Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Stellungnahme der Europäischen Kommission zu dem Beschluss des Bundesrates zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Zivilluftfahrt und zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates

C(2016) 3708 final

Brüssel, 15.6.2016

Sehr geehrter Herr Präsident,
Die Kommission dankt dem Bundesrat für seine Stellungnahme zum Vorschlag für eine Verordnung zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Zivilluftfahrt und zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 (COM (2015) 613 final).

Dieser vorgeschlagene Rechtsakt ist Teil der Luftverkehrsstrategie für Europa, die Wachstum und Innovation fördern sowie für die Passagiere das Fliegen sicherer, umweltfreundlicher und günstiger machen soll. Die Strategie leistet einen direkten Beitrag zu den folgenden Prioritäten der Kommission:

"Arbeitsplätze und Wachstum", "Digitaler Binnenmarkt", "Energieunion" und "EU als globaler Akteur".

Der obengenannte Vorschlag zielt darauf ab, den Rechtsrahmen der Union für die Flugsicherheit für die Herausforderungen der nächsten 10 bis 15 Jahre tauglich zu machen.

Zu diesem Zweck ist darin vorgesehen, Vereinfachungen vorzunehmen und das Regulierungssystem verhältnismäßiger zu gestalten. Damit Sicherheitsrisiken besser erkannt werden können, wird verstärkt auf kooperative Sicherheitsmanagementprozesse gesetzt. Es wird für die Schließung von Lücken im Regulierungssystem und für mehr Einheitlichkeit gesorgt. Mit dem vorgeschlagenen Rechtsakt wird die reibungslose Einbeziehung neuer Technologien und Marktentwicklungen in den Regulierungsrahmen begünstigt und auf diese Weise ein Innovationsschub ausgelöst. Nicht zuletzt werden auch Instrumente zur effizienteren Gestaltung des Flugsicherheitssystems bereitgestellt.

Die Kommission begrüßt, dass der Bundesrat die Ziele des Vorschlags, insbesondere die Gewährleistung hoher Sicherheits- und Umweltschutzstandards sowie der Effizienz und der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Zivilluftfahrt, grundsätzlich unterstützt. Allerdings nimmt sie auch die Bedenken ernst, die der Bundesrat vor allem hinsichtlich der vorgeschlagenen Ausweitung des Anwendungsbereichs der Verordnung, der Übertragung von Zuständigkeiten auf die Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit (EASA) und die Nutzung delegierter Rechtsakte vorgebracht hat. Die Kommission möchte diese Gelegenheit ergreifen, um in der Anlage dieses Schreibens einige Punkte zu erläutern.

Herr Stanislaw TILLICH
Präsident des Bundesrates
Leipziger Straße 3-4
D -11055 Berlin

Die vorliegenden Ausführungen stützen sich auf den von der Kommission vorgelegten ersten Vorschlag, mit dem sich das Europäische Parlament und der Rat, in dem die deutsche Bundesregierung vertreten ist, derzeit im Gesetzgebungsverfahren befassen.

Die Kommission hofft, dass die in der Stellungnahme des Bundesrates aufgeworfenen Fragen mit diesen Ausführungen geklärt werden konnten und sieht der Fortsetzung des politischen Dialogs erwartungsvoll entgegen.

Mit freundlichen Grüßen

ANLAGE

Die Kommission hat alle in der Stellungnahme des Bundesrates aufgeworfenen Fragen sorgfältig geprüft und möchte folgende Anmerkungen machen.

Zu den Kapazitäten der zuständigen nationalen Behörden:

Der von der Kommission vorgeschlagene Rechtsakt zielt - ohne einen bestimmten Mitgliedstaat ins Auge zu fassen - darauf ab, den Herausforderungen, mit denen einige nationale Behörden konfrontiert sind, zu begegnen, indem die für die vorgeschriebenen Zertifizierungs- und Aufsichtsaufgaben erforderlichen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden

Zu der Erkenntnis, dass solche Herausforderungen im Rahmen des Systems für die Flugsicherheit in der Zivilluftfahrt bestehen, gelangte die Kommission auf der Grundlage von öffentlichen Konsultationen, Konsultationen von Interessenträgern und Studien.

Zu Artikel 2 Absatz 7:

Die Kommission hat sich dafür entschieden, dass Mitgliedstaaten kleinen Flugplätzen nur nach vorheriger Genehmigung der Kommission eine Ausnahme gewähren dürfen, damit das Vorgehen für alle "Optin"- oder "Optout"-Bestimmungen dieser vorgeschlagenen neuen Verordnung einheitlich ist. Ein solches Vorgehen wird auch dazu beitragen, die Rechtssicherheit für Flugplatzbetreiber und andere Interessenträger zu erhöhen. Die Kommission hat dabei auch berücksichtigt, dass bereits eine Reihe von Ausnahmen nach den Vorschriften der derzeit geltenden Verordnung (EG) Nr. 216/2008 gewährt wurden, die von der vorgeschlagenen Bestimmung nicht betroffen wären.

