Der Bundesrat hat in seiner 825. Sitzung am 22. September 2006 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
In § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 sind nach dem Wort "bedürfen" die Wörter "und von Anhang I der Richtlinie 096/61 des Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung erfasst werden" einzufügen.
Begründung:
Der Anwendungsbereich des Gesetzes wird durch § 1 weitergefasst, als dies durch die umzusetzende Richtlinie vorgegeben ist. Dies zeigt sich auch in der Erstreckung des Gesetzes auf sämtliche Anlagen nach Spalte 1 der 4. BImSchV, obwohl diese nicht alle der IVU-Richtlinie unterfallen. Der Änderungsvorschlag stellt für den Bereich der IVU-Richtlinie eine Beschränkung auf eine 1:1-Umsetzung sicher. Eine entsprechende Beschränkung des Anwendungsbereichs im Bereich der UVP-Richtlinie erscheint untunlich, um das Gesetz vollziehbar zu erhalten. Da die UVP-Richtlinie selbst keinen abschließenden Kanon an erfassten Vorhaben enthält, muss die Beschränkung insoweit durch Anpassung der nationalen Rechtslage im Genehmigungsrecht, insbesondere der 4. BImSchV, erfolgen.
2. Zu § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
In § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 sind nach den Wörtern "Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes" die Wörter ", soweit diese Deponien nach Anhang I der Richtlinie 096/61 des Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung erfasst werden" einzufügen.
Begründung:
Die vorgesehene Regelung des Entwurfs ist weitergefasst, als dies durch die umzusetzende Richtlinie vorgegeben ist. Sie erstreckt sich auf sämtliche Planfeststellungen für Deponien, obwohl diese nicht alle der IVU-Richtlinie unterfallen. Der Änderungsvorschlag stellt für den Bereich der IVU-Richtlinie eine Beschränkung auf eine 1:1-Umsetzung sicher.
3. Zu § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 Nr. 1
In § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 sind jeweils die Wörter "für die Entscheidung von Bedeutung" durch die Wörter "auf die Entscheidung von Einfluss gewesen" zu ersetzen.
Begründung:
§ 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 URG-E schafft für die Anfechtungsklagen von Umweltschutzvereinigungen eine Sonderregelung zu § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, nach dem das Verwaltungsgericht den Verwaltungsakt aufhebt, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig ist und der Kläger "dadurch" in seinen Recht verletzt ist. Dieser Kausalzusammenhang zwischen Rechtswidrigkeit und Verletzung individueller Rechte wird durch das Erfordernis, der Rechtsverstoß müsse für die "Entscheidung von Bedeutung" sein, zu einer bloßen "Entscheidungsrelevanz" (so die Erläuterungen zu § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG-E) relativiert. Im Ergebnis führt die Regelung deshalb zu einer verdeckten Erweiterung des Rechtsschutzes von Umweltschutzvereinigungen gegenüber dem Individualrechtsschutz. Mit der vorgeschlagenen Beschränkung auf Rechtsverstöße, die auf die Entscheidung "von Einfluss gewesen sind", wird in Übernahme der Regelung des § 17 Abs. 6c Satz 1 des Bundesfernstraßengesetzes (FStrG) auch für die Begründetheit der Klagen von Umweltschutzvereinigungen ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Rechtswidrigkeit und Verletzung drittschützender Normen gefordert. Sonstige Regelungen des Fachrechts über die Folgen von Verstößen gegen das formelle und materielle Recht (§ 17 Abs. 6c Satz 1 FStrG, §§ 214, 215 BauGB) werden durch § 2 Abs. 5 URG-E nicht berührt.
Die vorgeschlagene Änderung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG-E stellt den begrifflichen Gleichklang zu § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 URG-E wieder her. Die Regelung modifiziert im Übrigen in Anlehnung an § 61 Abs. 2 BNatSchG die Regelungen zur Klagebefugnis des § 42 Abs. 2 VwGO. Bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit der Klage sollte untersucht werden, ob die konkrete Möglichkeit besteht, dass die gerügte Verletzung individueller Rechte auf die angegriffene Entscheidung überhaupt Einfluss haben konnte, um von vornherein eine Beschränkung der Rechtsbehelfe von Umweltschutzvereinigungen auf entscheidungserhebliche Rechtsverstöße zu erreichen.
