Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarats für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2004 sowie vom 1. Juli bis 31. Dezember 2004

Hans Martin Bury Berlin, den 19. Oktober 2005
Staatsminister für Europa
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Matthias Platzeck

Sehr geehrter Herr Präsident,
als Anlage übersende ich Ihnen die


Der Bericht wird entsprechend dem Beschluss vom 8./9. Juni 1993 in Mainz auch an den Bundesrat übermittelt. Grundlage für die Erstellung der halbjährlichen Berichte der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarats ist der Beschluss des Deutschen Bundestages vom 8. April 1967 (BT-Drs. V-1653).
Mit freundlichen Grüßen
Hans Martin Bury


*) siehe Anlage I
**) siehe Anlage 2

Anlage 1 Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarats für die Zeit vom 01. Januar - 30. Juni 2004

I. Überblick über politische Fragen und Entwicklungen

Im ersten Halbjahr 2004 wurden wichtige Weichen für die Reform des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und für die Abhaltung des 3. Gipfels des Europarats gestellt: Im Mai wurde anlässlich des 114. Ministerkomitees das 14. Zusatzprotokoll zur EMRK verabschiedet. Noch vor der Sommerpause konnte eine Einigung auf Ort und Termin des 3. Gipfels (16.-17.5.2005 in Warschau) erzielt werden. Weiterhin bestimmten die Versuche der Stabilisierung der Lage im Kosovo und die Konsolidierung des Beitritts von Serbien und Montenegro das Geschehen im 1. Halbjahr 2004. Ferner wurde die Zusammenarbeit mit der neuen Regierung in Georgien nach der "Rosenrevolution" erheblich intensiviert; hingegen waren in Armenien und Aserbaidschan nur begrenzte Fortschritte zu verzeichnen.

Die aus Sicherheitsgründen unterbrochene Zusammenarbeit mit Russland in Tschetschenien wurde wieder aufgenommen und erweitert.

II. Generalsekretär

Das Jahr 2004 war angesichts der Neuwahl des Generalsekretärs im Juni 2004 ein Jahr des Übergangs. Generalsekretär Schwimmer konzentrierte sich im ersten Halbjahr auf seine Bewerbung für die Wiederwahl und machte zahlreiche Reisen in die Mitgliedstaaten. Eine Reihe von Personalentscheidungen und internen Reformvorhaben wurden dadurch verzögert. Aus der Gruppe von drei Kandidaten (Schwimmer/AUT, Davis/GBR und Ojuland/EST) wählte die Parlamentarische Versammlung im ersten Wahlgang Terry Davis als neuen Generalsekretär.

III. Ministerkomitee

Von November 2003 bis Mai 2004 lag der Vorsitz des Ministerkomitees bei den Niederlanden (NLD), von Mai bis Oktober bei Norwegen (NOR). Die 114. Ministertagung im Mai fand erstmals unter Vorsitz beider Präsidentschaften statt. Grundlage war ein Beschluss zur Straffung der Arbeiten des Ministerkomitees, nach dem künftig nur noch eine Sitzung des Ministerkomitees pro Jahr abgehalten wird.

Die NLD hatten sich drei Schwerpunkte gesetzt:

Während der NLD Präsidentschaft wurden folgende Tätigkeitsschwerpunkte gesetzt: Südosteuropa: Nach-Beitritts-Monitoring von Serbien und Montenegro, Stabilisierung der Lage im Kosovo nach den März-Unruhen sowie Förderung der demokratischen Institutionen und des Rechtsstaats in Bosnien-Herzegowina. Südkaukasus: 4. Bericht der vom Ministerkomitee eingesetzten Gruppe "Suivi-Ago" zu Armenien und Aserbaidschan und Fortsetzung des Monitoring von Georgien in den Schwerpunktbereichen Wahlvorbereitung, Justizsystem und Korruptionsbekämpfung.

Demokratische Stabilität in UKR, RUS und TUR: Bei der Ukraine konzentrierte sich die Arbeit auf die Bereiche pluralistische Demokratie und Rechtsstaat, bei der Russischen Föderation auf den Bereich Menschenrechte in Tschetschenien, bei der Türkei auf Justizreform, Menschenrechte und das Strafvollzugssystem.

Zentral war jedoch die Vorbereitung eines 3. Gipfels und die Festlegung inhaltlicher Schwerpunkte sowie die Ausarbeitung eines Zusatzprotokolls zur EMRK zur Verbesserung der Effizienz der Arbeit des Gerichtshofs (EGMR).

Die 114. Ministertagung fand unmittelbar nach der EU-Erweiterung und damit bei Doppelmitgliedschaft EU/Europarat von nunmehr 25 Mitgliedstaaten statt. Schwerpunkte der Ministertagung waren die Vorbereitung des dritten Europaratsgipfels, die Verabschiedung des 14. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention mit dem Ziel der Reform des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sowie das weitere Vorgehen zur Erarbeitung eines Beitrags des Europarates zur Terrorismusbekämpfung. Am Ende der Sitzung wurde der Vorsitz offiziell an NOR übergeben.

IV. Parlamentarische Versammlung (PV)

Im Berichtszeitraum fanden Plenarsitzungen der Parlamentarischen Versammlung im Januar, April und im Juni statt. Die seit 2002 neubestellte deutsche Delegation (Vorsitz: MdB Bindig) umfasst 18 Mitglieder des deutschen Bundestages und ebenso viele Stellvertreter.

Januar: Schwerpunkte der ersten Sitzungsperiode im Januar 2004 waren Debatten über die Lage in Georgien und über die Lage in Aserbaidschan und Armenien sowie der Bericht über die Lage in Zypern, daneben waren Dringlichkeitsdebatten über Terrorismus sowie die Verfassungskrise in der Ukraine von Bedeutung.

