Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Pauschalreisevertragsrecht

Der Bundesrat hat in seiner 990. Sitzung am 5. Juni 2020 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zum Gesetzentwurf insgesamt

Der Bundesrat stellt fest, dass Verbraucherinnen und Verbraucher sich gerade in Krisenzeiten darauf verlassen können müssen, dass die ihnen zustehenden Rechte nicht ausgehebelt werden. Insofern begrüßt der Bundesrat, dass der vorliegende Gesetzentwurf zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Pauschalreisevertragsrecht die in diesem Rechtsbereich bestehenden Verbraucherrechte nicht in Frage stellt. Das Gesetz gewährleistet einen fairen Interessenausgleich auf Basis dessen die betroffenen Reisenden zwischen einer Rückerstattung des gezahlten Reisepreises entsprechend § 651h BGB oder einem gegen Insolvenz abgesicherten Gutschein wählen können.

Begründung:

Gemäß der Richtlinie (EU) Nr. 2015/2302 des Europäischen Parlaments und des Rates haben die Reisenden, wenn eine Pauschalreise wegen "unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstände" annulliert wird, Anspruch auf eine volle Rückerstattung aller geleisteten Zahlungen, die unverzüglich und in jedem Fall 14 Tage nach Beendigung des Vertrages erfolgen muss. Dass der Reiseveranstalter den Reisenden in Fällen der aufgrund der COVID-19-Pandemie annullierten Pauschalreiseverträge, die vor dem 8. März 2020 geschlossen wurden, eine Erstattung in Form eines Gutscheines anbieten kann, ist eine Lösung, die die Liquidität der Reiseunternehmen sicherstellt. Aus Sicht des Verbraucherschutzes ist dies aber nur zu begrüßen, wenn es dem Reisenden freisteht, stattdessen seinen Anspruch auf Rückerstattung geleisteter Zahlung geltend zu machen. Dies ist mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gelungen.

2. Zu Artikel 1 (Artikel 240 § 5 Absatz 1 Satz 1 EGBGB)

In Artikel 1 sind in Artikel 240 § 5 Absatz 1 Satz 1 die Wörter "einen Reisegutschein" durch die Wörter "nach Maßgabe dieser Vorschrift einen gegen die Insolvenz des Reiseveranstalters besonders abgesicherten Gutschein (Reisegutschein)" zu ersetzen.

Begründung:

Bei der in Artikel 240 § 5 Absatz 1 Satz 1 EGBGB genannten Möglichkeit des Reiseveranstalters, dem Reisenden anstatt der Rückerstattung des vorausgezahlten Reisepreises einen Gutschein anzubieten, handelt es sich zivilrechtlich betrachtet um eine Selbstverständlichkeit, da die Vertragsparteien eine solche Vereinbarung grundsätzlich bereits im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit treffen können. Die Besonderheit der Vorschrift besteht darin, dass der Reiseveranstalter darüber hinaus "ermächtigt" wird, dem Reisenden einen Gutschein zu erteilen, der einer zusätzlichen staatlichen Insolvenzabsicherung unterliegt. Für diesen Gutschein gelten zum Teil zwingende Vorgaben, wie etwa die kraft Gesetzes begrenzte Gültigkeitsdauer nach Absatz 4. Diese Eingriffe in die Privatautonomie sind durch die staatliche Sicherungszusage, von der beide Vertragsparteien profitieren, gerechtfertigt.

Durch die obige Legaldefinition soll klargestellt werden, dass mit "Reisegutschein" im Sinne der Vorschrift nur die besonders abgesicherten Gutscheine gemeint sind und dass die speziellen Vorgaben nur für diese Art von Gutscheinen gelten, die Vertragsfreiheit im Übrigen aber unberührt bleibt.

3. Zu Artikel 1 (Artikel 240 § 5 Absatz 1 Satz 2 EGBGB)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die in Artikel 240 § 5 Absatz 1 Satz 2 EGBGB vorgesehene Einschränkung der Verweisungsmöglichkeit auf einen Gutschein auf die Fälle auszuweiten ist, in denen der Reisende bereits einen rechtskräftigen Zahlungstitel hierüber erlangt hat.

Begründung:

Es dürfte geboten sein, die in Artikel 240 § 5 Absatz 1 Satz 2 EGBGB vorgesehene Einschränkung der Verweisungsmöglichkeit auf einen Gutschein - derzeit nur bei bereits erfolgter Rückzahlung des Reisepreises - auch auf die Fälle zu erstrecken, in denen der Reisende bereits einen rechtskräftigen Zahlungstitel gegen den Reiseveranstalter erwirkt hat. Sonst wäre zu befürchten, dass im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsversuchs der Reiseveranstalter die Möglichkeit des Gutscheins einwenden könnte, so dass dann wahrscheinlich der Vollstreckungsversuch abgebrochen werden müsste und damit die Zwangsvollstreckung zumindest verzögert werden könnte. In diesen Fällen bedarf es der Privilegierung des Reiseveranstalters nicht.

4. Zu Artikel 1 (Artikel 240 § 5 Absatz 3 Nummer 4 EGBGB)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die in Artikel 240 § 5 Absatz 3 Nummer 4 EGBGB bislang erst mit Ausstellung des Gutscheins vorgesehene Belehrungspflicht über den Umfang der Insolvenzabsicherung nicht bereits mit dem Angebot des Reisegutscheins erfolgen sollte und ob diese Belehrung nicht einen gesondert hervorgehobenen Hinweis dazu enthalten sollte, dass von der Insolvenzabsicherung allein der bereits geleistete Reisepreis, nicht aber womöglich im Rahmen des Gutscheinangebots unterbreitete Zusatzleistungen mitumfasst sind.

