Antrag des Landes Baden-Württemberg
Entwurf eines Gesetzes über die Vereinfachung des Austauschs von Informationen und Erkenntnissen zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union

Punkt 31 der 879. Sitzung des Bundesrates am 11. Februar 2011

Der Bundesrat möge beschließen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes anstelle der Ziffer 1 der Ausschussempfehlungen wie folgt Stellung zu nehmen:

Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 92 Absatz 3 Nummer 2 IRG),

Artikel 3 Nummer 7 Buchstabe c (§ 27 Absatz 2 Nummer 3 BKAG), Artikel 4 Nummer 4 Buchstabe b (§ 33 Absatz 3a Nummer 3 BPolG), Artikel 5 Nummer 5 Buchstabe c (§ 35 Absatz 2 Nummer 3 ZFdG), Artikel 6 Nummer 2 (§ 11a Absatz 4 Nummer 3 ZollVG), Artikel 7 Nummer 2 (§ 6a Absatz 3 Nummer 3 SchwarzArbG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens darauf hinzuwirken, dass in den regelungsgleichen Normen des § 92 Absatz 3 Nummer 2 IRG-E, § 27 Absatz 2 Nummer 3 BKAG-E, § 33 Absatz 3a Nummer 3 BPolG-E, § 35 Absatz 2 Nummer 3 ZFdG-E, § 11a Absatz 4 Nummer 3 ZollVG-E und § 6a Absatz 3 Nummer 3 SchwarzArbG-E eine Legaldefinition der "durch Zwangsmaßnahmen erlangten Erkenntnisse und Informationen" aufgenommen wird.

Er widerspricht den Auslegungshinweisen des Gesetzentwurfs zum absoluten Datenübermittlungsverbot der "durch Zwangsmaßnahmen erlangten Erkenntnisse und Informationen" im Bereich der präventiv motivierten Datenübermittlung und bittet im weiteren Gesetzgebungsverfahren um Klarstellung, dass ein polizeilicher Datenabgleich grundsätzlich keine Zwangsmaßnahme im Sinne des Rahmenbeschlusses 2006/960/JI vom 18. Dezember 2006 darstellt.

Begründung:

Der Gesetzentwurf enthält keine hinreichende Legaldefinition, was in Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2006/960/JI im nationalen Recht unter "Zwangsmaßnahmen" zu verstehen ist. Für Datenübermittlungen zu Zwecken der Strafverfolgung ist eine Orientierung an der Begründung des Entwurfs zu § 92 Absatz 3 Nummer 2 IRG-E denkbar. Für den Bereich der präventiv motivierten Datenübermittlung definiert die Begründung des Gesetzentwurfs Zwangsmaßnahmen im Sinne der Gefahrenabwehr (vgl. stellvertretend für alle: Einzelbegründung zu § 27 Absatz 2 Nummer 3 BKAG-E, BR-Drs. 853/10 (PDF) , S. 37) als Maßnahmen, "die gegen oder ohne den Willen der betroffenen Person durchgeführt werden und die aufgrund des damit einhergehenden wesentlichen Grundrechtseingriffs einer speziellen gesetzlichen Grundlage bedürfen, also nicht auf Generalklauseln oder vergleichbare Grundnormen (u.a. §§ 20a, 20b BKAG) gestützt werden können". Diese Definition greift zu kurz, ist im Ergebnis praxisfremd und untauglich. Bei Eingriffen, für die spezielle Rechtsgrundlagen vorhanden sind, wird sich nicht immer klar feststellen lassen, ob die Spezialität der Rechtsgrundlage auf verfassungsrechtlichen Gründen beruht. Darüber hinaus ist es zu pauschal, die Grenze der Möglichkeiten stets bei der Generalklausel zu ziehen. So wird der Polizei der Datenabgleich als ein wichtiges Instrument für den grenzüberschreitenden Informationsaustausch genommen. Erkenntnisgewinnung aus einem Datenabgleich ist eine praktisch unaufwändige und rechtlich auch vertretbare Möglichkeit für die Beantwortung der jeweiligen Anfrage der Strafverfolgungsbehörde eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union.

Zu denken ist hier beispielsweise an den Datenabgleich mit der INPOL-Datenbank, der nicht von der Generalklausel getragen wird, sondern in den Polizeigesetzen speziell geregelt ist. Gleiches gilt für die Dateien, auf die die Polizei nach anderen gesetzlichen Grundlagen einen automatisierten Zugriff hat. Neben dem Eingriff aufgrund der jeweiligen Generalklausel ist auch der gesetzlich außerhalb der Generalklausel vorgesehene Datenabgleich unter den Begriff der "verfügbaren" Daten im Sinne von Artikel 1 Absatz 3 i.V.m. Artikel 2 Buchstabe d RbDatA zu fassen. Bliebe es bei der Restriktion des Gesetzentwurfs, stellte sich die Frage, welche Informationsbeschaffungen dann überhaupt von der innerstaatlichen Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2006/960/JI erfasst wären.