988. Sitzung des Bundesrates am 27. März 2020
A
Der federführende Wirtschaftsausschuss (Wi), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (U), der Verkehrsausschuss (Vk) und der Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung (Wo) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zum Gesetzentwurf allgemein
- a) Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Bundesregierung, Artikel 8 Absatz 2 bis 6 der Richtlinie (EU) Nr. 2018/844 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Änderung der Richtlinie 2010/31/EU über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden und der Richtlinie 2012/27/EU über Energieeffizienz (ABl. L 156 vom 19.06.2018, S. 75) in nationales Recht zu transformieren.
- b) Der Bundesrat stellt fest, dass sichergestellt werden muss, dass bei den Ladeeinrichtungen auch dann ausreichend Strom verfügbar ist, wenn mehrere Verbraucher gleichzeitig darauf zugreifen, um ihre Fahrzeuge zu laden. Die heutigen Stromnetze sind darauf nicht überall ausgelegt. Ladeengpässe drohen etwa, wenn Ortsnetztrafos zu klein und Erdkabel zu dünn sind. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Das Versorgungsnetz darf keinen Kapazitätsengpass vor der Ladeinfrastruktur bilden. Zuständigkeit und Verantwortlichkeit für Lückenschlüsse bzw. ein Ausbau der Versorgungsnetzinfrastruktur sind klar und eindeutig zu regeln. Die Installation und Bereitstellung von Leitungen und entsprechender elektrischer Leistung - zumindest bis zur Grundstücksgrenze - ist eine Aufgabe der (kommunalen) Daseinsvorsorge.
- c) Der vorliegende Gesetzentwurf zeigt einmal mehr auf, wie wichtig eine zeitnahe Lösung für die steuerrechtlichen Restriktionen (in Zusammenhang mit der sogenannten "erweiterten Gewerbesteuerkürzung") beim "Mieterstrom" ist. Sinnvolle Nutzungen bzw. Kopplungen und damit ein erfolgversprechender Beitrag auch zum Thema "Elektromobilität" in Verbindung mit "Mieterstrom" scheitern derzeit an der geringen Praxistauglichkeit und Zukunftsorientiertheit der bundesgesetzlichen Vorgaben.
2. Zum Gesetzentwurf allgemein
- a) Die europäischen und nationalen Klimaziele erfordern ein konsequentes Handeln bei der Elektrifizierung des Verkehrs. Hierzu bedarf es eines zügigen und bedarfsgerechten Auf- und Ausbaus einer leistungsfähigen und nutzerfreundlichen Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge, die mit transparenten Vergütungs- und Abrechnungssystemen zu angemessenen Preisen diskriminierungsfrei genutzt werden kann.
- b) Da im Markt gegenwärtig nicht erkennbar ist, dass der zur Erreichung der Klimaziele an und in Gebäuden erforderliche Ladeinfrastrukturaufbau sich allein mit Marktmechanismen vollziehen lässt, zielt die ordnungsrechtliche Inpflichtnahme von Privatinvestoren im vorliegenden Gesetzentwurf grundsätzlich in die richtige Richtung. Erfahrungen im Bereich gebäudebezogener Energieeffizienz zeigen, dass eine normative Flankierung - insbesondere in Verbindung mit vorgelagerter staatlicher Förderung - eine Steuerungswirkung entfalten kann, indem sie für die Immobilienbranche mit den dort üblichen längerfristigen Investitionszyklen einen verbindlichen Orientierungsrahmen und die erforderliche Planungssicherheit schafft.
- c) Aus den vorgenannten Gründen ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Bundesregierung sich lediglich auf eine 1:1-Umsetzung der novellierten EU-Gebäuderichtlinie 2018/844 beschränkt. Die hieraus übernommenen Quoten und Handlungspflichten entsprechen nach Auffassung des Bundesrates nicht den tatsächlichen Bedarfen und vorhandenen Potenzialen. So bleibt die im vorliegenden Gesetzentwurf enthaltene Quotierung hinter den möglichen und im Markt voraussichtlich auch akzeptierten Größenordnungen deutlich zurück und wird die erforderliche Steuerungswirkung verfehlen.