Höhepunkt war die Rede des georgischen Präsidenten Sakashvili. Dieser bezeichnete die Bekämpfung von Korruption, Armut und Zerrissenheit und Schaffung einer liberalen Demokratie als seine vornehmlichen Aufgaben und benannte die "Wiedervereinigung mit Europa" als Hauptziel. Dabei betonte er auch die langfristige Partnerschaft mit den USA, die er vertiefen und gestalten wolle; demgegenüber wurde die vergangene Rolle Russlands eher kritisch vermerkt

In den Resolutionen zu Aserbaidschan und Armenien kommt zwar Anerkennung der positiven Entwicklung in beiden Ländern seit Beitritt zum EuR zum Ausdruck, aber auch der Hinweis auf noch bestehende Defizite. Vor allem hinsichtlich Aserbaidschans wurde durch Fristsetzungen (für das Funktionieren der demokratischen Institutionen und für die Freilassung der politischen Gefangenen) der Druck der PV erheblich verstärkt.

Die Debatte zur Lage in Zypern war geprägt durch Bemühungen um Sachlichkeit und Mäßigung zwischen Zypern und der Türkei im Vorfeld der Wiederaufnahme der Verhandlungen über Annan-Plan. Der Präsident Zyperns, Papadopoulos, betonte sein Interesse an einem Beitritt zur EU als vereinigtes und nicht als geteiltes Land.

Die Dringlichkeitsdebatte zum Thema Terrorismus führte zu einer Empfehlung des Plenums, in der die Ausarbeitung einer Europarats-Konvention befürwortet wurde, die Lücken der internationalen Kooperation bei der Terrorismusbekämpfung schließen soll. Die Dringlichkeitsdebatte über die Lage in der Ukraine verlief hingegen kontrovers. Ukrainische Vertreter setzten sich gegen eine "Einmischung in innere Angelegenheiten" zur Wehr, konnten jedoch nicht die mehrheitliche Verabschiedung einer Resolution verhindern, die eine kritische Lagebeurteilung und die Forderung nach Beobachtung der Vorbereitung und Durchführung der Wahlen enthält.

April: Schwerpunkte der April-Sitzung waren die Dringlichkeitsdebatten über die Lage im Kosovo, das Referendum in Zypern und die Unruhen in Armenien. Ferner waren die Debatte über die Entführungs- und Mordfälle in Weißrussland sowie die Reform des Verfahrens des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs (EMGR) von Bedeutung. Darüber hinaus wurden auch eine Reihe von EGMR-Richtern gewählt .

Die Debatte zur Lage im Kosovo war geprägt durch die Auffassung, dass im Kosovo ein neuer Anfang gemacht werden müsse, um die Bedingungen für ein multiethnisches Zusammenleben zu schaffen. Dabei wurden vor allem auch die Reform der kommunalen Selbstverwaltung und die unterstützende Rolle des EuR hervorgehoben.

In einer strittigen Debatte zu Zypern bedauerte die Mehrheit den Ausgang des zypriotischen Referendums, das auf dem Misstrauen der griechischzypriotischen Bevölkerungsgruppe gegenüber der Türkei begründet sei.

In einer Debatte über den sog. "Pourgourides-Bericht" zu den Entführungs- und Mordfällen und über die Verfolgung der Presse in Weißrussland wurde scharfe Kritik an der weißrussischen Führung geübt und beschlossen, jeglichen Kontakt mit offiziellen Vertretern der weißrussischen Regierung zu verweigern, solange keine substanziellen Fortschritte bei der geforderten Aufklärung durch einen Untersuchungsausschuss zu verzeichnen sei.

Die Parlamentarische Versammlung unterstützte nach teilweise kontroverser Debatte grundsätzlich die Reform des Gerichtshofs. Dabei wurden aber auch Vorbehalte gegen die Neufassung von Art. 35 (Einschränkung der Petitionsfreiheit) sowie gegen die Möglichkeit, zusätzliche Richter zu berufen (Art. 20 EMRK) in die Resolution aufgenommen. Im Rahmen der Neuwahl der Richter des EGMR wurde Frau Bundesverfassungsrichterin Renate Jäger mit 97 Stimmen von 170 zur neuen Richterin gewählt.

Juni: Schwerpunkte der Juni-Sitzung waren die Neuwahl des Generalsekretärs sowie die Debatte über die Erfüllung der Verpflichtungen durch die Türkei sowie die Dringlichkeitsdebatte über den Irak und die Debatte über zwei Gesetze der Regierung Berlusconi.

Als neuer Generalsekretär (Amtsantritt: September 2004) wurde der britische Abgeordnete Terry Davis mit der absoluten Mehrheit der Stimmen gewählt. Er war bereits seit 2002 Vorsitzender der Sozialistischen Gruppe. Der bisherige GS Schwimmer verpasste deutlich seine Wiederwahl, die allerdings in der PV auch nicht üblich ist und bislang von keinem Generalsekretär erreicht wurde.

In der Türkei-Debatte stellte die PV mit überwältigender Mehrheit fest, dass die Türkei in den letzten Jahren ihren Willen und ihre Fähigkeit unter Beweis gestellt habe, die eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen. Sie beschloss daher, das seit 1996 andauernde bisherige Überwachungsverfahren zugunsten eines zukünftigen Dialogs über die Politik in insgesamt 12 Punkten (u.a. weitere Verfassungs- und Strafrechtsreformen) zu beenden. Ebenso mit überwältigender Mehrheit würdigte die PV die Fortschritte bei der Umsetzung von EGMR-Urteilen (insbes. Fall Loizidou sowie Fall kurdischer Abgeordneter Leila Sana u.a.), forderte allerdings die Türkei zur zukünftigen Umsetzung weiterer Urteile in Bezug auf nicht rechtstaatsgemäße Gesetze und menschenrechtswidrige Behandlung Gefangener auf.

Thema der einzigen Dringlichkeitsdebatte bei der Sommersitzung der PV war "Beitrag des EuR zur Lösung des Irak-Konflikts". Auf Antrag des Schweizer Abgeordneten Gross wurde ein zusätzlicher Paragraph 10 aufgenommen, in dem festgestellt wird, dass es zwischen dem Al-Qaida-Netzwerk und Saddam Hussein keine Zusammenarbeit gegeben habe.

