Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 29. November 2007 zu gemeinsamen Grundsätzen für den Flexicurity-Ansatz (2007/2209(INI))

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 320124 - vom 19. Dezember 2007.

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 29. November 2007 angenommen.

Stellungnahme des Bundesrates: Drucksache 470/07(B) HTML PDF

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass die Europäische Union nicht nur eine wirtschaftliche Union, sondern auch eine Wertegemeinschaft ist, weshalb jede Reform des Arbeitsrechts wie des Arbeitsmarktes diese Werte widerspiegeln sollte, sowie in der Erwägung, dass die auf europäischer Ebene entwickelten arbeitsrechtlichen Grundsätze weiterhin gültig bleiben sollten; in der Erwägung, dass Flexicurity den Dialog aller Sozialpartner wiedergeben sollte und ein gutes Gleichgewicht zwischen den Interessen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer auf der einen Seite und von Flexibilität und Sicherheit auf der anderen Seite widerspiegeln sollte; in der Erwägung, dass das Arbeitsrecht Beschäftigten wie Arbeitgebern durch Rechtsvorschriften oder Tarifverträge oder eine Mischung davon Rechtssicherheit und Schutz gewährt, und in der Erwägung, dass der Erfolg jedweder Änderung des Arbeitsrechts umso größer sein wird, je sicherer sich die Beschäftigten fühlen können; in der Erwägung, dass es notwendig ist, sowohl für die Arbeitnehmer als auch für die Arbeitgeber das Maß an Sicherheit zu erhöhen, insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU); in der Erwägung, dass diese Sicherheit auch davon abhängt, wie problemlos sich eine neue Stelle finden lässt; in der Erwägung, dass der weltweite Wettbewerb und die rasante Entwicklung der Technologien die Unternehmen zwingen, sich immer schneller anzupassen,

B. in der Erwägung, dass Flexicurity daher als ein wichtiger Bestandteil des europäischen Sozialmodells anzusehen ist, das wettbewerbs- und anpassungsfähige Betriebe und Beschäftigte fördert; in der Erwägung, dass der Begriff "Flexicurity" bei einigen europäischen Arbeitnehmern, die eine größere Beschäftigungsunsicherheit befürchten, große Besorgnis hervorruft und deshalb sehr präzise mit den festen Grundsätzen, die er beinhaltet, definiert werden muss,

C. in der Erwägung, dass 16 Prozent der Europäer am Rande der Armutsgrenze und 10 % in erwerbslosen Haushalten leben und es daher entscheidend ist, dass sich jegliche Reform auf der Grundlage von Flexicurity auf eine detaillierte Verträglichkeitsprüfung im Hinblick auf gefährdete Gruppen stützen muss und darauf abzielen sollte, die soziale Eingliederung zu fördern und nicht zusätzliche Gruppen zu gefährden,

D. in der Erwägung, dass die Erwerbslosigkeit in der Europäischen Union damit in Zusammenhang gebracht werden könnte, dass zu wenig Arbeitsplätze geschaffen werden, was unter anderem von dynamischen, innovativen und wettbewerbsfähigen Unternehmen und von Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie lebenslangem Lernen abhängt, was ebenfalls zu einen dynamischen Arbeitsmarkt beitragen kann,

E. in der Erwägung, dass eine hochmoderne, innovative, wissensbasierte Wirtschaft nach Wettbewerbsfähigkeit am oberen Ende der Wertschöpfungskette streben sollte, wobei zur Erreichung dieses Ziels langfristige Beschäftigungsverhältnisse sowie hochqualifizierte und hochmotivierte Arbeitskräfte erforderlich sind,

F. in der Erwägung, dass Flexicurity unter anderem darauf abzielt, das Stellenangebot auf dem Arbeitsmarkt zu erweitern und gleichzeitig den Einzelnen und die Unternehmen in die Lage zu versetzen, mit den Veränderungen fertig zu werden und die Mobilität auf dem europäischen Arbeitsmarkt zu erhöhen, und mit einer Politik zur Schaffung von stabilen und nachhaltigen Arbeitsplätzen sowie existenzsichernden Einkommen einhergehen muss,