- d) Die zunehmende Umstellung des Fahrzeugbestands auf elektrische Antriebe wird zu einer höheren Leistungsentnahme aus den lokalen Stromverteilnetzen führen, die die Wahrscheinlichkeit von Lastspitzen erhöhen und somit steigende Anforderungen an die Versorgungssicherheit stellen wird.
Der Bundesrat bedauert, dass mit dem vorliegenden Gesetzentwurf versäumt wurde, das Erfordernis des netzdienlichen Ladens an und in Gebäuden verbindlich zu adressieren. Dabei ist es rechtlich und technisch heute schon möglich, den Betreibern der lokalen Stromverteilnetze über ein intelligentes Lastmanagement im Bedarfsfall zentral einen steuernden punktuellen Zugriff auf die dezentral errichtete Ladeinfrastruktur auf Privatflächen zu gewähren, um bei Bedarf Maßnahmen zur Netzsteuerung ergreifen zu können.
- e) Aus Gründen der Energieversorgungssicherheit bei einer künftig hohen Anzahl von Elektrofahrzeugen fordert der Bundesrat, das netzdienliche Laden künftig zur obligatorischen Voraussetzung der Ladeinfrastrukturförderung zu machen und hierüber dessen Nichtberücksichtigung im vorliegenden Gesetzentwurf zu kompensieren.
3. Zum Gesetzentwurf allgemein und Zu § 8 und § 9 GEIG
- a) Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, ein Monitoring über den Ausbau der Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur einzuführen und regelmäßig über den Fortschritt des Ausbaus zu berichten.
- b) Der Bundesrat bittet, die im Gesetzentwurf vorgesehenen Auslösetatbestände für Nachrüstverpflichtungen für bestehende Wohn- und Nichtwohngebäude im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu erweitern. Dabei bittet er, insbesondere weitere, unabhängige Auslösetatbestände für Nachrüstverpflichtungen bei "Renovierung eines Park- oder Stellplatzes", "Renovierung der elektrischen Infrastruktur des Gebäudes" oder "Renovierung der elektrischen Infrastruktur eines Park- oder Stellplatzes" in geeigneter Weise zu definieren und in das Gesetz aufzunehmen.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Der alleinige Auslösetatbestand "größere Renovierung" der Gebäudehülle (25 Prozent) in Zusammenhang mit der Renovierung der Stellplätze bzw. Parkplätze oder der elektrischen Infrastruktur wird als nicht zielführend bewertet, da die Sanierung der Gebäudehülle oft nur wenige Berührungspunkte zur Elektrik sowie zu Parkplätzen und Tiefgaragen hat bzw. umgekehrt. Durch Einbezug der Sanierung der Gebäudehülle als alleinigem Auslösetatbestand würde ein weiteres Hemmnis für die energetische Sanierung aufgebaut.
Zudem würde mit der vorgesehenen Regelung selbst die Grundsanierung eines reinen Garagengebäudes nicht zu einer Nachrüstungsverpflichtung führen. Denn hiervon wird in der Regel die Gebäudehülle einer Garage (da unbeheizt) nicht betroffen sein.
Daher wird vorgeschlagen, als zusätzlichen Auslösetatbestand für Nachrüstverpflichtungen bei bestehenden Gebäuden auch die Renovierung der elektrischen Infrastruktur oder der Stellplätze/Parkplätze einzubeziehen.
Dies würde darüber hinaus eine größere Rechtssicherheit schaffen, da die im Gesetzentwurf zu erfüllenden Rahmenbedingungen "größere Renovierung" der Gebäudehülle in Kombination mit der Renovierung der elektrischen Infrastruktur oder der Parkplätze nicht ausreichend definiert erscheint, sodass zahlreiche Möglichkeiten bestehen, die Regelungen des Gesetzes zu umgehen. Der zeitliche Bezug der einzelnen Maßnahmen zueinander sollte ebenfalls geprüft werden.