Die italienische Regierung wurde anhand von zwei Berichten kritisiert:

V. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)

Der EGMR fällte im Berichtszeitraum einige Urteile gegen Deutschland, die von der deutschen Öffentlichkeit besonders beachtet wurden.

In den Individualbeschwerdeverfahren Jahn u.a. gegen Deutschland entschied eine Kammer des EGMR mit Urteil vom 22. Januar 2004, dass durch die entschädigungslose Entziehung von Grundstücken der Beschwerdeführer, bei denen es sich um eine bestimmte Gruppe von sog. "Neubauern" handelt, nach Art. 233 §§ 11 bis 16 EGBGB gegen die Eigentumsgarantie des 1.Protokolls zur EMRK verstoßen worden sei. Diese Entscheidung ist aufgrund eines Antrages der Bundesregierung auf Verweisung der Rechtssache an die Große Kammer nicht endgültig geworden; mit einer abschließenden Entscheidung des Gerichtshofs in dieser Sache wird im Jahr 2005 gerechnet.

In dem Individualbeschwerdeverfahren von Hannover ./. Deutschland stellte eine Kammer des EGMR mit Urteil vom 24. Juni 2004 einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) fest. Zur Begründung führte der Gerichtshof aus, dass im Hinblick auf die Veröffentlichung von Fotos in verschiedenen Zeitschriften, die die Beschwerdeführerin in der Öffentlichkeit auch bei rein privaten Verrichtungen zeigten, Art. 8 EMRK anwendbar sei und zwischen dem Schutz des Privatlebens der Beschwerdeführerin und der in Art. 10 EMRK garantierten Meinungsfreiheit abgewogen werden müsse. Der entscheidende Faktor in der Abwägung sei in dem Beitrag zu sehen, den die veröffentlichten Fotos und Artikel zu einer Diskussion von allgemeinem Interesse leisten können. Angesichts der fundamentalen Bedeutung des Schutzes des Privatlebens insbesondere für die Persönlichkeitsentwicklung müsse jede Person, einschließlich in der Öffentlichkeit bekannter Personen, eine berechtigte Erwartung haben dürfen, dass ihr Privatleben geschützt werde. Die Kriterien, die die deutschen Gerichte für die Unterscheidung von absoluten und relativen Personen der Zeitgeschichte geschaffen hätten, seien nicht ausreichend, um einen effektiven Schutz des Privatlebens der Beschwerdeführerin sicherzustellen. Die deutschen Gerichte hätten insofern keinen gerechten Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen vorgenommen, so dass das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt worden sei.

Von grundsätzlicher politischer oder rechtlicher Bedeutung waren im Berichtszeitraum insbesondere folgende Urteile des EGMR:

Am 2. Juni 2004 fällte der EGMR erstmals eine Entscheidung über die gutachterliche Kompetenz des EGMR. Der EGMR stellte fest, dass der vom Ministerkomitee des Europarates gestellte Antrag auf die Erstellung eines Gutachtens betreffend die Koexistenz zwischen der Europäischen Menschenrechtskonvention der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) nicht unter seine gutachterliche Kompetenz fällt.

Am 23. Juni 2004 stellte der EGMR im Fall Broniowski gegen Polen eine Verletzung des Schutzes des Eigentums (Artikel I des l. Protokolls zur EMRK) fest. Es handelt sich um den Präzedenzfall betreffend die sogenannten ''Gebiete jenseits des Bug''; 167 ähnlich gelagerte Fälle sind vor dem EGMR anhängig. Der EGMR bejahte die Existenz eines strukturellen Problems und forderte die polnischen Behörden auf, die nötigen Maßnahmen zu treffen, um das Recht auf Eigentum aller Beschwerdeführer in Zusammenhang mit den Gebieten jenseits des Bug sicherzustellen.

VI. Kongress der Gemeinden und Regionen (KGRE)

Die 11. Plenarsitzung des Kongresses für Gemeinden und Regionen fand am 25.-27. Mai 2004 statt. Dabei wurde Giovanni di Stasi (ITA) als Nachfolger von Herwig von Staa (AUT) als Präsident gewählt. Im Mittelpunkt der Sitzung standen Debatten über Russland, Georgien und Südosteuropa mit dem Schwerpunkt auf Dezentralisierung, lokaler Demokratie und good governance. Als Zeichen der Normalisierung und symbolischen Akt zur Stärkung der lokalen Demokratie und der Bürgergesellschaft begrüßte der Kongress u.a. die Anfang des Jahres geschaffenen Statuten für die Wiedervereinigung der Stadt Mostar. Ein weiteres beherrschendes Thema war die

Fortsetzung der Diskussion über die Opportunität einer Konvention zur regionalen Selbstverwaltung. Der KGRE bedauerte in einer entsprechenden Resolution bzw. Empfehlung den Widerstand einiger Mitgliedstaaten gegen ein solches Instrument.

Eine Wahlbeobachtungsmission des Kongresses zu Lokal- und Regionalwahlen in Rumänien Anfang Juni stellte grundsätzliche Konformität mit den Europarats-Standards für Transparenz und Demokratie fest, sah aber noch Verbesserungspotenzial bei der Organisation des Wahlkampfs und der Vertretung von Minderheiten.

VII. Aus den einzelnen Aufgabengebieten des Europarates

1. Menschenrechtsfragen

2. Bekämpfung von Korruption

Es fanden insgesamt drei Plenarsitzungen der Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) statt. In den Sitzungen wurden ein Evaluationsbericht der ersten Runde (USA) und sieben Evaluationsberichte der zweiten Runde (Estland, Finnland, Island, Lettland, Luxemburg, Polen und Slowakei) angenommen.

Armenien, Aserbaidschan und die Türkei traten GRECO als neue Mitglieder bei.

