Unterrichtung durch die Bundesregierung
Grünbuch der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur Europäischen Bürgerinitiative KOM (2009) 622 endg.; Ratsdok. 16195/09

Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 19. November 2009 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 13. November 2009 dem Bundesrat zugeleitet.

Die Vorlage ist von der Kommission am 13. November 2009 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.

Grünbuch zur Europäischen Bürgerinitiative

I. Einleitung

Der am 13. Dezember 2007 in Lissabon unterzeichnete Vertrag zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft soll insbesondere das Demokratiegefüge der Europäischen Union stärken. Eine der wichtigsten Neuerungen ist die Einführung der Europäischen Bürgerinitiative. Dazu heißt es: "Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, deren Anzahl mindestens eine Million betragen und bei denen es sich um Staatsangehörige einer erheblichen Anzahl von Mitgliedstaaten handeln muss, können die Initiative ergreifen und die Europäische Kommission auffordern, im Rahmen ihrer Befugnisse geeignete Vorschläge zu Themen zu unterbreiten, zu denen es nach Ansicht jener Bürgerinnen und Bürger eines Rechtsakts der Union bedarf, um die Verträge umzusetzen."1

Des Weiteren ist vorgesehen, dass die Verfahren und Bedingungen einer solchen Bürgerinitiative, einschließlich der Mindestzahl der Mitgliedstaaten, aus denen die Bürgerinnen und Bürger kommen müssen, vom Parlament und vom Rat auf Vorschlag der Europäischen Kommission in einer Verordnung festzulegen sind.

Die Europäische Kommission begrüßt die Einführung der Bürgerinitiative, die den Bürgern der Europäischen Union mehr Gehör verschafft und ihnen das Recht gibt, die Kommission unmittelbar aufzufordern, neue politische Initiativen zu ergreifen. Dies wird der europäischen Demokratie eine neue Dimension verleihen, die mit der Unionsbürgerschaft verbundenen Rechte ergänzen und die öffentliche Debatte über europapolitische Themen beleben, so dass sich eine echte europäische Öffentlichkeit herausbilden kann. Die Umsetzung der Bürgerinitiative wird zu einer besseren Einbindung der Bürger und der organisierten Zivilgesellschaft in die Gestaltung der EU-Politik beitragen.

Nach Überzeugung der Kommission sollten die europäischen Bürger dieses neue Recht möglichst rasch nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon in Anspruch nehmen können. Die Kommission wird sich dafür einsetzen, dass die Verordnung vor Ablauf des ersten Jahres nach Inkrafttreten des Vertrags erlassen werden kann und vertraut dabei auf die Unterstützung durch das Europäische Parlament und den Rat. Angesichts der Bedeutung, die der künftige Vorschlag für die Bürger, die organisierte Zivilgesellschaft, die Behörden der Mitgliedstaaten und sonstige Beteiligte haben wird, müssen die Bürger und alle interessierten Kreise auch Gelegenheit haben, sich dazu äußern zu können, wie die Bürgerinitiative funktionieren soll.

Daher soll mit diesem Grünbuch die Meinung aller interessierten Kreise zu den wesentlichen Aspekten der Ausgestaltung der künftigen Verordnung eingeholt werden. Die Kommission hofft, dass die Konsultation eine breite Palette von Antworten hervorruft.

Von besonderem Interesse werden die Erfahrungen sein, die Bürger, staatliche Stellen und sonstige Beteiligte mit ähnlichen Initiativen in den Mitgliedstaaten gesammelt haben.

Ebenso begrüßt die Kommission die Entschließung des Europäischen Parlaments zur Bürgerinitiative vom Mai 20092 als wertvollen Beitrag zu dieser Debatte.

II. Gegenstand der Konsultation

Zwar sind das Prinzip und die Schlüsselmerkmale der Bürgerinitiative im neuen Vertrag verankert, doch werfen die erforderlichen Verfahren und Vorkehrungen für dieses neue institutionelle Instrument rechtliche, administrative und praktische Fragen auf. Zu welchen Aspekten und Fragen sich die Bürger und Beteiligten äußern sollen, wird nachstehend erläutert.

1. Mindestzahl der Mitgliedstaaten, aus denen die Bürger kommen müssen

Im Vertrag heißt es, dass die Unterzeichner einer Bürgerinitiative aus "einer erheblichen Anzahl von Mitgliedstaaten" stammen müssen und " die Mindestzahl der Mitgliedstaaten, aus denen die Bürgerinnen und Bürger kommen müssen" im Wege einer Verordnung festgelegt wird.

