Empfehlungen der Ausschüsse 879. Sitzung des Bundesrates am 11. Februar 2011
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen KOM (2010) 781 endg.; Ratsdok. 18257/10

A

Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:

Zur Vorlage insgesamt

Zur Anpassung an den AEUV

Dies gilt auch für den neu geschaffenen Artikel 4 "Ausnahmeregelungen und Schutzklauseln", in dem ebenfalls die Änderung des Anhangs I durch "delegierte Rechtsakte" vorgesehen ist.

Eine inhaltlich sinnvolle Beteiligung der Mitgliedstaaten bzw. der Länder ist in dem in Artikel 26 festgelegten Zeitraum von zwei bis drei Monaten nicht durchführbar. Unter Beachtung des Subsidiaritätsgrundsatzes ist hier ein stärkerer Einbezug der Mitgliedstaaten geboten.

Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich im weiteren Rechtsetzungsverfahren dafür einzusetzen, dass eine Änderung des Anhangs I, wie in der aktuellen Fassung der Richtlinie auch, nur im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens gemäß Artikel 289 AEUV möglich ist.
(bei Annahme entfällt Ziffer 5)

5. Zu Artikel 23 und 24 (Änderung der Anhänge, Ausübung der Befugnisübertragung)

Der Bundesrat lehnt die von der Kommission beabsichtigte Verfahrensweise für die Anpassung der Anhänge I bis VII durch delegierte Rechtsakte nach Artikel 290 Absatz 1 AEUV ab und spricht sich dafür aus, das Verfahren der "Durchführungsrechtsakte" (Artikel 291 AEUV) in der vorgeschlagenen Richtlinie zu verankern. Es handelt sich bei den Anhängen gerade nicht um "nicht wesentliche Vorschriften". Die Anhänge entscheiden vielmehr darüber, ob ein Betriebsbereich unter die Seveso-II-Richtlinie fällt oder nicht, und betreffen somit den Kern der Richtlinie. Die Anhänge dürfen deshalb nur unter maßgeblicher Beteiligung der Mitgliedstaaten geändert werden.

Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass Änderungen der Anhänge der Richtlinie, die maßgebliche Auswirkungen auf den Anwendungsbereich haben, nicht durch delegierte Rechtsakte nach Artikel 290 Absatz 1 AEUV erfolgen können.
(entfällt bei Annahme von Ziffer 4; bei Annahme entfällt Ziffer 6)

6. Zu Artikel 23 und 24 (Änderung der Anhänge II bis VII, Ausübung der Befugnisübertragung)

Der Bundesrat lehnt die von der Kommission beabsichtigte Verfahrensweise für die Anpassung der Anhänge II bis VII durch delegierte Rechtsakte nach Artikel 290 Absatz 1 AEUV ab, und spricht sich dafür aus, das Verfahren der "Durchführungsrechtsakte" (Artikel 291 AEUV) in der vorgeschlagenen Richtlinie zu verankern. Es handelt sich bei den Anhängen gerade nicht um "nicht wesentliche Vorschriften". Die Anhänge entscheiden vielmehr darüber, ob ein Betriebsbereich unter die Seveso-II-Richtlinie fällt oder nicht und betreffen somit den Kern der Richtlinie. Die Anhänge dürfen deshalb nur unter maßgeblicher Beteiligung der Mitgliedstaaten geändert werden.

Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass Änderungen der Anhänge der Richtlinie, die maßgebliche Auswirkungen auf den Anwendungsbereich haben, nicht durch delegierte Rechtsakte nach Artikel 290 Absatz 1 AEUV erfolgen können.

Zu den einzelnen Vorschriften

Zu Artikel 2 i.V.m. Anhang I (Anwendungsbereich, Verzeichnis der gefährlichen Stoffe)

Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich im Rahmen der weiteren Beratungen dafür einzusetzen, dass Anhang I so ausgestaltet wird, dass keine Ausdehnung des Anwendungsbereichs erfolgt, die nicht zwingend durch die Anpassung an die CLP-Verordnung erforderlich ist.

Zu Artikel 3 Absatz 9

Zu Artikel 4

Der Bundesrat sieht es als sinnvoller an, auf Grund vorhandener betrieblicher Bedingungen den Betrieb von einzelnen Auflagen und Anforderungen befreien zu können. Eine generelle Entlassung würde vom Einzelfall zum Allgemeinfall werden.

Zu Artikel 5 Absatz 1

Zu Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe g

Zu Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe b

Zu Artikel 7

Auch Betriebe der unteren Klasse (Betriebe mit Grundpflichten nach der Störfall-Verordnung) sind auf Grund ihres Stoffpotenzials in der Lage, schwere Unfälle zu verursachen. Neben den Anforderungen an die technische Ausführung von Anlagen solcher Betriebe stellt insbesondere das Sicherheitsmanagementsystem ein wichtiges Instrument zur Erreichung eines hohen Sicherheitsniveaus dar.

In den Erwägungsgründen der Seveso-II-Richtlinie 96/82/EG wurde bezüglich des Erfordernisses für Sicherheitsmanagementsysteme (SMS) nicht zwischen Betrieben der unteren Klasse und Betrieben der oberen Klasse differenziert, sondern eine allgemeine Notwendigkeit gesehen:

"(Nummer 15) Eine Analyse der in der Gemeinschaft gemeldeten schweren Unfälle zeigt, dass in den meisten Fällen Management- bzw. organisatorische Mängel die Ursache waren. Es müssen deshalb auf Gemeinschaftsebene grundlegende Prinzipien für die Managementsysteme festgelegt werden, die geeignet sein müssen, den Gefahren schwerer Unfälle vorzubeugen und sie zu verringern und die Unfallfolgen zu begrenzen". Dessen Einführung und Aufrechterhaltung ist in Deutschland und weiteren Mitgliedstaaten inzwischen auch für Betriebe der unteren Klasse bewährte Praxis. Insofern würde der Wegfall der Verpflichtung, für Betriebe der unteren Klasse ein Sicherheitsmanagementsystem einzuführen und aufrecht zu erhalten, zu einer Verringerung der Sicherheit bei diesen Betrieben führen.

