Der Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat,
zu dem Gesetz zu verlangen, dass der Vermittlungsausschuss gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes aus folgenden Gründen einberufen wird:
1. Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 100c Abs. 1, § 100f Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 StPO) Artikel 1 Nr. 1 ist wie folgt zu ändern:
- a) In § 100c Abs. 1 sind die Wörter "der Betroffenen" durch die Wörter "der Inhaber und Inhaberinnen, Bewohnerinnen und Bewohner" zu ersetzen.
- b) § 100f ist wie folgt zu ändern:
- aa) In Absatz 1 sind die Wörter "außerhalb von Wohnungen" sowie der abschließende Punkt zu streichen und die Wörter "und nicht in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung eingegriffen wird." anzufügen.
- bb) In Absatz 2 Satz 1 sind die Wörter "außerhalb von Wohnungen" durch die Wörter "außer in den Fällen des § 100c" zu ersetzen.
Begründung
Die hohe Hürde des Artikels 13 Abs. 4 GG schützt den Träger des Grundrechts aus Artikel 13 GG. Dies ist der Beschuldigte, wenn es sich um seine Wohnung handelt. Besucher können sich demgegenüber nur auf ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung berufen (vgl. BVerfGE 109, 279 ff., Rnr. 162). Demzufolge wurde bisher auch kein Anwendungsfall der Wohnraumüberwachung angenommen, wenn der Wohnungsinhaber mit dem Einsatz der technischen Mittel einverstanden ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Auf1. 2004, § 100c Rnr. 12; Nack, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Auf1. 2003, § 100c Rnr. 16). Dieser Rechtszustand muss beibehalten werden. Um das sicherzustellen, muss der Begriff des Betroffenen entsprechend der Formulierung in § 100d Abs. 8 Satz 2 Nr. 3 StPO- neu präzisiert werden.
Die Befugnisse des § 100f StPO- neu standen in der bisherigen Fassung des § 100c StPO nicht unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass sie nur außerhalb von Wohnungen ausgeübt werden dürfen. Das vorliegende Gesetze trägt der Möglichkeit der Einwilligung der Bewohner hingegen keine Rechnung. Die Befugnis zur akustischen Überwachung ist so zu fassen, dass diejenigen Fälle, die wegen Zustimmung der Berechtigten aus § 100c StPO herausgefallen sind, von § 100f Abs. 2 StPO- neu abgedeckt werden. Hinsichtlich der optischen Aufklärungsmaßnahmen, für die es bei der Wohnraumüberwachung keine Entsprechung gibt, soll § 100f Abs. 1 StPO- neu in der Weise geändert werden, dass statt auf das Faktum "Wohnung" auf den Eingriff in Artikel 13 GG abgestellt wird.
2. Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 100c Abs. 1 Nr. 1 StPO)
In Artikel 1 Nr. 1 § 100c Abs. 1 Nr. 1 sind nach dem Wort "versucht" die Wörter "oder durch eine Straftat vorbereitet" einzufügen.
Begründung
Im Gegensatz zu der Regelung des § 100a StPO für die Überwachung der Telekommunikation soll nach dem Gesetzesbeschluss zu § 100c StPO die bloße Vorbereitung einer Anlasstat durch eine sonstige Straftat nicht für eine Anordnung der Maßnahme ausreichen.
Der Verzicht auf die Erfassung bloßer Vorbereitungen einer Anlasstat hat zur Folge, dass Beteiligungsversuche im Sinne des § 30 StGB nicht für die Begründung einer Wohnraumüberwachung herangezogen werden könnten (vgl. BGHSt 32, 10 ). Diese Einschränkung ist mit Rücksicht auf die völlig verschiedenen Reichweiten der Tatbestände der in § 100c Abs. 2 StPO- neu bezeichneten Anlasstaten sachlich nicht gerechtfertigt. So wird etwa durch die Vorschrift des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG schon ein ernsthaftes Verhandeln über den Erwerb von zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmitteln erfasst (vgl. BGH, NStZ-RR 2004, 183 m.w.N.) und damit in den Rang einer Anlasstat für eine Wohnraumüberwachung erhoben, während die verbindliche Verabredung eines Mordes gemäß § 30 Abs. 2 StGB i.V.m. § 211 StGB nicht geeignet wäre, einen Anlass für eine Wohnraumüberwachung zu bilden.
Diese Konsequenz wäre offensichtlich sinnwidrig. Gerade bei der Verabredung schwerster Verbrechen werden verdeckte Ermittlungsmaßnahmen in besonderer Weise benötigt.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass - entgegen der Darstellung in der Entwurfsbegründung - der Karlsruher Kommentar (vgl. Nack, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozeßordnung, 5. Auf1., § 100c Rnr. 38) sehr wohl die bloße Vorbereitung einer Anlasstat für die Anordnung einer Wohnraumüberwachung nach aktueller Gesetzeslage ausreichen lässt. Die umzusetzende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 (BVerfGE 109, 279 ff.) gibt keinen Anlass, von der bisherigen Rechtslage abzugehen.
3. Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 100c Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b, Nr. 4 Buchstabe b StPO), Artikel 4a - neu - ( § 129 Abs. 4 StGB)
- a) In Artikel 1 Nr. 1 ist § 100c Abs. 2 wie folgt zu ändern:
- aa) In Nummer 1 Buchstabe b sind dem Wort "Bildung" die Wörter "Straftaten eines besonders schweren Falls der Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4, und der" voranzustellen und ist nach der Angabe "Alternative l," das Wort "jeweils" einzufügen.
- bb) In Nummer 4 Buchstabe b ist das abschließende Komma zu streichen und sind die Wörter "sowie nach § 30b des Betäubungsmittelgesetzes i.V.m. § 129 Abs. 4 des Strafgesetzbuches" anzufügen.
- b) Nach Artikel 4 ist folgender Artikel 4a einzufügen:
"Artikel 4a
Änderung des Strafgesetzbuches
In § 129 Abs. 4 des Strafgesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird die Angabe "fünf" durch die Angabe "zehn" ersetzt."
Begründung
§ 129 Abs. 4 StGB regelt besonders schwere Fälle der Bildung krimineller Vereinigungen, insbesondere die Strafbarkeit als Rädelsführer oder Hintermann solcher Vereinigungen. Aus rechtsystematischer Sicht ist es geboten, dass das Höchstmaß der Freiheitsstrafe für einen besonders schweren Fall im Sinne von Absatz 4 der Vorschrift über dem Höchstmaß der Freiheitsstrafe liegt, mit dem die Erfüllung des Grundtatbestands sanktioniert wird. Die Obergrenze des Strafrahmens von über fünf Jahren Freiheitsstrafe ist auch im Hinblick auf andere im Strafgesetzbuch vorgesehene Qualifikationstatbestände angemessen. Zudem dient diese Änderung dem erheblichen kriminalpolitischen und kriminalistischen Bedürfnis, zur Bekämpfung von Straftaten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität, insbesondere bei Ermittlungen gegen Hauptverantwortliche, Organisatoren, Finanziers und Drahtzieher, weiterhin die akustische Wohnraumüberwachung als Ermittlungsinstrument einzusetzen (vgl. BT-Drs. 013/8651, S. 9). Diese Einschätzung wird auch vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in seinem Abschlussbericht vom 15. September 2004 zur "Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung" (vgl. S. 351 ff. ) geteilt.
Die vorgeschlagene Erweiterung des Strafrahmens in § 129 Abs. 4 StGB eröffnet zugleich die dringend erforderliche Aufnahme des Straftatbestands in den Deliktskatalog des § 100c Abs. 2 StPO- neu. Hintergrund der Regelung der akustischen Wohnraumüberwachung in der StPO war eine Verbesserung bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, insbesondere bei der Ermittlung und Überführung der Hauptverantwortlichen, Organisatoren, Finanziers und Drahtzieher (vgl. BT-Drs. 013/8651, S. 9). Ausweislich des o.g. Abschlussberichts des Max-Planck-Instituts (S. 361 (363)), hat eine Auswertung der bisherigen Erfahrungen im Bereich der akustischen Wohnraumüberwachung ergeben, dass sich insbesondere auch im Bereich des § 129 Abs. 4 StGB Bezüge zu den als organisierte Kriminalität bezeichneten Strukturen erkennen lassen. Die Wohnraumüberwachung ist hier ein ermittlungstechnisch zwingend notwendiges Instrumentarium, um in die dort existierenden hoch konspirativen und professionalisierten Strukturen einzudringen.
Über den Straftatbestand des § 129 Abs. 4 StGB hinaus sind auch die Straftaten gemäß § 30b BtMG i.V.m. § 129 StGB in den Straftatenkatalog aufzunehmen, soweit besonders schwere Fälle der Bildung krimineller Vereinigungen gemäß § 129 Abs. 4 StGB betroffen sind. Auf Grund regelmäßig konspirativ und professionell agierender Tätergruppen ist die Wohnraumüberwachung insbesondere im BtM-Bereich geeignet, kriminelle Strukturen zu sprengen.
4. Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 100c Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe c StPO)
In Artikel 1 Nr. 1 § 100c Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe c sind nach der Angabe " § 152," die Wörter "gewerbs- oder bandenmäßige Fälschung von Zahlungskarten, Schecks und Wechseln in den Fällen des § 152a Abs. 3," einzufügen.