3. Rechtliche Zusammenarbeit, Strafrechtsfragen

4. Terrorismusbekämpfung

Die im Jahr 2003 eingerichtete Expertengruppe zu Fragen der Terrorismusbekämpfung des Europarates (CODEXTER) erhielt im Juni 2004 vom Ministerkomitee des Europarates den Auftrag, eine inhaltlich begrenzte Übereinkunft zur Terrorismusbekämpfung zu erarbeiten, die die Lücken füllt, die im internationalen Recht und bei den internationalen Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung noch bestehen.

Im gleichen Zeitraum erstellte die Unter-Arbeitsgruppe CODEXTER-PROFILER ein Muster für Länderprofile über die legislativen und institutionellen Maßnahmen der Mitgliedstaaten des Europarates und der Staaten mit Beobachterstatus im Bereich der Terrorismusbekämpfung. Deutschland verfasste hierzu im Rahmen eines Pilotprojektes neben Rumänien einen Länderbericht.

5. Sozialpolitik

6. Raumordnerische Zusammenarbeit, Kommunal- und Regionalpolitik

7. Sport

Im Mai 2004 fand im Rahmen des "Europäischen Jahrs der Erziehung durch Sport" (EJES) die Veranstaltung "Europäischer Scheideweg Sport: Eingangstor zur Demokratie" statt. Dieses Projekt wurde durch die EU-Kommission im Rahmen der EJES-Projektförderung unterstützt.

Im Vordergrund der dopingpolitischen Aktivitäten standen die Beratungen über den Entwurf einer internationalen Konvention gegen Doping der UNESCO. Die Sitzung der Beobachtenden Begleitgruppe zur Anti-Doping-Konvention des Europarats befasste sich in ihrer 19. Sitzung vom 17. bis 18. Juni sowie deren juristische Arbeitsgruppe am 17. Mai mit der Sicherstellung, dass der Entwurf der UNESCO, der u.a. auf dem Übereinkommen des Europarats basiert, einen möglichst hohen Standard aufweist. Zu diesem Zwecke wurden gemeinsame Textempfehlungen erarbeitet, die anlässlich der UNESCO-Sitzungen durch die Staaten des Europarats eingebracht wurden. Der Entwurf über die weltweite Konvention gegen Doping der UNESCO, an dem Deutschland wesentlich mitgewirkt hat, liegt mittlerweile der Generalkonferenz der UNESCO zur Annahme im Herbst 2005 vor. Es ist geplant, dass die Konvention nach deren Verabschiedung der UNESCO Anfang 2006 zur Zeichnung vorliegt. Deutschland beabsichtigt, die Konvention bis zum Jahre 2007 zu ratifizieren.< /p>

Der Ständige Ausschuss zum Europäischen Übereinkommen über Gewalttätigkeit und Fehlverhalten von Zuschauern bei Sportveranstaltungen und insbesondere bei Fußballspielen beschäftigte sich in seiner 24. Sitzung vom 10. bis 11. Juni in Portugal schwerpunktmäßig mit den Evaluationsbesuchen und den Selbstevaluationsberichten der Mitgliedsstaaten über den Stand der Umsetzung des Übereinkommens. Ein Evaluationsbesuch in Deutschland ist im Verlauf der Fußball-WM 2006 vorgesehen. Ferner standen Erfahrungsberichte zur Vorbereitung der EURO 2004 in Portugal und der Fußball-WM 2006 in Deutschland im Mittelpunkt der Begegnung. Die Sitzungen der Arbeitsgruppe zur EURO 2004 vom 21. bis 22. Januar und am 22. April dienten der zwischenstaatlichen Abstimmung von Sicherheitsmaßnahmen. Nachdem das Übereinkommen am 17. März in Straßburg von Deutschland unterzeichnet wurde, ist Deutschland seit 1. Mai 2005 voll stimmberechtigtes Mitglied des Ständigen Ausschusses.

8. Bildung und Kultur

9. Medien

Der Lenkungsausschuss für Massenmedienpolitik (CDMM) hat im ersten Halbjahr 2004 seine Beratungen zum Entwurf einer Empfehlung zum Gegendarstellungsrecht in den Neuen Medien fortgeführt. Weitere Schwerpunkte der Arbeit bildeten die Beratungen eines Erklärungsentwurfs des Ministerkomitees zur Meinungs- und Informationsfreiheit im Zusammenhang mit dem Kampf gegen Terrorismus sowie die inhaltliche und organisatorische Vorbereitung der 7. Konferenz der Medienminister des Europarates. Auf Wunsch des Gastgebers Ukraine wurde diese Konferenz wegen bevorstehender Wahlen von November 2004 auf März 2005 verschoben.

Am 12. Februar 2004 nahm das Ministerkomitee die vom CDMM vorbereitete Erklärung zur Freiheit der politischen Debatte in den Medien an.

Der Ständige Ausschuss des Europäischen Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen vertiefte entsprechend dem im letzten Jahr beschlossenen Arbeitsprogramm für eine Revision des Übereinkommens seine Diskussion über den Änderungsbedarf des Übereinkommens. Hierbei stand die Frage der Anpassung der bestehenden Regelungen zur Werbung für neue Werbetechniken und ein aufgrund der technischen Möglichkeiten verändertes Nutzerverhalten im Mittelpunkt. Das Problem des zukünftigen Geltungsbereichs des Übereinkommens und eine mögliche Ausweitung auf Online-Dienste wurden ebenso kontrovers diskutiert wie Themenvorschläge für weitere Regelungsbereiche.

Anlage 1 zum Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarates für die Zeit vom 01.01. - 30.06.2004

Statistische Angaben

Das Ministerkomitee trat im Berichtszeitraum einmal (vom 12.-13.05.2004 in Straßburg) zusammen.

Das Komitee der Ministerbeauftragten trat im Berichtszeitraum zu 46 ordentlichen Sitzungen zusammen. Dabei wurden im Jahre 2004 insgesamt 17.961 Tagesordnungspunkte behandelt. (Das Zahlenmaterial bezüglich der Tagesordnungspunkt ist nur jährlich verfügbar.)