Zu Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe e, Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe c, Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe c, Anhang II Nummer 2 Buchstabe c

Zu Artikel 9 Absatz 6

Zu Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe c

Begründung:

Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 96/82/EG bestimmt, "dass die von dem Mitgliedstaat hierzu benannten Behörden einen externen Notfallplan für Maßnahmen außerhalb des Betriebs erstellen".

Diese Regelung sollte beibehalten werden.

In Anbetracht der komplexen Ausgangssituation, die neben Ortsbegehungen etc. - auch umfangreiche Abstimmungen zwischen den Betreibern, den zu beteiligenden Stellen und den für die Erstellung der externen Notfallpläne zuständigen Behörden erfordert, sowie vor dem Hintergrund der einzuhaltenden Auslegungsfristen würde die "Ein-Jahres-Frist" die vom Mitgliedstaat benannten Behörden vor immense oft nur schwer lösbare - Probleme stellen.

Zu Artikel 12

Zu Artikel 12 Absatz 2 Buchstabe a

Zu Artikel 13 (Unterrichtung der Öffentlichkeit)

Die Bundesregierung wird deshalb gebeten, sich dafür einzusetzen, dass die bestehenden Informationspflichten aus sicherheitstechnischen Gründen nicht wesentlich ausgeweitet werden.

Zu Artikel 14

Ferner wird die in Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe d vorgeschlagene Veröffentlichung von Entscheidungsentwürfen abgelehnt.

Zu Artikel 14 Absatz 3 bis 6

Zu Artikel 16

Zu Artikel 17

Artikel 17 verpflichtet die Mitgliedstaaten, zuständige Behörden zu benennen, und regelt auf europäischer Ebene die Einrichtung eines Forums, an dem Vertreter der zuständigen Behörden teilnehmen. Aus diesen Regelungen können in Bezug auf die föderale Verwaltungsstruktur in Deutschland Probleme resultieren.

Da für den Vollzug von Bundesrecht grundsätzlich die Länder zuständig sind, existiert in Deutschland keine insoweit einheitliche Behörde. Die Bundesregierung und die Bundesoberbehörden sind hier nicht verantwortlich und haben keine diesbezüglichen Aufsichtsrechte.

Artikel 17 Absatz 1 kann so verstanden werden, dass hier die für den Vollzug des Störfallrechts gegenüber dem Betreiber zuständigen Ordnungsbehörden angesprochen sind. Diese Aufgaben fallen bei den Immissionsschutz-, Arbeitsschutz- und Gefahrenabwehrbehörden an und können über eine landesrechtliche Zuständigkeitsbestimmung entsprechend bei einer Behörde (etwa der Bezirksregierung) koordiniert werden.

Zu Artikel 17 Absatz 2

Zu Artikel 19

Zielsetzung und Umfang des Inspektionsprogramms in der geltenden Seveso-II-Richtlinie sind angemessen und haben sich in der Praxis bewährt. Sie geben den Behörden den notwendigen Freiraum, eigene Schwerpunkte bei der Anlagensicherheit zu setzen und auf aktuelle Entwicklungen flexibel zu reagieren. Für die im Richtlinienvorschlag vorgesehene Erweiterung der Inspektionstätigkeit, insbesondere durch die Verkürzung der Fristen für die Regelkontrollen ohne Möglichkeit einer Fristenverlängerung, gibt es keine Veranlassung. Auch aus dem abnehmenden Trend des Unfallgeschehens lässt sich das Erfordernis für eine Ausweitung der Inspektionstätigkeit nicht ableiten.

Zu Artikel 19 Absatz 7

Zu Artikel 20 Absatz 2 und 3

Zu Artikel 21 und Artikel 22

Zu Anhang I

Zu Anhang V Teil 1 Nummer 6

Zu Anhang V Teil 2 Nummer 1

Die in Anhang V, Teil 2, Nummer 1 für Betriebe der oberen Klasse enthaltene Verpflichtung, der Öffentlichkeit auch eine Zusammenfassung der Einzelheiten der Szenarien schwerer Unfälle nebst den Vorfällen, die für das Eintreten jedes dieser Szenarien ausschlaggebend sein könnten, ständig zugänglich zu machen, einschließlich in elektronischer Form, erscheint nicht notwendig bzw. sogar kontraproduktiv. Für die betroffene Bevölkerung kommt es entscheidend darauf an, dass sie im Vorfeld eines schweren Unfalls darüber informiert wird, wie sie vor einem schweren Unfall gewarnt wird, wie sie über dessen Verlauf fortlaufend unterrichtet wird und wie sie sich bei einem schweren Unfall verhalten soll; diese Informationen sind in Anhang V, Teil 2, Nummer 2 und 3 richtigerweise vorgesehen. Informationen über Szenarien schwerer Unfälle nebst den Vorfällen, die für das Eintreten jedes dieser Szenarien ausschlaggebend sein könnten, gehören jedoch nicht dazu. Solche Informationen sind im Gegenteil potenziell geeignet, Personen mit unlauteren Absichten Informationen über das Gefährdungspotenzial und die sicherheitskritischen Teile eines Betriebs zu geben; ein Mehrgewinn an Sicherheit, wie von dem Richtlinienvorschlag beabsichtigt, ist damit nicht verbunden, vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Es wird ein neues Risikopotenzial eröffnet.

Zur Qualität der Übersetzung

B