Begründung
Es handelt sich hierbei um ein Delikt, das dem Bereich der organisierten Kriminalität zuzurechnen ist und vom Unrechtsgehalt der Geld- und Wertpapierfälschung vergleichbar ist. Mit einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren erfüllt die Vorschrift die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Die Aufnahme in den Anlasstatenkatalog entspricht der Gesetzessystematik, wonach gewerbs- und bandenmäßige Begehungsformen von Delikten in dem Katalog berücksichtigt werden sollen, da die Wohnraumüberwachung auf Grund des dortigen arbeitsteiligen, auf Dauer angelegten vernetzten und regelmäßig konspirativen Zusammenwirkens der Täter und Tätergruppen ein unverzichtbares Ermittlungsinstrument darstellt.
5. Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 100c Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe c1 - neu - StPO)
In Artikel 1 Nr. 1 § 100c Abs. 2 Nr. 1 ist nach Buchstabe c folgender Buchstabe cl einzufügen:
- cl) Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen des § 176 Abs. 1 bis 3, § 176a Abs. 1 bis 3 und 5 sowie der §§ 176b, 177 Abs. 1 bis 4, §§ 178, 179,
Begründung
Ergänzend zum Straftatenkatalog des § 100c Abs. 2 Nr. 1 StPO- neu besteht auch bei schwerwiegenden Sexualdelikten ein Bedürfnis, Straftaten bzw. kriminelle Strukturen durch Maßnahmen der akustischen Wohnraumüberwachung aufzudecken und so zum wirksamen Opferschutz beizutragen. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum sie trotz ihres hohen Unrechtsgehalts keine Berücksichtigung im Straftatenkatalog gefunden haben. Sämtliche Delikte aus dem 13. Abschnitt des Strafgesetzbuches, die die vom Bundesverfassungsgericht geforderten erhöhten Strafrahmen erfüllen, sind in den Anlasstatenkatalog aufzunehmen.
6. Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 100d Abs. 1 Satz 6 und Abs. 9 Satz 4 StPO), Artikel 2 Nr. 2 (§ 120 Abs. 4 Satz 2 GVG)
- a) In Artikel 1 Nr. 1 ist § 100d wie folgt zu ändern:
- aa) In Absatz 1 ist Satz 6 zu streichen.
- bb) In Absatz 9 ist Satz 4 zu streichen.
- b) In Artikel 2 Nr. 2 § 120 Abs. 4 Satz 2 sind die Wörter "sowie in den Fällen des § 100d Abs. 1 Satz 6 und § 100d Abs. 9 Satz 4 der Strafprozeßordnung" zu streichen.
Begründung
Eine Begründung für die Neuregelung in § 100d Abs. 1 Satz 6 StPO- neu, wonach nach sechs Monaten das Oberlandesgericht über eine weitere Verlängerung der Maßnahme entscheiden muss, bietet das Gesetz nicht. Ausweislich des Abschlussberichts des Max-Planck-Instituts zur "Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung" (vgl. dort S. 358 ff.) kommen die Landgerichte ihrer Kontrollaufgabe zuverlässig nach. Es besteht daher keine Notwendigkeit, regelmäßig nach sechs Monaten das Oberlandesgericht mit der Überprüfung der Wohnraumüberwachung zu befassen, zumal das Oberlandesgericht im Gegensatz zum Landgericht das in aller Regel umfangreiche Verfahren nicht kennt und eine völlige Neueinarbeitung erfolgen müsste. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 3. März 2004 (BVerfGE 109, 279 ff.) für eine entsprechende Regelung keine Notwendigkeit gesehen.
Über die Befassung mit einer wiederholten Verlängerung der Grundentscheidung hinaus sieht das Gesetz in § 100d Abs. 9 Satz 4 StPO- neu vor, dass auch über die Frage der weiteren Zurückstellung einer Benachrichtigung der Betroffenen spätestens nach 18 Monaten - anstatt des anordnenden Gerichts - das Oberlandesgericht zu entscheiden hat. Ausweislich der Entwurfsbegründung soll hierdurch eine möglichst zügige Benachrichtigung der Betroffenen gewährleistet werden. Warum hierzu jedoch eine Beteiligung des Oberlandesgerichts erforderlich ist, erschließt sich nicht. Defizite bei der Überprüfung einer Zurückstellung der Benachrichtigung des Betroffenen durch die mit dem üblicherweise komplizierten Verfahren und der bisherigen Verfahrensentwicklung vertrauten Kammern der Landgerichte sind nicht erkennbar geworden.
Bei dem Vorschlag zu § 120 Abs. 4 Satz 2 GVG- neu handelt es sich um eine Folgeänderung.
7. Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 100d Abs. 5 Satz 1 StPO)
In Artikel 1 Nr. 1 § 100d Abs. 5 Satz 1 sind nach dem Wort "Strafverfolgung" die Wörter ", für präventive Zwecke nach Absatz 6 Nr. 2" einzufügen. Begründung
Gemäß § 100d Abs. 6 Nr. 2 StPO- neu ist die Verwendung von Daten unter bestimmten Voraussetzungen auch für präventive Zwecke zulässig. Eine Vernichtung von Daten hat deshalb zu unterbleiben, solange sie hierfür benötigt werden.