunden zu werden19. Laut der Entschließung von 1996 sollte dabei "seine Auffassung gebührend zu berücksichtigen" sein.

Vertreter des Europäischen Parlaments im Verwaltungsrat von Europol

Vorgeschlagen wurde, dass sich der Verwaltungsrat nicht nur aus je einem Vertreter je Mitgliedstaat und zwei Vertretern der Kommission, sondern zusätzlich aus zwei Vertretern des Europäischen Parlaments zusammensetzen sollte, wobei jedes Mitglied des Verwaltungsrates über eine Stimme verfügen sollte20.

Durch das im April 2007 in Kraft getretene dritte Protokoll zum Europol-Übereinkommen wurden gleichwohl einige Verbesserungen in Bezug auf das Recht des Europäischen Parlaments auf Unterrichtung und Anhörung eingeführt. Insbesondere wurde vorgesehen, dass der Rat das Europäische Parlament zu jedweder Initiative eines Mitgliedstaats oder zu allen Vorschlägen der Kommission hinsichtlich des Erlasses von Maßnahmen zu bestimmten Aspekten der Tätigkeit von Europol konsultiert.21 Außerdem wurde die Möglichkeit geschaffen, dass der Vorsitz des Rates mit oder ohne Unterstützung durch den Direktor von Europol an Sitzungen des Europäischen Parlaments zur Erörterung von allgemeinen Fragen im Zusammenhang mit Europol teilnimmt.22

Somit wurde durch diese Abänderungen des Europol-Übereinkommens zumindest einigen der vom Europäischen Parlament in den ersten Jahren der Tätigkeit von Europol geäußerten Anliegen nachgekommen.

Nachdem das Europäische Parlament über den Vorschlag der Kommission für einen Beschluss des Rates zur Errichtung von Europol in Kenntnis gesetzt worden war, nahm es zu dem Vorschlag in einer legislativen Entschließung vom 17. Januar 0823 Stellung.

Die Kommission war in ihrem Vorschlag einigen der wichtigsten Empfehlungen des Europäischen Parlaments nachgekommen. So wird Europol durch den Rahmenbeschluss sowohl in Bezug auf seine Rechtsgrundlage als auch in Bezug auf seine Finanzierung in den institutionellen Rahmen der EU eingebunden. Durch Europols künftige Stellung als Gemeinschaftseinrichtung erhöhen sich die Möglichkeiten für eine parlamentarische Kontrolle, weil das Europäische Parlament im Wege seiner obligatorischen Anhörung in das Verfahren zur Annahme von Durchführungsbeschlüssen eingebunden ist und - was noch wichtiger ist - weil es eine fundamentale Rolle bei der Annahme des Haushaltsplans einschließlich des Stellenplans und beim Entlastungsverfahren innehat.

Zudem wurde letztendlich auch die Forderung erfüllt, im Ratsbeschluss vorzusehen, dass der Vorsitz des Rates, der Vorsitzende des Verwaltungsrates und der Direktor auf Ersuchen des Europäischen Parlaments vor diesem auftreten, "um Europol betreffende Angelegenheiten zu erörtern" .24

Die 55 Änderungsanträge, die das Europäische Parlament zu verschiedenen Aspekten des Beschlussvorschlags gestellt hat, lassen sich zu drei Hauptvorschlägen für eine verbesserte demokratische Rechenschaftspflicht und Leitung zusammenfassen:

Verbesserung der parlamentarischen Kontrolle (insbesondere durch einen interparlamentarischen Ausschuss)

Das Europäische Parlament stellte fest, dass nach der erfolgten Ausweitung der operativen Befugnisse von Europol weitere Verbesserungen der demokratischen Rechenschaftspflicht des Polizeiamts erforderlich waren und beantragte daher die Änderung, dass die Prioritäten von Europol für das darauffolgende Jahr vom Vorsitzenden des Verwaltungsrates oder vom Direktor von Europol "vor einem Gemischten Ausschuss aus Mitgliedern des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente" vorgestellt werden, "um eine demokratische Debatte mit der Zivilgesellschaft und eine bessere Kontrolle der Tätigkeiten von Europol zu gewährleisten"25.