4. Zu § 2 Abs. 1 Nr. 2 und 2a - neu -
§ 2 Abs. 1 ist wie folgt zu ändern:
- a) In Nummer 2 ist nach den Wörtern "berührt zu sein," das Wort "und" zu streichen.
- b) Nach Nummer 2 ist folgende Nummer 2a einzufügen:
2a. geltend macht, dass der zu überprüfende Sachverhalt ihren räumlichen Tätigkeitsbereich betrifft, und
Begründung:
Diese Regelung hat zum Ziel, dass die Klagebefugnis neben der inhaltlichen auch an eine räumliche Komponente der Vereinigung anknüpft, mit der Folge, dass z.B. eine Vereinigung aus Kiel nicht ohne Weiteres in Bayern klagen könnte.
Durch die Anknüpfung an den räumlichen Tätigkeitsbereich und den zu überprüfenden Sachverhalt wird sichergestellt werden, dass bei einem Vorhaben mit übergreifenden Umweltauswirkungen, nur die Vereinigungen eine Klageberechtigung erhalten, die einen räumlichen Bezug zu dem in Frage stehenden Sachverhalt nachweisen können. Eine derartige Vorgehensweise begegnet nach derzeitigen Erkenntnissen keinen europarechtlichen Bedenken, da es sich insoweit um eine an sachdienlichen Erwägungen orientierte Ausschöpfung des in Artikel 1 Abs. 2 der UVP-Richtlinie gegebenen Gestaltungsspielraumes handelt und der Vorschlag für eine Richtlinie über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (KOM (2003) 624 end.) in Artikel 5 Abs. 1 eine ähnliche Regelung vorsieht.
5. Zu § 2 Abs. 2
§ 2 Abs. 2 ist zu streichen.
Begründung:
Eine Rechtsbehelfsbefugnis einer noch nicht nach § 3 URG-E anerkannten Vereinigung ist praktisch nicht sinnvoll und europarechtlich nicht zwingend geboten.
Bei Vereinigungen, die sich erst im Anerkennungsverfahren befinden, würde die Prüfung der Anerkennungsvoraussetzungen vom ansonsten zuständigen Umweltbundesamt auf das jeweils im Einzelfall angerufene Gericht verlagert. Eine Bindungswirkung einer vom angerufenen Gericht getroffenen Inzidententscheidung hinsichtlich des laufenden Anerkennungsverfahrens beim Umweltbundesamt ist nicht vorgesehen. Vielmehr erkennt Absatz 2 Satz 4 sogar ausdrücklich das Nebeneinander von Inzidentprüfung und Anerkennungsverfahren an, indem bestimmt wird, dass eine bestandskräftige Ablehnungsentscheidung im Anerkennungsverfahren den Rechtsbehelf unzulässig macht. Nicht ausdrücklich geregelt wird, was geschehen soll, wenn über den Rechtsbehelf bereits rechtskräftig entschieden worden ist. Denkbar ist zudem die Situation, dass eine Vereinigung "in Gründung" nebeneinander sowohl einen Rechtsstreit über einen Einzelfall als auch über ihre Anerkennung führt. Dies erscheint unnötig kompliziert. Wenn § 2 Abs. 2 URG-E gestrichen wird, verbleibt der Vereinigung die Möglichkeit der Erhebung einer Untätigkeitsklage, wenn das Umweltbundesamt das Anerkennungsverfahren zögerlich betreibt.
Die Richtlinie 2003/35/EG verlangt, dass die Mitgliedstaaten den Zugang von Mitgliedern der "betroffenen Öffentlichkeit" zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht zu gewährleisten haben, wenn die Mitglieder ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Recht eines Mitgliedstaates dies als Voraussetzung erfordert. Zwar hat sich der Gesetzentwurf mit der Einführung der Rechtsbehelfsbefugnis für Vereinigungen für die erste Variante entschieden; daraus folgt jedoch nicht, dass als "betroffene Öffentlichkeit" zwingend Vereinigungen "in Gründung" angesehen werden müssen. In der Richtlinie ist im Hinblick auf die Nichtregierungsorganisationen von "nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen" die Rede, so dass ein vorausgehendes Anerkennungsverfahren vorgesehen werden kann.
6. Zu § 2 Abs. 4a - neu -In § 2 ist nach Absatz 4 folgender Absatz 4a einzufügen:
- (4a) Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung.
