Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 319666 - vom 12. November 2009.
Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 22. Oktober 2009 angenommen.
Das Europäische Parlament,
- - unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Iran, insbesondere jene zu den Menschenrechten,
- - unter Hinweis auf die Erklärungen des EU-Vorsitzes, des Hohen Vertreters für die GASP, der EU-Außenminister, der G8-Staats- und Regierungschefs, des Europäischen Rates sowie des Präsidenten des Europäischen Parlaments zur Unterdrückung der Demonstrationen während der Unruhen im Anschluss an die iranischen Wahlen im Juni 2009,
- - unter Hinweis auf den Bericht des UN-Generalsekretärs über die Lage der Menschenrechte in der Islamischen Republik Iran vom 23. September 2009,
- - unter Hinweis auf die Erklärung des Präsidenten des Europäischen Parlaments vom 9. Oktober 2009, in der er das Engagement des Parlaments für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe bekräftigt und in diesem Zusammenhang besonders die Verurteilung jugendlicher Straftäter zum Tode und die sofortigen Hinrichtungen in Iran verurteilt hat,
- - unter Hinweis auf die Erklärung des EU-Vorsitzes vom 13. Oktober 2009 zur Hinrichtung von Behnoud Shojaee in Iran,
- - unter Hinweis auf die Erklärung des EU-Vorsitzes vom 20. September 2009, in der die wiederholte Leugnung des Holocaust und der Existenzberechtigung des Staates Israel durch den iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad verurteilt wurde,
- - unter Hinweis auf die Erklärung des EU-Vorsitzes vom 18. Oktober 2009, in der das Selbstmordattentat in der iranischen Provinz Sistan-Baluchestan, das mindestens 42 Todesopfer kostete, verurteilt wurde,
- - unter Hinweis auf die Resolutionen 062/149 vom 18. Dezember 2007 und 063/168 vom 18. Dezember 2008 der Generalversammlung der Vereinten Nationen zu einem Moratorium für die Todesstrafe,
- - unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung sowie das Übereinkommen über die Rechte des Kindes, zu deren Vertragsstaaten die Islamische Republik Iran gehört,
- - gestützt auf Artikel 122 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass sich die allgemeine Lage der Menschenrechte in Iran insbesondere seit den Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 verschlechtert hat,
B. in der Erwägung, dass Iran nach China den zweiten Platz auf der weltweiten Liste der Staaten mit den meisten Hinrichtungen belegt, dass die Zahl der in Iran verhängten Todesstrafen seit 2005, als Mahmud Ahmadinedschad Präsident wurde, um das Vierfache gestiegen ist, dass Iran als weltweit einziger Staat noch die Todesstrafe an jugendlichen Straftätern vollstreckt und dass Menschenrechtsanwälten zufolge gegenwärtig mindestens 140 jugendliche Straftäter in iranischen Todeszellen auf die Vollstreckung ihres Todesurteils warten,
C. in der Erwägung, dass Behnoud Shojaee trotz der dringenden Bitten im In- und Ausland um eine Aussetzung seiner Hinrichtung am 11. Oktober 2009 gehängt wurde und damit nach Delara Darabi und Molla Gol Hassan der dritte jugendliche Straftäter war, der seit Anfang 2009 in der Islamischen Republik Iran hingerichtet wurde, und dass gegenwärtig die jugendlichen Straftäter Safar Angooti und Abbas Hosseini der unmittelbaren Gefahr der Hinrichtung ausgesetzt sind,
D. in der Erwägung, dass Folterungen, Misshandlungen, Schlafentzug, Einzelhaft, geheime Inhaftierungen, grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung sowie die Straflosigkeit der dafür verantwortlichen Beamten nach wie vor weit verbreitet sind,