Falls

Die vorgeschlagene Übermittlung der Entwürfe der jährlichen Planungsdokumente an das Europäische Parlament (nicht jedoch an die nationalen Parlamente) wurde akzeptiert - wenngleich nicht zu Konsultations-, sondern lediglich zu Informationszwecken. Trotzdem hat das Europäische Parlament dadurch eine wesentliche Einflussmöglichkeit im Haushaltsverfahren erlangt.

Der Vorschlag eines obligatorischen Auftretens vor dem interparlamentarischen Ausschuss wurde vom Rat nicht aufgegriffen und findet sich daher auch nicht im Ratsbeschluss wieder. Auch haben das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente keinen derartigen Ausschuss eingerichtet.

Einbindung des Europäischen Parlaments in die Ernennung des Direktors von Europol

Das Europäische Parlament hatte den Wunsch, das Recht zuerkannt zu bekommen, die Kandidaten zu befragen, eine Stellungnahme abzugeben und eine Rangliste zu erstellen. Zudem sah sein Vorschlag vor, dass der Verwaltungsrat die Stellungnahme bei der Ernennung des Direktors berücksichtigen müsste. Dieser Vorschlag wurde nicht aufgegriffen.

Schärfere Datenschutzbestimmungen

Das Europäische Parlament misst der Verbesserung der Datenschutzbestimmungen durch zusätzliche Absicherungen große Bedeutung bei. Dies schließt die Berücksichtigung des "Niveaus der Beachtung von Menschenrechten, Demokratie und Rechtstaatlichkeit"27 bei den Beziehungen zwischen Europol und Drittländern ein.

Der Vorschlag, das Europäische Parlament direkt in die Prozesse des Datenschutzes einzubinden, wurde nicht aufgegriffen.

3.2. Die Ansichten der nationalen Parlamente

Die nationalen Parlamente haben vor allem die COSAC als Forum für die Vorstellung ihrer Pläne für die Kontrolle Europols durch die nationalen Parlamente genutzt.

Die COSAC haben sich für eine konzertierte parlamentarische Kontrolle von Europol durch das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente ausgesprochen. Ohne darauf einzugehen, wie gut funktionierende Verfahren eingeführt werden könnten, wurde gefordert, die nationalen Parlamente an der Diskussion über die Umsetzung einer demokratischen Kontrolle zu beteiligen und sie zu diesem Thema anzuhören28.

Zur Vorbereitung der 41. Konferenz im Jahr 2009 stellte das COSAC-Sekretariat einen interessanten Bericht zusammen, der sich auf an die Parlamente sämtlicher Mitgliedstaaten versandte Fragebögen gründete. Der Bericht befasst sich u.a. mit der parlamentarischen Kontrolle von Europol und gibt diesbezüglich einen Überblick über die Situation in den einzelnen Mitgliedstaaten und die Vorschläge der nationalen Parlamente zu diesem Thema29.

Vorschläge zur praktischen Umsetzung der parlamentarischen Zusammenarbeit nach Artikel 88 AEUV30.

Zahlreiche nationale Parlamente haben sich dafür ausgesprochen, Sitzungen des Gemeinsamen Ausschusses oder gemeinsame parlamentarische Tagungen als Instrumente für eine effiziente Zusammenarbeit zwischen den Parlamenten zu nutzen. Bezüglich der Zusammensetzung reichen die betreffenden Vorschläge von einem Rückgriff auf bestehende interparlamentarische Zusammenkünfte über die Einrichtung eines spezifischen gemischten Ausschusses aus Mitgliedern der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments bis hin zur Stärkung der Rolle der bestehenden COSAC. Ebenso wurde eine Kombination dieser Möglichkeiten in Betracht gezogen.

