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Regelwerk Arbeitsschutz; Arbeits- und Sozialrecht

Merkblatt zur Berufskrankheit Nr. 2110
"Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörper-Schwingungen im Sitzen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können"

Vom 1. Juni 2005
(BArbBl. Nr. 7/2005 S. 43, ber. 8/9 2005 S. 46)
- 414-45222-2110 -


Zur Übersicht in der Anlage 1 der BKV
Archiv:
1993

I. Gefahrenquellen

Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule (LWS) haben eine multifaktorielle Ätiologie. Sie sind weit verbreitet und kommen in allen Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsgruppen vor. Unter den arbeitsbedingten Faktoren, die bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS mitverursachen und verschlimmern können, stellt die langjährige (vorwiegend vertikale) Einwirkung von Ganzkörper-Schwingungen im Sitzen eine besondere Gefahrenquelle dar. Derartigen arbeitsbedingten Belastungen der LWS können insbesondere Fahrer von folgenden Fahrzeugen und fahrbaren Arbeitsmaschinen ausgesetzt sein:

Dagegen sind z.B. bei Fahrern von Taxis, Gabelstaplern auf ebenen Fahrbahnen, Baggern im stationärem Einsatz sowie bei Fahrern von LKW und Omnibussen mit schwingungsgedämpften Fahrersitzen keine hinreichend gesicherten gesundheitsschädigenden Auswirkungen durch Schwingungen beobachtet worden.

Andere bandscheibengefährdende Faktoren im Arbeitsprozess sind durch die BK-Nr. 2108 erfasst. Die dort genannten Belastungen und die Einwirkungen von Ganzkörper-Schwingungen sind als synergistisch wirkende Belastungen zu betrachten (Schäfer und Hartung 1999).

Als konkurrierende Faktoren sind Fehlbelastungen der LWS durch außerberufliche Tätigkeiten wie Eigenleistungen beim Hausbau, Gartenarbeit, sofern diese langjährig durchgeführt werden und mit dem Heben und Tragen schwerer Lasten oder Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung verbunden sind, bestimmte Sportarten (z.B. Motorrad-Geländesport) und einseitig die Wirbelsäule belastende Trainingsmethoden in der Freizeit zu beachten.

II. Pathophysiologie

Die Zwischenwirbelabschnitte der unteren LWS sind beim Menschen schon während des gewöhnlichen Tagesablaufes erheblich belastet. Da die blutgefäßlosen, bradytrophen Bandscheiben hinsichtlich ihrer Ernährung besonders von den Diffusionsbedingungen abhängen, sind sie für mechanische Dauerbelastungen anfällig. Anhaltende Kompressionsbelastung und starke Schwingungsbelastung reduzieren die druckabhängigen Flüssigkeitsverschiebungen und beeinträchtigen damit den Stoffwechsel im Bandscheibengewebe.

Durch Laktatakkumulation und pH-Verschiebung zu sauren Werten wird ein Milieu erzeugt, das zytolytisch wirkende Enzyme aktiviert. Damit werden degenerative Veränderungen eingeleitet oder beschleunigt. In diesem Milieu werden die restitutiven Prozesse gehemmt.

Unter Belastung durch mechanische Ganzkörper-Schwingungen erhöht sich der intradiskale Druck um ein Mehrfaches. So führen insbesondere Resonanzschwingungen des Rumpfes und der Wirbelsäule, die vorwiegend bei Schwingungsfrequenzen zwischen 3 und 5 Hz auftreten, nicht nur zu vertikalen Relativbewegungen zwischen den Wirbelkörpern mit Stauchungen und Streckungen der Zwischenwirbelscheiben, sondern darüber hinaus auch zu Rotationsbewegungen der Segmente und zu horizontalen Segmentverschiebungen. Stoßhaltige Schwingungsbelastungen, also Schwingungsverläufe mit einzelnen oder wiederholten, stark herausragenden Beschleunigungsspitzen, stellen eine besonders hohe Gefährdung dar. Nach biomechanischen Berechnungen können dabei Kompressionskräfte erreicht werden, die im Experiment an menschlichen Wirbelsäulenpräparaten Deckplatteneinbrüche der Wirbelkörper sowie Einrisse am Anulus fibrosus der Bandscheibe verursachen.

Besondere pathophysiologische Bedeutung haben auch erhöhte Druck-, Torsions- und Schubkräfte durch ungünstige Körperhaltungen (Wilke et al. 2001; White und Panjabi 1990; Seidel et al. 2000)

Eingetretene Schäden am Bandscheibengewebe sind irreversibel. Sie setzen einen Prozess in Gang, in dem Bandscheibendegeneration, degenerative Veränderungen der Wirbelkörperabschlussplatten, Massenverschiebungen im Bandscheibeninneren, Instabilität im Bewegungssegment, Bandscheibenvorwölbung, Bandscheibenvorfall, knöcherne Ausziehungen an den vorderen und seitlichen Randleisten der Wirbelkörper, degenerative Veränderungen der Wirbelgelenke sowie durch derartige Befunde hervorgerufene Beschwerden und Funktionsstörungen in einem ätiopathogenetischen Zusammenhang zu betrachten sind.

Die durch arbeitsbedingte Einwirkungen verursachten degenerativen Prozesse können zu objektivierbaren Veränderungen wie Chondrose, Osteochondrose, Spondylose, Spondylarthrose, Bandscheibenprotrusion und Bandscheibenprolaps führen.

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