E. in der Erwägung, dass die gewaltsame Unterdrückung von politischen Gegnern, Menschenrechtsaktivisten, Journalisten, Bloggern, Lehrern, Intellektuellen, Akademikern, Homosexuellen, Frauen, Studenten, Gewerkschaftern sowie Angehörigen religiöser, ethnischer und sprachlicher Minderheiten zugenommen hat,
F. in der Erwägung, dass sieben Anführer der Glaubensgemeinschaft der Bahai nach wie vor allein aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen inhaftiert sind,
G. in der Erwägung, dass Präsident Mahmud Ahmadinedschad am 4. August 2009 offiziell für eine zweite Amtszeit bestätigt wurde, nachdem er zum Gewinner der Wahlen am 12. Juni 2009 erklärt worden war, während seine Herausforderer Mir Hussein Mussawi und Mehdi Karrubi sowie zahlreiche Wahlbeobachter die Behörden der massiven Wahlfälschung bezichtigten,
H. in der Erwägung, dass in den darauffolgenden Wochen und Monaten zehntausende Menschen auf den Straßen protestierten und dabei rund 150 Menschen starben und über 1000 Demonstranten verhaftet wurden,
I. in der Erwägung, dass gegenwärtig immer noch Massenprozesse gegen schätzungsweise 140 Anhänger der Opposition, darunter führende Reformpolitiker, und Aktivisten geführt werden, wobei die Anklagen von Aufruhr über Spionage bis zum Staatsstreich reichen,
J. in der Erwägung, dass vier Personen im Zusammenhang mit den Protesten nach den Präsidentschaftswahlen zum Tode verurteilt wurden, obwohl sie schon seit April 2009 - lange vor diesen Wahlen - inhaftiert sind,
K. in der Erwägung, dass Menschenrechtsorganisationen zufolge Dutzende Reporter, Fotografen und Blogger Iran verlassen haben oder zu fliehen versuchen, Tausende ihren Arbeitsplatz verloren haben, zahlreiche Zeitungsredaktionen in den letzten Wochen aufgrund behördlicher Verfügungen geschlossen wurden und Berichten zufolge 19 Journalisten und fünf Blogger immer noch in Haft sitzen,
- 1. zweifelt ernsthaft an der Richtigkeit der Wahlergebnisse, aufgrund deren Präsident Mahmud Ahmadinedschad trotz deutlicher Hinweise auf einen massiven Wahlbetrug für eine zweite Amtszeit bestätigt wurde, und ist der Auffassung, dass die Glaubwürdigkeit des iranischen Präsidenten stark beschädigt ist;
- 2. zollt all jenen mutigen Frauen und Männern in Iran Anerkennung, welche ihre Grundfreiheiten und demokratische Grundsätze verteidigen und ihrem Wunsch auf ein Leben in einer Gesellschaft ohne Repressionen und Einschüchterungen Ausdruck verleihen; zollt insbesondere den iranischen Frauen Anerkennung, die eine entscheidende Rolle bei den Demonstrationen nach den Wahlen im Juni 2009 spielten, insbesondere Neda Agha Soltan, die zum Symbol der blutigen Repression wurde, sowie Shadi Sadr, einer Menschenrechtsaktivistin, die am 15. Juli 2009 verhaftet wurde, weil sie die Menschenrechtsverletzungen, welchen im Anschluss an die umstrittenen Präsidentschaftswahlen in Iran verhaftete Personen in Gefängnissen ausgesetzt waren, öffentlich angesprochen hatte;
- 3. verurteilt die massive und übertriebene Anwendung von Gewalt, willkürlichen Verhaftungen und berichteten Folterungen zur Unterdrückung der Proteste gegen die umstrittenen Präsidentschaftswahlen in Iran; fordert die iranische Regierung zur Achtung der bürgerlichen und politischen Grundrechte, insbesondere des Rechts auf freie Meinungsäußerung, zur bedingungslosen Freilassung aller friedlichen Demonstranten und anderen Personen, die im weiteren Zusammenhang mit den jüngsten Unruhen verhaftet wurden - seien es Studenten, Akademiker, Kampagnenhelfer, Journalisten oder Menschenrechtsaktivisten - auf;
- 4. fordert die iranischen Behörden auf, dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz Zugang zu ausnahmslos allen Häftlingen zu gewähren und internationalen Menschenrechtsorganisationen die Beobachtung der Lage im Land zu erlauben;
- 5. fordert die iranischen Behörden nachdrücklich auf, alle Formen von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Bestrafung in Recht und Praxis abzuschaffen, ordnungsgemäße Gerichtsverfahren durchzuführen und der Straflosigkeit für Menschenrechtsverletzungen ein Ende zu setzen;
- 6. verurteilt das Selbstmordattentat vom 17. Oktober 2009 in der Provinz Sistan-Baluchestan, bei dem Dutzende Menschen getötet oder verletzt wurden; ist besorgt angesichts des Umstands, dass dieses Attentat möglicherweise in Zusammenhang mit der Unterdrückung ethnischer und religiöser Minderheiten in dieser Provinz steht; lehnt Terrorismus als Form der Lösung politischer Konflikte ab;
- 7. bekräftigt seinen Aufruf an die iranischen Behörden, der Verpflichtung der Regierung nachzukommen, religiöse Minderheiten zu achten und die Bahai-Anführer Fariba Kamalabadi, Jamaloddin Khanjani, Afif Naeimi, Saeid Rasaie, Mahvash Sabet, Behrouz Tavakkoli und Vahid Tizfahm umgehend freizulassen;
- 8. bekräftigt seinen Aufruf an die iranischen Behörden, die Todesstrafe vollkommen abzuschaffen und in der Zwischenzeit ein Moratorium für Hinrichtungen zu verhängen, wie von den Resolutionen 062/149 und 063/168 der UN-Generalversammlung gefordert;
- 9. verurteilt scharf die Todesurteile und Hinrichtungen in Iran, insbesondere von jugendlichen Straftätern und Minderjährigen, sowie die Hinrichtung von Behnoud Shojaee am 11. Oktober 2009; fordert die iranischen Behörden nachdrücklich auf, die international anerkannten rechtlichen Garantien für Minderjährige wie den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und das Übereinkommen über die Rechte des Kindes zu achten und insbesondere die Todesstrafe an Safar Angooti und Abbas Hosseini nicht zu vollstrecken;
- 10. empfiehlt, einen Sonderbeauftragten der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte nach Iran zu entsenden, um die Lage der politischen Gefangenen zu beobachten und sicherzustellen, dass sich die iranischen Behörden an internationale Prozessstandards und ihre rechtsverbindlichen Verpflichtungen zur Achtung der Menschenrechte halten;
- 11. bedauert die systematische Beschränkung der Informationsfreiheit durch das Sperren von Webseiten, die folglich nicht über unerlaubte Demonstrationen berichten können, sowie durch neue Restriktionen für Journalisten, die für jedwede Berichterstattung eine vorherige Erlaubnis einholen müssen;
- 12. fordert die iranischen Behörden auf, die gezielte Verfolgung von für internationale Medien tätigen Journalisten zu beenden und Fariba Pajooh, eine junge iranischkanadische Journalistin und bekannte Bloggerin, die am 24. August 2009 in ihrer Wohnung in Teheran verhaftet wurde, umgehend freizulassen;
- 13. verurteilt, dass der Menschenrechtsaktivist Abdolfattah Soltani am 2. Oktober 2009 daran gehindert wurde, von Teheran nach Deutschland zu reisen, um in Nürnberg den Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreis entgegenzunehmen;
- 14. fordert die Kommission auf, eine EU-Delegation in Teheran einzurichten, um den Dialog mit den Behörden und der Zivilgesellschaft in Iran zu fördern und zu stärken und die Zusammenarbeit auszubauen, insbesondere auf dem Gebiet der Flüchtlingshilfe und der Bekämpfung des Drogenhandels;
- 15. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem UN-Generalsekretär, dem UN-Menschenrechtsrat sowie der Regierung und dem Parlament der Islamischen Republik Iran zu übermitteln.