In dem genannten Bericht wird eine breite Palette von Auffassungen bezüglich der Rolle, die die COSAC bei der Kontrolle der Tätigkeiten von Europol spielen könnten, zum Ausdruck gebracht. Einige Parlamente haben vorgeschlagen, dass die COSAC als Forum für Diskussionen sowie für den Austausch von Ideen, Informationen und bewährten Praktiken im Zusammenhang mit der demokratischen Kontrolle von Europol dienen könnten. Einige Parlamente haben zudem angeregt, dass der Direktor von Europol zu diesen Diskussionen eingeladen werden sollte, um regelmäßig über die Tätigkeiten von Europol zu berichten und dass die Kontrolle der Tätigkeiten von Europol ein regelmäßiger Tagesordnungspunkt der Zusammenkünfte der COSAC sein sollte. Andere Parlamente wiederum haben (wie auch das Europäische Parlament) Bedenken geltend gemacht, dass derartige Tätigkeiten nicht mit der geltenden Rolle der COSAC vereinbar und eher eine Angelegenheit für einen Fachausschuss des Europäischen Parlaments wären.

Verbesserung der parlamentarischen Kontrolle auf nationaler Ebene nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon 31

Die meisten Parlamente scheinen dieses Thema nicht vertiefend erörtert zu haben, denn es wurden nur einige wenige konkrete Änderungsvorschläge erwähnt. Einige Parlamente hatten gleichwohl schon ihre künftige Mitwirkung geplant und zu diesem Zweck beispielsweise die Einsetzung einer spezifischen Taskforce sowie Zusammenkünfte mit zuständigen Parlamentsabgeordneten und Regierungsvertretern sowie eine Evaluierung des bestehenden Kontrollsystems ins Auge gefasst.

Die demokratische Kontrolle von Europol war ferner Diskussionsthema einer speziell dieser Frage gewidmeten interparlamentarischen Konferenz in Den Haag im Jahr 2001.

Im Entwurf der Abschlussentschließung der Konferenz wurden erstmals konkrete Vorschläge für eine Kontrolle von Europol durch die nationalen Parlamente gemacht32.

Die Hauptempfehlung stellte auf die Einsetzung eines "Parlopol-Ausschusses" ab. "Parlopol" war als Netz für den Informationsaustausch und konzertierte Initiativen gedacht und sollte sich aus nationalen und europäischen Abgeordneten zusammensetzen, die mit polizeilichen und justiziellen Angelegenheiten befasst waren, welche Gegenstand der EU-Zusammenarbeit bzw. -Integration im Ministerrat oder in den Leitungsgremien von Europol sind.

Ein derartiges Netz könnte auch ein konzertiertes Vorgehen im Wege verschiedener nationaler Kontrollmechanismen über die Regierungsvertreter der Mitgliedstaaten erleichtern. Wie aus dem im Jahr 2009 vorgelegten Bericht der COSAC hervorgeht, war es für die nationalen Parlamente schwierig, allein ausreichend Informationen über die einschlägigen Beschlüsse des Ministerrates und des Verwaltungsrates von Europol zusammenzutragen.

4. Ausblick auf die Zukunft: EUROPOL im neuen institutionellen Rahmen

Durch den Vertrag von Lissabon sind einige Neuerungen eingeführt wurden, die sich direkt auf die weitere Entwicklung von Europol und seine parlamentarische Kontrolle auswirken werden.

4.1. Übertragung von Zwangsbefugnissen — Artikel 88 Absatz 3 AEUV

Die etwaige Ausweitung des Auftrags von Europol auf Zwangsmaßnahmen ist schon seit über einem Jahrzehnt ein Thema. In den betreffenden Diskussionen wurde eine solche Einführung von Zwangsbefugnissen stets an die Vorbedingung einer größeren parlamentarischen und richterlichen Kontrolle von Europol geknüpft. So wies die Kommission in ihrer einschlägigen Mitteilung aus dem Jahr 0233 darauf hin, dass, falls Europol mit Ermittlungsbefugnissen ausgestattet würde, weiter gehende Maßnahmen ergriffen werden müssten. Zu einer ähnlichen Schlussfolgerung gelangte zuletzt auch das im Februar 2007 vorgelegte Arbeitsdokument des Berichterstatters des LIBE-Ausschusses34.

Eine solche Entwicklung ist aber inzwischen nicht mehr möglich. So schließt Artikel 88 Absatz 3 AEUV jegliche Übertragung von Zwangsbefugnissen für die weitere Zukunft aus: "Europol darf operative Maßnahmen nur in Verbindung und in Absprache mit den Behörden des Mitgliedstaats oder der Mitgliedstaaten ergreifen, deren Hoheitsgebiet betroffen ist. Die Anwendung von Zwangsmaßnahmen bleibt ausschließlich den zuständigen einzelstaatlichen Behörden vorbehalten."