Um den richtigen Schwellenwert zu bestimmen, sind verschiedene Überlegungen anzustellen:

Erstens, das Erfordernis, wonach die Unterzeichner aus "einer erheblichen Anzahl von Mitgliedstaaten" stammen müssen, soll sicherstellen, dass eine Initiative hinreichend repräsentativ für ein Unionsinteresse ist. Ein hoher Schwellenwert würde zwar eine hinreichende Repräsentativität sicherstellen, doch das Verfahren würde dadurch erschwert. Ein niedriger Schwellenwert hingegen würde es einfacher machen, eine Initiative zu starten, aber deren Repräsentativität schmälern. Deshalb müssen beide Anforderungen gegeneinander abgewogen werden.

Zweitens, der Schwellenwert muss sich nach objektiven Kriterien richten, wobei insbesondere andere Vertragsbestimmungen zu berücksichtigen sind, um eine widersprüchliche Auslegung zu vermeiden.

Eine Option wäre, die Mehrheit der Mitgliedstaaten als Schwellenwert festzusetzen. Bei 27 EU-Mitgliedsstaaten würde die Mehrheit derzeit 14 betragen. Der Vertrag würde einen solchen Ansatz nicht ausschließen. Allerdings scheint die Formulierung "eine erhebliche Anzahl" nicht darauf hinzudeuten, dass eine Mehrheit beabsichtigt war. Darüber hinaus scheint eine Mehrheit unverhältnismäßig hoch.

Eine andere Option, am unteren Ende des Spektrums, bestünde darin, den Schwellenwert auf ein Viertel der Mitgliedstaaten festzusetzen. Derzeit wären dies sieben Mitgliedstaaten. Diesen Schwellenwert hat das Europäische Parlament in seiner Entschließung zur Bürgerinitiative vorgeschlagen, wobei es sich auf Artikel 76 das Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union stützt; nach diesem Artikel können Rechtsakte im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen oder der polizeilichen Zusammenarbeit auf Initiative eines Viertels der Mitgliedstaaten erlassen werden. Doch nach Auffassung der Kommission lässt sich daraus keine fundierte Analogie zur Bürgerinitiative herleiten. Dieser sehr sektorspezifische Ansatz fußt auf einer anderen Logik als eine Bürgerinitiative. Des Weiteren würde aus Sicht der Kommission ein Viertel der Mitgliedstaaten nicht sicherstellen, dass das Interesse der Union angemessen berücksichtigt wird.

Eine dritte Option bestünde darin, den Schwellenwert auf ein Drittel der Mitgliedstaaten festzusetzen. Zurzeit wären dies neun Mitgliedstaaten. Damit würde sich eine Parallele zu verschiedenen allgemeinen Vertragsbestimmungen ergeben. So wird dieser Wert in den Bestimmungen über die "verstärkte Zusammenarbeit" verwendet, an der sich "mindestens neun Mitgliedstaaten" beteiligen müssen3. Ein Drittel wird auch als Schwellenwert für die Zahl der nationalen Parlamente vorgegeben, damit das Verfahren nach Artikel 7 Absatz 2 des den Verträgen beigefügten Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit eingeleitet werden kann.

Auch in einigen nationalen Systemen wird ein Drittel häufig als Schwellenwert vorgegeben. So heißt es im österreichischen Bundes-Verfassungsgesetz, dass Bürgerinitiativen von 100 000 Stimmberechtigten oder von einem Sechstel der Stimmberechtigten dreier Länder unterstützt werden müssen, das sind ein Drittel der neun österreichischen Bundesländer. Außerhalb der EU entspricht der in der Schweiz geltende Schwellenwert für die erforderliche Zahl der Kantone für ein Volksbegehren ebenfalls in etwa einem Drittel.

Aus Sicht der Kommission würde ein Schwellenwert von einem Drittel ein angemessenes Gleichgewicht zwischen der notwendigen Wahrung der Repräsentativität einerseits und der nutzerfreundlichen Ausgestaltung des Instruments andererseits herstellen.