Anlage 2 zum Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarates für die Zeit vom 01.01. - 30.06.2004

Statistische Angaben

Empfehlungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, zu denen das Komitee der Ministerbeauftragten im Berichtszeitraum Antworten gegeben hat:

Nr. derDatum derDatum derTitel
Empf.Empfehlg.Antwort
159530.01.200316.06.2004Verhaltenskodex in Wahlangelegenheiten
159801.04.200316.06.2004Schutz von Zeichensprachen in den EuR-Mitgliedsstaaten
159901.04.200321.04.2004Kulturelle Lage im Südkaukasus
160202.04.200321.01.2004Immunität von Mitgliedern der Parlamentarischen Versammlung
160427.05.200304.02.2004Rolle des Staatsanwaltes in einer demokratischen Gesellschaft, die vom Gesetz beherrscht wird
160527.05.200321.01.2004Wirtschaftliche Entwicklung Moldawiens: Herausforderungen und Aussichten
160623.06.200321.01.2004Gebiete, in denen die Europ. Menschenrechtskonvention nicht umgesetzwerden kann
160724.06.200321.01.2004Tätigkrit der Internat. Organisation für Auswanderung (IOM) 1998 - 2002
160924.06.200303.06.2004Positive Erfahrungen autonomer Regionen als Inspiration zur Konfliktlösung in Europa
161025.06.200321.01.2004Auswanderung in Verbindung mit Frauenhandel und Prostitution
161125.06.200316.06.2004Organhandel in Europa
161326.06.200321.01.2004Der EuR und die Konvention über die Zukunft Europas
161427.06.200321.01.2004Umwelt und Menschenrechte
161508.09.200316.06.2004Einrichtung des Ombudsmannes
161608.09.200319.05.2004Das Nord-Süd-Zentrum des EuR und sein Beitrag zur Entwicklungszusammenarbeit im 21. Jahrhundert
161808.09.200314.04.2004Auswandere in nicht geregelten Beschäftigungsverhältnissen im landwirtschaftlichen Sektor südeuropäischer Länder
161908.09.200314.04.2004Rechte von älteren Einwanderern
162229.09.200319.05.2004Einhaltung von Obligationen und Verpflichtungen durch die Ukraine
162429.09.200316.06.2004Gemeinsame Einwanderungs- und Asylpolitik
162530.09.200314.04.2004Einwandererintegration in EuR-Mitgliedsstaaten
162601.10.200303.06.2004Reform der Gesundheitsfürsorgesysteme in Europa: Versöhnung Gerechtigkeit, Qualität und Wirksamkeit
162701.10.200321.04.2004Abschaffung der Todesstrafe in den EuR-Beobachterstaaten
163125.11.200330.06.2004Interne Wanderbewegungen in Europa
164429.01.200418.02.2004Terrorismus: Eine Bedrohung der Demokratien
164830.01.200416.06.2004Folgen der EU-Erweiterung für die Bewegungsfreiheit unter den EuR-Mitgliedsstaaten
165627.04.200409.06.2004Lage der europäischen Haft- und Untersuchungshaftanstalten

Anlage 3 zum Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarates für die Zeit vom 01.01. - 30.06.2004

Statistische Angaben

Deutschland ratifizierte im Berichtszeitraum kein Übereinkommen.

Deutschland zeichnete im Berichtszeitraum ein Übereinkommen:

17.03.2004ETS 120Europäisches Übereinkommen über Gewalttätigkeit und Fehlverhalten von Zuschauern bei Sportveranstaltungen und insbesondere bei Fußballspielen

Anlage 4 zum Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarates für die Zeit vom 01.01. - 30.06.2004

Statistische Angaben

Im Jahr 2004 hat das Komitee der Ministerbeauftragten zu 24 Empfehlungen des Kongresses der Gemeinden und Regionen Antworten gegeben. (anliegende Statistik ist nur jährlich verfügbar.)

Anlage 2 Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarats für die Zeit vom 01. Juli - 31. Dezember 2004

I. Überblick über politische Fragen und Entwicklungen

Das zweite Halbjahr 2004 unter Vorsitz Norwegens (Juli bis Anfang November) und Polens (Anfang November bis Ende Dezember) war vornehmlich geprägt durch die Vorbereitung des Gipfeltreffens des Europarats im Frühjahr 2005. Anfang Juli wurde endgültige Entscheidung über Zeitpunkt (16./17.05.) und wesentliche Themen (Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Verhältnis zu EU-OSZE-UN) gefällt. Auf dieser Grundlage wurden intensive Konsultationen über einen künftigen "Aktionsplan" auf der Grundlage eines französischen Entwurfs, der wiederum auf einem deutschen Denkpapier beruhte, geführt. Bis zum Jahresende erfolgte eine Entwicklung dieses Textes in seinen Grundzügen. Ferner legte Polen auf der Grundlage eines französischen Entwurfs ein Papier zur "Politischen Erklärung" vor.

Die Arbeiten an der Umsetzung des 14. Protokolls zur Reform der Verfahren des Gerichtshofs wurden fortgesetzt. Insbesondere eine Konferenz unter norwegischer Präsidentschaft im Oktober 2004 behandelte die Hauptprobleme und legte den Ausgangspunkt für die Arbeiten insbesondere des Gerichtshofs fest.

Ferner wurde das Monitoring der Beitrittsverpflichtungen von Bosnien und Herzegowina sowie von Serbien und Montenegro ebenso wie von Armenien und Azerbaidschan fortgesetzt und im wesentlichen kritisch bewertet; die Reformmaßnahmen der neuen Regierung in Georgien wurde durch den Europarat aktiv begleitet und unterstützt.

Die politische und Sicherheitslage in Tschetschenien verblieb unverändert ernst, wie auch der Bericht des Menschenrechtskommissars feststellte; die Zusammenarbeit mit den russischen und tschetschenischen Behörden war daher nur eingeschränkt möglich.