Europol verfügt über keine Befugnisse wie sie üblicherweise nationalen Polizeikräften übertragen werden (z.B. die Befugnis zu Festnahmen, Hausdurchsuchungen oder Abhörmaßnahmen). Die Bestimmung, dass Europol berechtigt ist, um Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen zu ersuchen35, ermöglicht Europol zwar in bestimmten Fällen, darauf hinzuwirken, dass Maßnahmen ergriffen werden, aber Europol kann keinen Mitgliedstaat zu solchen Maßnahmen zwingen. Europol darf keine eigenen Ermittlungen in den Mitgliedstaaten durchführen. Gleiches gilt für die Teilnahme von Europol an gemeinsamen Ermittlungsgruppen 36 : Europol hat hierbei lediglich unterstützende Funktion, während etwaige Zwangsmaßnahmen nur von den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats ergriffen werden können37.

4.2. Die Rolle der nationalen Parlamente nach dem Vertrag von Lissabon

Durch den Vertrag von Lissabon sind sowohl die Rechte als auch die Pflichten der nationalen Parlamente dahingehend ausgeweitet worden, dass letztere "aktiv zur guten Arbeitsweise" der EU beitragen 38. Bei den politischen Prozessen gehört es u.a. zu ihrer Rolle,

Die nationalen Parlamente sind somit wichtige Beteiligte in den Frühstadien der politischen Entscheidungsfindung der EU.

Was die nach Artikel 88 Absatz 2 zu erlassenden Verordnungen zu Europol anbelangt, hat die Mitwirkung der nationalen Parlamente bei der Prüfung von Legislativvorschlägen der EU auch Auswirkungen auf die parlamentarische Kontrolle von Europol.

Die nationalen Parlamente haben nach dem Vertrag von Lissabon das Recht, über Legislativvorschläge in Kenntnis gesetzt zu werden und sich zu diesen zu äußern. So können sie nach Maßgabe ihres nationalen Verfassungsrechts eine Stellungnahme zu jedem Legislativvorschlag der EU abgeben. Je nach nationalem Recht ist ihre Stellungnahme für den von ihrer Regierung im Rat vertretenen Standpunkt bindend.

Die nationalen Parlamente werden also ebenfalls zur Gestaltung der künftigen Europol-Verordnung beitragen können.

5. Schlussfolgerungen Empfehlungen

Es besteht kein Zweifel, dass alle im Zusammenhang mit der Strafverfolgung stehenden Tätigkeiten einer Kontrolle unterzogen werden müssen - insbesondere, wenn sie Grundrechte und -freiheiten der Bürger berühren. In Bezug auf Europol sieht Artikel 88 AEUV vor, dass die Einzelheiten für die Kontrolle der Tätigkeiten von Europol durch das Europäische Parlament festgelegt und die nationalen Parlamente an dieser Kontrolle beteiligt werden. Der Auftrag und die Aufgaben von Europol können das Recht des Einzelnen auf Schutz seiner Privatsphäre berühren 39. Daher ist die Kontrolle durch das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente erforderlich, um die demokratische Legitimität dieses Bereichs der grenzübergreifenden Zusammenarbeit in der EU zu stärken.

In den vergangenen Jahren haben sich die Diskussionen über die Zukunft von Europol häufig vorrangig mit der Frage einer möglichen Ausweitung seiner Kompetenzen um Zwangsbefugnisse befasst, wie sie nationale Polizeikräfte besitzen. Allgemein bestand dabei Einigkeit darüber, dass eine derartige Befugniserweiterung mit einer Stärkung der parlamentarischen Kontrollbefugnisse einhergehen müsste.

Wie oben ausgeführt, sind die Aufgaben von Europol inzwischen schrittweise ausgeweitet worden, ohne dass Europol Zwangsbefugnisse oder eigene Ermittlungsbefugnisse übertragen wurden40, und nach dem AEUV ist es auch ausgeschlossen, dass Europol in der Zukunft Zwangsbefugnisse erhält.