Fragen:

2. Mindestzahl der Unterzeichner je Mitgliedstaat

Da eine Bürgerinitiative nach dem Vertrag von mindestens einer Million Bürger aus einer erheblichen Anzahl von Mitgliedstaaten unterstützt werden muss, hält es die Kommission für notwendig, eine Mindestzahl von Unterschriften (Unterschriftenquorum) aus jedem der beteiligten Mitgliedstaaten festzulegen. Der Verweis auf eine "erhebliche Anzahl von Mitgliedstaaten" wurde aufgenommen, um sicherzustellen, dass es sich effektiv um eine echte europäische Initiative handelt. Dies wiederum impliziert, dass für eine Mindestzahl von Mitgliedstaaten eine Mindestzahl beteiligter Bürger erforderlich ist, damit ein angemessenes Meinungsspektrum wiedergegeben wird. Es stünde im Widerspruch zum Geist des Vertrags, wenn eine große Gruppe von Bürgern aus einem Mitgliedstaat und nur eine rein nominale Zahl von Bürgern aus anderen Mitgliedstaaten eine Initiative einbringen könnten.

Das Erfordernis einer Mindestbeteiligung je Mitgliedstaat würde natürlich nur die Mindestzahl der Mitgliedstaaten betreffen, aus denen die Bürger kommen müssen, die eine Bürgerinitiative einbringen.

Eine Methode, um die Mindestzahl von Bürgern je Mitgliedstaat zu bestimmen, bestünde darin, für alle Mitgliedstaaten eine feste Zahl beteiligter Bürger vorzugeben. Dies wäre ein klarer und einfacher Ansatz. Angesichts der enormen Bevölkerungsunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten, die von 410 000 Einwohnern in Malta bis 82 Millionen in Deutschland reichen, würde jedoch eine solche feste Zahlenvorgabe die Bürger aus kleineren Mitgliedstaaten benachteiligen.

Ein ausgewogenerer Ansatz bestünde darin, die Mindestbeteiligung als Anteil an der Bevölkerung eines jeden Mitgliedstaates festzusetzen. Diese Quote könnte analog zum Verhältnis der erforderlichen Zahl der Unionsbürger für die Einbringung einer Bürgerinitiative festgesetzt werden. Die Bevölkerung der Union beläuft sich derzeit auf knapp 500 Millionen Bürger. Eine Million bezogen auf 500 Millionen entspricht 0,2% der Unionsbevölkerung. Folglich könnten 0,2% der Bevölkerung eines jeden Mitgliedstaates, in dem Unterschriften gesammelt werden, als Mindestquote für die in diesem Mitgliedstaat erforderliche Bürgerbeteiligung herangezogen werden4. Derzeit würde dies einer Zahl von circa 160 000 für ein Land wie Deutschland bzw. von 20 000 für ein Land wie Belgien entsprechen.

Festzustellen ist, dass der erforderliche Anteil der Bürger, die eine Initiative unterstützen müssen, in den meisten Mitgliedstaaten, die über ein solches Instrument verfügen, erheblich höher ist als 0,2%. Dies gilt beispielsweise für Österreich und Spanien, wo der Schwellenwert bei circa 1,2% der Bevölkerung liegt, in Litauen beträgt er nahezu 1,5% der Bevölkerung und in Lettland 10%. Auch in Ungarn, Polen, Portugal und Slowenien liegt der Schwellenwert über 0,2% der Bevölkerung.

Fragen:

3. Kriterien für die Unterstützung einer Bürgerinitiative - Mindestalter

Die Vertragsbestimmung gilt zwar für alle Bürger der Union, dennoch scheint es angebracht, ein Mindestalter für die Unterstützung einer Bürgerinitiative festzusetzen. Dies ist auch in allen Mitgliedstaaten, in denen es die Möglichkeit einer Bürgerinitiative gibt, der Fall.

Denkbar sind zwei Optionen:

Eine Option bestünde darin, dass an einer europäischen Bürgerinitiative teilnehmen kann, wer in dem Mitgliedstaat, in dem er seinen Wohnsitz hat, das Wahlalter für die Europawahlen erreicht hat5. Dies ist gängige Praxis in den Mitgliedstaaten: An einer Bürgerinitiative kann sich beteiligen, wer wahlberechtigt ist. In allen Mitgliedstaaten ist das Wahlalter auf 18 Jahre festgesetzt, nur in Österreich liegt es bei 16 Jahren.

Dieser Ansatz würde zwar bedeuten, dass sich Bürger in Österreich in einem jüngeren Alter an einer Bürgerinitiative beteiligen können, aber die bestehende Praxis bei den Wahlen zum Europäischen Parlament widerspiegeln.