Die Wahl des ukrainischen Präsidenten Juschtschenko führte zu einer Wiederaufnahme der Zusammenarbeit mit der Ukraine, die seither einen der Schwerpunkte der Europaratsarbeit darstellt.

II. Generalsekretär

Der britische Abgeordnete Terry Davis trat zum 1. 9.2004 die Nachfolge Walter Schwimmers an. Dies führte zu einer Übergangssituation, in der der Generalsekretär im wesentlichen die verschiedenen Abteilungen und die Arbeitsweise des Sekretariats kennen lernte und erste Besuche in Mitgliedstaaten absolvierte. Der Besuch Ende Oktober in Berlin, der zu Gesprächen mit Außenminister Fischer und Justizministerin Zypries sowie einem Besuch beim Bundespräsidenten diente, schuf eine erfolgreiche Grundlage für die enge Zusammenarbeit mit der Bundesregierung. Die letzten beiden Monate des Jahres waren durch ein starkes Engagement des Generalsekretärs zur Verabschiedung des Haushalts für 2005 geprägt.

III. Ministerkomitee

Im Berichtszeitraum hatte überwiegend Norwegen (Mai bis November) den Vorsitz inne. Dieser ging im November 2004 auf Polen über.

Norwegen setzte Schwerpunkte insbesondere in den Bereichen Stärkung der gesamteuropäischen Zusammenarbeit, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit, Verbesserung der Koordinierung zwischen EU-OSZE und Europarat sowie Stärkung der Rolle des Europarates in der Konfliktprävention. Zentrale Themen waren weiterhin die Reform des EGMR sowie die Konkretisierung und Strukturierung des 3. Gipfels. Unter norwegischem Vorsitz wurde beschlossen, den 3. Gipfel am 16./17.5.2005 in Warschau zu veranstalten.

Im Rahmen eines hochrangigen Seminars in Oslo wurden im Oktober erste praktische Vorschläge zur Umsetzung der Empfehlungen der 114. Sitzung des Ministerkomitees zur Reform des EGMR erarbeitet. Der norwegische Außenminister Petersen und der Vorsitzende des OSZE-Rates, am Passy (Bulgarien) vereinbarten im Oktober auf der Basis eines norwegischen Vorschlags einen Fahrplan zur Erarbeitung von Synergieeffekten und besserer Kooperation zwischen der OSZE und dem Europarat mit dem Ziel der Verabschiedung auf dem 3. Gipfel. Zur konsequenten Umsetzung der Implementierung von Standards der lokalen und regionalen Demokratie wurde ebenfalls eine Konferenz durchgeführt.

Regional standen weiter der Balkan und der Kaukasus im Mittelpunkt der Aktivitäten: Außenminister Petersen besuchte im September Sarajewo, Belgrad und Pristina und im Oktober Georgien, Armenien und Azerbaidschan. Weitere Schwerpunkte waren die Wahlen in der Ukraine und die Situation in Transnistrien/Republik Moldau.

Während der norwegischen Präsidentschaft trat Monaco (am 5.10.2004) als 46. Mitglied dem Europarat bei. Das Ministerkomitee äußerte mehrmals Sorge über die verbleibende Lücke auf der europäischen Landkarte demokratischer Staaten und übte anlässlich der Wahlen Mitte Oktober erneut Kritik an der Situation in Weißrussland.

Polen konzentrierte sich bei Übernahme des Vorsitzes auf die Vorbereitung des Gipfels im Mai 2005. Die Zuspitzung der Lage in der Ukraine im November/Dezember 2004 konnte der Vorsitz, vor allem auch in der Person Präsident Kwasniewskis, durch geschickte Vermittlung auch zur Demonstration des Potentials des Europarates als Schlichtungsinstanz in Krisensituationen nutzen.

Ein weiterer Höhepunkt des Jahres 2004 war die Jubiläumsfeier zum 50. Jahrestag der Kulturkonvention im November in Breslau, bei der eine Erklärung zur künftigen Rolle der Kultur- und Bildungsarbeit des Europarates, inklusive der Bereiche Jugend, Sport und nachhaltige Entwicklung, verabschiedet wurde.

IV. Parlamentarische Versammlung

Im zweiten HJ 2004 gab es wie gewohnt nur eine Sitzungsperiode im Oktober. Schwerpunkte waren die Dringlichkeitsdebatten über die Bekämpfung des Terrorismus sowie die Lage in Tschetschenien. Daneben waren auch die Rede des türkischen Premierministers sowie die aktuelle Debatte über das Verhältnis zwischen Georgien und Russland von Interesse.

Die Dringlichkeitsdebatte über Terrorismus fand großes Interesse. Mit breiter Mehrheit wurden eine Resolution und Empfehlung angenommen, in der zwar einerseits die Verbesserung der Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus angemahnt wird, gleichzeitig aber auch die Notwendigkeit der Beachtung der Menschenrechte und die Bedeutung der Beseitigung der Ursachen gefordert werden.

Höhepunkt des Plenums war die in Anwesenheit des TST Präsidenten Alchanow zum Teil kontrovers geführte Dringlichkeitsdebatte zu Tschetschenien. Grundlage waren Berichte zur politischen Lage und demokratischen Stabilität (Berichterstatter: Gross/Schweiz/Soz.), zur MR-Lage (Bindig/DEU/Soz.) und zur humanitären Lage von Flüchtlingen (Iwinski/POL/Soz.). Alle drei Berichte und die darin enthaltenen Resolutions- und Empfehlungsentwürfe wurden nach Diskussion zahlreicher Änderungsanträge mit deutlichen Mehrheiten angenommen. Besondere Aufmerksamkeit zog der Bericht zur Menschenrechtslage auf sich, der in klarer Sprache und anhand vieler Beispiele fortbestehende Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien anprangert und konkrete Maßnahmen einfordert. Mit dem Bericht zur politischen Lage wurde ein Dialogprozess zur Befriedung in Tschetschenien im Rahmen eines "Straßburger Runden Tisches" unter der Schirmherrschaft des EuR initiiert.