Die bestehenden Kontrollmechanismen sind bisher generell als den Befugnissen von Europol rechtlich angemessen betrachtet worden und gehen in der Summe auch über das in Bezug auf die Polizeikräfte der einzelnen Mitgliedstaaten ausgeübte Maß an parlamentarischer Kontrolle hinaus. Nichtsdestoweniger gibt es, was die Diskussion über die parlamentarische Kontrolle anbelangt, noch eine Reihe ungelöster Fragen. Einige dieser Fragen sind unlängst in einer Sitzung des interparlamentarischen Ausschusses41 angesprochen worden.

Erstens wird die bestehende Kontrolle durch die Parlamente, durch die nationalen Datenschutzbehörden und durch die gemeinsame Kontrollinstanz und den Verwaltungsrat von Europol als lediglich mittelbar, zersplittert und nicht leicht verständlich empfunden. Vor allem die nationalen Parlamente halten eine Überwachung, die nur im Wege der Kontrolle durch ihre Regierungsvertreter im Verwaltungsrat von Europol bzw. im Rat erfolgt, für umständlich. Auch haben sie festgestellt, dass sich ihre Absprache untereinander als schwierig erwiesen hat. Zudem sind einige nationale Parlamente noch immer der Meinung, dass sie nicht genügend Informationen über die Arbeit von Europol erhalten.

Zweitens hat das Europäische Parlament in Anbetracht der Tatsache, dass es auf diesem Gebiet keine maßgebliche Rolle bei der Gesetzgebung spielt, schon seit einiger Zeit den Wunsch, die Tätigkeiten von Europol enger und gründlicher kontrollieren zu können.

Durch die mit dem Ratsbeschluss von 2009 eingeführten Neuerungen ist die Rolle, die das Europäische Parlament in Bezug auf Europol innehat, erheblich ausgeweitet worden, und es sind Möglichkeiten für einen regelmäßigen Informationsaustausch geschaffen worden.

Diese neuen Kontrollinstrumente berühren gleichwohl nicht die Koordinierung zwischen dem Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten beim Thema Überwachung. Da es zudem keine "COSAC-ähnlichen" Zusammenkünfte einzelstaatlicher, für Polizeifragen zuständiger parlamentarischer Ausschüsse gibt, könnte die Koordinierung der parlamentarischen Anstrengungen verstärkt werden.

Die nachfolgenden Empfehlungen sollen diese Fragen lösen helfen und Anregungen für die interinstitutionelle Debatte über einen geeigneten Mechanismus für die parlamentarische Kontrolle geben. Die in den Abschnitt en 5.1 und 5.2 unterbreiteten Vorschläge könnten noch vor dem Erlass einer neuen Europol-Verordnung in die Praxis umgesetzt werden. Letzteres sollte nach Möglichkeit im Jahr 2013 erfolgen, da zuvor noch eine Evaluierung des geltenden Ratsbeschlusses und eine Folgenabschätzung durchgeführt werden müssen.

Form und Inhalt kommender Verfahren für die demokratische Kontrolle von Europol hängen von den Beiträgen der Organe und anderer Beteiligter zu den laufenden Überlegungen über den künftigen Rechtsrahmen für Europol ab. An diesem Prozess, der im April 2010 von der Kommission eingeleitet wurde, sind alle wichtigen institutionellen Akteure beteiligt. Im Juli 2010 hat bereits eine erste Zusammenkunft stattgefunden.

Einen wichtigen Beitrag zu der Diskussion werden auch die Ergebnisse der laufenden Arbeiten der interinstitutionellen Arbeitsgruppe zum Thema Regulierungsagenturen42 liefern. Diese umfassenden Überlegungen werden von größter Bedeutung für einen fundierten, gut durchdachten Vorschlag sein.

Diese Mitteilung ist als ein erster Schritt in diese Richtung gedacht.

5.1. Einrichtung eines ständigen gemeinsamen oder interparlamentarischen Forums

Diese bereits bei mehreren Gelegenheiten vorgeschlagene, von nationalen Parlamenten ebenso wie von Akademikern befürwortete Idee wird von der Kommission unterstützt. Der institutionelle Rahmen des Vertrags von Lissabon bietet nunmehr eine neue Gelegenheit, sie in die Praxis umzusetzen43.

