875. Sitzung des Bundesrates am 15. Oktober 2010
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
Zur Eingangsformel
In der Eingangsformel sind nach dem Wort "hat" die Wörter "mit Zustimmung des Bundesrates" einzufügen.
Begründung:
Das Gesetz bedarf gemäß Artikel 23 Absatz 1 GG der Zustimmung des Bundesrates.
Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Lissabon-Urteil (Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juni 2009, 2 BvE 2/08, 2 BvE 5/08, 2 BvR 1010/08, 2 BvR 1022/08, 2 BvR 1259/08, 2 BvR 182/09, Rn. 243) festgestellt hat, gilt für die europäische Integration der besondere Gesetzesvorbehalt des Artikels 23 Absatz 1 Satz 2 und gegebenenfalls Satz 3 GG, wonach Hoheitsrechte nur durch Gesetz und mit Zustimmung des Bundesrates übertragen werden können.
Dieser Gesetzesvorbehalt ist "zur Wahrung der Integrationsverantwortung und zum Schutz des Verfassungsgefüges so auszulegen, dass jede Veränderung der textlichen Grundlagen des europäischen Primärrechts erfasst wird. Die Gesetzgebungsorgane des Bundes betätigen somit auch bei vereinfachten Änderungsverfahren oder Vertragsabrundungen, bei bereits angelegten, aber der Konkretisierung durch weitere Rechtsakte bedürftigen Zuständigkeitsveränderungen und bei Änderung der Vorschriften, die Entscheidungsverfahren betreffen, ihre dem Ratifikationsverfahren vergleichbare politische Verantwortung. Dabei bleibt ein der Ratifikationslage entsprechender Rechtsschutz gewahrt."
Wenn der besondere Gesetzesvorbehalt des Artikels 23 Absatz 1 GG, wie auch im Integrationsverantwortungsgesetz klargestellt, schon bei vereinfachten und besonderen Vertragsänderungsverfahren, der Anwendung von Brückenklauseln oder der Flexibilitätsklausel Anwendung findet, so muss dies erst recht bei Vertragsänderungen im ordentlichen Änderungsverfahren nach Artikel 48 Absatz 2 bis 4 EUV wie hier gelten.