Begründung:
Die aufschiebende Wirkung dient der Effektivität subjektiven Rechtsschutzes. Bei der Verbandsklage handelt es sich aber um ein objektives Beanstandungsverfahren, für das daher keine aufschiebende Wirkung - jedenfalls nicht im Regelfall - gelten kann. Für Einzelfälle kann nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung angeordnet werden.
7. Zu § 3 Abs. 2
In § 3 Abs. 2 sind nach dem Wort "Umweltbundesamt" die Wörter ", bei inländischen Vereinigungen im Einvernehmen mit dem Land, in dem die Vereinigung ihren Sitz hat," einzufügen.
Begründung:
Angesichts der weitreichenden Folgen der Anerkennung von Umweltschutzvereinigungen für das Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsverfahren sollte das Anerkennungsverfahren nicht ohne ein Mitspracherecht der Länder alleine durch eine Bundesbehörde durchgeführt werden. Das Einvernehmenserfordernis zu Gunsten des Landes, in dem die Vereinigung ihren Sitz hat, kann dazu beitragen, Zusatzinformationen zu den vom Antragssteller nachzuweisenden Anerkennungsvoraussetzungen gem. § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 5 zu vermitteln, die bei einer Bundesbehörde schon mangels eigener fachrechtlicher Vollzugserfahrung nicht vorliegen werden.
8. Zu § 3 Abs. 2 Satz 2 bis 5 - neu -Dem § 3 Abs. 2 sind folgende Sätze anzufügen:
- Die Anerkennung wird wirksam, sobald sie vom Umweltbundesamt in ein öffentlich zugängliches Verzeichnis eingestellt wird. Das Verzeichnis enthält Angaben über den satzungsmäßigen Aufgabenbereich der Vereinigung sowie Namen und Anschrift ihrer satzungsmäßigen Vertreter. Die Vereinigung ist verpflichtet, Änderungen dieser Angaben unverzüglich mitzuteilen. Die Anerkennung von Vereinen gemäß Absatz 1 Satz 4 wird dem Umweltbundesamt mit den nach Satz 3 erforderlichen Angaben übermittelt und vom Umweltbundesamt veröffentlicht.
Begründung:
Die Ergänzungen stellen die Vollzugstauglichkeit der Anerkennung von Umweltschutzvereinigungen sicher. Durch die Einführung eines allgemein zugänglichen, möglichst im Internet eingestellten Verzeichnisses soll den Genehmigungsbehörden eine für ihre Verfahren nutzbare Informationsquelle zur Verfügung gestellt werden.
Wegen der Begründung von Mitwirkungspflichten für die Vereinigungen und in den Fällen des § 3 Abs. 1 Satz 3 für die Behörden ist eine gesetzliche Regelung des Anerkennungsverfahrens erforderlich. Auch die vorgesehene Veröffentlichung personenbezogener Daten durch das Umweltbundesamt ist nicht lediglich auf Grundlage von Verwaltungsvorschriften möglich.
9. Zu § 3
Der Bundesrat fordert, im weiteren Gesetzgebungsverfahren, anknüpfend an seine Entschließung vom 10. März 2006 - BR-Drs. 094/06(B) -, für eine Abstimmung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes mit den derzeit vorgesehenen Änderungen des Fachplanungsrechts hinsichtlich der Beteiligung von Umweltschutzvereinigungen und Naturschutzvereinen Sorge zu tragen. Dabei sind insbesondere zusätzliche Benachrichtigungspflichten der Genehmigungsbehörden zu vermeiden und die durch die Richtlinie 2003/35/EG eröffneten Spielräume für eine praxistaugliche Ausgestaltung der Beteiligung der anerkannten Umweltschutzvereinigungen auszuschöpfen.
Begründung:
Der Bundesrat hat beim Beschluss zum Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung und Beschleunigung von Zulassungsverfahren für Verkehrsprojekte - BR-Drs. 094/06(B) - am 10. März 2006 in einer Entschließung die Bundesregierung gebeten, die Regelungen zur Beteiligung der anerkannten Naturschutzvereine und deren Anerkennung unter Berücksichtigung der EG-Richtlinie (2003/35/EG) zur Umsetzung der Århus-Konvention zu überarbeiten.