Eine andere Option wäre, in der Verordnung selbst ein Mindestalter für die Beteiligung an einer Bürgerinitiative festzusetzen, zum Beispiel 16 oder 18 Jahre. Die Festsetzung des Mindestalters auf 18 Jahre würde dem Wahlalter in allen Mitgliedstaaten - bis auf einen - entsprechen. Allerdings wären dann jene Bürger ausgeschlossen, die in Österreich bereits mit 16 wählen dürfen. Wegen der Abweichung von bestehenden Wählerlisten wäre die Festsetzung des Mindestalters auf 16 Jahre mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden.

Fragen:

4. Form und Abfassung einer Bürgerinitiative

Im Wortlaut des Vertrags wird nicht präzisiert, in welcher Form eine Bürgerinitiative einzubringen ist; es heißt lediglich, die "Europäische Kommission" sollte aufgefordert werden, "im Rahmen ihrer Befugnisse geeignete Vorschläge zu Themen zu unterbreiten, zu denen es nach Ansicht jener Bürgerinnen und Bürger eines Rechtsakts der Union bedarf, um die Verträge umzusetzen"6 .

Dennoch erscheint es notwendig, gewisse formale Anforderungen an eine Bürgerinitiative vorzugeben, um insbesondere sicherzustellen, dass die Bürger und die Kommission den Gegenstand und die Ziele einer solchen Initiative klar erkennen kann.

Eine Option bestünde darin, dass eine Bürgerinitiative als ausformulierter Entwurf eines Rechtsaktes eingebracht werden muss. In einigen Mitgliedstaaten (Österreich, Italien, Polen und Spanien) müssen Bürgerinitiativen effektiv in dieser Form vorgelegt werden. Allerdings erscheint ein solches Erfordernis unnötig und schwerfällig. Außerdem geht aus dem Wortlaut des Vertrags nicht hervor, dass eine Bürgerinitiative als ausgearbeiteter Entwurf eines Rechtsinstruments vorzulegen ist.

Andererseits dürfte ein unklarer oder unzureichend detaillierter Text für die Unterzeichner irreführend sein und könnte der Kommission eine präzise und begründete Antwort erschweren. Eine andere Option bestünde darin, zu verlangen, dass eine Initiative den Gegenstand und die Ziele eines Vorschlags, zu dem die Kommission aufgefordert wird, klar definiert. Eine solche Option würde nicht ausschließen, dass der Entwurf eines Rechtsaktes zur Referenzzwecken beigefügt werden kann.

Fragen:

5. Anforderungen an die Sammlung, Überprüfung und Authentifizierung von Unterschriften

Mit Blick auf die Rechtmäßigkeit und Glaubwürdigkeit von Bürgerinitiativen sind Vorkehrungen zu treffen, um eine geeignete Überprüfung und Authentifizierung von Unterschriften entsprechend den einschlägigen nationalen, europäischen und internationalen Vorschriften über Grundrechte, Menschenrechte und den Schutz personenbezogener Daten sicherzustellen. Da es auf EU- Ebene keine Stelle gibt, die befugt wäre oder über die nötigen Informationen verfügt, um die Echtheit von Unterschriften zu überprüfen und die kontrollieren könnte, ob ein bestimmter Unionsbürger effektiv berechtigt ist, sich an einer Bürgerinitiative zu beteiligen, muss diese Aufgabe von den nationalen Behörden der Mitgliedstaaten übernommen werden7. Folglich wären die nationalen Behörden dafür verantwortlich, die Ergebnisse der Unterschriftensammlung in ihrem jeweiligen Land zu überprüfen und zu bestätigen.

Allerdings sind dazu, wie die Überprüfung in den Mitgliedstaaten durchgeführt werden sollte und inwieweit gemeinsame Anforderungen auf EU-Ebene festzulegen sind, einer Reihe von Anmerkungen vorzubringen.

In allen Mitgliedstaaten gibt es Verfahren und Mechanismen zur Wählerkontrolle und in etlichen hat bereits eine Überprüfung und Authentifizierung im Rahmen nationaler Bürgerinitiativen stattgefunden. Diese Überprüfungs- und Authentifizierungsverfahren weichen jedoch von Land zu Land stark voneinander ab: In einigen Mitgliedstaaten sind die Verfahren zur Sammlung von Unterschriften streng geregelt. Beispielsweise können Bürgerinitiativen nur in amtlichen Räumlichkeiten unterzeichnet werden oder ein Beamter oder Notar muss anwesend sein, um eine Unterschrift bei der Unterzeichnung zu authentifizieren oder jedem Unterzeichner wird eine Bescheinigung des Wählerregisters ausgestellt. In anderen Mitgliedstaaten hingegen gelten einfachere Verfahren, die keine spezifischen Anforderungen an die Unterschriftensammlung vorsehen, sondern generell eine nachträgliche Überprüfung der gesammelten Unterschriften durch die Behörden verlangen, um sowohl die Echtheit der Unterschriften als auch die Zahl der gesammelten Unterschriften zu kontrollieren.