In der auf Initiative Georgiens hin geführten aktuellen Debatte über das Verhältnis Georgien/Russland kritisierte Georgien das Verhalten Russlands in Süd-Ossietien und Abchasien und äußerte die Sorge, Russland wolle diese Gebiete in die russische Einflusszone einbeziehen. Georgien deutete die Möglichkeit einer Föderalisierung Georgiens als Lösungsweg an. Die russischen Delegierten reagierten im wesentlichen ausweichend und konnten in der Abstimmung durchsetzen, dass das Problem im bilateralen Dialog beider Staaten und nicht im Europarat behandelt werden solle. Im Plenum klangen allerdings Zweifel an konkreter russischer Verständigungsbereitschaft durch.

Der türkische MP Erdogan bekannte sich zum Reformprozess in der Türkei als grundlegendes Regierungsprogramm, das sich an den Leitvorstellungen des Europarats orientiere. Seine Ausführungen wurden von der Parlamentarischen Versammlung wohlwollend aufgenommen und fügten sich damit ein in den seit Anfang 2004 zu beobachtenden Trend erhöhten Vertrauens der Parlamentarischen Versammlung in türkische Reformfähigkeit und -bereitschaft, das bereits in der Beendigung des Monitoring-Verfahrens deutlich geworden war.

V. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)

Im Jahr 2004 erreichten den EGMR 44.128 neue Beschwerden, gegenüber dem Vorjahr stellt dies einen erneuten Anstieg um fast 14 % dar. Geht man davon aus, dass dieser ansteigende Trend anhält, wird sich die Zahl der Beschwerden im Jahr 2005 gegenüber 1995 verfünffacht haben. Die meisten der neuen Beschwerden im Jahr 2004 richteten sich gegen Russland (7855 Beschwerden), Polen (5796), Rumänien (3988), Türkei (3930) und Frankreich (3025). Gegen Deutschland waren 2562 Beschwerden gerichtet.

Der EGMR fällte im Jahr 2004 insgesamt 718 Urteile. Gegen Deutschland ergingen sechs Urteile, in denen die Verletzung mindestens einer Bestimmung der EMRK festgestellt wurde. Verfahrensgegenstand waren in drei Fällen das Recht auf Achtung des Familien- oder Privatlebens (Artikel 8 EMRK), in einem Fall der Schutz des Eigentums (Artikel 1 des 1. Protokolls zur EMRK), in einem Fall das Recht auf Freiheit und Sicherheit (Artikel 5 EMRK in Verbindung mit Artikel 6 EMRK) sowie in insgesamt zwei Fällen die Länge des Verfahrens vor deutschen Gerichten (Artikel 6 EMRK). Die Liste der am häufigsten verurteilten Staaten führte im Jahr 2004 die Türkei mit 156 Urteilen deutlich an vor Polen (74), Frankreich (70) und Italien (37). Insgesamt ergingen 50 % aller Urteile gegen diese vier Staaten. Im Jahr 2004 fällte der EGMR zudem erstmals jeweils ein Urteil gegen Albanien und Georgien.

Trotz gestiegener Produktivität gehen jährlich mehr Beschwerden ein, als bearbeitet werden können. Im Jahr 2004 wurden 35.512 Beschwerden einem Gremium (Kammer/Ausschuss) für eine gerichtliche Entscheidung zugewiesen (gegenüber 27.200 Beschwerden im Jahr 2003, d.h. Anstieg von 19 %). 830 Beschwerden wurden im Jahr 2004 für zulässig erklärt. Insgesamt konnten im Jahr 2004 über 21.000 Verfahren abschließend erledigt werden (gegenüber ca. 18.000 Verfahren im Jahr 2003, d.h. Anstieg von 17 %). Bemerkenswert ist, dass in ca. 20.350 Verfahren die Beschwerden für unzulässig erklärt oder vom Register gestrichen wurden (d.h. über 95 % der Verfahren). Ende des Jahres 2004 befanden sich 50.000 Beschwerden im gerichtlichen Verfahren, während 28.000 Beschwerden noch nicht bearbeitet werden konnten. Die Zahl der insgesamt anhängigen Beschwerden erreichte damit im Jahr 2004 mit ca. 78.000 anhängigen Beschwerden einen neuen Höchststand (Anstieg von 19 % gegenüber 2003, darunter sind ca. 4.000 Beschwerden aus Deutschland).

Dieser "Rückstau" verdeutlicht eindrucksvoll die Dringlichkeit der Reform und die Notwendigkeit der schnellen Umsetzung der während der 114. Ministertagung im Mai 2004 beschlossenen Maßnahmen zur "Gewährleistung der langfristigen Effektivität des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte". Neben Maßnahmen auf nationaler Ebene zur Verhinderung des Entstehens neuer Beschwerden gehört hierzu die Ratifikation von Protokoll Nr. 14 zur EMRK, mit dem das Verfahren vor dem EGMR reformiert wird und das am 13. Mai 2004 zur Zeichnung aufgelegt wurde (Zeichnung durch Deutschland am 10. November 2004). Allerdings ist bereits jetzt abzusehen, dass darüber hinaus noch weitere Reformmaßnahmen notwendig sein werden.

Von grundsätzlicher politischer oder rechtlicher Bedeutung waren im Berichtszeitraum insbesondere folgende Urteile des EGMR:

im Fall gegen Frankreich stellte der EGMR am 8. Juli 2004 keine Verletzung des Rechts auf Leben (Artikel 2 EMRK) fest. Die Beschwerdeführerin hatte sich über die Weigerung der französischen Beschwerden beschwert, die unbeabsichtigte Tötung ihres ungeborenen Kindes als fahrlässige Tötung einzustufen.

Der Fall Leyla Sahin gegen die Türkei wurde am 22. November 2004 auf Antrag der Beschwerdeführerin an die Große Kammer verwiesen. Der Beschwerdeführerin war verboten worden, an der Universität ein Kopftuch zu tragen. in seinem Urteil vom 29. Juni 2004 hatte der EGMR festgestellt, dass dieses Verbot keine Verletzung von Artikel 9 (Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) darstellt.