4. Zu § 7 Nummer 2 GEIG
§ 7 Nummer 2 ist wie folgt zu fassen:
"2. zusätzlich mindestens jeder 10. Stellplatz mit einem Ladepunkt ausgestattet wird."
Begründung:
Um die Akzeptanz für Elektromobilität zu steigern bedarf es des sichtbaren Ausbaus an Ladeinfrastruktur. Die Vorgabe, dass nur ein Stellplatz mit einem Ladepunkt auszustatten ist, greift zu kurz. Die Anzahl der Ladepunkte sollte in Relation zur Anzahl der Stellplätze gesetzt werden. Daher sollte die Ausstattung jedes mindestens 10. Stellplatzes mit Ladeinfrastruktur zur Förderung der Akzeptanz und des zukünftigen Bedarfs an Ladeinfrastruktur zu Grunde gelegt werden.
5. Zu § 9 Absatz 1 Nummer 2 und Nummer 3 - neu - sowie
Absatz 2 Nummer 2 und Nummer 3 - neu - GEIG
§ 9 ist wie folgt zu ändern:
- a) In Absatz 1 Nummer 2 ist der abschließende Punkt durch ein Komma zu ersetzen und folgende Nummer anzufügen:
"3. zusätzlich mindestens jeder 10. Stellplatz mit einem Ladepunkt ausgestattet wird."
- b) In Absatz 2 Nummer 2 ist der abschließende Punkt durch ein Komma zu ersetzen und folgende Nummer anzufügen:
"3. zusätzlich mindestens jeder 10. Stellplatz mit einem Ladepunkt ausgestattet wird."
Begründung:
Um die Akzeptanz für Elektromobilität zu steigern bedarf es des sichtbaren Ausbaus an Ladeinfrastruktur. Die Vorgabe, dass nur ein Stellplatz mit einem Ladepunkt auszustatten ist, greift zu kurz. Die Anzahl der Ladepunkte sollte in Relation zur Anzahl der Stellplätze gesetzt werden. Daher sollte die Ausstattung jedes mindestens 10. Stellplatzes mit Ladeinfrastruktur zur Förderung der Akzeptanz und des zukünftigen Bedarfs an Ladeinfrastruktur zu Grunde gelegt werden.
6. Zu § 13 Absatz 1 GEIG
Der Bundesrat bittet im weiteren Gesetzgebungsverfahren um eine Ergänzung der Ausnahmen, wenn eine technische Unmöglichkeit vorliegt oder bei der Versagung wegen brandschutzrechtlicher Erfordernisse durch die zuständige Bauaufsichtsbehörde.
Begründung:
Bei Vorliegen einer technischen Unmöglichkeit oder aufgrund einer Unmöglichkeit wegen Brandschutzbestimmungen sollte von einer Pflicht zur Ausstattung mit Ladeinfrastruktur abgesehen werden.
7. Zu Abschnitt 5
Nach Abschnitt 5 ist folgender Abschnitt 5a einzufügen:
"Abschnitt 5a
Länderöffnungsklausel
§ 13a Länderöffnungsklausel
Die Länder können zum Aufbau einer gebäudeintegrierten Lade- und Leitungsinfrastruktur für die Elektromobilität weitergehende Regelungen erlassen."
Begründung:
Nach dem Gesetzentwurf zum Aufbau einer gebäudeintegrierten Lade- und Leitungsinfrastruktur für die Elektromobilität (Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz - GEIG) ist die Gesetzgebungskompetenz nach Artikel 74 Absatz 1 Nummer 11 GG und Artikel 72 Absatz 2 GG ausschließlich für den Bund vorgesehen. Ergänzende Regelungen der Länder zum Bundesrecht beispielsweise zur E-Mobilitäts-Readyness wären somit nicht möglich.
Um die Grundlage für weitergehendes Landesrecht zu schaffen, wird die Einführung einer Abweichungsbefugnis zum Gesetzentwurf eingebracht.
B
8. Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten und der Rechtsausschuss empfehlen dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.