Klar scheint, dass die diesbezüglichen Gemeinschaftsbestimmungen letztlich sicherstellen sollten, dass die Mitgliedstaaten eine angemessene Überprüfung der gesammelten Unterschriften für eine europäische Bürgerinitiative in ihrem Land gewährleisten können, ohne den Bürgern ungebührlich restriktive Anforderungen aufzuerlegen oder einen unnötigen Verwaltungsaufwand zu verursachen.

Eine Option zur Erreichung dieses Ziels würde darin bestehen, von den Mitgliedstaaten zu verlangen, geeignete Maßnahmen zu treffen, aber den Regelungsgrad solcher Verfahren ihnen überlassen; auch sollte es möglich sein, die bereits geltenden Regelungen für nationale Bürgerinitiativen heranzuziehen. Diese Option hätte den Vorteil, dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung dieser Bestimmung sehr flexibel vorgehen können. Auch würde dies die Umsetzung für jede Mitgliedstaaten, in denen es bereits Verfahren für Bürgerinitiativen gibt, erheblich erleichtern. Andererseits könnte dies bedeuten, dass die Verfahrensregeln für ein und dieselbe Bürgerinitiative in verschiedenen Mitgliedstaaten erheblich voneinander abweichen können, mit dem Ergebnis, dass die Sammlung von Unterschriften in einigen Mitgliedstaaten leichter sein kann als in anderen. Deshalb könnte diese Option die unbeabsichtigte Folge haben, dass sich die Bürger in einigen Mitgliedstaaten leichter Gehör verschaffen können als in anderen Ländern.

Am anderen Ende des Spektrums könnte die Option einer vollständigen Angleichung der Verfahrensmodalitäten auf EU-Ebene stehen. In der Praxis würde dies bedeuten, dass alle geltenden Verfahrensregeln in einer EU-Verordnung festgelegt werden und die Mitgliedstaaten entweder davon abweichen oder zusätzliche nationale Anforderungen vorsehen können. Dies hätte den Vorteil, dass die Verfahren zur Einbringung einer Bürgerinitiative unionsweit nach vollkommen einheitlichen Regeln ablaufen würden. Allerdings würde dies für jene Mitgliedstaaten, die bereits über einschlägige Verfahren verfügen, einen beträchtlichen zusätzlichen Verwaltungs- und Regelungsaufwand bedeuten. Darüber hinaus weisen die nationalen Systeme und Verfahren Besonderheiten auf, die in einer EU-Verordnung wahrscheinlich nicht umfassend berücksichtigt werden können.

Deshalb scheint es sinnvoller, auf EU-Ebene eine Reihe grundlegender Regeln festzulegen (z.B. bestimmte Mindestanforderungen an die Überprüfung und Authentifizierung von Unterschriften), und die Mitgliedstaaten zu verpflichten, den Sammlungsprozess zu erleichtern und unnötige Beschränkungen zu beseitigen.

Bei diesem Ansatz könnten die Mitgliedstaaten nur im Rahmen der auf EU-Ebene vorgegebenen Anforderungen zusätzliche nationale Maßnahmen treffen. Diese Option hätte den Vorteil, dass den Mitgliedstaaten eine gewisse Flexibilität zugestanden wird, aber die Verfahren EU-weit gemeinsame Merkmale aufweisen.

Damit könnte der europäische Charakter der Bürgerinitiative gewahrt und die zeitgleiche Sammlung von Unterschriften in mehreren Mitgliedstaaten erleichtert werden. Hierzu sollte die Nutzung zertifizierter und geschützter Online-Instrumente geprüft werden.

Jeder gewählte Ansatz muss auch EU-Bürgern, die außerhalb ihres Herkunftslandes wohnhaft sind, die Möglichkeit bieten, sich an Bürgerinitiativen zu beteiligen. Die Mitgliedstaaten können sich dabei ihre Erfahrungen bei der Handhabung des Wahlrechts solcher Bürger bei den Wahlen zum Europäischen Parlaments zunutze machen.