In mehreren Verfahren urteilte der EGMR über die Frage der Jurisdiktion (Artikel 1 EMRK): im Fall Ilascu und andere gegen Moldau und Russland prüfte der EGMR diese Frage in Bezug auf die separatistische "Moldawische Republik Transnistrien". Die Große Kammer stellte am 8. Juli 2004 fest, dass die Beschwerdeführer sowohl der Jurisdiktion Moldaus als auch Russlands unterliegen. im Fall Moldaus kam der EGMR zu dem Schluss, dass dieser Staat, auch wenn er an der Ausübung seiner Staatsmacht gehindert ist, gleichwohl die Verpflichtung hat, durch geeignete Maßnahmen im gesamten Staatsgebiet für die Einhaltung der Menschenrechte zu sorgen. im Fall Russlands bejahte der EGMR die Jurisdiktion, da sich die Verantwortung eines Staates, der vollständige Kontrolle über ein Gebiet außerhalb seines Staatsgebietes ausübt, auch auf die Akte der örtlichen Behörden, die er unterstützt, erstreckt. Der EGMR verurteilte beide Staaten, die notwendigen Maßnahmen zur sofortigen Freilassung von zwei noch in Tiraspol willkürlich inhaftierten Beschwerdeführer zu ergreifen.

VI. Kongress der Gemeinden und Regionen

Im 2. Halbjahr 2004 fand wie üblich keine Plenarsitzung des Kongresses statt. Am 4.-5.11. fand hingegen in Straßburg die sog. "institutionelle Sitzung" statt, bei der lokale Selbstverwaltung in Russland und Georgien sowie ein erster Meinungsaustausch mit dem neuen Generalsekretär Davis im Mittelpunkt standen. Weitere Themen waren: die Einrichtung regionaler Ombudsleute, die Möglichkeiten der Terrorismusbekämpfung durch lokale Behörden und die Beteiligung von Zuwanderern am lokalen öffentlichen Leben.

VII. Aus den einzelnen Aufgabengebieten des Europarates

Anlage 1 zum Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarates für die Zeit vom 01.07. - 31.12.2004

Statistische Angaben

Das Ministerkomitee trat im Berichtszeitraum nicht zusammen.

Das Komitee der Ministerbeauftragten trat im Berichtszeitraum zu 46 ordentlichen Sitzungen zusammen. Dabei wurden im Jahre 2004 insgesamt 17.961 Tagesordnungspunkte behandelt.(Das Zahlenmaterial hierzu ist nur jährlich verfügbar.)

Anlage 2 zum Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarates für die Zeit vom 01.07. - 31.12.2004

Empfehlungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, zu denen das Komitee der Ministerbeauftragten im Berichtszeitraum Antworten gegeben hat:

Nr. derDatum derDatum derTitel
Empf.Empfehlg.Antwort
160824.06.200307.12.2004Türkische Kolonisierung des besetzten Teils von Zypern
162008.09.200308.07.2004Beitrag des EuR zu den Gebieten höherer Bildung
162108.09.200308.07.2004Förderung der Kunstgeschichte in -Europa
162329.09.200315.12.2004Rechte nationaler Minderheiten
162925.11.200308.07.2004Zukunft der Demokratie: Stärkung demokratischer Institutionen
163025.11.200308.07.2004Erosion der Mittelmeerküstenlinie: Auswirkungen auf den Tourismus
163325.11.200308.07.2004Zwagsweise Rückführung von Roma aus dem früheren Jugoslawien einschließlich Kosovo nach Serbien Montenegro aus den EuR-Mitgliedsstaaten
163425.11.200317.11.2004Steuerliche Anreize für die Kultuererbeerhaltung
163525.11.200317.11.2004Lesbierinnen und Homosexuelle im Sport
163625.11.200330.09.2004Entwicklung der organischen Landwirtschaft
163725.11.200330.09.2004Paneurop. Umweltzusammenarbeit: Die Rolle des EuR nach der Ministerkonf. in Kiew und dem Gipfel in Johannesburg
164127.01.200430.09.2004Öffentlicher Rundfunk
164328.01.200430.09.2004Funktionieren der demokrat. Institutionen in Georgien
164529.01.200417.11.2004Zugang zu Beistand und Schutz für Asylbewerber in europ. Seehäfen und Küstenregionen
164730.01.200415.09.2004Wirtschaftl. Aspekte der EU-Erweiterung: Zukünftige schwierige Jahre
165402.03.200422.09.2004Nationalitätenrechte und Chancengleichheit
165728.04.200430.09.2004Verschwundene Personen in Weissrussland
165828.04.200430.09.2004Verfolgung der Presse in Weissrussland
165928.04.200422.09.2004Verstärkung der Vereinten Nationen
166029.04.200415.09.2004Lage im Kosovo
166222.06.200409.09.2004Einhaltung von Obligationen und Verpflichtungen durch die Türkei
166423.06.200407.12.2004Einhaltung von Obligationen und Verpflichtungen durch Bosnien und Herzegowina

Anlage 3 zum Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarates für die Zeit vom 01.07. - 31.12.2004

Statistische Angaben

Deutschland ratifizierte im Berichtszeitraum zwei Übereinkommen:

24.09.2004ETS 170Änderungsprotokoll zum Europäischen Übereinkommen zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Wirbeltiere
11.10.2004ETS 187Protokoll Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe

Deutschland zeichnete im Berichtszeitraum ein Übereinkommen:

10.11.2004ETS 194Protokoll Nr. 14 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Änderung des Kontollsystems der Konvention

Anlage 4 zum Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarates für die Zeit vom 01.07. - 31.12.2004

Im Jahr 2004 hat das Komitee der Ministerbeauftragten zu 24 Empfehlungen des Kongresses der Gemeinden und Regionen Antworten gegeben. (Das Zahlenmaterial hierzu ist nur jährlich verfügbar.)