Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 20. Mai 2010 zur Religionsfreiheit in Pakistan

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 106852 - vom 7. Juni 2010.

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 20. Mai 2010 angenommen.

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass gemäß Artikel 3 Absatz 5 des Vertrags über die Europäische Union die Förderung der Demokratie sowie der Achtung der Menschenrechte und der bürgerlichen Freiheiten zu den Grundprinzipien und Zielen der Europäischen Union gehört und eine gemeinsame Grundlage für ihre Beziehungen mit Drittstaaten bildet,

B. in der Erwägung, dass die Mehrheit der Bevölkerung Pakistans dem sunnitischen Islam angehört, der gleichzeitig Staatsreligion ist, und dass es daneben religiöse Minderheiten und Glaubensgruppen gibt, die aus Christen, Hindus, Sikhs, Schiiten, Ahmadis, Buddhisten, Parsis und Bahai und anderen bestehen,

C. in der Erwägung, dass Pakistan eines der wichtigsten Länder im Hinblick auf den Kampf gegen Terrorismus und die Verbreitung von gewalttätigem Extremismus ist,

D. in der Erwägung, dass die innere Stabilität und die demokratischen Institutionen durch die zunehmende Zahl gewalttätiger Übergriffe von Extremisten, die fast täglich stattfinden, einer schweren Belastungsprobe ausgesetzt sind,

E. in der Erwägung, dass die unaufhörlichen Drohungen der radikalen muslimischen Kräfte auf beiden Seiten der Grenze zwischen Pakistan und Afghanistan konzertierte internationale Bemühungen dringend erforderlich machen, um die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in Pakistan zu unterstützen und zu stärken,

F. in der Erwägung, dass gleiche Rechte für Minderheiten eine Vision des Gründervaters von Pakistan, Mohammed Ali Jinnah, war, die sich auch in seiner Rede auf der verfassungsgebenden Versammlung im Jahr 1947 widerspiegelt: "Zu welcher Religion, welcher Kaste oder welchem Glauben man auch gehören mag - dies hat nichts mit dem Staat zu tun ... Wir gehen von dem Grundsatz aus, dass wir alle Bürger sind und zwar Bürger eines Staates.",

G. in der Erwägung, dass das in der Verfassung Pakistans von 1973 enthaltene Kapitel zu den Grundrechten die Freiheit, sich zu einer Religion zu bekennen und eine religiöse Einrichtung zu verwalten (Artikel 20), die Gleichberechtigung aller Bürger (Artikel 25) und die legitimen Rechte und Interessen von Minderheiten (Artikel 26) garantiert,

H. in der Erwägung, dass andererseits Artikel 260 der Verfassung zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen unterscheidet und somit der Diskriminierung aus Gründen der Religion den Boden bereitet,

I. in der Erwägung, dass Berichte und Umfragen unabhängiger Agenturen zeigen, dass Minderheiten in Pakistan grundlegender bürgerlicher Freiheiten und der Chancengleichheit in Bezug auf Arbeit, Bildung und politische Vertretung beraubt sind,

J. in der Erwägung, dass Schätzungen zufolge über 85 % der Frauen in Pakistan häuslicher Gewalt (physischer und psychischer Gewalt) ausgesetzt sind, sowie in der Erwägung, dass die Gewalt gegen Mädchen und Frauen einschließlich Vergewaltigungen, häusliche Gewalt und Zwangsheirat nach wie vor ernstzunehmende Probleme darstellen, von denen einige auf die Gesetze der Scharia zurückzuführen sind,

K. in der Erwägung, dass die pakistanische Regierung im November 2008 Shahbaz Bhatti, Sprecher der Minderheiten und Mitglied des Parlaments, zum Bundesminister für Angelegenheiten der Minderheiten ernannt hat und diese Position erstmalig im Kabinett vertreten ist,

L. in der Erwägung, dass die pakistanische Regierung seit November 2008 eine Quote von 5 % für an Minderheiten zu vergebende Arbeitsplätze im föderalstaatlichen Sektor geschaffen, nichtmuslimische Feiertage anerkannt, den 11. August zum Nationalen Tag der Minderheiten erklärt und Sitze für Vertreter der Minderheiten im Senat bereitgestellt hat,