Zu beachten sind eine Reihe wichtiger Fragen, die sich auf den Regelungsgrad der Sammlung von Unterschriften sowie die Anforderungen für die Überprüfung und Authentifizierung beziehen. Dazu gehören:

Fragen:

6. Zeitraum für die Sammlung von Unterschriften

Der Vertrag sieht keinerlei Fristen für die Sammlung von Unterschriften vor. Allerdings müssen in den europäischen Ländern, in denen es Bürgerinitiativen gibt, in der Regel die Unterschriften innerhalb eines bestimmten Zeitraums gesammelt werden. Die Fristen schwanken zwischen einer bestimmten Zahl von Tagen (beispielsweise 30 Tage in Lettland oder 60 Tage in Slowenien) und mehreren Monaten (beispielsweise sechs Monate in Spanien oder 18 Monate in der Schweiz).

Darüber hinaus würden mehrere Gründe die Festlegung eines Zeitrahmens für die Europäische Bürgerinitiative rechtfertigen: Häufig sind solche Initiativen an bestimmte Themen geknüpft oder sie beziehen sich auf Probleme, die - wenn es kein Zeitlimit gibt - ihre Relevanz verlieren. Auch kann sich der Kontext für die Unterstützungsbekundung ändern, wenn der Zeitraum zu lange ist (beispielsweise, wenn in der Zwischenzeit europäische Rechtsvorschriften zum gleichen Thema geändert oder erlassen wurden).

Wird jedoch ein Zeitrahmen vorgegeben, muss dieser angemessen und lang genug sein, damit eine unionsweite Kampagne durchgeführt werden kann und der zusätzlichen Komplexität einer solchen Initiative Rechnung getragen wird. Erreicht werden könnte dies, wenn beispielsweise ein Zeitraum von einem Jahr vorgesehen wird8.

Fragen:

7. Anmeldung geplanter Initiativen

Neben der Vorgabe eines Zeitrahmens ist auch zu überlegen, wann diese Frist beginnen und enden sollte. In den meisten Mitgliedstaaten beginnt die Frist in der Regel, sobald die verlangte Veröffentlichung oder die Anmeldeformalitäten abgeschlossen sind; allerdings gibt es auch Fälle, wo die Frist an das Datum der Unterschriften gekoppelt ist.

Wird effektiv ein Zeitrahmen vorgegeben, müsste nach Auffassung der Kommission die geplante Initiative angemeldet werden, bevor die Unterschriftensammlung beginnen kann. Die Anmeldung könnte von den Organisatoren der Initiative auf einer speziellen Website vorgenommen werden, die von der Kommission für diese Zwecke bereitgestellt wird. Dazu müssten alle einschlägigen Informationen über die geplante Initiative (wie Bezeichnung, Gegenstand, Ziele, Kontext) auf der Website eingegeben werden, die dann allgemein zugänglich wäre. Das System würde die Anmeldung und das Datum bestätigen sowie eine Anmeldenummer generieren, auf deren Grundlage die Kampagne zur Unterschriftensammlung anlaufen könnte.

Eine solche Anmeldung würde nicht nur den Beginn der Frist markieren, sondern auch die nötige Klarheit über geplante Bürgerinitiativen und die entsprechenden Kampagnen schaffen.

Aus Sicht der Kommission sollte ein solches Anmeldungsverfahren jedoch nicht mit einer Entscheidung der Kommission über die Zulässigkeit der geplanten Initiative verknüpft sein. In der Tat teilt sie nicht die Auffassung, die formale Zulässigkeit geplanter Initiativen solle überprüft werden, bevor mit der Sammlung von Unterschriften begonnen wird9. Ein solches Vorgehen könnte zu Verwirrung führen und den Eindruck vermitteln, die Kommission habe aus anderen als rein verfahrenstechnischen Gründen grünes Licht für eine geplante Initiative gegeben. Dazu müssten Kontrollen durchgeführt werden, was den Beginn der Unterschriftensammlung verzögern könnte. Darüber hinaus dürfen Zulässigkeit und Gegenstand einer Initiative nicht isoliert betrachtet werden, so dass es unangebracht wäre, diese Prüfung bereits in der Phase der Anmeldung vorzunehmen.

Die Kommission hat Verständnis dafür, dass es gewisse Vorbehalte geben kann, eine EU-weite Initiative einzuleiten, wenn die Gefahr besteht, dass sie letztendlich aus Gründen der Unzulässigkeit abgelehnt werden kann. Allerdings ist festzustellen, dass das Kriterium der Zulässigkeit - das heißt die Kommission kann nur in Bereichen zum Tätigwerden aufgefordert werden, die in ihre Kompetenzen fallen - hinreichend klar und EU-weit bekannt ist. Jedenfalls kann von den Organisatoren normalerweise erwartet werden, sich im Voraus davon zu vergewissern, ob sich eine geplante Initiative im Rahmen der Befugnisse der Kommission bewegt.