G. in Erwägung, dass mobile Arbeitnehmer noch stets mit dem Verlust sozialer Sicherheit rechnen müssen,

H. in der Erwägung, dass die Europäische Union und die Mitgliedstaaten, wenn sie auf dem Binnenmarkt unfairen Wettbewerb vermeiden wollen, ein gewisses Maß an gemeinsamen Standards in ihrem jeweiligen Arbeitsrecht einhalten müssen, wobei sie gleichzeitig darauf achten müssen, dass kein Mitgliedstaat davon abgehalten werden darf, höhere Standards einzuführen und beizubehalten,

I. in der Erwägung, dass Flexicurity die gleichmäßige Verteilung von Rechten und Pflichten von Arbeitgebern, Beschäftigten, Arbeitssuchenden und Behörden voraussetzt und ein Klima des Vertrauens und einen transparenten Dialog zwischen den Behörden, den Sozialpartnern und anderen Akteuren erfordert, in dem alle bereit sind, sich für den Wandel einzusetzen und ausgewogene Maßnahmenbündel zu schnüren, um den Prozess der Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen für alle zu unterstützen, die Gleichstellung der Geschlechter zu gewährleisten und die Diskriminierung von anfälligen Gruppen von Arbeitnehmern wie Zugewanderten, jüngeren und älteren Beschäftigen und Menschen mit Behinderungen zu bekämpfen,

J. in der Erwägung, dass die Mitteilung der Kommission über Flexicurity den Grundsatz der Gleichheit von Frauen und Männern zwar feststellt, ihre Formulierung jedoch insofern nicht griffig ist, als sie die grundlegende Ungleichheit zwischen Frauen und Männern in Bezug auf den Zugang zum und die Teilhabe am Arbeitsmarkt und in Bezug auf die gemeinsame Übernahme unbezahlter Arbeit nicht in Frage stellt,

K. in der Erwägung, dass hohe Arbeitslosigkeit und Arbeitsmarktsegmentierung überwunden werden müssen, indem die rechtlichen Ungleichheiten, von denen bestimmte Gruppen von unzureichend geschützten Arbeitnehmern betroffen sind, beseitigt, die Schaffung von Arbeitsplätzen gefördert und alle Beschäftigten einen Grundbestand an Rechten und den Zugang zum lebenslangen Lernen erhalten,

L. in der Erwägung, dass Teilzeitarbeit, geringere Entlohnung und befristete Beschäftigungsverhältnisse - die Hauptrisiken für Armut trotz Erwerbstätigkeit - in erster Linie ein Merkmal von Beschäftigungsverhältnissen von Frauen sind,

M. in der Erwägung, dass die Mitteilung der Kommission über Flexicurity als Ausgangspunkt für eine ausgewogenere Diskussion über Flexicurity verwendet werden muss; in der Erwägung, dass Studien der OECD und der ILO eine Politikstrategie unterstützen, die ein hohes Maß an sozialer Sicherheit mit einer positiven Wirkung auf Lohnersatzraten und Produktivität verbindet, und dass das Konzept der Europäischen Union von "guter Arbeit" Rechte und Teilhabe der Beschäftigten, gerechte Löhne, Schutz von Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz wie auch eine familienfreundliche Arbeitsorganisation umfasst; in der Erwägung, dass diese Rechte unverzichtbar für die Akzeptanz der Europäischen Union durch ihre Bürgerinnen und Bürger sind,

N. in der Erwägung, dass der Europäische Sozialfonds bei der Förderung des sozialen Dialogs sowie aktiver arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen eine entscheidende Rolle zu spielen hat, um ein starkes europäisches Sozialmodell mit mehr und besseren Arbeitsplätzen zu gewährleisten,

O. in der Erwägung, dass die OECD kürzlich erklärt hat, dass Beschäftigungsschutzvorschriften keine bedeutenden Auswirkungen auf die Gesamtbeschäftigungsrate haben und dass sich hohe Lohnersatzraten der Arbeitslosenzahlungen positiv auf die Produktivität auswirken; ferner in der Erwägung, dass die ILO dargelegt hat, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen stabilem Beschäftigungsverhältnis und Produktivität gibt,