M. in der Erwägung, dass Präsident Asif Ali Zardari am 25. Dezember 2009 das Versprechen der Pakistanischen Volkspartei wiederholte, das Recht aller Angehöriger von Minderheiten als gleichberechtigte Bürger behandelt zu werden, zu achten,

N. in der Erwägung, dass die Verpflichtung der pakistanischen Regierung zur Religionsfreiheit und ihre führende Rolle in der Organisation der Islamischen Konferenz, die die Kampagne zur "Bekämpfung der Diffamierung der Religion" bei den Vereinten Nationen unterstützt, im Widerspruch zueinander stehen,

O. in der Erwägung, dass die durch die Verfassung zugesicherten grundlegenden Religions- und Minderheitenrechte durch die in den Jahren 1982 und 1986 eingeführten Rechtsvorschriften, auch bekannt als "Blasphemie-Gesetze", untergraben werden, und in der Erwägung, dass gemäß Artikel 295 C des pakistanischen Strafgesetzbuches für Blasphemie die Todesstrafe oder lebenslängliche Haft vorgesehen ist,

P. in der Erwägung, dass die Blasphemie-Gesetze von extremistischen Gruppen und von denjenigen, die persönliche Rekorde aufstellen wollen, für ihre Zwecke missbraucht werden und zu einer Zunahme der Gewalt gegen Mitglieder religiöser Minderheiten geführt hat, insbesondere gegen Ahmadis aber auch gegen Christen, Hindus, Sikhs, Schiiten, Buddhisten, Parsis, Bahai und kritische Bürger, die es wagten, gegen diese Ungerechtigkeit zu protestieren,

Q. in der Erwägung, dass die überwiegende Mehrheit der nach den Blasphemie-Gesetzen Angeklagten Muslime sind, jedoch Anklagen gegen Angehörige religiöser Minderheiten eine unverhältnismäßige Gewalt gegen ihre gesamte Gemeinschaft hervorrufen können, und in der Erwägung, dass die Vorwürfe wegen Blasphemie zu den gegen Christen gerichteten gewalttätigen Ausschreitungen in Gojra und Korian im Sommer 2009 geführt haben, bei denen acht Menschen getötet und mindestens hundert Häuser zerstört wurden,

R. in der Erwägung, dass im Jahr 2009 in 25 registrierten Fällen 76 Personen der Blasphemie beschuldigt wurden, von denen 17 Personen gemäß Artikel 295C des pakistanischen Strafgesetzbuches angeklagt wurden,

S. in der Erwägung, dass Anwälte und Menschenrechtsaktivisten in Pakistan regelmäßig Todesdrohungen erhalten und schikaniert werden, und Verteidiger in Blasphemie-Fällen diesen Gefahren besonders ausgesetzt sind, und in der Erwägung, dass selbst diejenigen, die freigesprochen wurden, für den Rest ihres Lebens untertauchen müssen,

T. in der Erwägung, dass der pakistanische Premierminister Gilani im August 2009 die Schaffung eines Ausschusses ankündigte, der sich mit der Überprüfung und Verbesserung von "sich nachteilig auf die religiöse Harmonie auswirkenden Gesetzen" beschäftigen soll, womit er auf die Blasphemie-Gesetze von 1982 und 1986 anspielte, und in der Erwägung, dass bis zum heutigen Tage eine solche Überprüfung jedoch nicht stattgefunden hat,

U. in der Erwägung, dass Ahmadiyya-Muslime in Pakistan unter ständiger Diskriminierung und Verfolgung zu leiden haben, die durch die gegen Ahmadiyya-Muslime gerichteten Bestimmungen in Artikel 298 des pakistanischen Strafgesetzbuches gestützt werden, wie das jüngste Beispiel - die Ermordung eines pensionierten Ahmadi-Professor durch maskierte Bewaffnete am 5. Januar 2010 - zeigt,

V. in der Erwägung, dass die Regierung Pakistans im Begriff ist, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe von 1984 zu ratifizieren,