Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung der Anlage VI des Umweltschutzprotokolls zum Antarktis-Vertrag vom 14. Juni 2005 über die Haftung bei umweltgefährdenden Notfällen
(Antarktis-Haftungsgesetz - AntHaftG)

954. Sitzung des Bundesrates am 10. März 2017

A

1. Der Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

Zu § 17 Absatz 1 Nummer 1 und 4, § 18 AntHaftG

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Vereinbarkeit der genannten Bußgeld- und Strafvorschriften des Antarktis-Haftungsgesetzes mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot zu prüfen.

Begründung:

Das Bestimmtheitsgebot gemäß Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes erfasst Straftatbestände sowie Bußgeldtatbestände, vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 1985, juris, 1 BvR 1053/82, juris, Rn. 14; BVerfG NJW 2005, 349; KG, Beschluss vom 3. Februar 1992, NVwZ 1993, 303). In dem Entwurf des Gesetzes zur Ausführung der Anlage VI des Umweltschutzprotokolls zum Antarktis-Vertrag vom 14. Juni 2005 über die Haftung bei umweltgefährdenden Notfällen sind mit § 17 Absatz 1 Nummer 1 und 4 AntHaftG-E zwei Bußgeldvorschriften und mit § 18 AntHaftG-E Strafvorschriften enthalten, die dem Bestimmtheitsgebot nicht Rechnung tragen.

Gemäß § 17 Absatz 1 Nummer 1 AntHaftG-E soll es zukünftig bußgeldbewehrt sein, wenn jemand vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 3 Absatz 1 AntHaftG-E nicht sicherstellt, dass eine dort genannte Vorsorgemaßnahme getroffen wird. In § 3 Absatz 1 AntHaftG-E werden die Betreiber der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet sicherzustellen, dass spätestens bei Beginn der Tätigkeit in der Antarktis vernünftige Vorsorgemaßnahmen nach dem Stand der Technik getroffen werden, um die Gefahr umweltgefährdender Notfälle und ihre möglichen nachteiligen Auswirkungen zu verringern. Die Formulierung "vernünftige Vorsorgemaßnahmen (...), um die Gefahr umweltgefährdender Notfälle und ihre möglichen nachteiligen Auswirkungen zu verringern" ist sehr allgemein gefasst, ohne eine konkrete Handlungsanweisung zu enthalten. Auch die in § 2 Nummer 9 AntHaftG-E enthaltene Legaldefinition von "vernünftig" enthält keine ausreichende Konkretisierung. In § 3 Absatz 2 Nummer 1 bis 3 AntHaftG-E werden beispielhaft entsprechende Vorsorgemaßnahmen benannt, wie z.B. spezielle Schulungen und spezielle Vorrichtungen und Ausrüstungen. Diese Beispiele - auf die in § 17 Absatz 1 Nummer 1 AntHaftG-E nicht explizit verwiesen wird - können zur Auslegung herangezogen werden. Dies begegnet insoweit Bedenken, als auch der Begriff "spezielle" nicht weiter konkretisiert wird, so dass letztlich die bußgeldbewehrte Handlungsanweisung nicht hinreichend ersichtlich ist. Es ist aus dem Gesetzentwurf nicht zu erkennen, welche Vorsorgemaßnahmen geboten sind. Trotz des in § 3 Absatz 1 letzter Halbsatz AntHaftG-E genannten Zwecks der Vorsorgemaßnahmen (Verringerung der Gefahr umweltgefährdender Notfälle und ihrer möglichen nachteiligen Auswirkungen), welcher ebenfalls zur Auslegung herangezogen werden kann, bestehen Bedenken, die Umschreibung als noch hinreichend bestimmt anzusehen.

Nach § 17 Absatz 1 Nummer 4 AntHaftG-E handelt fortan ebenfalls ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 5 AntHaftG-E nicht sicherstellt, dass eine dort genannte Gegenmaßnahme ergriffen wird. Gemäß § 5 AntHaftG-E hat der Betreiber sicherzustellen, dass unverzüglich Gegenmaßnahmen ergriffen werden, wenn durch die Tätigkeit eines Betreibers der Bundesrepublik Deutschland oder durch die Tätigkeit eines Dritten, die dieser für einen solchen Betreiber durchführt, in der Antarktis ein umweltgefährdender Notfall entsteht. Der Begriff "Gegenmaßnahmen" ist in § 2 Nummer 10 AntHaftG-E wie folgt definiert: vernünftige Maßnahmen, die nach Eintreten eines umweltgefährdenden Notfalls ergriffen werden, um Auswirkungen des Notfalls zu vermeiden, auf ein Mindestmaß zu beschränken oder einzudämmen. Unter § 2 Nummer 10 Buchstabe a und b werden beispielhaft entsprechende Maßnahmen aufgeführt. Welche weiteren Maßnahmen vom Gesetzgeber als vernünftige Maßnahmen angesehen werden, kann aus der Vorschrift nicht abgeleitet werden.

Die zu § 17 Absatz 1 Nummer 4 AntHaftG-E getätigten Ausführungen gelten in noch höherem Maße für die Strafvorschriften des § 18 AntHaftG-E, welche eine vorsätzliche Handlung im Sinne des § 17 Absatz 1 Nummer 4 mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bedrohen, wenn dadurch erstens Leben oder Gesundheit eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet oder zweitens die Tier- oder Pflanzenwelt der Antarktis nachhaltig geschädigt wird. Das aus Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes folgende Bestimmtheitsgebot gilt für Straftatbestände im noch strengeren Maße als für Bußgeldvorschriften. In seiner Funktion als Bestimmtheitsgebot enthält Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes die Verpflichtung, wesentliche Fragen der Strafwürdigkeit oder Straffreiheit im demokratischparlamentarischen Willensbildungsprozess zu klären und die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen (vgl. stRspr seit BVerfGE 25, 269, 285). Die allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätze, dass der Gesetzgeber im Bereich der Grundrechtsausübung alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen (vgl. BVerfGE 101, 1, 34; 108, 282, 312) und Rechtsvorschriften so genau fassen muss, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (Grundsatz der Normenklarheit), gelten danach für den grundrechtssensiblen Bereich des materiellen Strafrechts besonders strikt. Das Bestimmtheitsgebot des Artikels 103 Absatz 2 des Grundgesetzes verlangt daher, den Wortlaut von Strafnormen so zu fassen, dass der Normadressat im Regelfall bereits anhand des Wortlauts der gesetzlichen Vorschrift voraussehen kann, ob ein Verhalten strafbar ist oder nicht (vgl. BVerfGE 126, 170, 195 m.w. N.; BVerfG, Beschluss vom 21. September 2016 - 2 BvL 1/15 -, juris). In der jetzigen Fassung des § 18 AntHaftG-E ist für den Normadressaten nicht hinreichend klar ersichtlich, welche Gegenmaßnahmen zu ergreifen sind.

Aus den genannten Gründen besteht der Eindruck, dass bei der Formulierung des Entwurfs der Vorschriften in § 17 Absatz 1 Nummer 1 und 4, § 18 AntHaftG-E das Bestimmtheitsgebot nicht ausreichend in den Blick genommen sein könnte.

B

2. Der federführende Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.