Ein solches interparlamentarisches Forum könnte sich aus den für Polizeiangelegenheiten zuständigen Fachausschüssen der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments zusammensetzen. Dieses gemeinsame Gremium könnte regelmäßig zusammentreten und den Direktor von Europol zu seinen Zusammenkünften einladen, um die Arbeit von Europol betreffende Fragen zu erörtern. Auch könnte es eine Untergruppe einsetzen, um beispielsweise direkten Kontakt zu Europol zu halten 44. Die Kommission empfiehlt zudem, dass auch der Vorsitzende des Verwaltungsrats von Europol zu Zusammenkünften dieses Gremiums eingeladen werden sollte.

Durch ein solches Forum würde ein förmlicher Mechanismus für den Informationsaustausch und die Absprache zwischen den nationalen Parlamenten und dem Europäischen Parlament im Hinblick auf eine gemeinsame, die einzelstaatlichen parlamentarischen Verfahren unberührt lassende parlamentarische Kontrolle auf EU-Ebene geschaffen. Die Kommission würde es begrüßen, in die Arbeit dieses Gremiums aktiv eingebunden zu werden.

Ein solches gemeinsames Gremium müsste gleichwohl so flexibel sein, dass es effizient arbeiten könnte. Das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente haben die Möglichkeit, ihre Arbeiten abzustimmen und ihre Zusammenarbeit zu verbessern. Sie sollten ermutigt werden, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen und ihre Verfahren eigenverantwortlich und in geeigneter Weise auszuformen.

5.2. Mehr Transparenz: eine neue Strategie für die Kommunikation mit dem Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten

Damit das Europäische Parlament zu den strategischen Leitlinien beitragen und bei der Prioritätensetzung für die Tätigkeiten von Europol mitwirken kann, wäre es sinnvoll, im LIBE-Ausschuss eine Diskussion über die Mehrjahresstrategie und das jährliche Arbeitsprogramm von Europol abzuhalten.

Europol hat in den vergangenen Jahren große Anstrengungen im Hinblick auf die Verbesserung seiner Rechenschaftspflicht unternommen und zu diesem Zweck unter anderem Leistungsmessungsverfahren eingeführt. So legt Europol in unterschiedlichen Abständen Evaluierungsberichte und sonstige Bewertungsdokumente über seine Arbeit vor.

Mehr Transparenz gegenüber dem Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten wäre für die demokratische Legitimität von Europol nur von Vorteil. Daher sollte Europol dem Europäischen Parlament und (über die benannten Kontaktstellen) auch den nationalen Parlamenten systematisch folgende Informationen übermitteln:

Zur Verbesserung der Kommunikation zwischen einem künftigen interparlamentarischen Forum und den Leitungsgremien von Europol könnte zudem ein regelmäßiger Meinungsaustausch anlässlich der Vorlage strategischer Europol-Dokumente oder der oben genannten Berichte durch den Direktor und/oder den Vorsitzenden des Verwaltungsrats durchgeführt werden. Ferner könnte das Netz des interparlamentarischen Forums als Informationskanal dienen und sich auf Europol beziehende Dokumente rasch an die nationalen Parlamente weiterleiten.

Die Kommission wird die nationalen Parlamente über die Evaluierung des Ratsbeschlusses über die Errichtung von Europol auf dem Laufenden halten.

5.3. Rollentrennung

Es wird wichtig sein, in der künftigen Europol-Verordnung in geeigneter Weise zwischen legislativen und exekutiven Befugnissen zu trennen und auch zwischen Behörden mit unterschiedlichen Rollen zu unterscheiden. Daher würde die Kommission nicht empfehlen, dass das Europäische Parlament Vertreter in den Verwaltungsrat entsenden sollte.

Um zu vermeiden, dass die Ernennung des Exekutivdirektors zu einer politischen Angelegenheit gemacht wird, sollte dieser zudem nach Auffassung der Kommission nicht vom Rat oder vom Europäischen Parlament, sondern vom Verwaltungsrat ernannt werden.