Ergänzend zum Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, das u.a. die Voraussetzungen der Anerkennung von Umweltschutzvereinigung regelt, wird im jeweiligen Fachrecht (vgl. z.B. Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben, BR-Drs. 365/05 (PDF) ) entschieden, in welcher Form solche Vereinigungen in Genehmigungs- bzw. Planungsverfahren zu beteiligen sind. Im Rahmen dieser fachrechtlichen Regelungen ist sicherzustellen, dass die Beteiligung in ihrem satzungsmäßigen Aufgabenbereich betroffener Umweltschutzvereinigungen keine zusätzlichen, über die allgemeine Auslegung der Planunterlagen hinausgehenden förmlichen Benachrichtigungen erfordert. Insbesondere ist es zu vermeiden, dass Umweltschutzvereinigungen wie bisher Naturschutzvereine ein individuelles Anschreiben über die Verfahrenseinleitung und teils sogar Planunterlagen erhalten. Dies würde Verfahrensaufwand und -kosten bei einer derartigen Beteiligung einer Vielzahl bundesweit anerkannter in- und ausländischer Vereinigungen um ein Vielfaches steigern. Eigenständige Benachrichtigungspflichten für Umweltschutzvereinigungen würden außerdem das Risiko von Verfahrensfehlern unnötig erhöhen. Europarechtlich wird lediglich eine frühzeitige und effektive Möglichkeit der Beteiligung für Umweltschutzvereinigungen gefordert (Artikel 3 Nr. 4 RL 2003/35/EG). Diesem Erfordernis wird aber bereits nach geltendem Recht z.B. für jeden individuell durch das Vorhaben Betroffenen durch die öffentliche Auslegung der Planunterlagen genügt.
10. Zu § 4
§ 4 ist zu streichen.
Begründung:
Die Regelung geht über das europarechtlich zwingend Gebotene hinaus und würde zu gravierenden Verzögerungen volkswirtschaftlich bedeutsamer Planungs- und Investitionsentscheidungen führen. Sie gestaltet die Verfahrensvorschriften in ihrem Anwendungsbereich als absolute Verfahrensrechte aus, deren Verletzung ohne Geltendmachung einer Verletzung materieller Rechtspositionen gerügt werden kann.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt der UVP keine selbständig durchsetzbare, von der Möglichkeit einer materiellrechtlichen Betroffenheit unabhängige Verfahrensposition zu. Eine solche fordere auch die UVP-Richtlinie (in der Fassung vor der Änderung durch die Richtlinie 2003/35/EG) nicht. Allenfalls die Regelung zur Öffentlichkeitsbeteiligung in Artikel 6 Abs. 2 der UVP-Richtlinie lege zu Gunsten eines bestimmbaren Personenkreises Rechte fest, die dem Staat gegenüber geltend gemacht werden können. Im Übrigen obliege es grundsätzlich den Mitgliedstaaten zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht vor den nationalen Gerichten klageweise geltend gemacht werden können. Die Praxis, Verfahrensfehler nur dann als erheblich anzuerkennen, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Sachentscheidung ohne sie anders ausgefallen wäre, schränke auch den Rechtsschutz nicht so weitgehend ein, dass das gemeinschaftsrechtliche Effizienzgebot nicht mehr angemessen zum Tragen käme (vgl. BVerwGE 100, 238 ff.).
Dieser Rechtsprechung wurde auch nicht durch das in der Begründung zu § 4 URG-E in Bezug genommene Urteil des EuGH vom 7. Januar 2004 (Rs. C 201/02, Wells gegen das Vereinigte Königreich) die Grundlage entzogen. Der EuGH entschied in dem zitierten Urteil lediglich, dass sich der Einzelne (bei einer vollständig entfallenen Umweltverträglichkeitsprüfung) "gegebenenfalls" auf die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung berufen könne. Diese Aussage ist vor dem Hintergrund der Vorlagefrage und der vorgebrachten Argumente im Verfahren der Vorabentscheidung zu sehen. Maßgeblich war danach, dass jedenfalls das vom EuGH anerkannte Verbot einer umgekehrten Direktwirkung von Richtlinien zu Lasten Privater sowie Grundsätze der Rechtssicherheit einer Berufung Einzelner auf die Richtlinie nicht entgegenstehen. Ob eine Berufung auf die UVP-Richtlinie aus anderen Gründen eingeschränkt sein kann, etwa auf Grund einer im Verfahrens- oder Prozessrecht des Mitgliedstaates vorgesehenen Beschränkung des Rechtsschutzes auf die Geltendmachung dem Schutz Einzelner dienender Vorschriften sowie das Erfordernis einer zumindest möglichen Auswirkung von Verfahrensfehlern auf derartige Vorschriften, war nicht Gegenstand der Entscheidung.