Fragen:

8. Anforderungen an Organisatoren - Transparenz und Finanzierung

In den meisten Fällen wird eine Kampagne für eine geplante Europäische Bürgerinitiative nicht ohne Unterstützung und/oder Finanzierung durch Organisationen eingeleitet und durchgeführt werden können.

Im Interesse der Transparenz und demokratischen Rechenschaftspflicht sollte von den Organisatoren einer Initiative verlangt werden, dass sie bestimmte grundlegende Informationen insbesondere darüber bereitstellen, welche Organisationen die Initiative unterstützen und wie die Initiative finanziert wird. Dies wäre im Interesse der Bürger, die eine Beteiligung an der Initiative in Betracht ziehen, und würde auch in Einklang mit der Transparenzinitiative der Kommission stehen10.

Im Falle einer Anmeldung könnten diese Informationen in das von der Kommission bereitgestellte Register eingegeben werden. In der Verordnung könnte auch verlangt werden, dass die Organisatoren alle einschlägigen Informationen über die Finanzierung und Unterstützung während des Verlaufs der Kampagne allgemein zugänglich machen.

In Bezug auf die Finanzierung ist zu bemerken, dass - unbeschadet sonstiger Formen der Zusammenarbeit und Unterstützung zivilgesellschaftlicher Organisationen - keine öffentliche Finanzierung von Bürgerinitiativen vorgesehen ist. Damit soll auch sichergestellt werden, dass solche Initiativen unabhängig sind und von den Bürgern ausgehen.

Abgesehen von den Transparenzanforderungen an die Organisatoren ist in zahlreichen nationalen Vorschriften auch geregelt, wer effektiv als Organisator einer Initiative auftreten kann. Generell wird verlangt, dass eine Initiative von Bürgern oder Initiativkomitees eingebracht werden muss, die sich aus einer bestimmten Zahl von Bürgern zusammensetzen. Nach Auffassung der Kommission könnte sich ein solches Erfordernis auf EU-Ebene als zu kompliziert erweisen; daher würde sie es vorziehen, keinerlei Restriktionen für die Einbringung einer Initiative vorzusehen - das heißt, bei den Organisatoren kann es sich um einzelne Bürger oder Organisationen handeln. Eine nützliche Analogie in diesem Kontext bieten Petitionen an das Europäische Parlament. Nach dem Vertrag hatte jeder Bürger der Europäischen Union sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnort oder satzungsmäßigem Sitz in einem Mitgliedstaat das Recht, eine Petition an das Europäische Parlament zu richten11.

Darüber hinaus sollten Organisatoren in Einklang mit den nationalen Vorschriften zur Umsetzung der EU-Datenschutzbestimmungen ihren Verpflichtungen zum Schutz personenbezogener Daten nachkommen.

Fragen:

9. Überprüfung von Bürgerinitiativen durch die Kommission

Ist die erforderliche Zahl von Unterschriften für eine Bürgerinitiative gesammelt und liegt eine Bestätigung durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten vor, kann der Organisator einer solchen Initiative diese förmlich der Kommission vorlegen.

Der Lissabon-Vertrag gibt keine Frist vor, innerhalb derer die Kommission eine ordnungsgemäß eingereichte Bürgerinitiative zu prüfen hat. Dies könnte teilweise damit zusammenhängen, dass sich eine Initiative möglicherweise mit komplexen Themen befasst und die Kommission gewisse Zeit für eine gründliche Prüfung benötigt, bevor sie entscheidet, welche Maßnahmen zu treffen sind: In einigen Fällen könnte sich eine Analyse der Vor- und Nachteile eines vorgeschlagenen politischen Vorhabens als erforderlich erweisen. Im Übrigen werden auch dem Europäischen Parlament keine bestimmten Fristen für die Prüfung von Petitionen vorgegeben.

Aus Gründen einer guten Verwaltungspraxis und um die Ungewissheit über die Antwort der Kommission nicht unnötig hinauszuzögern, spricht allerdings einiges dafür, dass ein Zeitrahmen vorgegeben wird. Der Zeitraum sollte lang genug sein, damit die Kommission die eingebrachte Initiative gründlich überprüfen kann. Andererseits ist sicherzustellen, dass die Unterstützer einer Initiative innerhalb eines angemessenen Zeitraums über die Absichten der Kommission informiert werden.