Begründung:

Die in Artikel 240 § 5 Absatz 3 Nummer 4 EGBGB vorgesehenen Hinweispflichten sind nach dem Gesetzentwurf erst auf dem Gutschein zu vermerken. Insoweit dürfte es aber geboten sein, den Reisenden vor der Entscheidung über die Annahme des Angebots insoweit abschließend zu informieren, da insbesondere die Insolvenzabsicherung nicht den gesamten Gutscheinwert umfassen muss. Diese Frage dürfte für die Entscheidungsfindung des Reisenden von ganz erheblicher Bedeutung sein.

Nach der Entwurfsfassung genügt zudem (nur) der Verweis auf Absatz 6. Hier besteht die Gefahr, dass der Reisende, der einen Gutschein mit Zusatzleistungen angeboten bekommt, der also neben der reinen Vorauszahlungssumme auch Bonusleistungen wie etwa ein weiteres Reiseguthaben enthält, nicht erkennt, dass dieser Teil gerade nicht von der Insolvenzabsicherung mitumfasst ist.

Der Reisende, der nach derzeitiger Entwurfsfassung im Rahmen des Angebots noch nicht zwingend über Inhalt und Umfang der Insolvenzabsicherung hinzuweisen ist, könnte sich deshalb veranlasst fühlen, mangels Kenntnis allein schon deshalb dem Gutschein den Vorzug zu geben.

Daraus resultiert die Anregung, die Belehrung schon im Rahmen des Angebots vorzusehen und dabei eine gesonderte Belehrung über den tatsächlichen Umfang der Insolvenzabsicherung gut erkennbar zu leisten.

5. Zu Artikel 1 (Artikel 240 § 5 Absatz 5 EGBGB)

Der Bundesrat weist aber darauf hin, dass die Formulierung in Artikel 240 § 5 Absatz 5 EGBGB nicht hinreichend deutlich macht, dass nach Ablauf der Geltungsdauer des Gutscheins die Auszahlung der geleisteten Vorauszahlungen durch den Reiseveranstalter an die Betroffenen nach dem Rechtsgedanken des § 651h BGB zu erfolgen hat, also innerhalb von 14 Tagen nach Ablauf der Geltungsdauer. Der Bundesrat bittet, dies daher unmittelbar im Gesetz analog den Ausführungen in der Begründung zu Absatz 5 klarzustellen.

Begründung:

Der vorliegende Gesetzentwurf führt in seinem Artikel 240 § 5 Absatz 5 EGBGB aus, dass der Reisende vom Reiseveranstalter die unverzügliche Erstattung geleisteter Vorauszahlungen verlangen kann, wenn er den Gutschein innerhalb des Gültigkeitszeitraums nicht eingelöst hat. Die Begründung zum Gesetzentwurf stellt hingegen klar, dass der Reiseveranstalter zur Auszahlung des Gutscheins nach dem Rechtsgedanken des § 651h Absatz 5 BGB also innerhalb von 14 Tagen nach Ablauf der Gültigkeitsdauer verpflichtet ist. Dies sollte auch entsprechend deutlich im Gesetzestext formuliert werden, denn aus Sicht des Verbraucherschutzes ist es für die betroffenen Reisenden unzumutbar, nach Ablauf des Gültigkeitszeitraums noch aktiv ihre Erstattung gegenüber dem Reiseveranstalter einzufordern, dem sie die Aussetzung der Erstattungspflicht auf freiwilliger Basis bis zu einem fixen Enddatum gewährt haben.

6. Zur Übertragbarkeit der Gutscheine

Um dazu beizutragen, die Gutscheine zu einer attraktiven und zuverlässigen Alternative zur Erstattung geleisteter Zahlungen für Verbraucherinnen und Verbraucher zu machen, bittet der Bundesrat zu erwägen, ob die Gutscheine ohne zusätzliche Kosten auf einen anderen Reisenden übertragbar sein sollten und dass durch die Veranstalter sichergestellt werden sollte, dass die Gutscheine den Reisenden eine Dienstleistung in gleichwertiger Qualität gewährleisten wie der annullierte Pauschalreisevertrag.

Begründung:

Wenn Gutscheine als Alternative zur Kostenerstattung attraktiver gemacht würden, würde dies ihre Akzeptanz bei Betroffenen steigern und dazu beitragen, die Liquiditätsprobleme von Reiseveranstaltern abzufedern. Letztlich würde dies auch zu einem besseren Schutz der Interessen der Reisenden führen. Aus diesem Grund sollten die Gutscheine kostenlos übertragbar sein, um es so Verbraucherinnen und Verbrauchern zu ermöglichen, den Gutschein zu übertragen, sollten sie aufgrund ihrer Einnahmesituation zu einem späteren Zeitpunkt selbst von einer Reise Abstand nehmen wollen. Zudem würden Reisende Ersatzangebote eher akzeptieren, wenn die Werthaltigkeit der Erstattungsansprüche beim Gutschein durch eine Reise gleicher Qualität wie die ursprünglich gebuchte Reise gewährleistet wäre.