Der Bundesrat hat in seiner 804. Sitzung am 15. Oktober 2004 beschlossen, zu dem vom Deutschen Bundestag am 1. Oktober 2004 verabschiedeten Gesetz zu verlangen, dass der Vermittlungsausschuss gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes mit dem Ziel einberufen wird, die im Gesetz vorgesehene Übertragung der Zuständigkeit für Streitigkeiten in Angelegenheiten des Asylbewerberleistungsgesetzes von der Verwaltungsgerichtsbarkeit auf die Sozialgerichtsbarkeit zu beseitigen.
Begründung
Der Bundesrat hat bereits in seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung nach Artikel 76 Abs. 2 GG darauf hingewiesen, dass es widersprüchlich erscheint, einerseits die erhebliche zusätzliche Belastung der Sozialgerichtsbarkeit zum Anlass des Gesetzentwurfs zu nehmen, andererseits diese Belastung aber mit der Zuweisung einer weiteren Materie - Asylbewerberleistungsgesetz - noch zu erhöhen (vgl. BR-Drs. 302/04(Beschluss) , S. 2). Zwingende Gründe, die Belastung der Sozialgerichtsbarkeit durch Zuweisung dieser neuen Aufgabe zu erhöhen, liegen nicht vor. Die von der Bundesregierung zur Rechtfertigung der zusätzlichen Belastung angeführten Gründe (vgl. BT-Drs. 015/3169, S. 15) vermögen nicht zu überzeugen. Insbesondere wird verkannt, dass Angelegenheiten des Asylbewerberleistungsrechts regelmäßig Anlass geben, sich mit zentralen ausländerrechtlichen Fragestellungen auseinanderzusetzen, die sowohl die Konzeption des geltenden Ausländerrechts als auch die tatsächlichen Verhältnisse im Herkunftsstaat des Ausländers betreffen können. So ist etwa zu klären, ob ein Ausländer "vollziehbar ausreisepflichtig" ist (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG) und ob "aufenthaltsbeendende Maßnahmen" aus vom Ausländer "zu vertretenden Gründen ... nicht vollzogen werden können" (vgl. § 1a Nr. 2 AsylbLG) oder "weil humanitäre, rechtliche oder persönliche Gründe oder das öffentliche Interesse" der Aufenthaltsbeendigung entgegenstehen (§ 2 Abs. 1 AsylbLG). Inzident kann damit etwa das Bestehen eines Aufenthaltstitels oder von Ansprüchen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels oder das Vorliegen von Duldungsgründen zu prüfen sein. Die Verwaltungsgerichte haben zu diesen Fragen eine facettenreiche Judikatur entwickelt. Zudem wird ein erheblicher Anteil der verwaltungsrichterlichen Arbeitskapazitäten durch die Bewältigung der Aufgabe gebunden, sich mit den tatsächlichen Herrschaftsverhältnissen und Gegebenheiten in den Herkunftsländern klagender Ausländer auseinanderzusetzen und - etwa über Auskünfte des Auswärtigen Amtes oder Internationaler Organisationen - entsprechende Recherchen anzustellen. In den Bibliotheken der Verwaltungsgerichte werden hierzu umfangreiche Materialsammlungen geführt, die laufend gepflegt werden müssen. Dieses Wissen und die Vertrautheit mit ausländerrechtlichen Fragestellungen ist auch für die sachgerechte Bearbeitung von Streitigkeiten in Angelegenheiten des Asylbewerberleistungsgesetzes vonnöten. Aus fiskalischen und arbeitsökonomischen Gründen ist es daher abzulehnen, die Zuständigkeit für das Ausländer- und Asylrecht einerseits und diejenige für das Asylbewerberleistungsrecht andererseits Gerichten unterschiedlicher Gerichtszweige zuzuordnen. Dies gilt umso mehr, als mit der Zuständigkeitsverlagerung zugleich die zulassungsfreie Berufung für Asylbewerberleistungsangelegenheiten eingeführt würde. Für diese Erweiterung der Rechtsschutzmöglichkeiten besteht aber keine Veranlassung.
Der Bundesrat stellt weiterhin fest, dass das Gesetz gemäß Artikel 84 Abs. 1 des Grundgesetzes seiner Zustimmung bedarf.
Begründung
Das Gesetz bedarf gemäß Artikel 84 Abs. 1 GG der Zustimmung des Bundesrates, weil in Artikel 1 Nr. 6 (§ 14 Abs. 4, 5 SGG- neu) u.a. die Aufstellung der Vorschlagslisten für die ehrenamtlichen Richter in den für Streitigkeiten nach dem SGB XII und dem Asylbewerberleistungsgesetz zuständigen Kammern geregelt wird. Die Listen sollen von den Kreisen und den kreisfreien Städten aufgestellt werden. Die Aufstellung dieser Listen ist damit - anders als die Wahl der ehrenamtlichen Richter - nicht mehr dem Bereich der Gerichtsverfassung zuzuordnen, sondern regelt das Verwaltungsverfahren und hier, wegen des Rückgriffs auf Kreise und kreisfreie Städte, das Verwaltungsverfahren von Behörden der Länder. Damit ist das Gesetz nach Artikel 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftig.