A. Zielsetzung
- Umsetzung von Artikel 11 Abs. 4 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein unter Berücksichtigung der Urteile des Europäischen Gerichtshofes vom 26. Juni 2008 in den verbundenen Rechtssachen C-329/06 und C-343/06 und in den verbundenen Rechtssachen C-334/06 bis C-336/06.
B. Lösung
- 1. Regelung, dass ein Verstoß gegen das sog. Wohnsitzprinzip künftig nur dann zu einer Nichtanerkennung einer ausländischen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis im Inland führt, wenn der Verstoß aus dem ausländischen Führerscheindokument selbst ersichtlich ist oder auf der Grundlage von anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen feststeht.
- 2. Eine unbegrenzte Nichtanerkennung einer ausländischen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis im Inland ist unzulässig. Die Dauer der Nichtanerkennung ist künftig abhängig von den nach dem Straßenverkehrsgesetz geltenden Tilgungsfristen.
- 3. Eine ausländische EU- oder EWR-Fahrerlaubnis wird künftig auch dann nicht automatisch anerkannt, wenn ihren Inhabern im Inland die Fahrerlaubnis entzogen oder versagt worden ist oder ihnen die Fahrerlaubnis nur deshalb nicht entzogen worden ist, weil sie zwischenzeitlich auf sie verzichtet haben.
- 4. Die Regelung, wonach eine neue Fahrerlaubnis nach einem vorangegangenen Entzug grundsätzlich erst dann erteilt werden kann, wenn die Gründe für den Entzug nicht mehr bestehen, wird auf Fälle ausgeweitet, in denen dem Bewerber die Fahrerlaubnis in einem anderen Mitgliedstaate der Europäischen Union oder Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum entzogen worden war.
C. Alternativen
- Keine.
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
- 1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
Keine.
- 2. Vollzugsaufwand
Keine.
E. Sonstige Kosten
- Auswirkungen auf Einzelpreise und Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten. Auch Kosten für die Wirtschaft, insbesondere kleinere und mittelständische Unternehmen, sind nicht zu erwarten.
F. Bürokratiekosten
- Durch § 20 Abs. 4 der Fahrerlaubnis-Verordnung wird Bürgern, die eine Neuerteilung einer Fahrerlaubnis beantragen, eine neue Informationspflicht auferlegt. Sie müssen dem Antrag auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis künftig eine Bescheinigung der Stelle, welche die frühere EU- oder EWR-Fahrerlaubnis erteilt hatte, beifügen, aus der sich ergibt, dass ihnen die frühere EU- oder EWR-Fahrerlaubnis nicht entzogen wurde oder die Gründe für die Entziehung nicht mehr bestehen.
- Die Regelung dient der Beschleunigung des Verfahrens, da der Bürger in diesen Fällen erfahrungsgemäß schneller die Ausstellung der erforderlichen Bescheinigungen erreichen kann, als dies bei einer Informationsbeschaffung im Wege bilateraler zwischenstaatlicher Kontakte zu erwarten ist.
- Für die Wirtschaft und die Verwaltung werden keine neuen Informationspflichten eingeführt.
G. Sonstige Auswirkungen
- Die Verordnung hat keine gleichstellungspolitischen Auswirkungen.
Verordnung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Dritte Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung
Der Chef des Bundeskanzleramtes Berlin, den 5. November 2008
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Peter Müller
Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich die vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu erlassende
- Dritte Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung
mit Begründung und Vorblatt.
Ich bitte, die Zustimmung des Bundesrates aufgrund des Artikels 80 Absatz 2 des Grundgesetzes herbeizuführen.
Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Abs. 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Thomas de Maizière
Dritte Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung1
Vom ...
Auf Grund des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe j und r des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919), § 6 Abs. 1 zuletzt geändert durch Artikel 2 Nr. 4 des Gesetzes vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1958), verordnet das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Artikel 1
Die Fahrerlaubnis-Verordnung vom 18. August 1998 (BGBl. I S. 2214), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom ... (BGBl. I S. ...), wird wie folgt geändert:
- 1. § 20 wird wie folgt geändert:
- a) Nach Absatz 2 werden folgende Absätze 3 und 4 eingefügt:
- (3) Eine Fahrerlaubnis ist nicht zu erteilen, wenn dem Bewerber zuvor in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum eine EU- oder EWR-Fahrerlaubnis vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht oder sofort vollziehbar oder bestandskräftig von einer Verwaltungsbehörde entzogen worden ist. Satz 1 gilt nicht, soweit die Gründe für die Entziehung nicht mehr bestehen.
- (4) Zum Nachweis, dass die Gründe für die Entziehung nach Absatz 3 nicht mehr bestehen, hat der Bewerber eine Bescheinigung der Stelle, welche die frühere EU- oder EWR-Fahrerlaubnis im betreffenden Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erteilt hatte, bei der nach Landesrecht zuständigen Behörde vorzulegen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt."
- b) Der bisherige Absatz 3 wird neuer Absatz 5.
- a) Nach Absatz 2 werden folgende Absätze 3 und 4 eingefügt:
- 2. In § 21 Abs. 2 Satz 1 werden nach dem Wort "besitzt" die Wörter "oder besessen hat" eingefügt.
- 3. § 22 Abs. 2 wird wie folgt geändert:
- a) In Satz 1 werden nach den Wörtern "Fahrerlaubnis ist" die Wörter "oder war" eingefügt.
- b) Nach Satz 3 wird folgender Satz 4 eingefügt:
"Bestehen Anhaltspunkte, dass die Angaben über den Vorbesitz einer ausländischen Fahrerlaubnis nicht zutreffen, kann die Behörde abweichend von Satz 3 einen ausländischen Registerauszug durch den Bewerber auf dessen Kosten beibringen lassen."
- 4. § 28 wird wie folgt geändert:
- a) Absatz 4 wird wie folgt geändert:
- aa) Der bisherige Wortlaut wird Satz 1, in ihm wird die Nummer 2 wie folgt gefasst:
"2. die ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten, es sei denn, dass sie als Studierende oder Schüler im Sinne des § 7 Abs. 2 die Fahrerlaubnis während eines mindestens sechsmonatigen Aufenthalts erworben haben,"
- bb) Folgender Satz wird angefügt:
"Satz 1 Nr. 3 und 4 ist nur anzuwenden, wenn die dort genannten Maßnahmen im Verkehrszentralregister eingetragen und nicht nach § 29 des Straßenverkehrsgesetzes getilgt sind."
- aa) Der bisherige Wortlaut wird Satz 1, in ihm wird die Nummer 2 wie folgt gefasst:
- b) Absatz 5 Satz 2 wird wie folgt gefasst:
"Absatz 4 Satz 2 sowie § 20 Abs. 1 und 5 gelten entsprechend."
- a) Absatz 4 wird wie folgt geändert:
- 5. § 29 wird wie folgt geändert:
- a) Absatz 3 wird wie folgt geändert:
- aa) Der bisherige Wortlaut wird Satz 1; in ihm wird die Nummer 2 durch folgende Nummern 2 und 2a ersetzt:
- "2. die zum Zeitpunkt der Erteilung der ausländischen Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen eines Staates, der nicht ein Mitgliedstaat der Europäischen Union oder ein anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten,
- 2a. die ausweislich des EU- oder EWR-Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedstaat der Europäischen Union oder des Vertragsstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten, es sei denn, dass sie als Studierende oder Schüler im Sinne des § 7 Abs. 2 die Fahrerlaubnis während eines mindestens sechsmonatigen Aufenthalts erworben haben,"
- cc) Folgender Satz wird angefügt:
Satz 1 Nr. 3 und 4 ist nur anzuwenden, wenn die dort genannten Maßnahmen auf eine EU- oder EWR-Fahrerlaubnis angewandt wurden, im Verkehrszentralregister eingetragen und nicht nach § 29 des Straßenverkehrsgesetzes getilgt sind.
- aa) Der bisherige Wortlaut wird Satz 1; in ihm wird die Nummer 2 durch folgende Nummern 2 und 2a ersetzt:
- a) Absatz 3 wird wie folgt geändert:
Artikel 2
- Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung kann den Wortlaut der Fahrerlaubnis-Verordnung in der vom Inkrafttreten dieser Verordnung an geltenden Fassung im Bundesgesetzblatt bekannt machen.
Artikel 3
- Diese Verordnung tritt am 19. Januar 2009 in Kraft.
Der Bundesrat hat zugestimmt.
Berlin, den
Der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Begründung
A. Allgemein
- 1. Nach § 20 Abs. 3 der Verordnung ist eine Fahrerlaubnis dann nicht zu erteilen, wenn dem Bewerber zuvor in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum eine EU- oder EWR-Fahrerlaubnis vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht oder sofort vollziehbar oder bestandskräftig von einer Verwaltungsbehörde entzogen wurde es sei denn, die Gründe für die Entziehung bestehen nicht mehr. Auf diese Weise wird klargestellt, dass Deutschland die in diesen Staaten bestehenden Eignungsvoraussetzungen respektiert und eine Harmonisierung der Eignungsregelung auf niedrigem Niveau nicht gewollt ist. Gleichzeitig wird dadurch auch die Akzeptanz der einzelnen Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Eignungsvoraussetzungen in Deutschland gestärkt in der Erwartung, dass auch diese unter vergleichbaren Voraussetzungen die Erteilung einer Fahrerlaubnis verweigern werden.
- 2. Nach § 28 Abs. 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) dürfen Inhaber einer von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erteilten gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben grundsätzlich im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen. Diese Berechtigung gilt nach § 28 Abs. 4 Nr. 2 FeV dann nicht, wenn die Inhaber zum Zeitpunkt der Erteilung der EU- oder EWR-Fahrerlaubnis ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten (es sei denn, dass sie als Studenten oder Schüler im Sinne des § 7 Abs. 2 FeV die Fahrerlaubnis während eines mindestens sechsmonatigen Aufenthalts erworben haben).
Der Europäische Gerichtshof hat mit den Urteilen vom 26. Juni 2008 in den verbundenen Rechtssachen C-329/06 und C-343/06 und in den verbundenen Rechtssachen C-334/06 bis C-336/06 die Rechtsprechung bestätigt, dass ein Mitgliedstaat einem von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgestellten EU-Führerschein die Anerkennung nicht deshalb versagen darf, weil nach den ihm vorliegenden Informationen der Führerscheininhaber zum Zeitpunkt der Ausstellung des EU-Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaates und nicht im Hoheitsgebiet des ausstellenden Mitgliedstaates gehabt hat. Denn der Besitz eines von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgestellten Führerscheins ist danach grundsätzlich als Nachweis dafür anzusehen, dass die in der Richtlinie 91/439/EWG bzw. Richtlinie 2006/125/EG vorgesehenen Voraussetzungen für die Ausstellung des Führerscheins erfüllt sind. In den beiden genannten Rechtssachen hat der Gerichtshof jedoch auch klargestellt, dass der Aufnahmemitgliedstaat auf Informationen aus dem ausstellenden Mitgliedstaat zurückgreifen darf, um die Verweigerung der Anerkennung einer EU-Fahrerlaubnis wegen einer Verletzung des Wohnsitzerfordernisses zu begründen.
§ 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV ist entsprechend den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes anzupassen so dass künftig eine von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erteilte gültige EU- oder EWR-Fahrerlaubnis im Sinne des § 28 Abs.1 FeV im Umfang ihrer Berechtigung automatisch auch dann zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt, wenn ihr Inhaber zum Zeitpunkt der Erteilung der EU- oder EWR-Fahrerlaubnis seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hatte.
Etwas anderes gilt dann, wenn aus dem ausländischen EU- oder EWR-Führerschein selbst oder auf der Grundlage anderer vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen ersichtlich ist, dass die Inhaber zum Zeitpunkt der Erteilung ihrer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis weiterhin ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten. Denn in diesem Fall ist der von dem anderen Mitgliedstaat der EU oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausgestellte Führerschein von vornherein nicht als Nachweis dafür geeignet, dass das Wohnsitzprinzip nach Artikel 7 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Artikel 9 der Richtlinie 91/439/EWG bzw. nach Artikel 7 Abs. 1 lit. e in Verbindung mit Artikel 12 der Richtlinie 2006/126/EG bei Erteilung der ausländischen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis eingehalten wurde.
Die Formulierung "...vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen..." kann zu Beginn der Umsetzungsphase dazu führen, dass Zweifel am Vorliegen von Tatbestandsvoraussetzungen bestehen. In diesen Fällen kann ein feststellender Verwaltungsakt in Betracht kommen, in dem die sich aus § 28 Abs. 4 FeV ergebende Rechtslage klargestellt wird.
- 3. Weiter sind Inhaber einer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erteilten gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 dann nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt, wenn ihnen die Fahrerlaubnis im Inland vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht oder sofort vollziehbar oder bestandskräftig von einer Verwaltungsbehörde entzogen worden ist, ihnen die Fahrerlaubnis bestandskräftig versagt worden ist oder ihnen die Fahrerlaubnis nur deshalb nicht entzogen worden ist, weil sie zwischenzeitlich auf die Fahrerlaubnis verzichtet haben.
Am 19. Januar 2007 ist die Richtlinie 2006/126/EG (sog. 3. Führerscheinrichtlinie) in Kraft getreten. Nach Artikel 11 Abs. 4 Satz 2 dieser Richtlinie lehnt ein Mitgliedstaat die Anerkennung der Gültigkeit eines EU-Führerscheins ab, der von einem anderen Mitgliedstaat einer Person ausgestellt wurde, deren Führerschein im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen worden war. Mit den o. g. Urteilen vom 26. Juni 2008 hat der Europäische Gerichtshof die Rechtsprechung bestätigt dass ein Mitgliedstaat die Anerkennung der Gültigkeit eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins nicht deshalb ablehnen darf, weil im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats auf den Inhaber des Führerscheins eine Maßnahme des Entzugs oder der Aufhebung einer von diesem Staat erteilten Fahrerlaubnis angewendet wurde, wenn die zusammen mit dieser Maßnahme angeordnete Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis in diesem Mitgliedstaat abgelaufen war, bevor der Führerschein von dem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wurde. Ebenso hat er bestätigt, dass eine Befugnis zur nachträglichen Eignungsüberprüfung nur im Hinblick auf ein Verhalten besteht, das nach dem Erwerb der ausländischen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis eingetreten ist.
Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine (siehe hierzu Artikel 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG sowie Artikel 1 Abs. 2 der Richtlinie 091/439/EWG) ist durch die Fassung von Artikel 11 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie 2006/126/EG gegenüber der Fassung in Artikel 8 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 91/439/EWG eingeschränkt worden. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben nun kein Ermessen mehr, sondern sind verpflichtet, die Anerkennung der Gültigkeit eines EU-Führerscheins abzulehnen, der von einem anderen Mitgliedstaat einer Person ausgestellt wurde, deren Führerschein im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats eingeschränkt ausgesetzt oder entzogen worden war. Damit erhält der Aspekt der Sicherheit des Straßenverkehrs gegenüber der Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine eine herausgehobene Bedeutung. Die Nichtanerkennung von Führerscheinen stellt im Vergleich zur sog. 2. Führerscheinrichtlinie nicht mehr einen angesichts des Anerkennungsgrundsatzes eng auszulegenden Ausnahmetatbestand dar.
Hintergrund der nunmehr verschärften Regelung ist, dass bereits im Nachgang zu den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes vom 29. April 2004 in der Rechtssache C-476/01, Kapper, Slg. 2004, I-5204; vom 06. April 2006 in der Rechtssache C-227/05, Halbritter, Slg. 2006, I-49 und vom 28. September 2006 in der Rechtssache C-340/05, Kremer immer mehr Personen mit Wohnsitz im Inland, denen die Fahrerlaubnis hier entzogen worden war, versucht haben, die nationalen Eignungsvorschriften für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis durch den rechtswidrigen Erwerb einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zu umgehen. Dies hat zu erheblichen Risiken für die Verkehrssicherheit geführt, die auch aus Sicht der Rechtsetzungsorgane der Europäischen Gemeinschaft nicht länger hinnehmbar waren.
Mit der Neufassung des Artikels 11 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie 2006/126/EG haben die Rechtsetzungsorgane der Europäischen Gemeinschaft nun klar zum Ausdruck gebracht, dass eine Harmonisierung der nach einem Entzug der Fahrerlaubnis für die Neuerteilung geltenden Eignungsregelungen auf niedrigem Niveau nicht gewollt ist. Die Mitgliedstaaten sollen dafür Sorge tragen können, dass auch vergleichsweise strenge inländische Eignungsvorschriften nach einem Entzug der inländischen Fahrerlaubnis nicht umgangen werden. Für eine enge Auslegung des Artikels 11 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie 2006/126/EG im Sinne der oben zitierten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes zu Artikel 8 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 91/439/EWG ist damit kein Raum. Dies ergibt sich auch aus dem Erwägungsgrund 15 der Richtlinie 2006/126/EG, wonach die Mitgliedstaaten der Europäischen Union aus Gründen der Verkehrssicherheit die Möglichkeit haben sollen, ihre innerstaatlichen Bestimmungen über den Entzug, die Aussetzung, die Erneuerung und die Aufhebung einer Fahrerlaubnis auf jeden Führerscheininhaber anzuwenden der seinen ordentlichen Wohnsitz in ihrem Hoheitsgebiet begründet hat. Die Vorschrift des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV ist folglich wieder voll umfänglich anwendbar.
- 4. Nach Artikel 11 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 2006/126/EG lehnt ein Mitgliedstaat die Erteilung einer Fahrerlaubnis an einen Bewerber ab, dessen Fahrerlaubnis in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen wurde.
Durch die fristgerechte Umsetzung dieser Vorschrift kann die Umgehung der in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union geltenden Eignungsvorschriften auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland effektiver als bislang bekämpft werden. Dies dient letztlich der Verkehrssicherheit, da gewährleistet wird, dass insbesondere Personen von der Teilnahme am Straßenverkehr ausgeschlossen werden können, die den Nachweis nicht erbracht haben, dass sie ihre Alkohol- oder Drogenprobleme überwunden haben.
Kosten
Für den Bundeshaushalt entstehen keine Mehrkosten. Auswirkungen auf die Haushalte der Länder und Gemeinden sind nicht ersichtlich.
Der Wirtschaft, insbesondere mittelständischen Unternehmen, entstehen keine zusätzlichen Kosten. Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.
Bürokratiekosten
Durch § 20 Abs. 4 FeV wird Bürgern, die eine Neuerteilung einer Fahrerlaubnis beantragen, eine neue Informationspflicht auferlegt. Sie müssen dem Antrag auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis künftig eine Bescheinigung der Stelle, welche die frühere EU- oder EWR-Fahrerlaubnis erteilt hatte, beifügen, aus der sich ergibt, dass ihnen die frühere EU- oder EWR-Fahrerlaubnis nicht entzogen wurde oder die Gründe für die Entziehung nicht mehr bestehen.
Die Regelung dient der Beschleunigung des Verfahrens, da der Bürger in diesen Fällen erfahrungsgemäß schneller die Ausstellung der erforderlichen Bescheinigungen erreichen kann, als dies bei einer Informationsbeschaffung im Wege bilateraler zwischenstaatlicher Kontakte zu erwarten ist.
Für die Wirtschaft und die Verwaltung werden keine neuen Informationspflichten eingeführt.
Gender Mainstreaming
Gleichstellungspolitische Auswirkungen der Regelungen sind nicht gegeben. Die Verordnung bietet keine Grundlage für verdeckte Benachteiligungen, Beteiligungsdefizite oder die Verfestigung tradierter Rollen.
B. Zu den einzelnen Vorschriften
Zu Artikel 1
Zu Nr. 1 (Änderung von § 20 FeV)
Der neue § 20 Abs. 3 hat zur Folge, dass eine Fahrerlaubnis künftig grundsätzlich nicht mehr erteilt werden darf, wenn dem Bewerber zuvor in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum eine EU- oder EWR-Fahrerlaubnis vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht oder sofort vollziehbar oder bestandskräftig von einer Verwaltungsbehörde entzogen wurde. Die Regelung dient der Umsetzung von Artikel 11 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 2006/126/EG.
Eine Ausnahme von Satz 1 gilt nur dann, wenn die Gründe für die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht mehr bestehen, wenn also etwa die Fahrerlaubnis im Zusammenhang mit einem Alkohol- oder Drogenproblem entzogen wurde und dieses Problem nun nachweislich dauerhaft überwunden ist.
Der neu eingefügte Absatz 4 dient der Beschleunigung des Verfahrens (siehe oben). Gleichzeitig erleichtern die Bestimmungen den Vollzug der Regelung in Absatz 3, bis das in Artikel 7 Abs. 5 lit. d der Richtlinie 2006/126/EG vorgesehene Europäische Führerschein -Informationssystem mit Direktzugriff durch die nach Landesrecht zuständige Behörde oder Stelle oder die Fahrerlaubnisbehörde zur Verfügung steht.
Zu Nr. 2 (Änderung von § 21 FeV)
Damit die Fahrerlaubnisbehörde im Antragsverfahren Kenntnis davon erlangen kann, ob der Bewerber vormals im Besitz einer Fahrerlaubnis eines EU- oder EWR-Mitgliedsstaates war, muss eine Pflichtangabe hierzu im Antragsverfahren verankert werden.
Zu Nr. 3 (Änderung von § 22 FeV)
zu a)
s. Begründung zu Nr. 2.
Gleichzeitig erweitert diese Änderung die Möglichkeiten der Fahrerlaubnisbehörde zur Einholung einer Auskunft aus dem Zentralen Fahrerlaubnisregister nach § 22 Abs. 2 Satz 2 der Fahrerlaubnis-Verordnung. Bisher bezieht sich die Auskunft nur auf den Besitz einer Fahrerlaubnis, der im Falle eines Entzuges nicht mehr besteht. Insofern ist eine entsprechende Änderung des § 22 Abs. 2 Satz 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung im Hinblick auch auf einen vormaligen Besitz einer Fahrerlaubnis erforderlich, um einen Auskunftsanspruch der Fahrerlaubnisbehörde nach § 61 Abs. 2 StVG zu begründen.
zu b)
Diese Ergänzung dient der Verfahrensbeschleunigung (s. Begründung zu Nr. 1)
Zu Nr. 4 (Änderung von § 28 FeV)
§ 28 Abs. 4 wird neu gefasst. Nach Satz 1 Nr. 2 dürfen Inhaber einer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erteilten gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz im Sinne des § 7 Abs. 1 und 2 in der Bundesrepublik Deutschland haben künftig im Umfang ihrer Berechtigung nach Maßgabe von § 28 Absatz 1 im Inland auch dann Kraftfahrzeuge führen, wenn sie zum Zeitpunkt der Erteilung der EU- oder EWR-Fahrerlaubnis ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hatten. Etwas anderes gilt dann wenn der Verstoß gegen das sogenannte Wohnsitzprinzip nach Artikel 7 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Artikel 9 der Richtlinie 91/439/EWG bzw. nach Artikel 7 Abs. 1 lit. e in Verbindung mit Artikel 12 der Richtlinie 2006/126/EG aus dem ausländischen EU- oder EWR-Führerscheindokument oder auf Grund anderer vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen ersichtlich ist.
Der EuGH hat in den o. g. Entscheidungen vom 26. Juni 2008 deutlich gemacht, dass ein Mitgliedstaat nicht befugt ist, einer Person, auf die eine Maßnahme des Entzugs oder der Aufhebung einer von diesem Mitgliedstaat erteilten Fahrerlaubnis angewendet wurde, auf unbestimmte Zeit die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheins zu versagen, der ihr möglicherweise später von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wird. Denn dies widerspräche dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine. Der Besitz eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins ist als Nachweis dafür anzusehen, dass der Inhaber dieses Führerscheins am Tag der Erteilung des Führerscheins die Voraussetzungen erfüllt. Ein Aufnahmemitgliedstaat, der die Erteilung einer Fahrerlaubnis insbesondere nach dem Entzug einer früheren Fahrerlaubnis von strengeren nationalen Voraussetzungen abhängig macht, kann die Anerkennung eines zu einem späteren Zeitpunkt von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins nicht allein mit der Begründung ablehnen, dass der Inhaber diesen neuen Führerschein gemäß einer nationalen Regelung erlangt hat, die nicht dieselben Anforderungen aufstellt, wie sie der Aufnahmemitgliedstaat vorsieht.
Die unter 2.a) bb) aufgeführten Änderungen berücksichtigen diese Entscheidungen, indem eine unbegrenzte Verweigerung der Anerkennung durch einen Verweis auf die Tilgungsfristen des Straßenverkehrsgesetzes ersetzt wird. Damit wird deutlich gemacht, dass nach Eintritt der Tilgung die bisher im VZR eingetragenen Gründe der Anerkennung einer EU-/EWR-Fahrerlaubnis nicht mehr entgegenstehen.
Zu Nr. 5 (Änderung von § 29 FeV)
Die Änderungen sind veranlasst durch Vorgaben der Rechtsprechung des EuGH. Für Altfälle findet § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV bisherige Fassung in Verbindung mit den EuGH-Entscheidungen Anwendung.
Zu Artikel 2
Aufgrund der zahlreichen Änderungen der Fahrerlaubnis-Verordnung und damit aus Gründen der Übersichtlichkeit ist eine Ermächtigung zur Bekanntmachung der Neufassung der Fahrerlaubnis-Verordnung aufgenommen worden.
Zu Artikel 3
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten der Verordnung.
Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG steht dieser Regelung des Inkrafttretens nicht entgegen.
Art. 13 Abs. 2 gewährt nur Bestandsschutz, soweit nicht Regelungen wie gerade Art. 11 Abs. 4 i.V.m. Art. 18 ausdrücklich Vorschriften über die Nichtanerkennung ausländischer Fahrerlaubnisse enthalten und somit eine Durchbrechung eines uneingeschränkten Bestandsschutzes bereits unmittelbar in der Richtlinie 2006/126/EG geregelt ist.
Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz:
NKR-Nr. 715:
Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung
Der Nationale Normenkontrollrat hat den Entwurf der o.g. Verordnung auf Bürokratiekosten geprüft die durch Informationspflichten begründet werden.
Mit der Verordnung werden für Wirtschaft und Verwaltung keine Informationspflichten eingeführt, geändert oder abgeschafft. Für Bürger wird eine neue Informationspflicht geschaffen.
Dem Antrag auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis müssen diejenigen, die zuvor eine Fahrerlaubnis eines anderen EU- oder EWR-Staates besessen haben, eine Bescheinigung der Stelle beifügen, die die ursprüngliche Fahrerlaubnis erteilt hat, aus der sich ergibt, dass ihnen diese Fahrerlaubnis nicht entzogen worden ist oder die Gründe für die Einziehung nicht mehr bestehen. In Ausnahmefällen hat der Bürger zudem einen ausländischen Registerauszug beizubringen.
Der Nationale Normenkontrollrat hat im Rahmen seines gesetzlichen Prüfauftrags keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben.
gez. | gez. |
Dr. Ludewig | Prof. Dr. Wittmann |
Vorsitzender | Berichterstatter |
- 1 Diese Verordnung dient der Umsetzung der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (Neufassung; Abl. EG (Nr. ) 204 S. 18).