Zur Änderung von Anhängen durch delegierte Rechtsakte:

Änderungen oder Ergänzungen von Anhängen der vorgeschlagenen neuen Verordnung können auf zweierlei Weise vorgenommen werden: Entweder im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens oder indem die Kommission befugt wird, dafür delegierte Rechtsakte zu erlassen. Ob es sich bei den Vorschriften der Anhänge II bis IX um wesentliche Vorschriften im Sinne der Verträge handelt, ist unabhängig von den Überschriften dieser Anhänge, die bereits in der derzeit geltenden Verordnung (EG) Nr. 216/2008, also noch vor der Einführung delegierter Rechtsakte, festgelegt wurden; maßgeblich ist vielmehr der Inhalt dieser Anhänge. Die Kommission räumt zwar ein, dass es dem Unionsgesetzgeber obliegt zu entscheiden, ob und in welchem Umfang der Kommission innerhalb der Grenzen des Vertrags Befugnisse zum Erlass delegierter Rechtsakte übertragen werden können, ist aber der Auffassung, dass in diesen Anhängen Detailfragen geregelt sind, die Änderungen nach Maßgabe technologischer Entwicklungen oder gesammelter Erfahrungen unterliegen. Wenn diese Anhänge durch delegierte Rechtsakte geändert werden können, könnte so schnell reagiert werden, wie es die Branche und andere Nutzer erwarten. Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren scheint hierzu jedoch weniger geeignet.

Zu Artikel 29 - Bodenabfertigungsdienste:

Die Kommission teilt den Standpunkt des Bundesrates, dass die Einführung von grundlegenden Anforderungen für Bodenabfertigungsdienste nicht zu Doppelarbeit führen sollte. Die gemeinsamen Anforderungen sollten sich auf anerkannte Industriestandards und bewährte Verfahren stützen. Die Kommission hat dennoch beschlossen,

Sicherheitsanforderungen einzuführen, die direkt für Dienstleister gelten, die Bodenabfertigungsdienste erbringen, da die Sicherheitslage durch rein freiwillige Initiativen nicht merklich verbessert werden konnte. Unfälle in dieser Branche stellen nach wie vor die viertgrößte Kategorie von Unfällen dar, an denen Flugzeuge beteiligt sind, deren Betreiber seit zehn Jahren in einem EU-Mitgliedstaat oder einem Mitgliedstaat der Europäische Freihandelsassoziation (EFTA) niedergelassen oder ansässig ist oder dort seine Hauptgeschäftssitz hat.

Zu Artikel 52:

Was den Vorschlag zur Einführung eines europäischen Pools von Inspektoren betrifft, würde die Kommission gerne klarstellen, dass die Teilnahme an einem solchen Pool für die Mitgliedstaaten freiwillig sein soll. Das gilt sowohl für die Benennung von Inspektoren für den Pool als auch für die Möglichkeit, den Mechanismus für nationale Zertifizierungs- und Aufsichtstätigkeiten in Anspruch zu nehmen.

Zu Artikel 53 Absatz 2:

Die Übertragung von Zuständigkeiten von einem Mitgliedstaat auf einen anderen Mitgliedstaat ist ein weiteres freiwilliges Instrument, das die Kommission zur Förderung einer besseren Nutzung der Ressourcen innerhalb des EU-Flugsicherheitssystems vorgeschlagen hat. Kein Mitgliedstaat wäre dazu verpflichtet, einer solchen Übertragung zuzustimmen.

Zu Artikel 55:

Analog zu den vorstehenden Erläuterungen zu den Kapazitäten der zuständigen nationalen Behörden möchte die Kommission mit dem Vorschlag eines Notaufsichtsmechanismus keineswegs einen bestimmten Mitgliedstaat ins Visier nehmen. Der vorgeschlagene Notaufsichtsmechanismus würde nur als letztes Mittel in Fällen in Anspruch genommen, in denen die Alternative darin bestünde, den Betrieb im jeweiligen Fall vollständig einzustellen. Somit würde durch den Notaufsichtsmechanismus sichergestellt, dass die Branche den Betrieb unter der Aufsicht der EASA als zuständige Behörde aufrechterhält, während der Mitgliedstaat die zugrunde liegenden Probleme bei der Aufsicht über die Flugsicherheit behebt. Dieser Mechanismus würde ausschließlich in dem Bereich, in dem die Mängel aufgetreten sind, und lediglich vorübergehend zur Anwendung kommen.

Zu Artikel 76:

Die Kommission betont, dass Artikel 76 Absatz 2 des vorgeschlagenen Rechtsakts nicht zur Folge hat, dass die Zuständigkeiten der Kommission gemäß der Verordnung (EG) Nr. 300/2008 auf die EASA übertragen werden. Mit dieser Bestimmung erhält die Kommission lediglich die Möglichkeit, die EASA in Fragen um Unterstützung zu ersuchen, in denen die Agentur einschlägiges Fachwissen vorweisen kann. Solches Fachwissen kann insbesondere dann nützlich sein, wenn Interdependenzen zwischen der Flugsicherheit und der Luftsicherheit bestehen.

Was die unverzügliche Durchführung von Maßnahmen nach Artikel 76 Absatz 3 angeht, so kann die EASA die vorgesehenen Verfahren innerhalb kurzer Zeit erledigen, um angemessen reagieren zu können.