Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Zuwanderung von Frauen: Rolle und Stellung der Migrantinnen in der Europäischen Union (2006/2010(INI))

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 120741 - vom 29. November 2006. Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 24. Oktober 2006 angenommen.

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass die Zahl der Immigrantinnen in der Europäischen Union kontinuierlich steigt und sich auf ca. 54 % der Gesamtzahl der Immigranten beläuft und ein immer breiteres Spektrum an Gruppen umfasst (Wirtschaftsmigration, Katastrophenmigration, Familienzusammenführung, Flüchtlinge aus politischen Gründen oder wegen bewaffneter Konflikte, irreguläre Einwanderung, Asylsuchende),

B. in der Erwägung, dass keine echte organisierte und koordinierte europäische Migrationspolitik existiert, und in der Erwägung, dass die Union und ihre Mitgliedstaaten eine Regelungspolitik für die Migration in Zusammenarbeit mit den Drittländern schaffen müssen,

C. in der Erwägung, dass Migrantinnen bei der Integration in der Regel auf erhebliche Probleme stoßen, vor allem Schwierigkeiten beim Zugang zum Arbeitsmarkt, eine niedrige Beschäftigungsquote und hohe Arbeitslosigkeit, befristete oder schlecht bezahlte Beschäftigung oft ohne jeglichen sozialen oder wirtschaftlichen Schutz oder in der Schattenwirtschaft und Schwarzarbeit, eingeschränkte sprachliche Fähigkeiten, geringe Beteiligung an der Grundbildung und vor allem an der Hoch- und Fachschulbildung, eingeschränkte Teilhabe am gesellschaftlichen, politischen, gewerkschaftlichen und kulturellen Leben des Aufnahmelandes, Armut und soziale Ausgrenzung; unter Hinweis dennoch darauf, dass eine nicht unwesentliche Zahl junger Frauen, die in ihrem Land ein Hochschulstudium absolviert haben, in der Europäischen Union Stellen innehaben, die eine geringe Qualifizierung erfordern, beispielsweise als Hausangestellte, als Folge der hohen Frauenarbeitslosigkeit in ihren Ländern und der niedrigen Löhne, die sie für eine ihren Qualifizierungen entsprechende Stelle beanspruchen könnten,

D. in der Erwägung, dass Migrantinnen oft in erheblichem Maße diskriminiert werden, und zwar auf Grund ihrer Abhängigkeit vom rechtlichen Status ihres Ehemannes gemäß der Richtlinie 2003/86/EG (kein eigener Rechtsstatus, beschränkter Zugang zum Arbeitsmarkt, unsicheres Aufenthaltsrecht im Falle einer Witwenschaft, Scheidung usw.), sowie aus Gründen der Mentalität und negativer Stereotype und Praktiken, die aus den Herkunftsländern mitgebracht wurden und in den Gastländern ebenfalls vorherrschen; in der Erwägung, dass sie in einigen Einwanderergemeinschaften erheblichen Problemen wie Ausgrenzung, Zwangsheiraten, Genitalverstümmelungen an Frauen und sogenannten Ehrenverbrechen ausgesetzt sind,

E. unter Betonung der Tatsache, dass von der Integration der Migrantinnen in die Gesellschaft sehr oft die Integration der Angehörigen der zweiten und dritten Generation zugewanderter Bürger abhängt,

F. in der Erwägung, dass Migrantinnen in größerem Maße psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt sind, entweder weil sie wirtschaftlich und rechtlich abhängig sind oder weil Migrantinnen ohne Rechtsstatus häufiger Gefahr laufen, Opfer von Misshandlungen und sexueller Ausbeutung am Arbeitsplatz oder von Schlepperbanden zu werden; in der Erwägung, dass Migrantinnen, die sich in einer rechtswidrigen Situation befinden, aufgrund des Fehlens eines Rechtsstatus in ihrem Wohnsitzstaat in besonderem Maße Gefahr laufen, dass ihnen ihre Grundrechte verweigert werden, und dass sie im täglichen Leben verstärkt Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt sind,

G. in der Erwägung, dass Integration ein bilateraler Prozess ist, der sowohl die Bereitschaft der Zuwanderinnen voraussetzt, die Verantwortung für die Integration in ihre Aufnahmegesellschaft zu übernehmen, als auch die Bereitschaft der EU-Bürger, die Migrantinnen zu akzeptieren und zu integrieren; hierbei müssen zur Beeinflussung der Verhaltensmuster sowohl der Zuwanderer als auch der Aufnahmegesellschaften auf allen relevanten Ebenen sowie zur Mobilisierung von Ressourcen integrierte Maßnahmen auf beiden Seiten erarbeitet und umgesetzt werden; ferner in der Erwägung, dass dieser bilaterale Prozess ein gegenseitiges Engagement erfordert, das aus Rechten und Pflichten für die Aufnahmegesellschaft und für die Zuwanderer besteht H. in der Erwägung, dass der Aspekt des Geschlechts weder bei harmonisierten Maßnahmen noch bei der Erhebung von Daten systematisch berücksichtigt wird, wie aus den jüngsten Berichten zur Bewertung der nationalen Maßnahmen zur Integration von Migranten hervorgeht,

I. in der Erwägung, dass Menschenrechtsverletzungen gegen Migrantinnen in Form von so genannten Ehrenverbrechen, Zwangsehen, Genitalverstümmelungen oder sonstigen Verletzungen nicht durch kulturelle oder religiöse Gründe gerechtfertigt werden können und unter keinen Umständen toleriert werden sollten,

J. in der Erwägung, dass der neue Finanzrahmen 2007-2013 nicht nur auf die Stärkung bestehender Programme und Fonds für die Integration von Einwanderern abzielt, sondern auch auf die Förderung neuer Initiativen wie beispielsweise das Rahmenprogramm "Solidarität und Steuerung der Migrationsströme" (das auch einen Fonds für die Integration von Drittstaatangehörigen, den Außengrenzenfonds und den Flüchtlingsfonds beinhaltet), in denen die Geschlechterdimension und eine bestmögliche soziale Integration von Migrantinnen mit eingeschlossen sein müssen,

K. unter Hinweis darauf, dass es zahlreiche Verbindungen zwischen Frauenhandel und wirtschaftlich begründeter Migration gibt,


1 ABl. 261 vom 6.8.2004, S. 19.
2 ABl. L 180 vom 19.7.2000, S. 22.
3 ABl. L 31 vom 6.2.2003, S. 18.
4 ABl. L 251 vom 3.10.2003, S. 12.
5 ABl. L 16 vom 23.1.2004, S. 44.
6 ABl. L 304 vom 30.9.2004, S. 12.
7 ABl. C 233 E vom 28.9.2006, S. 121.
8 ABl. C 124 E vom 25.5.2006, S. 535.
9 ABl. C 92 E vom 16.4.2004, S. 390.
10 ABl. C 102 E vom 28. 4. 2004, S. 497.
11 ABl. L 262 vom 22.9.2006, S. 51.