Auch der in der Begründung zu § 4 URG-E in Bezug genommene Artikel 10a der Richtlinie 2003/35/EG zwingt weder zur Aufgabe des Individualrechtsschutzsystems noch des aus § 46 VwVfG folgenden Erfordernisses der Kausalität von Verfahrensfehlern für das Ergebnis der Entscheidung. Artikel 10a der Richtlinie 2003/35/EG fordert zwar den Zugang zu Gerichten zur Anfechtung der materiellen und verfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeit. Er trifft jedoch keine Bestimmungen zu den Rechtsfolgen, insbesondere unter welchen Voraussetzungen Verstöße gegen materielle und verfahrensrechtliche Vorschriften zur Aufhebung einer Entscheidung führen müssen. Artikel 10a der Richtlinie 2003/35/EG stellt in Unterabsatz 1 Buchstabe b ausdrücklich klar, dass der Zugang zu Gerichten von der Geltendmachung einer Rechtsverletzung abhängig gemacht werden kann. Darüber hinaus liegt es nach Artikel 10a Unterabsatz 3 der Richtlinie - im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu verschaffen - in der Hand der Mitgliedstaaten zu bestimmen, was als Rechtsverletzung gilt. Infolgedessen wäre es nur schwer nachvollziehbar, wenn die in nationalen Prozess- und Verfahrensordnungen verankerte Beschränkung der Aufhebbarkeit einer Entscheidung auf Fälle einer Verletzung der Rechte Einzelner entfallen sollte. Allein die Benennung verfahrensrechtlicher neben materiellen Vorschriften als möglicher Gegenstand einer Klage zwingt zu einer derartigen Differenzierung jedenfalls nicht. Die Benennung dürfte vorrangig der Erkenntnis entstammen, dass die Gewähr rechtmäßiger Behördenentscheidungen durch formalisierte Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung wie etwa die UVP in Abhängigkeit von der Regelungsdichte materieller Vorgaben in den Mitgliedstaaten der EU und den Vertragsstaaten des zu Grunde liegenden Århus-Abkommens unterschiedlich beurteilt werden dürfte.
Darüber hinaus bestehen Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Hinblick auf § 4 URG-E, soweit UVP-pflichtige Verfahren betroffen sind, die ausschließlich auf der Grundlage von Landesrecht durchgeführt werden. Nach dem in der Gesetzesbegründung in Bezug genommenen Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 GG hat der Bund die (konkurrierende) Gesetzgebungskompetenz für das gerichtliche Verfahren. Die in § 4 URG-E enthaltene Regelung zur Aufhebbarkeit von Entscheidungen, die den Anforderungen der UVP-Richtlinie unterliegen, muss demnach - ähnlich wie dies bei § 114 VwGO der Fall ist - als prozessuale, nicht als materielle Regelung verstanden werden. Sie vollzieht die materielle Rechtslage nur nach und knüpft daran prozessuale Folgen. Das Prozessrecht ist dem materiellen Recht insofern akzessorisch.
Eine materielle Bedeutung kann § 4 URG-E hingegen nur zukommen, soweit Verfahren nach Bundesrecht ablaufen, für die dem Bund auf Grund anderer Kompetenztitel die Gesetzgebungskompetenz zusteht.
Soweit jedoch Verfahren betroffen sind, die ausschließlich nach Landesrecht durchgeführt werden, fehlt dem Bund die Kompetenz für eine entsprechende materielle Regelung. Bei landesrechtlichen Verfahren richtet sich die Aufhebbarkeit der in Frage stehenden Entscheidungen nach den entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen zu § 46 VwVfG, der andere Rechtsfolgen vorsieht als § 4 URG-E. Als rein prozessuale Regelung kann § 4 URG-E diese (materielle) Rechtslage nicht ändern.
Zum gleichen Ergebnis kommt man, wenn § 4 URG-E entgegen der Entwurfsbegründung als verwaltungsverfahrensrechtliche Regelung zu verstehen wäre. Artikel 84 Abs. 1 GG erlaubt verwaltungsverfahrensrechtliche Regelungen des Bundes nur, soweit es um die Ausführung von Bundesrecht durch die Länder geht. Bei der Ausführung von Landesrecht durch die Länder ist es dem Bund verwehrt, verwaltungsverfahrensrechtliche Regelungen zu treffen.