In den nationalen Regelungen werden die Fristen für die Prüfung von Bürgerinitiativen unterschiedlich gehandhabt. Während in einigen Ländern Fristen zwischen wenigen Wochen und mehreren Monaten vorgesehen sind, wird in anderen den Behörden keine bestimmte Frist gesetzt.

Folglich könnte die Kommission verpflichtet werden, eine Bürgerinitiative innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens von maximal sechs Monaten zu prüfen. Ein solcher Ansatz würde eine Frist vorgeben, aber der Kommission genügend Zeit lassen, um Initiativen unter Berücksichtigung ihrer möglichen Komplexität hinreichend zu würdigen.

Dieser Prüfungszeitraum würde zum Datum der förmlichen Vorlage der Initiative bei der Kommission beginnen. Dies könnte auf der unter Punkt 7 erwähnten Website bekanntgegeben werden.

Während dieses Zeitraums würde die Kommission sowohl die Zulässigkeit einer Initiative prüfen - das heißt, ob die Initiative in den Rahmen ihrer Befugnisse fällt - als auch darüber entscheiden, ob von ihrer Seite weitere Schritte einzuleiten sind.12 Nach Prüfung einer Initiative würde die Kommission ihre Schlussfolgerungen zum weiteren Vorgehen in einer Mitteilung erläutern, die publik gemacht und dem Europäischen Parlament sowie dem Rat zugeleitet wird. Dabei kann auch die Notwendigkeit von Studien und Folgenabschätzungen im Hinblick auf etwaige politische Vorhaben ins Auge gefasst werden.

Frage:

10. Initiativen zu ein und demselben Thema

Grundsätzlich ist nicht auszuschließen, dass mehrere Initiativen zu ein und demselben Thema eingebracht werden. Mit einem Anmeldesystem, das für die nötige Transparenz sorgt, könnten jedoch Überschneidungen vermieden werden.

Dennoch bleibt die Möglichkeit, dass ein und dieselbe Aufforderung wiederholt vorgebracht wird, was zu einer unnötigen Belastung des Systems führen würde und im Laufe der Zeit seine Reputation als ernstzunehmendes Instrument des demokratischen Ausdrucks unterminieren könnte. Deshalb wäre zu überlegen, ob etwaige Hürden oder Fristen vorzusehen sind, um die wiederholte Einbringung einer Bürgerinitiative zu verhindern (eine gescheiterte Bürgerinitiative könnte beispielsweise erst nach einem gewissen Zeitraum erneut eingebracht werden).

Allerdings ist zu beachten, dass manche Bürgerinitiativen vielleicht dasselbe Thema betreffen und einige ähnliche Elemente beinhalten, aber dennoch nicht identisch sind. Darüber hinaus dürften die operativen und finanziellen Ressourcen, die für eine EU-weite Initiative erforderlich sind, das Wiederholungs- und Überschneidungsrisiko begrenzen.

Fragen:

III. Wie können Sie antworten

Beiträge zu dieser Konsultation sind der Kommission bis zum 31. Januar 2010 per E-Mail an ECI-Consultation@ec.europa.eu oder auf dem Postweg an folgende Adresse zu übermitteln:


Europäische Kommission
Generalsekretariat
Direktion E Bessere Rechtssetzung und institutionelle Fragen
Referat E.l Institutionelle Fragen"
B - l049 Brüssel

Die eingehenden Beiträge werden ins Internet gestellt, es sei denn, der Verfasser erhebt Einspruch gegen die Veröffentlichung seiner persönlichen Daten mit der Begründung, dass dies seine berechtigten Interessen schädigen würde. In diesem Falle kann der Beitrag anonym veröffentlicht werden.

Berufsverbände, die sich zu diesem Grünbuch äußern, werden dazu ermutigt, sich im Kommissionsregister der Interessenvertreter registrieren zu lassen, falls dies noch nicht geschehen ist. ( http://ec.europa.eu/transparency/regrm ). Dieses Register wurde im Rahmen der Europäischen Transparenzinitiative eingerichtet und soll der Kommission sowie der breiten Öffentlichkeit Einsicht in die Ziele, die Finanzierung und die Strukturen von Interessensvertretungen geben Die Kommission kann die Verfasser zu einer öffentlichen Anhörung zur der in diesem Grünbuch behandelten Thematik einladen.