Unterrichtung durch die Bundesregierung
Stellungnahme der Bundesregierung zu der Entschließung des Bundesrates zum Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung von Rindern

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat mit Schreiben vom 13. Juli 2016 zu der o.g. Entschließung Folgendes mitgeteilt:

Der Bundesrat hat in seiner 944. Sitzung am 22. April 2016 beschlossen, eine Entschließung zum Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung von Rindern zu fassen (Drs. 187/16 (PDF) ). Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die ganzjährige Anbindehaltung von Rindern kein tiergerechtes Haltungssystem im Sinne des § 2 des Tierschutzgesetzes darstellt. Er hält ein gesetzliches Verbot mit Übergangsfrist von zwölf Jahren für erforderlich und angemessen. Die in Rede stehende "ganzjährige" Anbindehaltung von Rindern wird dabei mit einer dauerhaften Anbindung gleichgesetzt und einer Haltung im Laufstall oder mit Auslauf gegenübergestellt.

Bei den nachfolgenden Ausführungen wird daher davon ausgegangen, dass mit einer "ganzjährigen Anbindehaltung" eine Anbindehaltung von Rindern ohne Möglichkeit einer täglichen oder zumindest saisonalen freien Bewegung gemeint ist. Rinderhaltungen im Laufstall, Gruppenhaltungen in Boxen oder Rinderhaltungen mit täglichem oder saisonalem Weidegang sind hiervon nicht erfasst. Die Anbindehaltung von Rindern betrifft im Übrigen nur über 6 Monate alte Rinder, da sie bei Kälbern (unter 6 Monate alt) bereits verboten ist.

Für die Haltung von Rindern gelten die Regelungen des Tierschutzgesetzes und die allgemeinen Anforderungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung, wonach die Tiere artgemäß und verhaltensgerecht unterzubringen sind. Für Kälber sind weitere spezifische Vorschriften geregelt. Bei der Beurteilung von Tierhaltungen auf Übereinstimmung mit den Anforderungen des § 2 des Tierschutzgesetzes hat die zuständige Behörde daneben die anzuwendenden einschlägigen Empfehlungen zu beachten, die der Ständige Ausschuss nach Artikel 9 des Europäischen Übereinkommens vom 10. März 1976 zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen (BGBl. 1978 II S. 113) angenommen hat.

Die artgerechte Haltung von Nutztieren steht im Fokus der politischen Aktivitäten des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). So hat Bundesminister Schmidt im September 2014 die Initiative "Eine Frage der Haltung - Neue Wege für mehr Tierwohl" gestartet. Davon ausgehend, dass bei den meisten Tierhaltern Bereitschaft besteht, sich freiwillig für mehr Tierschutz zu engagieren, setzt das BMEL nicht auf gesetzliche Regelungen, sondern vorrangig auf Maßnahmen und Vereinbarungen der Wirtschaftsbeteiligten, gemeinsam mehr Tierschutz zu erreichen. Hierdurch soll den Wirtschaftsbeteiligten Raum gegeben werden, eigene Initiativen zur Verbesserung des Tierschutzes zu entwickeln. So erarbeitet das BMEL aktuell mit der betroffenen Wirtschaft eine Vereinbarung zur Rinderhaltung, um die allgemeinen tierschutzrechtlichen Anforderungen zu konkretisieren.

Auch das BMEL ist der Auffassung, dass eine dauerhafte Anbindehaltung von Rindern über 6 Monaten langfristig nicht mehr praktiziert werden sollte. Die in Rede stehende Bundesrats-Entschließung zu einem Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung von Rindern enthält aber weder weitere Informationen darüber, welche konkrete Haltungsarten vom beabsichtigten Verbot erfasst werden sollen, noch trifft sie Aussagen über die etwaigen wirtschaftlichen Auswirkungen eines solchen Verbotes. Unklar bleibt unter anderem, ab welchem Angebot an freier Bewegungsmöglichkeit von einer tiergerechten Haltung ausgegangen werden kann.

Es ist zu befürchten, dass eine derartige Regelung mittelbar zu einer Beschleunigung des Strukturwandels und zu einer erheblichen Belastung kleinerer und mittelständischer (Nebenerwerbs-)betriebe führen würde. Das BMEL steht daher einem derartigen Verbot ohne weitere Konkretisierung der zulässigen Haltungsarten und ohne Vorlage einer umfassenden Folgenabschätzung unter Einbeziehung der betroffenen Wirtschaftsverbände über die Wirkung eines derartigen Verbots ablehnend gegenüber.

In den letzten Jahren hat sich in vielen Betrieben, die ihre Tiere beispielsweise standortbedingt nur im Stall halten können, die Unterbringung in Laufställen durchgesetzt. Die Tiere können sich hier in Gruppen ganzjährig frei bewegen, während sich das Stallklima und die Lichtverhältnisse den Bedürfnissen der Tiere anpassen lassen. Um den Rindern zusätzlichen Raum zur Bewegung und zur Ausübung ihres Sozialverhaltens zu schaffen, werden bei ganzjähriger Stallhaltung teilweise im Stall integrierte Bewegungsflächen oder ein angegliederter Laufhof angeboten. Dieser, von der ganzjährigen Anbindehaltung insbesondere von Milchkühen wegführende Trend ist aus Tierschutzsicht sehr zu begrüßen und wird durch das BMEL unterstützt. So bietet das BMEL im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" (GAK) gemeinsam mit den Ländern im Agrarinvestitionsförderungsprogramm eine erhöhte finanzielle Unterstützung für Investitionen in besonders tiergerechte Haltungsformen (z.B. Laufstallhaltung mit Auslauf) an. Zudem stellt das BMEL den Ländern über die GAK Mittel zur Förderung einer markt- und standortangepassten Landbewirtschaftung zur Verfügung, mit denen insbesondere umwelt- und tiergerechte Haltungsverfahren (z.B. Sommerweidegang von Milchkühen) unterstützt werden können.

Siehe Grunddrucksache 548/15 (PDF)